Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.09.2017 Abriss eines Bauernhauses in Obermainshof Im Jahr 2017 wurde eines der ältesten Bauernhäuser in Obermainshof (Obermainshof 1) trotz seines Status als Baudenkmal abgerissen. Ich frage die Staatsregierung: 1. Warum informierte die Untere Denkmalschutzbehörde das Landesamt für Denkmalpflege nicht rechtzeitig über den Abriss? 2. a) Warum hat die Untere Denkmalschutzbehörde nicht gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege Lösungen für den Erhalt des ältesten Bauernhauses in der nördlichen Oberpfalz gesucht? b) Gab es überhaupt einen Zusammenarbeit der beiden Behörden bezüglich des Bauernhauses Obermainshof 1? c) Wenn ja, wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit? 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung die unterschiedliche Einschätzung des Landesamtes und der Unteren Denkmalschutzbehörde bezüglich der Einsturzgefahr des Bauernhauses Obermainshof 1? b) Und wie bewertet die Staatsregierung die unterschiedliche Einschätzung zum Erhalt des Bauernhauses? 4. Welche denkmalgeschützten Objekte in welchen Kommunen wurden in der Oberpfalz in den letzten zehn Jahren abgerissen? 5. Welche Strategie verfolgt die Staatsregierung, um den Abriss von wertvollen denkmalgeschützten Objekten zukünftig energischer zu verhindern? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst auf Grundlage entsprechender Informationen des Landesamtes für Denkmalpflege und des Landratsamtes Sulzbach-Rosenberg vom 13.11.2017 1. Warum informierte die Untere Denkmalschutzbehörde das Landesamt für Denkmalpflege nicht rechtzeitig über den Abriss? Im Zuge der Prüfung der von der Eigentümerin am 26.03.2015 beantragten denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis für den Abbruch des Baudenkmals Obermainshof 1 wurden durch das Landratsamt Amberg-Sulzbach neben der Gemeinde Neukirchen auch der Kreisheimatpfleger und das Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) als Fachbehörde gehört und um Stellungnahme zum Antrag gem. Art. 15 Abs. 2 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG) gebeten . Auch zum erneuten Abbruchantrag vom 08.12.2015 liegt eine Stellungnahme des BLfD vom 08.02.2016 vor. Die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis zum Abbruch erteilt die Untere Denkmalschutzbehörde (UDB) als gemäß Art. 11 Abs. 4 BayDSchG für den Vollzug zuständige Behörde in eigener Verantwortung. Nachdem die Verfahrensbeteiligung des BLfD erfolgte, bestanden keine weiteren gesetzlichen Beteiligungs- bzw. Informationspflichten gegenüber dem BLfD. 2. a) Warum hat die Untere Denkmalschutzbehörde nicht gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege Lösungen für den Erhalt des ältesten Bauernhauses in der nördlichen Oberpfalz gesucht? b) Gab es überhaupt einen Zusammenarbeit der beiden Behörden bezüglich des Bauernhauses Obermainshof 1? c) Wenn ja, wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit ? Zum Abbruchbegehren der Eigentümerin vom 26.03.2015 wurde das BLfD von der UDB gehört. Das BLfD hat mit Schreiben vom 14.04.2015 die UDB um die obligatorische Ortseinsicht zur Feststellung der Denkmalwerte und der Bedeutung des Gebäudes gebeten. Am 28.04.2015 fanden die Ortseinsicht und die Begehung des Gebäudes statt. Durch das BLfD wurde festgestellt, dass es sich um ein besonders altes Bauwerk handelt, wohl zwischen 1400 und 1600 entstanden. Die Bauforschung des BLfD hat daraufhin das Gebäude näher untersucht und festgestellt, dass es sich um das älteste bekannte Bauernhaus der nördlichen Oberpfalz handelt. Dendrochronologisch wurde als Erbauungsjahr 1534 festgestellt. Die für das Gebäude wichtigste älteste Substanz zeigte sich nach Ansicht des BLfD als durchaus instandsetzungsfähig. Die erheblichen Schäden am Dachwerk betrafen insbesondere Umbauten des 19. Jahrhunderts . Der Zustand des Gebäudes war sehr schlecht, sodass die Standsicherheit gefährdet war. Die denkmal- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/19005 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19005 fachliche Bedeutung des Bauwerkes war dagegen als sehr hoch einzuschätzen. Vor dem Hintergrund der sehr hohen geschichtlichen Bedeutung des Objektes hat das BLfD eine Notsicherung des Gebäudes empfohlen. Dazu wurde ein Notsicherungskonzept erarbeitet. Die Kosten für die Notsicherung mit einer kleinen Teilinstandsetzung sollten sich auf 33.619,17 Euro brutto belaufen. 28.000 Euro davon konnten durch das BLfD zugesichert werden. Am 11.11.2015 stellte die Eigentümerin bei der UDB einen Zuschussantrag. Die beantragten 28.000 Euro wurden sofort gewährt. Eventuell hätte noch ein Antrag beim Bezirk über 1.700 Euro gestellt werden können, sodass zwischen 3.919,17 Euro und 5.619,17 Euro, also nur wenig mehr als der vorgegebene Mindestanteil von 10 Prozent , bei der Eigentümerin verblieben wären. Sofern die Eigentümerin diesen Mindestanteil nicht hätte aufbringen können, hätte eine unmittelbare Maßnahme nach Art. 4 Abs. 3 BayDSchG durchgeführt werden können. Mit Schreiben vom 08.12.2015 bat die Eigentümerin erneut um Prüfung ihres Antrags auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für den Abbruch, da das Gebäude stark einsturzgefährdet sei und ihre finanzielle Situation für eine Notsicherung keinen Spielraum lasse, und teilte mit, dass sie die Förderung zurückgeben möchte. Mit Schreiben vom 08.02.2016 nahm das BLfD zum Abbruchantrag schriftlich Stellung und lehnte diesen ab. Der anwaltliche Vertreter der Eigentümerin legte mit Schreiben vom 14.10.2016 Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen vor und legte dar, dass eine realistische Nutzungsperspektive für das Objekt nicht besteht. Im Frühjahr 2017 griff das BLfD in Zusammenarbeit mit dem Kreisheimatpfleger den Vorgang wieder auf und erfuhr mündlich , dass der Abbruch positiv beschieden und das Objekt bereits abgebrochen sei. Nach Stellungnahme der UDB zur getroffenen Abwägungsentscheidung gemäß Art. 6 Abs. 2 BayDSchG hat die Eigentümerin vorgebracht, dass ihr die Erhaltung des Gebäudes nicht zumutbar sei. Zur Prüfung der Zumutbarkeit der Erhaltung des Baudenkmals im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG hat die Eigentümerin über ihren Rechtsanwalt verschiedene Unterlagen zu ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Situation vorlegen lassen . Im Verfahren wurde durch den anwaltlichen Vertreter der Eigentümerin weiter dargelegt, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit für das Gebäude nicht ersichtlich sei. Es käme weder eine Eigennutzung durch die Familie in Betracht noch sei eine Vermietung nach Sanierung in Obermainshof realistisch. Aufgrund der abgeschiedenen Lage des Weilers und des Zustands des Objekts bestünde auch keine realistische Veräußerungsmöglichkeit. Versuche der Familie, das Anwesen zu verkaufen, blieben erfolglos. Die Instandsetzung des Objekts wäre für die Familie mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden gewesen, ohne dass eine Nutzungsperspektive bestand. Die Entscheidung, die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für den Abbruch zu erteilen, ist nach Abwägung der verschiedenen Belange erfolgt . Da nach Prüfung der UDB auch auf Dauer keine Perspektive für den Erhalt des Denkmals gegeben war, lagen auch die Voraussetzungen für eine unmittelbare Maßnahme nicht vor. 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung die unterschiedliche Einschätzung des Landesamtes und der Unteren Denkmalschutzbehörde bezüglich der Einsturzgefahr des Bauernhauses Obermainshof 1? b) Und wie bewertet die Staatsregierung die unterschiedliche Einschätzung zum Erhalt des Bauernhauses ? Das BLfD ist nach Art. 12 Abs. 1 BayDSchG für sämtliche denkmalfachlichen Fragen zuständig. Die UDB ist gemäß Art. 11 Abs. 4 BayDSchG für den Vollzug zuständig. Sie kann in ihrer Entscheidung die Belange des Denkmalschutzes im Einzelfall und nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 BayDSchG im Wege der Abwägung zurückstellen , wenn andere wichtige Belange überwiegen (siehe Schreiben des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 10.03.2008). Seit der Abschaffung des sog. Dissensverfahrens gibt es keine verfahrensrechtliche Bindung der UDB an das Gutachten des Landesamtes mehr. Die denkmalfachliche Stellungnahme ist ein Aspekt der Abwägungsentscheidung, die UDB hat darüber hinaus auch die Zumutbarkeit für die Eigentümerin zu prüfen, die vorliegend zu einem negativen Ergebnis führte. Eine unterschiedliche Einschätzung von BLfD und UDB im Einzelfall ist somit durch die gesetzliche Aufgabenverteilung bedingt. Eine aufsichtliche Beanstandung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Abwägungsentscheidung rechtswidrig ist. 4. Welche denkmalgeschützten Objekte in welchen Kommunen wurden in der Oberpfalz in den letzten zehn Jahren abgerissen? Das Staatsministerium für Bildung und Kuluts, Wissenschaft und Kunst führt hierzu keine Übersichten. Von einer Abfrage bei sämtlichen Unteren Denkmalschutzbehörden der Oberpfalz über die dortige Erfassung für einen Zeitraum von zehn Jahren wurde im Hinblick auf den diesbezüglich verhältnismäßig hohen Aufwand abgesehen. 5. Welche Strategie verfolgt die Staatsregierung, um den Abriss von wertvollen denkmalgeschützten Objekten zukünftig energischer zu verhindern? Nach den Vorgaben des BayDSchG werden die Entscheidungen im Einzelfall durch die zuständige UDB getroffen. Unabhängig davon wird in Zusammenarbeit mit dem BLfD nach neuen Wegen gesucht, denkmalgeschützte Bauten zu erhalten, bei denen das Bewusstsein der Gesellschaft für den Erhalt der identitätsstiftenden Bauten noch mehr ins Bewusstsein gerückt und Ansätze außerhalb einer Normenverschärfung gefunden werden. In diesem Sinne sollen beispielsweise Ansätze im Projekt zum „Ehrenamt in der Baudenkmalpflege“ ausgelotet werden. Eine dauerhafte Verstärkung wird auch durch die in Vorbereitung befindliche Stiftung Kulturerbe Bayern erwartet.