Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Klaus Adelt SPD vom 05.10.2017 Wettbewerbsverzerrung durch Amazon? Ich frage die Staatsregierung: 1. Seit wann ist der Staatsregierung bekannt, dass bei Amazon im Gegensatz zu anderen Onlineversandhändlern oder Auktionsbörsen FBA-Händler („Fulfillment by Amazon“) aus dem asiatischen Raum keine Umsatzsteuer ausweisen? 2. Wie viele Steuergelder gingen dem bayerischen Fiskus in den letzten fünf Jahren dadurch schätzungsweise verloren (bitte aufgeschlüsselt pro Jahr)? 3. Inwieweit hat die Staatsregierung bisher versucht, auf Amazon einzuwirken, damit der Onlineversandhändler von seinen FBA-Händlern die Ausweisung einer deutschen Steuernummer einfordert? 4. Inwieweit hat die Staatsregierung bisher versucht, auf Amazon einzuwirken, die Herstellerangaben bzw. Angaben des jeweiligen Handelspartners transparenter zu gestalten? 5. Inwieweit kann gegenüber dem Onlineversandhandel Amazon die Einhaltung der gegenwärtig geltenden Rechtslage zu Produktsicherheit und Umweltrecht bei Handelsgütern durchgesetzt werden? 6. Welche Auswirkungen hat diese Wettbewerbsverzerrung aus Sicht der Staatsregierung auf den bayerischen (Online-)Handel? Antwort des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat im Benehmen mit dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutzvom 07.11.2017 1. Seit wann ist der Staatsregierung bekannt, dass bei Amazon im Gegensatz zu anderen Onlineversandhändlern oder Auktionsbörsen FBA-Händler („Fulfillment by Amazon“) aus dem asiatischen Raum keine Umsatzsteuer ausweisen? Versandhandelsgeschäfte von Anbietern aus Drittstaaten (außerhalb der EU) über große Onlinehandelsplattformen als sog. Fulfillment-Dienstleister unterliegen der deutschen Umsatzsteuer. Ihr Sitz im Ausland erschwert die Überprüfung der genauen Identität und der in Deutschland zu zahlenden Steuern. Die Staatsregierung hat diese Entwicklung bereits aufgegriffen und am Standort Zwiesel des Landesamts für Steuern das Kompetenzzentrum E-Commerce der Sondereinheit Zentrale Steueraufsicht (SZS) personell und technisch ausgebaut und zur Online-Taskforce weiterentwickelt. Sie soll das Umsatzsteueraufkommen im elektronischen Geschäftsverkehr überwachen und Steuerausfälle durch eine effektive Kontrolle verhindern. Weiter besteht auf Betreiben der Länder seit 2016 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die unter Beteiligung Bayerns Betrugstendenzen im Internethandel analysiert und mögliche Gegenmaßnahmen erarbeitet. Zudem haben die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder auf ihrer Jahrestagung am 19.05.2017 beschlossen, bis Herbst 2017 Gesetzesänderungen zu erarbeiten, um Umsatzsteuer-Vermeidungspraktiken beim Onlinehandel einzudämmen. Auf Initiative Bayerns wurde dabei der fachliche Prüfungsrahmen der eingesetzten Arbeitsgruppe um weitere organisatorische und gesetzgeberische Maßnahmen erweitert. Dazu gehören insbesondere ein einheitliches maschinenlesbares Impressum für alle Anbieter im In- und Ausland, erweiterte Sanktionsmöglichkeiten des Fiskus bis hin zur Abschaltung von Webseiten, der Ausbau und die Verbesserung der Amtshilfe mit Drittstaaten sowie die beschleunigte Umsetzung benötigter IT-Verfahren durch den Bund. Entsprechende Gesetzesänderungen sind auf Bundesebene , aber auch EU-weit anzustoßen. Nur eine einheitliche EU-weite Lösung verhindert systematische Steuerausfälle in ganz Europa. Einer dezidierten inhaltlichen Beantwortung der Fragen 1 bis 3 zum Umsatzsteuerverfahren der Firma Amazon steht das Steuergeheimnis entgegen. Die Schriftliche Anfrage befasst sich mit konkreten umsatzsteuerlichen Aspekten des Unternehmens Amazon. Das umsatzsteuerliche Verfahren unterliegt vollumfänglich dem Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 06.06.2018 Drucksache 17/18914 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/18914 Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung. Dieses zu wahren, ist aufgrund des in Art. 100, 101 der Bayerischen Verfassung (BV) verankerten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, auf das sich auch juristische Personen berufen können, geboten. Wie natürlichen Personen steht auch juristischen Personen ein innerer Bereich des Geheimschutzes zu, der unter einen besonderen Schutz fällt und in den nur unter besonderen Voraussetzungen eingegriffen werden darf. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Teil dieses besonders schützenswerten inneren Bereichs. Dem gegenüber steht der parlamentarische Anspruch, über die Tätigkeit der Verwaltung in angemessener Weise informiert zu werden. Dies gilt unter speziellen Umständen auch für den Bereich, der bei dem Steuerpflichtigen als besonders schützenswert gilt. Die Fragen nach konkreten umsatzsteuerlichen Umständen eines einzelnen Unternehmens – hier Amazon – berühren unzweifelhaft dessen inneren Bereich und betreffen dessen Geheimschutzrechte. Hinweise, dass Fragen nach den konkreten umsatzsteuerlichen Aspekten einen Eingriff in diese Sphäre des Steuerpflichtigen rechtfertigen, sind nicht erkennbar. Jedenfalls rechtfertigt die grundsätzlich aufgezeigte Problematik nicht die Durchbrechung des Steuergeheimnisses für einzelne Steuerpflichtige. Daher steht der Beantwortung der Fragen 1 bis 3 das Steuergeheimnis entgegen. 2. Wie viele Steuergelder gingen dem bayerischen Fiskus in den letzten fünf Jahren dadurch schätzungsweise verloren (bitte aufgeschlüsselt pro Jahr)? Entsprechende Zahlen bzw. Aufzeichnungen liegen nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 hingewiesen. 3. Inwieweit hat die Staatsregierung bisher versucht, auf Amazon einzuwirken, damit der Onlineversandhändler von seinen FBA-Händlern die Ausweisung einer deutschen Steuernummer einfordert? Auf die Antwort zu Frage 1 wird hingewiesen. 4. Inwieweit hat die Staatsregierung bisher versucht, auf Amazon einzuwirken, die Herstellerangaben bzw. Angaben des jeweiligen Handelspartners transparenter zu gestalten? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. Auf die Antwort zu Frage 1 wird hingewiesen. 5. Inwieweit kann gegenüber dem Onlineversandhandel Amazon die Einhaltung der gegenwärtig geltenden Rechtslage zu Produktsicherheit und Umweltrecht bei Handelsgütern durchgesetzt werden ? Im Onlinehandel wird von den Marktüberwachungsbehörden die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen durch die Wirtschaftsakteure ebenso überwacht wie im herkömmlichen Handel. Welche Verpflichtungen dabei von Amazon im Einzelfall zu erfüllen sind und welche dementsprechend überwacht und durchgesetzt werden können, hängt dabei entscheidend davon ab, in welcher Weise Amazon tätig wird und als welche Art von Wirtschaftsakteur Amazon auftritt. Dies kann von Händlerpflichten bis hin zu Herstellerpflichten , die einzuhalten sind und auch von den zuständigen Behörden durchgesetzt werden können, reichen. Denkbar ist aber auch ein bloßes Zurverfügungstellen einer Vertriebsplattform , die von anderen als Händlern genutzt wird. Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung als Normadressat wurde Amazon über seine bestehenden gesetzlichen Pflichten hinaus in der Vergangenheit, z. B. Beispiel im Bereich Produktsicherheit, Energieeffizienz oder Chemikalienrecht, als reiner Plattformbetreiber dergestalt aktiv, dass nichtkonforme Produkte aus dem Angebotssortiment genommen wurden. Allgemein kann gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) die Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung darstellen. Marktverhaltensregeln in diesem Sinn können auch Vorschriften sein, die die Produktsicherheit betreffen. Nach der Rechtsprechung liegt ein unlauteres Verhalten beispielsweise vor, wenn ein Händler Elektrogeräte ohne die gesetzlich vorgeschriebene CE-Kennzeichnung anbietet . Entsprechendes gilt z. B. auch bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen über die Auszeichnung des Energieverbrauchs von Haushaltsgeräten. Im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften des UWG können Mitbewerber, bestimmte rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, qualifizierte Verbraucherverbände sowie die Industrie- und Handelskammern oder die Handwerkskammern den Verletzer auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch nehmen, was zunächst im Wege der (kostenpflichtigen ) Abmahnung geschehen soll (§ 8 Abs. 1 und 3, § 12 Abs. 1 UWG). Ein Mitbewerber kann darüber hinaus bei einem zumindest fahrlässigen Verstoß auch den Ersatz eines durch die unlautere Handlung erlittenen Schadens verlangen (§ 9 UWG). 6. Welche Auswirkungen hat diese Wettbewerbsverzerrung aus Sicht der Staatsregierung auf den bayerischen (Online-)Handel? Zu den Auswirkungen auf den bayerischen Handel, ob stationär oder online, liegen keine Erkenntnisse vor.