Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Doris Rauscher SPD vom 22.09.2017 Lebensrealitäten von kinderreichen Familien in Bayern – Teil II Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Welche Informationen, zum Beispiel zu der vorhandenen durchschnittlichen Quadratmeterzahl pro Kind und der Gesamtgröße von Wohnungen für Familien, liegen der Staatsregierung zur Wohnungssituation von kinderreichen Familien vor (bitte differenziert nach Anzahl der Kinder in einer Familie und Landkreisen)? 1.2 Wie hat sich die Wohnsituation von kinderreichen Familien in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? 1.3 Wie bewertet die Staatsregierung diese Informationen im Hinblick auf steigende Miet- und Grundstückspreise in Bayern? 2.1 Inwiefern sieht die Staatsregierung die Notwendigkeit der Förderung von Wohnraum, der insbesondere für kinderreiche Familien geeignet ist? 2.2 Welche Prognosen zu Verfügbarkeit und Bedarf an günstigem Wohnraum hat die Staatsregierung bis zum Jahr 2020, insbesondere für Alleinstehende und kinderreiche Familien? 2.3 Welche Handlungsnotwendigkeiten leitet die Staatsregierung daraus ab? 3.1 Wie hoch sind die jährlichen Einnahmen der Staatsregierung aus der Grunderwerbsteuer? 3.2 Inwiefern werden die Einnahmen dazu verwendet, den Zugang zu ausreichendem, günstigem und angemessenem Wohnraum für kinderreiche Familien zu gewährleisten ? 4.1 Welchen weiteren Problemen sehen sich kinderreiche Familien in Bayern ausgesetzt? 4.2 Welche Unterstützungen bietet der Freistaat Bayern für kinderreiche Familien für diese Problemlagen? 4.3 Von wie vielen Familien wird die jeweilige Unterstützungsform in Anspruch genommen? 5. Wie viele Mittel stehen im Staatshaushalt explizit für die Unterstützung und Förderung von kinderreichen Familien zur Verfügung (bitte aufschlüsseln nach entsprechenden Titeln im Haushaltsplan 2017/2018)? 6.1 Welche Familienverbände werden durch die Staatsregierung gefördert? 6.2 Sind Förderungen für kinderreiche Familien zweckgebunden ? 6.3 Welche weiteren Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung plant die Staatsregierung? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration unter Einbezug des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr und des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 21.11.2017 1.1 Welche Informationen, zum Beispiel zu der vor handenen durchschnittlichen Quadratmeterzahl pro Kind und der Gesamtgröße von Wohnungen für Familien, liegen der Staatsregierung zur Woh nungssituation von kinderreichen Familien vor (bitte differenziert nach Anzahl der Kinder in einer Familie und Landkreisen)? Vorbemerkung: Die Ergebnisse des Mikrozensus liegen für 2014 und 2010 und nicht auf Kreisebene, sondern lediglich in sogenannten regionalen Anpassungsschichten vor (Quelle : Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung). Nachstehende Angaben beziehen sich daher auf Bayern insgesamt : Gemäß Mikrozensus 2014 beträgt die durchschnittliche Wohnungsgröße von Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren bei: Ehepaaren: 135,6 m² (Fläche je Person 24,8 m²); Lebensgemeinschaften: 114,9 m² (Fläche je Person 20,1 m²); Alleinerziehenden: 108,4 m² (Fläche je Person 22,0 m²). Handelt es sich hierbei um ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung , so beträgt die durchschnittliche Wohnungsgröße von Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren bei: Ehepaaren: 152,3 m² (Fläche je Person 28,0 m²); Lebensgemeinschaften: / (Fläche je Person 25,4 m²); Alleinerziehenden: / (Fläche je Person 28,9 m²). Handelt es sich hierbei um eine Mietwohnung, so beträgt die durchschnittliche Wohnungsgröße von Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren bei: Ehepaaren: 105,3 m² (Fläche je Person 19,1 m²); Lebensgemeinschaften: / (Fläche je Person 18,1 m²); Alleinerziehenden: 99,5 m² (Fläche je Person 19,7 m²). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/19205 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19205 Hinweis: Zeichenerklärung: / = keine Angaben, da Zahl nicht sicher genug. In der Amtlichen Statistik werden Daten in veröffentlichten Tabellen in der Regel dann unterdrückt, wenn die verfügbaren Informationen entsprechend der statistischmathematischen Methodenlehre nicht valide genug sind oder die Informationen Rückrechnungen auf die einzelnen Erhebungseinheiten (= Deanonymisierung) zulassen. 1.2 Wie hat sich die Wohnsituation von kinderreichen Familien in den vergangenen fünf Jahren entwi ckelt? Gemäß Mikrozensus 2010 betrug die durchschnittliche Wohnungsgröße von Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren bei: Ehepaaren: 136,2 m²; Lebensgemeinschaften: /; Alleinerziehenden: 112,5 m². Handelt es sich hierbei um ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung , so betrug die durchschnittliche Wohnungsgröße von Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren bei: Ehepaaren: 153,5 m²; Lebensgemeinschaften: /; Alleinerziehenden: /. Handelt es sich hierbei um eine Mietwohnung, so betrug die durchschnittliche Wohnungsgröße von Familien mit drei oder mehr Kindern unter 18 Jahren bei: Ehepaaren: 106,8 m²; Lebensgemeinschaften: /; Alleinerziehenden: 101,3 m². Angaben zur Fläche je Person liegen für den Mikrozensus 2010 nicht vor. Insgesamt lässt sich eine geringfügige Reduzierung der Wohnflächen bei Mehrkindfamilien feststellen. Diese bewegt sich jedoch im Rahmen der allgemeinen Wohnflächenreduzierung bei allen Familien: MZ 2010 MZ 2014 Insgesamt: Wohnungsgröße Familien in m² Fläche je Person in m² 121,1 k. A. 119,6 32,3 Eigentum: Wohnungsgröße Familien in m² Fläche je Person in m² 139 k. A. 138,3 35,7 Mietwohnraum: Wohnungsgröße Familien in m² Fläche je Person in m² 92,6 k. A. 91,1 26,4 1.3 Wie bewertet die Staatsregierung diese Informa tionen im Hinblick auf steigende Miet und Grund stückspreise in Bayern? Angesichts des Mangels an bezahlbarem und angemessenem Wohnraum ist Bauen und Sanieren das Gebot der Stunde. Das kann in einzelnen Regionen auch Ersatzwohnraum für nicht mehr marktgängigen Wohnraum sein. Die Staatsregierung hat daher vor zwei Jahren den Wohnungspakt Bayern beschlossen. Bis 2019 sollen mithilfe des Wohnungspakts in Bayern bis zu 28.000 neue staatliche und staatlich geförderte Wohnungen entstehen. Insgesamt plant die Staatsregierung, dafür rund 2,6 Mrd. Euro bereitzustellen . 2.1 Inwiefern sieht die Staatsregierung die Notwendig keit der Förderung von Wohnraum, die insbeson dere für kinderreiche Familien geeignet ist? Die Verbesserung der Wohnsituation kinderreicher Familien ist der Staatsregierung ein wichtiges Anliegen. In den Förderprogrammen für Wohnraum, die der Freistaat anbietet, sind deshalb selbstverständlich auch große Wohnungen für kinderreiche Familien förderfähig. Dies gilt sowohl für die Schaffung und Modernisierung von Mietwohnraum im Bayerischen Wohnungsbauprogramm und im Kommunalen Wohnraumförderungsprogramm (KommWFP) als auch für die Schaffung von Eigenwohnraum im Bayerischen Wohnungsbauprogramm. Gemäß den jeweiligen Förderrichtlinien richtet sich die zulässige Wohnfläche nach der jeweiligen Haushaltsgröße, eine höchstzulässige Wohnfläche ist nicht definiert. 2.2 Welche Prognosen zu Verfügbarkeit und Bedarf an günstigem Wohnraum hat die Staatsregierung bis zum Jahr 2020, insbesondere für Alleinstehende und kinderreiche Familien? Die Bayerische Landesbodenkreditanstalt legt in zeitlichem Abstand Wohnungsmarktberichte für Bayern vor. Der letzte derartige Bericht ist unter www.bayernlabo.de/wohnungs markt/2014/ im Internet einsehbar. Unter 4.3 dieses Berichts ist eine Wohnungsprognose enthalten. Ein neuer Wohnungsmarktbericht ist in Vorbereitung. Den Fraktionen des Landtags werden wie üblich entsprechende Druckexemplare zur Verfügung gestellt. 2.3 Welche Handlungsnotwendigkeiten leitet die Staatsregierung daraus ab? Insbesondere in Ballungsräumen haben es Familien mit Kindern schwer, eine angemessene und bezahlbare Wohnung zu finden. Die Staatsregierung hält insofern eine Ausweitung der Wohnungsbautätigkeit für erforderlich. Auf die Antwort auf Frage 1.3 wird verwiesen. Im Rahmen des Modellvorhabens „IQ – Innerstädtische Wohnquartiere“ des Experimentellen Wohnungsbaus der Obersten Baubehörde wird beispielhaft aufgezeigt, wie innerstädtischer , familiengerechter und generationenübergreifender Wohnungsbau heute aussehen kann. In fast allen Projekten wurden flexible Wohnungsgrundrisse realisiert, in denen bei Bedarf auch sehr große Familien Platz finden können. Darüber hinaus ist die Förderung von Wohnraum für kinderreiche Familien, wie unter 2.1 beschrieben, in den Wohnraumförderprogrammen des Freistaates bereits vorgesehen . 3.1 Wie hoch sind die jährlichen Einnahmen der Staatsregierung aus der Grunderwerbsteuer ? Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer hat betragen: Drucksache 17/19205 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Jahr Mio. Euro 2013 1.347,0 2014 1.425,2 2015 1.570,4 2016 1.779,2 Januar bis September 2017 1.343,8 Der Freistaat stellt den Gemeinden und Landkreisen 8/21 des Grunderwerbsteueraufkommens zur Verfügung (Kommunalanteil an der Grunderwerbsteuer). 3.2 Inwiefern werden die Einnahmen dazu verwendet, den Zugang zu ausreichendem, günstigem und an gemessenem Wohnraum für kinderreiche Familien zu gewährleisten? Da das Grunderwerbsteuergesetz keine Zweckbindung vorsieht, dienen die Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben (Gesamtdeckungsprinzip; Art. 8 Satz 1 Bayerische Haushaltsordnung). Wie die Gemeinden und Landkreise ihren Anteil jeweils verwenden, ist der Staatsregierung nicht bekannt. 4.1 Welchen weiteren Problemen sehen sich kinderrei che Familien in Bayern ausgesetzt? 4.2 Welche Unterstützungen bietet der Freistaat Bay ern für kinderreiche Familien für diese Problemla gen? 4.3 Von wie vielen Familien wird die jeweilige Unter stützungsform in Anspruch genommen? Familienpolitisch gilt es, alle Familien ihrer Lebenslage entsprechend zu unterstützen. In Abhängigkeit von Partnerkonstellation , Erwerbstätigkeit, Alter und Zahl der Kinder ergeben sich unterschiedliche Bedarfe. Kinderreiche Familien sind Teil dieser Vielfalt der Familienformen und partizipieren an allen Maßnahmen für Familien, von der Beratung bis zur Förderung der Kinderbetreuungsangebote. Gerade von kinderreichen Familien wird vielfach die notwendige finanzielle Unterstützung in besonderem Maß benannt . Sozialleistungen steigen grundsätzlich mit der Zahl der Personen, also mit der Zahl der Kinder. Auch bei den Kosten der Unterkunft wird die Personenzahl berücksichtigt . Bei den Familienleistungen wird die Kinderzahl je nach Zielrichtung der Leistung unterschiedlich berücksichtigt: Das Bayerische Landeserziehungsgeld beispielsweise berücksichtigt die Kinderzahl bei Leistungsdauer und Leistungshöhe : Es beträgt monatlich für das erste Kind bis zu 150 Euro, für das zweite Kind bis zu 200 Euro und für dritte Kinder und weitere Kinder bis zu 300 Euro. Es wird zudem für das erste Kind für bis zu sechs und ab dem zweiten Kind für bis zu zwölf Monate gezahlt. Das Kindergeld wird für jedes Kind gezahlt und steigt mit der Kinderzahl zusätzlich, beim Elterngeld wird ein Mehrlingszuschlag gewährt oder bei älteren Geschwistern ein Bonus berücksichtigt. Auch aus Jugendhilfesicht bestehen keine spezifischen Problemzuschreibungen für kinderreiche Familien. Sie haben zudem Zugang zu allen Jugendhilfeleistungen wie alle Familien, nehmen diese je nach individuellem Bedarf und Lebenssituation in Anspruch. Insoweit kann nicht im Sinne der Fragen 4.2 und 4.3 differenziert werden. Zu Unterstützungsangeboten für Familien vgl. im Übrigen die Schriftliche Anfrage „Lebensrealitäten von kinderreichen Familien in Bayern – Teil I“, Fragen 5 und 7.3. 5. Wie viele Mittel stehen im Staatshaushalt explizit für die Unterstützung und Förderung von kinder reichen Familien zur Verfügung (bitte aufschlüs seln nach entsprechenden Titeln im Haushaltsplan 2017/2018)? Die Staatsregierung misst der Unterstützung und Förderung gerade auch der kinderreichen Familien seit jeher hohe Bedeutung bei. Die zahlreichen Unterstützungs- und Beratungsangebote wie auch die Programme zur Kinder- und Familienförderung richten sich stets auch und gerade an kinderreiche Familien (vgl. Frage 4). Auch sind beispielsweise in den Förderprogrammen für Wohnraum selbstverständlich große Wohnungen für kinderreiche Familien förderfähig (vgl. Frage 2.1). Eine gesonderte Ausweisung von Haushaltsmitteln für kinderreiche Familien ist deswegen weder vorgesehen noch notwendig. 6.1 Welche Familienverbände werden durch die Staatsregierung gefördert? Die Staatsregierung fördert die Öffentlichkeitsarbeit der Familienverbände (Deutscher Familienverband Landesverband Bayern e. V., Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Bayern e. V., Familienbund der Katholiken Landesverband Bayern e. V.) durch Zuschüsse. Zweck ist die Förderung der Beratungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit der Familienverbände in Bayern zur Stärkung der Familien und zur Steigerung der Wertschätzung in der Gesellschaft. Zudem fördert der Freistaat Bayern die Beratungs- und Betreuungsarbeit für Alleinerziehende, Fortbildungsmaßnahmen von haupt- und ehrenamtlichen Personen sowie die überregionale Öffentlichkeitsarbeit (Verband alleinerziehender Mütter und Väter – Landesverband Bayern e. V., Diakonisches Werk Nürnberg, Arbeitsgemeinschaft Frauenseelsorge – Geschäftsstelle München). 6.2 Sind Förderungen für kinderreiche Familien zweckgebunden? Die Zweckbindung von Förderungen ergibt sich aus dem Förderzweck als solchem. Eine spezifische Förderung für kinderreiche Familien und eine darauf bezogene Zweckbindung besteht darüber hinaus nicht. 6.3 Welche weiteren Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung plant die Staatsregierung? Familien mit Kindern finanziell besserzustellen, gehört zu den zentralen familienpolitischen Anliegen der Staatsregierung . Dafür sollen folgende Einzelmaßnahmen durchgeführt werden: Einführung eines Baukindergeldes Familien sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren eine jährliche Förderung von 1.200 Euro pro Kind erhalten – in der Summe also bis zu 12.000 Euro. Ziel ist eine nachhaltige Verbesserung der Wohnraumversorgung durch ein für alle Familien gleich hohes Baukindergeld. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19205 Einführung von Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer Als weiteres effizientes Instrument zur Förderung der Wohneigentumsbildung setzt sich die Staatsregierung bei der Grunderwerbsteuer für eine Einführung von Freibeträgen für Erwachsene und Kinder beim erstmaligen Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum ein. Von diesen Freibeträgen würden vor allem junge Familien mit Kindern profitieren . Erhöhung des Kindergeldes Die Staatsregierung will auf Bundesebene eine spürbare Anhebung des Kindergeldes durchsetzen. Damit sollen insbesondere kinderreiche Familien unabhängig vom Einkommen der Eltern finanziell entlastet werden. Erhöhung des Kinderfreibetrages Daneben setzt sich die Staatsregierung für die schrittweise Anhebung des Kinderfreibetrages auf das Niveau des Erwachsenenfreibetrages ein. Der erste Schritt soll gleichzeitig mit der Erhöhung des Kindergeldes erfolgen.