Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 20.09.2017 Kostenloses Schülerticket Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die bayernweite Einführung eines kostenlosen Schülertickets? 1.2 Wie beurteilt die Staatsregierung das hessische Modell einer Jahreskarte zum Preis von 365 Euro? 1.3 Wie sieht derzeit das Ticketatngebot der Verkehrsverbünde in Bayern speziell für Schüler und Auszubildende aus (bitte unter Angabe der spezifischen Tarife und Ticketkosten Monat/Jahr)? 2.1 Welche Kosten würden dem Freistaat Bayern durch die bayernweite Einführung eines kostenlosen Schülertickets entstehen? 2.2 Welche Kosten würden dem Freistaat Bayern durch die bayernweite Einführung eines Schülertickets nach dem hessischen Modell mit einer Jahreskarte zum Preis von 365 Euro entstehen? 2.3 In welchem Zeitraum ließe sich die bayernweite Einführung eines Schülertickets umsetzen? 3.1 Wie hoch sind derzeit die Schulwegkosten für Schüler in Bayern bis einschließlich der 10. Klasse im Gesamten und auf den einzelnen Schüler umgelegt? 3.2 Wie hoch sind derzeit die Schulwegkosten für Schüler und Auszubildende in Bayern für die Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe, Fachhochschulen, Berufsschulen und sonstige berufsbildende Schulen und Kollegs) im Gesamten und auf den einzelnen Schüler umgelegt? 3.3 Wie haben sich die Schulwegkosten seit 2012 entwickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 4. Wie hoch ist der Eigenanteil von Schülern/Familien an den Schulwegekosten? 5. Welche gesetzlichen Regelungen im Konkreten begrenzen die Rabattmöglichkeiten der Verkehrsverbünde für Schüler oder andere Zielgruppen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst und dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 17.11.2017 1.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die bayernweite Einführung eines kostenlosen Schülertickets? Die Kostenfreiheit des Schulwegs ist eine freiwillige Leistung der öffentlichen Hand, die in wesentlichem Maße zur Bildungsgerechtigkeit beiträgt. Sie ist kein verfassungsrechtlicher Anspruch. Insofern besteht ein gesetzgeberisches Ermessen, wie die Leistung ausgestaltet ist. Mit der bestehenden bayerischen Regelung zur Kostenfreiheit des Schulwegs werden Schüler und Familien angemessen unterstützt . Die Einführung eines kostenlosen Schülertickets würde erhebliche Kosten verursachen. Ähnliche Nutzergruppen wie Studenten oder Auszubildende würden Forderungen geltend machen, um die entsprechende Leistung zu erhalten. Grundsätzlich würde eine weitergehende Einführung eines kostenlosen Schülertickets weitreichende Änderungen der Organisations- und Finanzierungsstruktur des öffentlichen Personennahverkehrs in Bayern einschließlich notwendiger gesetzlicher Änderungen erfordern. Die Aufgabe der Schülerbeförderung und der ermäßigten Schülerkarten ist die Sicherstellung der ausbildungsrelevanten Fahrten zwischen Schule und Wohnort des Schülers. Sie wird mit der derzeitigen Regelung angemessen gewährleistet . Die Schülerbeförderung beruht auf den Rechtsgrundlagen des Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG), des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes (SchKFrG) und der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV). Sinn und Zweck der Vorschriften ist es, jedem Schüler eine grundlegende schulische Ausbildung zu ermöglichen, ohne dass dies an den Kosten der Schülerbeförderung oder einem fehlenden Beförderungsnetz in erster Linie aus öffentlichen Verkehrsmitteln scheitert. Die Belange der Kommunen, schulorganisatorische Gesichtspunkte sowie die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind zu beachten. Die Schülerbeförderung ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen . Der Freistaat Bayern gewährt den kommunalen Aufgabenträgern freiwillige FAG-Leistungen (FAG = Finanzausgleichsgesetz ) zur Erfüllung dieser Aufgabe in Höhe von derzeit landesdurchschnittlich ca. 60 Prozent der Kosten. Für Schüler öffentlicher Grund-, Mittel- und Förderschulen sowie für Schüler der anderen öffentlichen und staatlich anerkannten Schulen bis zur Jahrgangsstufe 10 besteht ein Anspruch auf die notwendige Beförderung zur nächstgelegenen Schule (Art. 3 Abs. 4 BaySchFG, Art. 1 Abs. 1 SchKfrG). Sofern Schüler von diesem Angebot der öffentlichen Hand Gebrauch machen, entstehen für sie bzw. ihre Eltern keine Kosten für die notwendige Beförderung zur Schule. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 28.05.2018 Drucksache 17/19199 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19199 Schüler ab der Jahrgangsstufe 11 haben einen Anspruch auf Erstattung der Kosten zur nächstgelegenen Schule, die eine Eigenleistung von 440 Euro pro Familie und Schuljahr übersteigen (Art. 3 Abs. 2 SchKfrG). Um soziale Härten auszugleichen , sind Härtefallregelungen für kinderreiche Familien und für sozial schwache Familien vorgesehen. Über die Regelungen zum Anspruch auf Leistungen zur Schülerbeförderung hinaus können die kommunalen Aufgabenträger nach den Ermessensregelungen der § 2 Abs. 3 und 4 SchBefV die Beförderung auch zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernehmen. Die Finanzierung von Freizeitfahrten der Schülerinnen und Schüler ist nicht von der Sicherstellung der Beförderung zu ausbildungsrelevanten Zwecken erfasst. Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Finanzierung der kostenlosen Fahrtberechtigung für den Freizeitverkehr und für Schüler ab der 11. Klasse in der gegebenen Finanzierungsstruktur nicht geboten. Der Freistaat bietet durch den Bayerntakt im SPNV im Vergleich der Flächenländer ein attraktives Verkehrsangebot . Tarifliche Ermäßigungen für einzelne Gruppen würden die für den Ausbau und die Verdichtung des Verkehrs eingesetzten Mittel verringern und die Aufrechterhaltung des Verkehrsangebots gefährden. 1.2 Wie beurteilt die Staatsregierung das hessische Modell einer Jahreskarte zum Preis von 365 Euro? Das hessische Modell mit einer Jahreskarte von im ersten Jahr 365 Euro und zukünftig steigend stellt eine Erweiterung der bisherigen verbundweiten Fahrberechtigungen der Schüler auf eine landesweite Fahrtberechtigung dar. Das Angebot erstreckt sich auf Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende. Studierende sind von dem Angebot ausgeschlossen und müssen auf die regelmäßig teureren Semestertickets zurückgreifen. Das Bundesland Hessen hat eine andere verkehrliche Struktur als der Freistaat. Hessen ist flächendeckend von drei großen Verkehrsverbünden der kommunalen ÖPNV-Aufgabenträger erfasst. Im flächenmäßig deutlich größeren Freistaat Bayern existieren neben mehreren Verkehrsverbünden auch verbundfreie Gebiete. Eine Übertragung des Modells in Hessen ist daher schon aus strukturellen Gründen nicht möglich. 1.3 Wie sieht derzeit das Ticketangebot der Verkehrsverbünde in Bayern speziell für Schüler und Auszubildende aus (bitte unter Angabe der spezifischen Tarife und Ticketkosten Monat/Jahr)? Nach den gesetzlichen Vorgaben des § 39 Abs. 7 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sind die Tarife durch die Verkehrsunternehmen bzw. die Verbundgesellschaften zu veröffentlichen. Die Tarife sämtlicher Verkehrsverbünde in Bayern, aus denen auch die Tarife für Auszubildende und Schülerinnen und Schüler hervorgehen, sind für jedermann zugänglich auf der jeweiligen Onlinepräsenz des Verbundes dargestellt. 2.1 Welche Kosten würden dem Freistaat Bayern durch die bayernweite Einführung eines kostenlosen Schülertickets entstehen? Die Kosten können von der Staatsregierung nicht beziffert werden. Die Tarifhoheit im Schienenpersonennahverkehr in Bayern liegt bei rund zehn Verkehrsverbünden und den in Bayern tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie im straßengebundenen öffentlichen Nahverkehr bei den über 25 Tarifverbünden und Tarifgemeinschaften sowie zahlreichen Busunternehmen, die keinem Verbund angehören. Soweit ein kostenloses Schülerticket alle vorhandenen Angebote für Schüler und Auszubildende ersetzen soll, wären die Fahrgelderlöse aller Verbünde und Verkehrsunternehmen zu ermitteln; diesbezügliche Zahlen liegen nicht vor. Der allgemeine ÖPNV ist eine freiwillige Aufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte im eigenen Wirkungskreis . Bei einer gesetzlichen Einführung des Schülertickets auch für den allgemeinen ÖPNV würden den Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern Einnahmeverluste entstehen bzw. die Aufgabenträger des allgemeinen ÖPNV müssten vermehrt Ausgleichsleistungen leisten. Diese müsste der Freistaat nach dem Konnexitätsprinzip (Art. 83 Abs. 3 der Bayerischen Verfassung) den kommunalen Aufgabenträgern ausgleichen. 2.2 Welche Kosten würden dem Freistaat Bayern durch die bayernweite Einführung eines Schülertickets nach dem hessischen Modell mit einer Jahreskarte zum Preis von 365 Euro entstehen? Im Vergleich zur Einführung eines kostenlosen Schülertickets ergeben sich bei einem Jahreskartenpreis von 365 Euro Fahrgelderlöse, die dem Kostenbetrag nach 2.1 gegengerechnet werden könnten. 2.3 In welchem Zeitraum ließe sich die bayernweite Einführung eines Schülertickets umsetzen? Die Dauer der Umsetzung bis zur Einholung der erforderlichen Tarifgenehmigung hängt entscheidend von der Anzahl der Beteiligten (Eisenbahnverkehrsunternehmen, Verbünde, Tarifgemeinschaften und weitere Verkehrsunternehmen) ab, die Tarifhoheit besitzen und über die Einführung eines bayernweiten Schülertickets entscheiden müssen. Im Grundsatz gilt hier das Konsensprinzip. Eine Abstimmung zwischen allen in Bayern Beteiligten ist nicht prognostizierbar. Der hessische Weg setzt eine flächendeckende Abdeckung mit wenigen Verkehrs- und Tarifverbünden voraus. Hierzu müssten sich die kommunalen ÖPNV-Aufgabenträger bei der Erfüllung der freiwilligen Aufgabe im eigenen Wirkungskreis auf eine entsprechende Zusammenarbeit einigen. Die bestehenden Verkehrs- und Tarifverbünde müssten die Einnahmeaufteilungsregelungen, die gesellschaftliche Mitbestimmung und zum Teil auch die Tarifstruktur ändern, um eine Erweiterung der bestehenden Verbünde bzw. die Neugründung von neuen Verbünden zu ermöglichen . Dann sind eine breite Beteiligung und intensive Vorbereitungen sowie eine politische Diskussion erforderlich. Der Freistaat kann eine Einigung nicht erzwingen. Während bei der Regelung über Verkehrsverbünde aufgrund der wenigen Beteiligten eine Lösung gefunden werden kann und nur geringe Verwaltungsaufwendungen entstehen, ist bei einer landesgesetzlichen Regelung mit der Berechnung der Ausgleichsleistungen und deren Verteilung auf rund 920 Verkehrsunternehmen im ÖPNV mit deutlichen Verwaltungsmehraufwendungen zu rechnen. Bei Umsetzung einer landesweiten Fahrtberechtigung durch ein ausgleichspflichtiges Landesgesetz wäre zum einen die Höhe des Ausgleichs und die Verteilung unter den rund 920 Verkehrsunternehmen im ÖPNV zu regeln, zum anderen würde dieses Gesetz voraussichtlich ein langwieriges Notifizierungsverfahren bei der EU-Kommission erforderlich machen. Drucksache 17/19199 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 3.1 Wie hoch sind derzeit die Schulwegkosten für Schüler in Bayern bis einschließlich der 10. Klasse im Gesamten und auf den einzelnen Schüler umgelegt ? 3.2 Wie hoch sind derzeit die Schulwegkosten für Schüler und Auszubildende in Bayern für die Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe, Fachhochschulen , Berufsschulen und sonstige berufsbildende Schulen und Kollegs) im Gesamten und auf den einzelnen Schüler umgelegt? Die Gesamtkosten der nach der gesetzlichen Regelung notwendigen Schülerbeförderung betrugen für das Jahr 2015 rd. 472 Mio. Euro. Bei rd. 572.000 Schülerinnen und Schülern mit Beförderungsanspruch bedeutet dies rd. 825 Euro je Schülerin bzw. Schüler. Für das Jahr 2016 liegen noch keine Zahlen zu den Schülerbeförderungskosten vor. Zur Ermittlung der Beträge je Schülerin bzw. Schüler wurde auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Beförderungsanspruch abgestellt. Diese wird von den jeweiligen Aufgabenträgern der Schülerbeförderung jährlich an das Landesamt für Statistik gemeldet. Nicht in dieser Meldung enthalten sind Schülerinnen und Schüler, die zwar keinen Beförderungsanspruch, aber einen Kostenerstattungsanspruch wegen Überschreitung der Familienbelastungsgrenze nach Art. 3 des SchKFrG haben. Für diese liegen keine Zahlen vor. Die Kosten für diese Erstattungen sind aber untrennbar in den Kosten der notwendigen Schülerbeförderung , die für Zwecke der Berechnung der Zuweisungen aus der kommunalen Rechnungsstatistik entnommen werden, enthalten. 3.3 Wie haben sich die Schulwegkosten seit 2012 entwickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die Kosten der notwendigen Schülerbeförderung betrugen laut den Zuweisungsbescheiden in den Jahren 2012 und 2013 jeweils rd. 456 Mio. Euro, im Jahr 2014 rd. 466 Mio. Euro und im Jahr 2015 rd. 472 Mio. Euro. 4. Wie hoch ist der Eigenanteil von Schülern/Familien an den Schulwegekosten? Soweit mit dieser Frage auf die Höhe der Kosten abgestellt wird, die die Eltern durchschnittlich für die Schülerbeförderung tragen (soweit sie z. B. nicht vom Angebot der nächstgelegenen Schule Gebrauch machen etc.), so liegen hierzu keine Zahlen vor. Wir weisen zudem auf die in Frage 1.1 dargelegten Grenzwerte zur Zumutbarkeit von derzeit 440 Euro pro Familie und die weiteren sozialverträglichen Erleichterungen hin. 5. Welche gesetzlichen Regelungen im Konkreten begrenzen die Rabattmöglichkeiten der Verkehrsverbünde für Schüler oder andere Zielgruppen? Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen der kommunalen Aufgabenträger sind die Beförderungsentgelte entsprechend § 39 Abs. 1 Satz 3 PBefG der Kontrolle durch die staatlichen Genehmigungsbehörden entzogen. Im Rahmen der Tarifgenehmigung der Verkehre ohne eine entsprechende Regelung im öffentlichen Dienstleistungsauftrag werden die Tarife entsprechend der bundesgesetzlichen Bestimmungen des § 39 Abs. 2 PBefG auf Einhaltung einer sozialadäquaten Ermäßigung für die Zeitkarten im Ausbildungsverkehr überprüft. Diese Ermäßigung beträgt rund 20 bis 25 Prozent gegenüber dem Normaltarif. Eine konkrete Begrenzung liegt nicht vor. Begrenzt hingegen ist der Anteil des vom Freistaat geleisteten Ausgleichs für die Ermäßigung der Zeitfahrkarten im Ausbildungsverkehr nach § 45a PBefG. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ist der Ausgleich auf die sozialadäquate Ermäßigung begrenzt. Bei entsprechend höheren Tarifermäßigungen wird regelmäßig eine Regelung getroffen, um die Begrenzung des Ausgleichs umzusetzen. Eine weitergehende Ermäßigung wäre von demjenigen zu tragen, der sie veranlasst. Dies kann der ÖPNV-Aufgabenträger oder das jeweilige Verkehrsunternehmen sein. Bei „anderen Zielgruppen“, die nicht von der Ausgleichsregelung für den Ausbildungsverkehr erfasst sind, ist zu beachten , dass durch den Grundsatz der Gleichbehandlung ein sachlicher Grund für die entsprechende Ermäßigung vorhanden sein muss, wie er z. B. bei Sozialtickets regelmäßig vorliegt, wobei die Gegenfinanzierung der Ermäßigung zu berücksichtigen ist.