Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.04.2014 Bayerische Biodiversitätsstrategie I Am 1. April 2008 beschloss der Ministerrat die Bayerische Biodiversitätsstrategie. Genannt wurden vier zentrale Ziele: – Sicherung der Arten- und Sortenvielfalt – Erhaltung der Vielfalt der Lebensräume – Verbesserung der ökologischen Durchlässigkeit von Wanderbarrieren wie Straßen, Schienen und Wehre – Vermittlung und Vertiefung von Umweltwissen Hierzu wurden drei ressortübergreifende Arbeitsgruppen eingerichtet: – Arbeitsgruppe „Biodiversität und Entwicklung, Infrastruk- tur und Wasserwirtschaft“ – Arbeitsgruppe „Biodiversität in Land- und Forstwirtschaft“ – Arbeitsgruppe „Biodiversität in Bildung und Forschung“ Am 1. April 2014 hieß es in der Pressemitteilung Nr. 86 der Bayerischen Staatskanzlei, Umweltminister Marcel Huber bereite das „Biodiversitätsprogramm Bayern 2030“ vor, die der Biodiversitätsstrategie „neue Schubkraft“ verleihen solle. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Aus wie vielen Mitgliedern welcher Ministerien setzten sich die einzelnen Arbeitsgruppen zusammen? b) Wie oft haben die einzelnen Arbeitsgruppen getagt? 2. a) Welche konkreten Vorschläge haben die einzelnen Arbeitsgruppen erarbeitet? b) Welche konkreten Ziele sollten mit den einzelnen Vorschlägen erreicht werden? 3. a) Welche Vorschläge wurden realisiert? b) Welche der angestrebten Ziele wurden erreicht? c) Welche der angestrebten Ziele wurden aus welchen Gründen nicht erreicht? 4. Welche Vorschläge wurden aus welchen Gründen nicht realisiert? 5. a) Bei wie vielen und welchen „der Rote-Liste-Arten (hat) sich die Gefährdungssituation um wenigstens eine Stufe“ (Zitat: „Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern“, Bayer. Umweltministerium) seit 2008 verbessert? b) Bei wie vielen und welchen der Rote-Liste-Arten hat sich seit 2008 die Gefährdungssituation um wenigstens eine Stufe verschlechtert? c) Um welche Arten handelt es sich hierbei, und was sind die Gründe für die Verschlechterung der Gefährdungssituation ? 6. a) Wie viele heimische Arten gibt es in Bayern? b) Für wie viel Prozent der heimischen Arten gibt es Bestandserhebungen und Erkenntnisse über die Bestandsentwicklung ? 7. Wie hat sich der Gefährdungszustand der Arten, von denen es in der Broschüre des Umweltministeriums von 2008 heißt, sie stünden kurz vor der Aufnahme in die Rote Liste, seither verändert (bitte detaillierte Angaben für jede Art)? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 07.05.2014 1. a) Aus wie vielen Mitgliedern welcher Ministerien setzten sich die einzelnen Arbeitsgruppen zusammen ? Die Arbeitsgruppe „Biodiversität und Entwicklung, Infrastruktur und Wasserwirtschaft“ besteht aus insgesamt 15 bis 20 Mitgliedern der Ressorts StMI, StMELF, StMWI und StMUV. Die Arbeitsgruppe „Biodiversität in Land- und Forstwirtschaft “ besteht aus insgesamt 20 bis 25 Mitgliedern der Ressorts StMELF und StMUV. Die Arbeitsgruppe „Biodiversität in Bildung und Forschung “ besteht aus insgesamt 15 bis 20 Mitgliedern der Ressorts StMELF, StMWI, StMBW, StMFLH, StMAS und StMUV. An den Arbeitsgruppen waren auch Vertreter der Verbände , der Bayerischen Staatsforsten und nachgeordneter Stellen beteiligt. 1. b) Wie oft haben die einzelnen Arbeitsgruppen getagt ? Die Arbeitsgruppen haben je zweimal getagt. 2. a) Welche konkreten Vorschläge haben die einzelnen Arbeitsgruppen erarbeitet? Die Arbeitsgruppen haben eine Vielzahl unterschiedlicher, interner Vorschläge erarbeitet, die zwischen den Interessengruppen nicht abschließend abgestimmt wurden und deshalb hier nicht einzeln aufgeführt werden. b) Welche konkreten Ziele sollten mit den einzelnen Vorschlägen erreicht werden? Die einzelnen Vorschläge dienen der Umsetzung der Ziele, die in der Bayerischen Biodiversitätsstrategie enthalten sind. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 13.06.2014 17/1896 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1896 3. a) Welche Vorschläge wurden realisiert? b) Welche der angestrebten Ziele wurden erreicht? c) Welche der angestrebten Ziele wurden aus wel- chen Gründen nicht erreicht? Ab 2009 wurde geprüft, wie die Ziele der Biodiversitätsstrategie mit den unverbindlichen Vorschlägen der Arbeitsgrupe von den unterschiedlichen amtlichen und ehrenamtlichen Akteuren im Naturschutz mit der vorhandenen Mittel- und Personalausstattung umgesetzt werden können. Im Rahmen der vorläufigen Halbzeitbewertung der 2020-Ziele hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein spezielles Biodiversitätsprogramm zur Stärkung der Umsetzung erforderlich ist, um die Ziele zu erreichen und möglichst viele Vorschläge berücksichtigen zu können. 4. Welche Vorschläge wurden aus welchen Gründen nicht realisiert? Siehe Antwort zu Nr. 3. 5. a) Bei wie vielen und welchen „der Rote Liste-Arten (hat) sich die Gefährdungssituation um wenigstens eine Stufe“ (Zitat: „Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Bayern“, Bayer. Umweltministerium ) seit 2008 verbessert? Eine quantitative Bilanz zur Veränderung der Gefährdungssituation bedrohter Arten ist in der Bayerischen Biodiversitätsstrategie (S. 12, Nr. 7.1) frühestens für 2020 vorgesehen. Bekannte Einzelfälle mit realen, nicht methodisch oder wissensbedingten Änderungen der Gefährdungseinstufung seit dem Bearbeitungsstand der Roten Liste gefährdeter Tiere bzw. Gefäßpflanzen Bayerns (2003) werden nachfolgend genannt. Diese Arten werden sich voraussichtlich in der Einstufung um mindestens eine Gefährdungskategorie Rote Liste verbessern: Kleine Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus), Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus caerulans), Sumpfschrecke (Stethophyma grossum), Kurzschwänziger Bläuling (Cupido argiades). Besonders hervorzuheben sind Große Hufeisennase, Wiesenweihe, Wanderfalke, und Glücks-Widderchen (Zygaena fausta), die aufgrund erfolgreicher Artenhilfsprogramme voraussichtlich abgestuft bzw. sogar aus der Roten Liste entnommen werden . Eine Fortschreibung für Teile der Roten Liste gefährdeter Tiere Bayerns ist für 2015 geplant. b) Bei wie vielen und welchen der Rote-Liste-Arten hat sich seit 2008 die Gefährdungssituation um wenigstens eine Stufe verschlechtert? Verschlechtert hat sich die Bestandssituation bei Feldhamster , Ortolan, Wendehals, Wiesenpieper, Dukatenfalter (Lycaena virgaureae) und Rostbinde (Hipparchia semele). Gefährdungsbezogene Höherstufungen sind bei diesen Arten zu erwarten. Mit der Mond-Azurjungfer (Coenagrion lunulatum ) wird voraussichtlich eine weitere Art in Bayern als verschollen eingestuft werden. c) Um welche Arten handelt es sich hierbei, und was sind die Gründe für die Verschlechterung der Gefährdungssituation ? Als Ursache des Aussterbens werden bei der Mond-Azurjungfer klimatische Veränderungen vermutet. Die Gründe für den fortgesetzten Rückgang von Dukatenfalter und Rostbinde sind nach Einschätzung von Experten unklar. Bei den übrigen genannten Arten ist es in erster Linie der Verlust und die Beeinträchtigung der Lebensräume. 6. a) Wie viele heimische Arten gibt es in Bayern? Die Zahl der in Bayern vorkommenden Tiere, Pflanzen, Pilze, Flechten und Mikroorganismen wird auf 80.000 geschätzt . b) Für wie viel Prozent der heimischen Arten gibt es Bestandserhebungen und Erkenntnisse über die Bestandsentwicklung? Für etwa 30% der Arten aus den o. g. 80.000 sind die Bestandserhebungen oder Erkenntnisse soweit ausreichend, dass eine Beurteilung im Sinne der gültigen Roten Listen (2003) möglich war. Allerdings beinhalten diese 30% auch eine Reihe von Spezies, die in den Roten Listen von Experten in die Kategorie D – also „Daten defizitär“ – eingestuft wurden. 7. Wie hat sich der Gefährdungszustand der Arten, von denen es in der Broschüre des Umweltministeriums von 2008 heißt, sie stünden kurz vor der Aufnahme in die Rote Liste, seither verändert (bitte detaillierte Angaben für jede Art)? Es wird davon ausgegangen, dass sich die Frage auf folgende Textpassage bezieht (Bayerische Biodiversitätsstrategie Kap. 4.4, Seite 5 unten): „Weitere 11% stehen vor einer Aufnahme in die Roten Listen“. Grundsätzlich gelten auch hierfür die Ausführungen zu Nr. 5. Die Entwicklungen sind bei den verschiedenen Taxa nicht einheitlich. Generell ist festzustellen, dass in der Normallandschaft die Artenvielfalt weiter abnimmt, während vor allem in Schutzgebieten und auf Flächen, auf denen Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden, die Artvorkommen eher stabil sind.