Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jürgen Mistol, Rosi Steinberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20.09.2017 Schutz von Baudenkmälern in Bayern Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Baudenkmäler stehen derzeit auf der Denkmalliste ? (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken ) b) Wie viele davon sind sanierungsbedürftig? c) Wie haben sich die Zahlen jeweils in den letzten 15 Jahren entwickelt? 2. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes (ehemalige Feldmüllersiedlung ) im Münchner Stadtteil Giesing (Obere Grasstraße 1)? b) Mit welchen rechtlichen Konsequenzen kann ein derartiges Vorgehen verbunden sein? 3. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, Baudenkmäler vor Verfall oder Abriss besser zu schützen? 4. a) Hält die Staatsregierung – insbesondere im Hinblick auf den wachsenden Baudruck in bayerischen Städten – eine Verschärfung der Sanktionen bei Verstößen gegen den Denkmalschutz für erforderlich? b) Hält es die Staatsregierung für zulässig, bei illegalen Abrissen den Bauherren aufzuerlegen, einen Neubau ausschließlich in der Kubatur des ursprünglichen Gebäudes zu realisieren? 5. a) In wie vielen Fällen wurden in den vergangenen 15 Jahren Sanktionen wegen Verstößen gegen das Denkmalschutzgesetz bei Baudenkmälern verhängt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Art der Verstöße) b) In welcher durchschnittlichen Höhe beliefen sich dabei die Geldbußen? c) In welchen Fällen wurden in den vergangenen 15 Jahren Baudenkmäler zugunsten des Staates oder einer anderen juristischen Person enteignet (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? 6. a) In wie vielen Fällen wurden in den letzten 15 Jahren Gebäude aus der Liste der Baudenkmäler gestrichen? b) Aus welchen Gründen ist dies jeweils geschehen? c) Wie viele dieser Baudenkmäler sind zwischenzeitlich abgerissen worden bzw. haben eine Abrissgenehmigung erhalten? 7. a) In welcher Höhe wurden in den vergangenen 15 Jahren staatliche Zuschüsse für die Erhaltung und Instandsetzung von Baudenkmälern gewährt (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Zuschüsse und Jahren)? b) Wie viele Baudenkmäler konnten mit den Geldern jeweils saniert werden? c) Wie hat sich die Zahl der Förderanträge für denkmalpflegerische Maßnahmen in den vergangenen 15 Jahren entwickelt? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst auf Grundlage entsprechender Informationen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und der Landeshauptstadt München. vom 13.11.2017 1. a) Wie viele Baudenkmäler stehen derzeit auf der Denkmalliste? (bitte aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken ) Derzeit sind ca. 110.000 (109.441) Baudenkmäler in die Denkmalliste, Teil A: Baudenkmäler eingetragen (Stand 16.10.2017). Davon sind ca. 109.000 (108.576) als Einzelbaudenkmäler und 873 als Mehrheiten von baulichen Anlagen (Ensembles) verzeichnet. Nach Bezirken aufgeschlüsselt ergeben sich folgende Zahlen: 1. Oberbayern: 27.930 Einzelbaudenkmäler, 235 Ensembles 2. Niederbayern: 10.735 Einzelbaudenkmäler, 87 Ensembles 3. Oberpfalz: 8791 Einzelbaudenkmäler, 81 Ensembles 4. Oberfranken: 13.894 Einzelbaudenkmäler, 104 Ensembles 5. Mittelfranken: 17.085 Einzelbaudenkmäler, 148 Ensembles 6. Unterfranken: 18.799 Einzelbaudenkmäler, 116 Ensembles 7. Schwaben: 11.332 Einzelbaudenkmäler, 102 Ensembles. b) Wie viele davon sind sanierungsbedürftig? Das Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) hat in einem mehrjährigen Projekt (Nachqualifizierung und Revision der Denkmalliste, 2006–2014) die in die Denkmalliste eingetragenen Bau- und Bodendenkmäler überprüft. Für die Prüfung der Einzelbaudenkmäler war dabei eine flächendeckende Begehung, die Begutachtung anhand der alten Listeneinträge , die Anfertigung von digitalen Fotos, eine hierarchisch aufgebaute Verschlagwortung (Thesaurierung) sowie die Präzisierung der Listentexte und die gebäudescharfe Kartierung der Objekte erforderlich. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/19004 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19004 Im Rahmen dieses Projekts wurde vonseiten des BLfD vom öffentlichen Raum aus auch ermittelt, ob die Gebäude Anzeichen für einen Leerstand aufweisen und damit einer besonderen Gefährdung unterliegen. Bis zum Projektabschluss 2014 zeigte sich, dass bei etwa 3.000 Einzelbaudenkmälern ein Leerstand festzustellen war (ca. 3 Prozent der eingetragenen Einzelbaudenkmäler in Bayern). In diesen Fällen besteht aus Sicht des BLfD ein erhöhter Instandsetzungsbedarf. c) Wie haben sich die Zahlen jeweils in den letzten 15 Jahren entwickelt? Seit der Erhebung im Rahmen des Projekts der Nachqualifizierung und Revision der Denkmalliste wurden durch das BLfD keine neuen Daten erhoben, da die vollständige Bereisung Bayerns zwischen 2006 und 2014 nur mit erheblichem Personalmehraufwand zu leisten war. 2. a) Wie beurteilt die Staatsregierung den Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes (ehemalige Feldmüllersiedlung ) im Münchner Stadtteil Giesing (Obere Grasstraße 1)? Die Zerstörung eines Einzelbaudenkmals von privater Hand in Kenntnis der Denkmaleigenschaft, nach Abstimmung eines Instandsetzungskonzepts und entgegen einer tags zuvor verhängten Baueinstellung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde wird von der Landeshauptstadt München und dem BLfD als besonders schwerer Fall eingeordnet. Dem ist beizupflichten. b) Mit welchen rechtlichen Konsequenzen kann ein derartiges Vorgehen verbunden sein? Maßgeblich ist der Bußgeldrahmen nach Bayerischem Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) und Bayerischer Bauordnung (BayBO). Bei der Bemessung der Geldbuße ist im konkreten Einzelfall nach den Grundsätzen des § 17 Abs. 2 bis 4 und § 19 Abs. 2 OWiG zu verfahren. Zudem kann gemäß Art. 15 Abs. 4 BayDSchG Wiedergutmachung gefordert werden. Die Beweiserhebung ist noch nicht abgeschlossen. Entsprechende Verfahren laufen. 3. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, Baudenkmäler vor Verfall oder Abriss besser zu schützen? Durch die abschreckende Wirkung der Sanktion im vorliegenden Einzelfall soll wirksam sichergestellt werden, dass dieses Vorgehen keine Nachahmer findet. Eine Möglichkeit hierzu ist neben dem zu verhängenden Bußgeld die Forderung eines kubaturgleichen Wiederaufbaus. 4. a) Hält die Staatsregierung – insbesondere im Hinblick auf den wachsenden Baudruck in bayerischen Städten – eine Verschärfung der Sanktionen bei Verstößen gegen den Denkmalschutz für erforderlich ? Die denkmalfachliche Auffassung des BLfD, das bei konsequenter Anwendung der unter Frage 2 b genannten rechtlichen Möglichkeiten das vorhandene Instrumentarium für ausreichend hält, wird geteilt. b) Hält es die Staatsregierung für zulässig, bei illegalen Abrissen den Bauherren aufzuerlegen, einen Neubau ausschließlich in der Kubatur des ursprünglichen Gebäudes zu realisieren? Dies entspricht der Regelung in Art. 15 Abs. 4 BayDSchG . 5. a) In wie vielen Fällen wurden in den vergangenen 15 Jahren Sanktionen wegen Verstößen gegen das Denkmalschutzgesetz bei Baudenkmälern verhängt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Art der Verstöße)? b) In welcher durchschnittlichen Höhe beliefen sich dabei die Geldbußen? Das StMBW führt hierzu keine Übersichten. Eine aktuelle Abfrage bei sämtlichen Unteren Denkmalschutzbehörden über einen Zeitraum von 15 Jahren kann im Rahmen der Bearbeitungsfrist nicht erfolgen. c) In welchen Fällen wurden in den vergangenen 15 Jahren Baudenkmäler zugunsten des Staates oder einer anderen juristischen Person enteignet (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren)? In dem Zeitraum ist kein Fall einer durchgeführten Enteignung bekannt. 6. a) In wie vielen Fällen wurden in den letzten 15 Jahren Gebäude aus der Liste der Baudenkmäler gestrichen ? b) Aus welchen Gründen ist dies jeweils geschehen? Grundsätzlich besitzt die Bayerische Denkmalliste einen nachrichtlichen Charakter, d. h. sie ist stets offen für Neuaufnahmen , Ergänzungen und Berichtigungen. Wird die Denkmaleigenschaft von baulichen oder archäologischen, von Menschen geschaffenen Objekten erstmals erkannt, erfolgt ein Nachtrag in die Denkmalliste im Benehmen mit der Gemeinde. Verluste von baulichen Anlagen, z. B. durch Abbruch, massive Überformung, oder von archäologischen Fundplätzen, z. B. durch Ausgrabung, führen dagegen dazu, dass eine Denkmaleigenschaft nicht mehr vorliegt. Dies führt zur Streichung der Objekte aus der Denkmalliste. Im Rahmen des Projekts der Nachqualifizierung und Revision der Denkmalliste (2006–2014) hat das Landesamt eine erhöhte Anzahl von Objekten ermittelt, die aufgrund von nicht mit den Denkmalschutzbehörden abgesprochenen baulichen Eingriffen derartig überprägt worden sind, dass sie ihre Denkmaleigenschaft als Einzelbaudenkmal verloren haben. Erst nach Abschluss des Projekts Nachqualifizierung und Revision der Denkmalliste sind die Zahlen für Streichungen aus der Denkmalliste repräsentativ. In den letzten 15 Jahren (ab 01.01.2002 bis 16.10.2017) lassen sich 9.972 Streichungen von Einzelbaudenkmälern ermitteln. Nach Bezirken aufgeschlüsselt ergeben sich folgende Zahlen: 1. Oberbayern: 2.818 2. Niederbayern: 2.348 3. Oberpfalz: 835 4. Oberfranken: 1.027 5. Mittelfranken: 1.282 6. Unterfranken: 614 7. Schwaben: 1.048 Nach Abschluss des Projektes der Nachqualifizierung ab 2015 (ab 01.01.2015 bis 16.10.2017) sind 1.066 Streichungen von Einzelbaudenkmälern notwendig geworden, d. h. ca. 350 pro Jahr. Drucksache 17/19004 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Nach Bezirken aufgeschlüsselt ergeben sich folgende Zahlen: 1. Oberbayern: 353 2. Niederbayern: 113 3. Oberpfalz: 183 4. Oberfranken: 83 5. Mittelfranken: 147 6. Unterfranken: 103 7. Schwaben: 84 Gegenüber den Streichungen in den letzten 15 Jahren (ab 01.01.2002 bis 16.10.2017) wurden aber auch 6.444 Einzelbaudenkmäler neu erkannt und in die Denkmalliste aufgenommen. Nach Bezirken aufgeschlüsselt ergeben sich folgende Zahlen: 1. Oberbayern: 1.734 2. Niederbayern: 482 3. Oberpfalz: 642 4. Oberfranken: 968 5. Mittelfranken: 979 6. Unterfranken: 995 7. Schwaben: 644 c) Wie viele dieser Baudenkmäler sind zwischenzeitlich abgerissen worden bzw. haben eine Abrissgenehmigung erhalten? Die Anzahl der vollzogenen Abbrüche von in die Denkmalliste eingetragenen, jedoch nicht mehr instandsetzungsfähigen Baudenkmälern kann ebenso wie die Anzahl der Abbrüche von zuvor aus der Denkmalliste gestrichenen Objekten jeweils nur von den zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörden für ihren Zuständigkeitsbereich ermittelt werden. Eine aktuelle Abfrage bei sämtlichen Unteren Denkmalschutzbehörden über einen Zeitraum von 15 Jahren würde eine deutlich längere Bearbeitungsfrist erfordern. 7. a) In welcher Höhe wurden in den vergangenen 15 Jahren staatliche Zuschüsse für die Erhaltung und Instandsetzung von Baudenkmälern gewährt (bitte aufgeschlüsselt nach Art der Zuschüsse und Jahren )? b) Wie viele Baudenkmäler konnten mit den Geldern jeweils saniert werden? Für die Zuwendungen des BLfD zur Erhaltung, Sicherung und Instandsetzung von Denkmälern im Sinne des Denkmalschutzgesetzes (Titelgruppe 75) kann im Rahmen der Bearbeitungsfrist eine aussagefähige Statistik erst ab dem Jahr 2009 vorgelegt werden: Jahr Anzahl Bewilligungen Summe Bewilligungen in Mio. € 2009 1182 8,4 2010 1204 8,6 2011 1203 7,9 2012 1224 8,1 Jahr Anzahl Bewilligungen Summe Bewilligungen in Mio. € 2013 1008 6,2 2014 1191 6,4 2015 1356 7,8 2016 1318 7,0 Die entsprechenden Angaben für den Bereich des Entschädigungsfonds der vergangenen 15 Jahre stellen sich wie folgt dar: Jahr Anzahl Bewilligungen Summe Bewilligungen in Mio. € 2002 76 19,1 2003 102 26,5 2004 129 32,9 2005 102 33,8 2006 87 22,2 2007 119 37,1 2008 94 29,3 2009 68 22,1 2010 56 21,4 2011 64 30,1 2012 46 25,6 2013 41 18,1 2014 60 22,3 2015 60 24,7 2016 55 18,9 c) Wie hat sich die Zahl der Förderanträge für denkmalpflegerische Maßnahmen in den vergangenen 15 Jahren entwickelt? Eine Statistik über nicht bewilligte oder abgelehnte Zuschussanträge wird mangels haushaltsrechtlicher Relevanz nicht geführt. Deshalb können über die in Frage 7 a und 7 b genannten Angaben hinaus keine belastbaren Zahlen berichtet werden.