Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Horst Arnold SPD vom 25.10.2017 Geschäftsbeziehungen zwischen politischen Mandatsträgern und den Bezirkskliniken Mittelfranken Ich frage die Staatsregierung: 1. Unter welchen Voraussetzungen sieht die Rechtsaufsichtsbehörde den Tatbestand von relevanten Geschäftsbeziehungen zwischen politischen Mandatsträgern und dem Bezirkstag Mittelfranken bzw. dem Verwaltungsrat der Bezirkskliniken Mittelfranken als erfüllt an? 2. a) Unter welchen Voraussetzungen sieht die Rechtsaufsichtsbehörde privatrechtliche Rechtsgeschäfte zwischen gewählten politischen Mandatsträgern und den Bezirkskliniken Mittelfranken bzw. dem Bezirk Mittelfranken als rechtmäßig an? b) Gibt es eine Anzeige- bzw. Meldepflicht ggü. der Rechtsaufsichtsbehörde von privatrechtlichen Rechtsgeschäften ? c) Wird der eventuell angezeigte bzw. gemeldete Sachverhalt von der Rechtsaufsichtsbehörde selbstständig überprüft? 3. Wurden jemals unter den obigen Gesichtspunkten Vertragsverhältnisse oder Geschäftsbeziehungen bzw. Mitgliedschaften beanstandet? 4. a) Hat die Rechtsaufsichtsbehörde Kenntnis von dem Umstand, dass Bezirksrats- und Verwaltungsratsmitglied Dr. med. Max Hubmann als geschäftsführender Gesellschafter des Carl-Korth-Instituts in Erlangen tätig ist? b) Hat die Rechtsaufsichtsbehörde Kenntnis von dem Umstand, dass zwischen den Bezirkskliniken Mittelfranken und dem Carl-Korth-Institut laufende vertragliche Bindungen bestehen? c) Wenn ja, mit welchem jährlichen Auftragsvolumen seit 2003? 5. a) Inwieweit wurde der oben erfragte Sachverhalt (4 a) bereits in der Vergangenheit an die Rechtsaufsichtsbehörde herangetragen und ggf. von dieser rechtlich gewürdigt? b) Wurden im Falle der bejahenden Beantwortung von (5 a) etwaige Ergebnisse der rechtlichen Würdigung schriftlich dem Bezirk Mittelfranken zugeleitet und mit den Verantwortlichen (wann, wo, mit wem?) erörtert? c) Sah die Rechtsaufsichtsbehörde im bejahenden Fall von (5 a und 5 b) die Angelegenheit als erledigt an oder wurden in der Folgezeit noch weitere Erkundigungen erhoben? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 20.11.2017 1. Unter welchen Voraussetzungen sieht die Rechtsaufsichtsbehörde den Tatbestand von relevanten Geschäftsbeziehungen zwischen politischen Mandatsträgern und dem Bezirkstag Mittelfranken bzw. dem Verwaltungsrat der Bezirkskliniken Mittelfranken als erfüllt an? Die staatliche Rechtsaufsicht über den Bezirk Mittelfranken und das Kommunalunternehmen Bezirkskliniken Mittelfranken ist gemäß Art. 77 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 91 Abs. 1 der Bezirksordnung (BezO) darauf beschränkt, die Erfüllung der gesetzlich festgelegten und übernommenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben und Verpflichtungen und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu überwachen. Rechtsbeziehungen zivilrechtlicher Natur sind daher nur dann rechtsaufsichtlich relevant, soweit sie mit bestimmten öffentlichrechtlichen Voraussetzungen oder Anforderungen verknüpft sind, beispielsweise um Interessenkonflikte zu vermeiden. Geschäftliche Beziehungen zivilrechtlicher Natur von Mitgliedern des Bezirkstags oder des Verwaltungsrats eines Kommunalunternehmens in der Trägerschaft des Bezirks führen unter den Voraussetzungen des Art. 40 BezO und Art. 76 Abs. 2 Satz 7 BezO zu einem Ausschluss von der Beratung und Abstimmung in Organen des Bezirks und seines Kommunalunternehmens in dieser Angelegenheit wegen einer persönlichen Beteiligung. § 6 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) bestimmt, dass Organmitglieder des öffentlichen Auftraggebers , bei denen ein Interessenkonflikt besteht, in einem Vergabeverfahren nicht mitwirken dürfen. Ein Interessenkonflikt besteht für Personen, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang eines Vergabeverfahrens nehmen können und die ein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte. Für die Rechtsaufsichtsbehörden sind zivilrechtliche Rechtsgeschäfte im Übrigen relevant, wenn sie der Genehmigung bedürfen. In Betracht kommen hier vor allem kreditähnliche Verpflichtungen und Sicherheiten im Sinn des Art. 64 BezO. 2. a) Unter welchen Voraussetzungen sieht die Rechtsaufsichtsbehörde privatrechtliche Rechtsgeschäfte zwischen gewählten politischen Mandatsträgern und den Bezirkskliniken Mittelfranken bzw. dem Bezirk Mittelfranken als rechtmäßig an? Werden die Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkonflikten , einschlägige Genehmigungspflichten (vgl. Antwort zu Frage 1) und die jeweils einschlägigen vergaberechtlichen Anforderungen, die der Bezirk und sein Kommunalunternehmen bei der Beschaffung von Leistungen zu Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 21.03.2018 Drucksache 17/19228 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19228 beachten haben, eingehalten, sind solche Rechtsgeschäfte grundsätzlich nicht zu beanstanden. b) Gibt es eine Anzeige- bzw. Meldepflicht ggü. der Rechtsaufsichtsbehörde von privatrechtlichen Rechtsgeschäften? Folgende Vorschriften über die kommunale Haushalts- und Vermögenswirtschaft sowie des kommunalen Unternehmensrechts sehen – teilweise unter bestimmten Voraussetzungen – Anzeige- oder Genehmigungspflichten für privatrechtliche Rechtsgeschäfte vor: • Gemäß Art. 61 Abs. 4 Satz 1 BezO bedürfen die Aufnahme von Kassenkrediten über den zuletzt in einer Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag hinaus und die Aufnahme von Krediten durch den Bezirk gemäß Art. 61 Abs. 2 BezO der Genehmigung (der Rechtsaufsichtsbehörde ; Art. 99 Abs. 1 BezO), solange die Haushaltssatzung noch nicht bekannt gemacht ist (vorläufige Haushaltsführung ). Die Vorschrift gilt für Kommunalunternehmen des Bezirks entsprechend (Art. 77 Abs. 3 Satz 1 BezO). • Gemäß Art. 63 Abs. 4 BezO bedarf die Aufnahme einzelner Kredite durch den Bezirk der Genehmigung, sobald die Kreditaufnahmen für die Bezirke nach § 19 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft beschränkt worden sind. • Gemäß Art. 64 BezO bedürfen kreditähnliche Verpflichtungen und Sicherheiten, die der Bezirk bestellt, grundsätzlich der Genehmigung. • Gemäß Art. 71 Satz 2 BezO bedürfen Beschlüsse des Bezirkstags über die Änderung des Verwendungszwecks oder über die Aufhebung der Zweckbestimmung der vom Bezirk verwalteten nichtrechtsfähigen Stiftungen der Genehmigung . Die Genehmigung ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der entsprechenden zivilrechtlichen Rechtsgeschäfte (Art. 99 Abs. 2 BezO). • Gemäß Art. 81a BezO sind eine Reihe dort bezeichneter Entscheidungen des Bezirks über unternehmensrechtliche Maßnahmen der Rechtsaufsichtsbehörde rechtzeitig anzuzeigen. c) Wird der eventuell angezeigte bzw. gemeldete Sachverhalt von der Rechtsaufsichtsbehörde selbstständig überprüft? Ja. 3. Wurden jemals unter den obigen Gesichtspunkten Vertragsverhältnisse oder Geschäftsbeziehungen bzw. Mitgliedschaften beanstandet? Nein, es gab keinen Anlass für rechtsaufsichtliche Beanstandungen (dabei wird vorausgesetzt, dass sich die Frage auf den Bezirk Mittelfranken und das Kommunalunternehmen Bezirkskliniken Mittelfranken bezieht). 4. a) Hat die Rechtsaufsichtsbehörde Kenntnis von dem Umstand, dass Bezirksrats- und Verwaltungsratsmitglied Dr. med. Max Hubmann als geschäftsführender Gesellschafter des Carl-Korth-Instituts in Erlangen tätig ist? Dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) ist durch ein Schreiben der Bezirkskliniken Mittelfranken vom 18.06.2013 bekannt, dass Herr Dr. med. Max Hubmann geschäftsführender Gesellschafter des Zentrums für Arbeitssicherheit und Medizinische Umwelttechnik GmbH am Carl-Korth-Institut in Erlangen ist. b) Hat die Rechtsaufsichtsbehörde Kenntnis von dem Umstand, dass zwischen den Bezirkskliniken Mittelfranken und dem Carl-Korth-Institut laufende vertragliche Bindungen bestehen? Mit Schreiben vom 18.06.2013 haben die Bezirkskliniken Mittelfranken dem StMI mitgeteilt, dass auf der Grundlage eines transparenten, wettbewerblichen Verfahrens mit öffentlicher Bekanntmachung ein Auftrag mit einer einjährigen Laufzeit im Bereich der Arbeitsmedizin und -sicherheit an die „Zentrum für Arbeitssicherheit und Medizinische Umwelttechnik GmbH“ am Carl-Korth-Institut in Erlangen vergeben worden sei. Mit Schreiben vom 23.10.2017 haben die Bezirkskliniken auf eine entsprechende Anfrage des StMI diese Auskunft dahin gehend präzisiert, dass ein nationales wettbewerbliches Verfahren im Dezember des Jahres 2012 erforderlich geworden sei, um die Verpflichtungen der Bezirkskliniken nach dem Arbeitssicherheitsgesetz durchgängig zu erfüllen. Nach seinem Eintritt in das Kommunalunternehmen habe der interimistische Vorstand festgestellt, dass der Vertrag mit der Zentrum für Arbeitssicherheit und Medizinische Umwelttechnik GmbH am Carl-Korth-lnstitut zum Jahresende 2012 auslief, ohne dass eine Neuvergabe vorbereitet worden war. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Vergütungsumfangs sei keine EU-weite Vergabe erforderlich gewesen. Im Übrigen sei das Verfahren von einem auf das Vergaberecht spezialisierten Anwalt betreut worden. Der darauffolgende mehrjährige Auftrag ab dem Jahr 2014 ist nach Mitteilung der Bezirkskliniken EU-weit ausgeschrieben worden. Der Zuschlag erfolgte auf das Angebot der Gesellschaft für Arbeitsmedizin am Carl-Korth-Institut GbR sowie das Angebot des Zentrums für Arbeitssicherheit und medizinische Umwelttechnik GmbH am Carl-Korth-lnstitut, die auf der Grundlage dieser Aufträge seit dem 01.01.2014 für das Kommunalunternehmen tätig sind. c) Wenn ja, mit welchem jährlichen Auftragsvolumen seit 2003? Das vertragliche Volumen für die Stellung von Betriebsärzten im Jahr 2013 belief sich nach Mitteilung der Bezirkskliniken Mittelfranken auf 156.640 Euro (netto), das Volumen für die Stellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit im Jahr 2013 betrug 73.236 Euro (netto). Abgerechnet wurden für das Jahr 2013 insgesamt 180.536 Euro (netto). Das jährliche Volumen für die Stellung von Betriebsärzten ab 2014 beträgt nach Mitteilung der Bezirkskliniken Mittelfranken gemäß dem Angebot 164.388 Euro (netto), das Volumen für die Stellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit 126.510 Euro (netto). Der vertragliche Vergütungsrahmen wurde bisher in keinem der Jahre ausgeschöpft, die abgerechneten Volumina lagen seit 2014 zwischen ca. 226.000 und ca. 294.000 Euro (netto). 5. a) Inwieweit wurde der oben erfragte Sachverhalt (4 a) bereits in der Vergangenheit an die Rechtsaufsichtsbehörde herangetragen und ggf. von dieser rechtlich gewürdigt? Mit Schreiben vom 13.05.2013 hatte der Bezirk Mittelfranken dem StMI mitgeteilt, dass gegen mehrere Bezirksräte, die zugleich Verwaltungsratsmitglieder der Bezirkskliniken Mittelfranken seien, und gegen den Vorstand des Kommunalunternehmens Bezirkskliniken Mittelfranken Strafanzeige erstattet worden sei. In diesem Zusammenhang hatte das StMI eine Stellungnahme der Bezirkskliniken Mittelfranken Drucksache 17/19228 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 eingeholt, die mit dem (in der Antwort zu Frage 4 b bezeichneten ) Schreiben der Bezirkskliniken vom 18.06.2013 erfolgt ist. Anhaltspunkte für ein rechtsaufsichtlich zu beanstandendes Verhalten der Bezirkskliniken Mittelfranken oder eines seiner Organe und deren Mitglieder haben sich nicht ergeben. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat mit Verfügung vom 19.08.2013 entschieden, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, da keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorgelegen hatten. b) Wurden im Falle der bejahenden Beantwortung von (5 a) etwaige Ergebnisse der rechtlichen Würdigung schriftlich dem Bezirk Mittelfranken zugeleitet und mit den Verantwortlichen (wann, wo, mit wem?) erörtert? Nein, da kein Anlass zu Beanstandungen vorlag. c) Sah die Rechtsaufsichtsbehörde im bejahenden Fall von (5 a und 5 b) die Angelegenheit als erledigt an oder wurden in der Folgezeit noch weitere Erkundigungen erhoben? Die Bezirkskliniken Mittelfranken wurden aufgrund eines Presseberichts der Süddeutschen Zeitung vom 18.07.2017 („Kontrolleur und Geschäftspartner“) und eines – unter einem Pseudonym – an das StMI gerichteten Schreibens vom 19.07.2017 von diesem mit Nachricht vom 19.07.2017 und weiterem Schreiben vom 21.08.2017 um Stellungnahmen gebeten. Die Einholung der Stellungnahme dient im Übrigen zur Vorbereitung des schriftlichen Berichts, den die Staatsregierung zu erstatten haben wird (vgl. Drs. 17/17861 und 17/18819).