Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl SPD vom 14.04.2014 Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit durch Mittel des Europäischen Sozialfonds Bei der Konferenz des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Bayern mit dem Titel „Chancen für alle in der Region“, welche am 10. April 2014 in Weiden i. d. Opf. stattfand, betonte die Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Emilia Müller, dass in der kommenden Förderperiode (2014–2020) die Gelder des ESF vor allem zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit bzw. zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt genutzt werden sollen. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. Wie viel Gelder aus dem Topf des ESF werden von der Staatsregierung jährlich in den nächsten sechs Jahren zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit bereitgestellt und wie hoch ist die Summe zur Kofinanzierung, die vom Freistaat bereitgestellt wird? 2. Wie gedenkt die Staatsregierung den Zugang zum Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose konkret zu verbessern ? 3. Welche Präventionsmaßnahmen will die Staatsregierung anwenden, um Familien aus dem „Teufelskreis Hartz 4“ heraus zu helfen, um somit die sogenannte „Vererbbarkeit von Hartz 4“ zu verhindern? 4. Wie stellt die Staatsregierung die berufliche Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen sicher? 5. Gedenkt die Staatsregierung mehr Personal im Bereich der Jobcenter zur Verfügung zu stellen für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen, um z. B. eine bessere Vor- bzw. Nachsorge betreiben zu können? Wenn ja, gibt es hier konkrete Finanzierungsmodelle gemeinsam mit der Bundesebene? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 12.05.2014 1. Wie viel Gelder aus dem Topf des ESF werden von der Staatsregierung jährlich in den nächsten sechs Jahren zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit bereitgestellt und wie hoch ist die Summe zur Kofinanzierung , die vom Freistaat Bayern bereitgestellt wird? Die Staatsregierung plant – vorbehaltlich der für das dritte Quartal 2014 zu erwartenden Genehmigung des bayerischen operationellen Programms für den Europäischen Sozialfonds (ESF) durch die Europäische Kommission – den Einsatz von 78,6 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit in der Förderperiode 2014–2020. Die Gelder sollen beginnend ab dem Jahr 2015 für sieben Jahre eingesetzt werden. Das sind jährlich 11,228 Mio. Euro aus dem ESF. Die EU-Mittel für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit werden durch Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) durch die Anrechnung der Hartz-IV-Leistungen kofinanziert. Der Einsatz von Landesmitteln ist nicht vorgesehen. 2. Wie gedenkt die Staatsregierung den Zugang zum Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose konkret zu verbessern ? Die Staatsregierung stützt ergänzend zu den vorrangigen Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III und dem SGB II den Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit auf vier Pfeiler: • Berufliche Qualifizierung zum Ausgleich beruflicher Han- dicaps einschließlich sozialpädagogischer Begleitung von bis zu 10 Stunden wöchentlich • Berufliche Qualifizierung mit einem ausgedehnteren Betreuungsansatz von bis zu 15 Stunden wöchentlich bei Vorliegen schwierigerer Profillagen • Coaching von Bedarfsgemeinschaften (Familien) • Spezifische Maßnahmen aus den genannten Bereichen für Frauen, für Menschen mit Behinderung und Menschen mit Migrationshintergrund Die Aktivitäten konzentrieren sich auf berufliche Weiterbildung und die Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit. Durch die Ausbildung in Modulen anerkannter Berufe sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach der Berufsausbildungsgleichstellungsverordnung (BAVBVO) gesetzlich anerkannte Berufszertifikate erwerben können. Daneben erhalten die Langzeitarbeitslosen ergänzende Hilfen und individuelle sozialpädagogische Betreuung. Diese Unterstützung ist dem Hilfebedarf angepasst und reicht von einer Betreuung von bis zu 10 Stunden über ein Betreuungsbudget von bis zu 15 Stunden pro Woche. Coachingmaßnahmen für Bedarfsgemeinschaften beinhalten Betreuung, Begleitung und Stabilisierung. Beim Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.06.2014 17/1908 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/1908 Coaching von Bedarfsgemeinschaften wird ein ganzheitlicher Ansatz angewandt. Inhaltlich wird insbesondere Wert gelegt auf eine Analyse der Situation der Bedarfsgemeinschaft , vertiefte Beratung, bedarfsabhängige Unterstützung zur Stabilisierung, Motivation zu beruflicher Aus- und Weiterbildung , begleitende Hilfen sowie die Wahrnehmung von Unterstützungs- und Betreuungsdiensten. Wesentliche Ziele des Coachings sind • Aktivierung für die Verbesserung des Zugangs zur Be- schäftigung • Hilfe zur Selbsthilfe • Verbesserung der Vermittlungs- und Wiedereingliede- rungschancen in den ersten Arbeitsmarkt und • die Unterbrechung der „Vererbung der Hilfsbedürftigkeit“ 3. Welche Präventionsmaßnahmen will die Staatsregierung anwenden, um Familien aus dem „Teufelskreis Hartz 4“ heraus zu helfen, um somit die sogenannte „Vererbbarkeit von Hartz 4“ zu verhindern? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 und die dort beschriebenen Aktivitäten verwiesen. Die Maßnahmen hatten in der Förderperiode 2007–2013 und auslaufend (Förderungen sind noch bis 31.03.2015 möglich) eine erhebliche Reichweite . Es konnten bislang 970 Projekte durchgeführt und 27.641 Personen erreicht werden. Daneben wurde durch Modellprojekte aus dem ESF wie KAJAK (Kombinierte Integrationsbemühungen für Alleinerziehende und Jugendliche in Arbeit und Ausbildung ergänzt durch Kinderbetreuung) an acht Standorten, weiteren Projekten wie TANDEM (läuft bis 30.06.2016; Jugendhilfe und Jobcenter stärken gemeinsam gesellschaftliche und berufliche Teilhabechancen von Eltern und Kindern im SGB II) in Fürth und „Perspektiven für Familien “ in Nürnberg der interdisziplinäre Ansatz von Maßnahmen nach dem SGB II und dem SGB VIII (Jugendhilfe) erprobt. Ziel ist es, diese Form der Herangehensweise in das Regelinstrumentarium des SGB III zu überführen. So versteht sich die Staatsregierung als Impulsgeber für den oben beschriebenen ganzheitlichen Ansatz. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass die Bayerische Staatsregierung kein Träger der Arbeitslosenversicherung oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist. Träger der Arbeitslosenversicherung ist die Bundesagentur für Arbeit. Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen. Die Finanzierung ist Aufgabe des Bundes (§ 46 Abs. 1 SGB II) und der Kommunen. Insbesondere gehört die Finanzierung von Eingliederungsmaßnahmen und der Verwaltungskosten zum Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu den Aufgaben des Bundes. 4. Wie stellt die Staatsregierung die berufliche Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen sicher? Es wird auf die Antworten zu Frage 2 und 3 verwiesen. 5. Gedenkt die Staatsregierung mehr Personal im Bereich der Jobcenter zur Verfügung zu stellen für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen, um z. B. eine bessere Vor- bzw. Nachsorge betreiben zu können? Wenn ja, gibt es hier konkrete Finanzierungsmodelle gemeinsam mit der Bundesebene? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen. Die Bayerische Staatsregierung setzt sich seit Langem beim Bund dafür ein, dass die Jobcenter personell in die Lage gesetzt werden müssen, sich jedem zu integrierenden Arbeitslosen zu widmen, seine Stärken und Schwächen zu ermitteln und passgenaue Lösungen zu entwickeln. Je nach individueller Situation soll entweder ein Job, eine Fortbildung oder eine sonstige Maßnahme angeboten werden. Die Arbeitslosen müssen spüren, dass sie Hilfe nicht umsonst erhalten, dass sie gefordert werden. Das ist das Prinzip des Förderns und Forderns. Aber auch im Leistungsbereich (Berechnung und Verbescheidung der Geldleistungen) ist eine auskömmliche personelle Ausstattung der Jobcenter vonnöten, um den hohen gesetzlichen Anforderungen gerecht werden zu können und durch nachvollziehbare Bescheide das für eine erfolgreiche Vermittlung erforderliche Vertrauensverhältnis zum Leistungsberechtigten zu stärken. Gute Rahmenbedingungen der Jobcenter erfordern gesicherte Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, angemessene Betreuungsschlüssel sowie individuelle Qualifizierungsangebote für die Mitarbeiter. Dies muss auch in einer entsprechenden Mittelausstattung für Verwaltungskosten der Jobcenter seinen Niederschlag finden. Verantwortlich hierfür ist der Bundeshaushalt.