Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.09.2017 Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte in Bayerischen Im Jahr 2016 ist nach Angaben der Staatsregierung die Zahl an Gewaltdelikten gegen Polizeibeamtinnen und -beamte um 7,3 Prozent gestiegen (siehe das am 24.08.2017 veröffentlichte bayernweite Lagebild des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr). Die Anzahl der Verletzungen nahm sogenanntenr um 16,3 Prozent zu. 82,7 Prozent der Gewaltdelikte richteten sich gegen Beamtinnen und -beamte des Wach- und Streifendienstes, der derzeit hoch belastet ist. 67 Prozent der Tatverdächtigen standen während der Tat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Ungefähr jeder vierte Tatverdächtige war nach Angaben der Staatsregierung Ausländer. Die Maßnahmen der Staatsregierung, aber auch der Bundesregierung zielen als Reaktion auf diese problematische Entwicklung in erster Linie auf Repression. So setzt man vermehrt auf Videoüberwachung und es wurde ein neuer Straftatbestand § 114 StGB eingeführt. Die Videoüberwachung , z. B. durch Bodycams wirkt bei zunehmender Alkoholisierung allerdings nicht mehr abschreckend. Und Erfahrungen au. a.deren Ländern zeigen, dass höhere Strafen nicht vor Straftaten schützen. Daher stellt sich die Frage, mit welchen präventiven Mitteln die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte eingedämmt werden kann. Deswegen frage ich die Staatsregierung: 1.1 Welche Gremien befassen sich (wissenschaftlich) mit dem aktuellen Lagebild 2016? 1.2 Welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsregierung aus dem aktuellen Lagebild zur Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte in Bayerischen? 1.3 Welche Schlussfolgerungen wurden in präventiver Sicht aus diesem Lagebild und den Lagebildern der Vorjahre zu Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte gezogen? 2.1 Was sind nach Erkenntnis der Staatsregierung die Gründe dafür, dass Polizeibeamtinnen und -beamte im Dienst Opfer von Gewalt werden? 2.2 Kommt die (wissenschaftliche) Aufarbeitung und Bewertung der Staatsregierung zu dem Schluss, dass Polizeibeamtinnen und -beamte aufgrund personenbezogener Eigenschaften zu Opfern werden? 2.3 Wenn ja, wie wird in der Polizeiausbildung und -fortbildung mit diesen individuellen Opferrisiken umgegangen ? 3.1 In welchen Situationen werden Polizeibeamtinnen und -beamte überproportional oft Opfer von Gewalt? 3.2 Wie wird diesen individuellen Situationen im Rahmen der Aus- und Fortbildung Rechnung getragen? 4. Welche Betreuungsangebote stehen Polizeibeamtinnen und -beamte zur Verfügung, die Opfer von Gewalt geworden sind? 5.1 An welche Stellen können sich Polizeibeamtinnen und -beamte wenden, wenn ihnen intern problematische Entwicklungen auffallen? 5.2 Wie gestaltet sich das Beschwerdemanagement? 5.3 Wie werden solche Beamtinnen und -beamte, die intern auf problematische Entwicklungen aufmerksam machen, gegen Repressalien geschützt? 6.1 Wie oft werden vor dem Hintergrund der steigenden Einsatzbelastung von den Beamtinnen und -beamte im Wach- und Streifendienst Situationen trainiert, die - auf das konkrete Lagebild bezogen - oft zu Widerstandshandlungen führen? 6.2 Gibt es einen Rückgang der Teilnahmequote an polizeilichen Einsatztrainings? 6.3 Welche Fortbildungsangebote werden z. B. zu den Themen interkulturelle Kommunikation oder institutioneller Rassismu. a.geboten? 7.1 Welche sicherheitspolitischen Ansätze werden hinsichtlich der Prävention von Alkoholkonsum verfolgt? 7.2 Welche präventiven Ansätze werden hinsichtlich des hohen Anteils von ausländischen Straftätern verfolgt? 8.1 Wie hoch ist der Anteil von Polizeibeamtinnen und -beamte mit Migrationshintergrund? 8.2 Welche Maßnahmen werden zur Förderung der Einstellung von Bewerbern mit Migrationshintergrund ergriffen ? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 30.01.2018 Drucksache 17/19529 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19529 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 03.12.2017 Vorbemerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung von weiblichen und männlichen Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. 1.1 Welche Gremien befassen sich (wissenschaftlich) mit dem aktuellen Lagebild 2016? 1.2 Welche Schlussfolgerungen zieht die Staatsregierung aus dem aktuellen Lagebild zur Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte in Bayerischen? 1.3 Welche Schlussfolgerungen wurden in präventiver Sicht aus diesem Lagebild und den Lagebildern der Vorjahre zu Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte gezogen? Damit auf Basis objektiver Erkenntnisse auch künftig ein möglichst umfassender Schutz der Polizeibeamten in Bayerischen sichergestellt werden kann, insbesondere durch die Entwicklung und Anpassung von Einsatzkonzeptionen, die weitere Optimierung der Aus- und Fortbildung, die zielorientierte Qualifizierung der Führungskräfte, die fortlaufende Verbesserung der Ausstattung mit Führungs- und Einsatzmitteln und die Feststellung etwaigen gesetzgeberischen Handlungsbedarfs, wurde im Jahr 2010 ein periodisches „Lagebild Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayerischen“ eingeführt . Um den besonderen Bedürfnissen in den jeweiligen Präsidien der Landespolizei gerecht zu werden, werden zudem Verbandslagebilder erstellt. Mit dem Lagebild soll auf Basis gesicherter Informationen eine objektive, belastbare und aussagekräftige Erkenntnislage zum Phänomenbereich „Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayerischen“ geschaffen werden. Dabei sollen auch Entwicklungen und Tendenzen aufgezeigt und Vergleiche ermöglicht werden. Unter anderem erhielt nach Fertigstellung des ersten Landeslagebilds eine bayernweite Arbeitsgruppe mit Vertretern der Bayerischen Polizeipräsidien, der Geschäftsstelle Arbeitsschutz der Bayerischen Polizei und des Zentralen Psychologischen Dienstes unter Leitung des damaligen Polizeivizepräsidenten des Polizeipräsidium Unterfranken 2011 den Auftrag, die bisherigen Ergebnisse zu analysieren und Vorschläge für Folgemaßnahmen zu erarbeiten. Auch wurden für das künftige taktische Vorgehen durch den Zentralen Psychologischen Dienst der Bayerischen Polizei 59 exemplarische Fälle in Form von Einzelfallanalysen untersucht und Risikofaktoren für die Gewaltanwendung identifiziert. In ihrem Abschlussbericht hat die Arbeitsgruppe umfangreiche Empfehlungen ausgesprochen. Sie wurden insbesondere in den Bereichen Forschung (Kriminologische Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei), Einsatzkonzeptionen und Fürsorge bereits vollumfänglich umgesetzt. Durch die Kriminologische Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei (KFG) wurde eine Langzeitanalyse zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayerischen“ durchgeführt. Hierbei wurde in einer Untersuchung im Längs- und Querschnitt die Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayerischen untersucht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass von keiner zunehmenden Gewaltbereitschaft in der breiten Bevölkerung Bayerischens ausgegangen werden muss. Zudem werden die wesentlichen Feststellungen der Landeslagebilder durch die Studie bestätigt. Vonseiten der Staatsregierung wurden in den zurückliegenden Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen, um Gefahren für Polizeivollzugsbeamte zu minimieren und die Beamten bestmöglich für potentielle Konfliktsituationen vorzubereiten und auszurüsten sowie ggf. im Nachgang zu solchen Situationen zu betreuen. Dies wird auch künftig fortgesetzt . Im Jahr 2015 erfolgte die Einführung eines neuen Einsatzanzuges für die geschlossenen Einsatzeinheiten, welcher permanent schwer entflammbar ist und aus Materialen mit hoher Funktionalität besteht. Daneben erfolgte eine Neukonzeptionierung der persönlichen Körperschutzausstattung dieser Einheiten mit Einführung neuer Oberschenkelprotektoren , eines speziellen Schutzhandschuhs und Impulsschallgehörschutzes und der Verbesserung des Genitalschutzes . Die Optimierung der Ausstattung erfolgte u. a. aufgrund von Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen. Daneben wird bei der Bayerischen Polizei seit Langem eine moderne und professionelle Aus- und Fortbildung (siehe hierzu auch die Beantwortung der Frage 3.2) praktiziert und es wurden umfangreiche Fürsorge- und Betreuungsmaßnahmen etabliert. Seit dem 01.01.2015 haben von tätlichen Angriffen betroffene Beamte die Möglichkeit, uneinbringbare rechtskräftig festgestellte Schmerzensgeldansprüche ab einer Höhe von 500 Euro gegen Vorleistung des Dienstherrn an diesen abzutreten. Die Umsetzung erfolgte im Rahmen des Haushaltsgesetzes 2015/2016 durch einen neuen Art. 97 BayBG (Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen). Zudem leistet der Dienstherr in bestimmten Fällen Sachschadensersatz , wenn durch einen Gewaltakt Gegenstände im Eigentum des Beamten beschädigt oder zerstört wurden oder wenn dem Beamten sonstige, nicht unerhebliche Vermögensschäden zugefügt wurden. Die Bagatellgrenze für Sachschadensersatz in Höhe von 75 Euro kommt dabei für im Einsatz durch Gewaltakte Dritter geschädigte Polizisten inzwischen nicht mehr zur Anwendung. Die Bayerischen Polizei wurde in der jüngeren Vergangenheit durch das im Juli 2016 von der Staatsregierung beschlossene, weitreichende Konzept „Sicherheit durch Stärke“ sowie das „Sofortprogramm Innere Sicherheit“ mit modernster (Schutz-)Ausrüstung und Technik ausgestattet. Insbesondere wurden neue ballistische Helme und neuartige Schutzwesten angeschafft. Noch im Jahr 2017 soll die Auslieferung eines kurzen ausziehbaren Einsatzstockes als Mannausstattung beginnen. Im Vorfeld hierzu erfolgte der erfolgreiche Abschluss eines Pilotversuches mit verschiedenen Dienststellen der Bayerischen Polizei. Hierbei zeigte sich, dass allein das Mitführen und „Ausziehen“ eine präventive Wirkung entfaltete. Derzeit befindet sich der Einsatz sogenanntennannter Body-Cams in der Erprobung. Hauptziel hierbei ist festzustellen , inwieweit durch den präventiv ausgerichteten Einsatz von offen getragenen Body-Cams im öffentlichen Raum ein wirkungsvoller Beitrag zum Schutz von Polizeibeamten vor Angriffen durch potentielle Gewalttäter geleistet werden kann und inwieweit sich ein solcher Schutz auch auf betroffene Dritte als Opfer erstreckt. Die Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayerischen – Fachbereich Polizei (HföD) in Fürstenfeldbruck wurde da- Drucksache 17/19529 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 mit beauftragt, das Pilotprojekt Body-Cam wissenschaftlich zu begleiten. Während des Projekts werden beispielsweise die teilnehmenden Beamten zu ihren Eindrücken befragt und die Entwicklung der Gewaltvorfälle gegen Polizeibeamte analysiert. Auch wird im Jahr 2018 ein Pilotversuch mit sogenannten Distanzelektroimpulsgeräten außerhalb der Spezialeinheiten bei ausgewählten Einsatzeinheiten (13 USK, 4 OED) in Bayerischen starten. Im November 2016 wurde eine Projektgruppe mit der Einführung einer neuen Dienstwaffe bei der Bayerischen Polizei beauftragt. Mit der Auslieferung der neuen Dienstpistole soll im Jahr 2019 begonnen werden. Im Rahmen des Konzeptes „Sicherheit durch Stärke“ sind von 2017 bis 2020 jedes Jahr zusätzlich 500 Stellen für die Bayerischen Polizei vorgesehen, also insgesamt 2.000 Polizeistellen für spürbar mehr Präsenz und Sicherheit. Somit wird auch der Gefahr von Gewalttaten im Allgemeinen und gegen Polizeibeamte im Besonderen vorgebeugt. 2011 wurde auf Initiative Bayerischens hin die obere Strafrahmengrenze für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) von zwei auf drei Jahre Freiheitsstrafe angehoben . Zudem hat der Deutsche Bundestag aufgrund der bayerischen Gesetzesinitiative im April 2017 das Gesetz zu Strafverschärfungen und erweiterten Strafvorschriften bei Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte, insbesondere die Einführung einer Mindestfreiheitsstrafe für tätliche Angriffe, verabschiedet. Wichtig ist hierbei auch, dass alle Angriffe unter Strafe gestellt werden, die im Zusammenhang mit der Dienstausübung erfolgen, also auch beispielsweise bei anlassunabhängigen Streifengängen oder Verkehrskontrollen . Vor der Gesetzesänderung war dies nur bei Vollstreckungshandlungen der Fall. Ungeachtet des repressiven Charakters soll hiermit vor allem auch eine abschreckende Wirkung in Form der Spezial- und Generalprävention erzielt werden. Resümierend lässt sich konstatieren, dass sich die Gewalt gegen Polizeibeamte seit Jahren auf einem hohen Niveau bewegt. Dies bestätigt das Landeslagebild 2016. Seit 2010 stieg die Zahl der Gewaltdelikte um 18,2 Prozent. Die Problemlösung kann auch nicht allein darin liegen, Polizeibeamte mit immer schwererer Schutzausstattung auszurüsten. Erforderlich ist vielmehr eine ausnahmslose Ächtung von Gewalt in unserer Gesellschaft. Wenngleich in der breiten Bevölkerung eine zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten nicht festgestellt werden konnte, ist ein grundlegender Gesinnungswandel in Teilen der Gesellschaft notwendig. Ein Großteil der Täter setzt sich aus jungen männlichen Mehrfach- und Intensivtätern zusammen, die eine erhöhte Gewaltbereitschaft aufweisen. Zudem steht ein Großteil der Täter während der Tat unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss. Ganz wesentlich scheint hier die Vermittlung des Wertegefüges im Umgang mit Konflikten. Bereits in den Familien und Bildungseinrichtungen muss daher das Erlernen vo. g.waltfreien Konfliktlösungsstrategien, aber auch die Ausbildung von Frustrationstoleranzen einen festen Raum einnehmen. Das Landeslagebild wird nach Fertigstellung dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und den Präsidien der Bayerischen Polizei vorgelegt. Daneben erfolgt eine Einstellung ins Intranet der Bayerischen Polizei und es ist somit für jeden Beschäftigten zugänglich. Weiterhin werden die Landeslagebilder regelmäßig den Berufsvertretungen , dem Hauptpersonalrat und allen Mitgliedern des Ausschusses für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Landtags zugesandt. 2.1 Was sind nach Erkenntnis der Staatsregierung die Gründe dafür, dass Polizeibeamtinnen und -beamte im Dienst Opfer von Gewalt werden? Die Polizei nimmt in Bezu. a.f Gewalterfahrung im Beruf eine Sonderstellung ein. Sie ist verpflichtet, einerseits Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, andererseits Straftaten zu verhindern und zu verfolgen. Aufgrund dessen werden Polizeibeamte regelmäßig mit gewaltimmanenten Sachverhalten konfrontiert, da sie diejenigen sind, die sich in Gefahrensituationen begeben müssen und Hilfe leisten. Nicht selten treffen sie hierbei auf emotionsgeladene Situationen, die sich schlagartig verändern und in Gewalttätigkeiten gegenüber den eingesetzten Beamten wandeln können. Verstärkt wird dies insbesondere dadurch, dass gegen die Betroffenen Maßnahmen zu treffen sind, die darüber hinaus ggf. mittels unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden müssen. Wie bereits oben genannt, ist von einer grundsätzlich erhöhten Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung gegenüber der Polizei nicht auszugehen. Ein großes Problem ist die Gruppe der jungen männlichen Mehrfach- und Intensivtäter . In der Regel weisen diese ohnehin schon eine erhöhte Gewaltbereitschaft auf. Ein weiteres Problem ist die Gruppe der Täter, die unter dem Einfluss von Alkohol und/oder Drogeneinfluss stehen. Nicht selten fallen beide Risikofaktoren auch zusammen. Versuche, die Einsatzsituation mit verbalen und nonverbalen Konfliktvermeidungsstrategien zu Beginn so weit zu klären und zu beruhigen, dass weitergehende Zwangsmaßnahmen nicht erforderlich werden, führen hier oft nicht zum gewünschten Erfolg. Eine von vornherein fehlende Kooperationsbereitschaft im Zusammenwirken mit einer aggressiven Grundhaltung und erheblichen Alkoholisierung gegenüber der Polizei ist immer wieder anzutreffen. 2.2 Kommt die (wissenschaftliche) Aufarbeitung und Bewertung der Staatsregierung zu dem Schluss, dass Polizeibeamtinnen und -beamte aufgrund personenbezogener Eigenschaften zu Opfern werden ? Ein wesentlicher Bestand des Landeslagebilds befasst sich mit dem Polizeivollzugsbeamten als Opfer. Hierbei werden u. a. das Geschlecht und das Alter der betroffenen Polizeibeamten einer näheren Betrachtung unterzogen, inwieweit ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen personenbezogenen Eigenschaften und Gewaltanwendung besteht. In Bezu. a.f das Geschlecht der betroffenen Polizeibeamten lässt sich in den Landeslagebildern 2016 und 2015 (Angabe in Klammern) folgende Aussage treffen: Von den insgesamt 16.450 (14.913) als Opfer erfassten (bekannten) Polizeivollzugsbeamten waren 2.461 (2.224) oder 15,0 Prozent (14,9 Prozent) weiblich und 13.989 (12.689) oder 85,0 Prozent (85,1 Prozent) männlich. Bei einem Frauenanteil im Jahr 2016 von 18,8 Prozent (2015: 17,9 Prozent) bedeutet dies, dass die Beamtinnen im Verhältnis zu ihren männlichen Kollegen, zumindest statistisch gesehen, ein etwas geringeres Opferrisiko tragen. Diese Aussage ist durchgängig bei allen Landeslagebildern seit 2010 festzustellen. Hinsichtlich der Altersstruktur der betroffenen Polizeibeamten ist festzustellen, dass die Altersgruppe „26–35 Jahre“ am stärksten und vor allem bei den Fällen zu Widerstand, Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19529 Körperverletzung, Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung belastet ist. Die Altersgruppe der 17- bis 25-jährigen Polizeibeamten ist weniger stark betroffen. Dies erklärt sich dadurch, dass sich ein Großteil dieser Altersgruppe noch in der Ausbildung befindet. Ab 35 Jahren geht der prozentuale Anteil stetig zurück. Bei den über 45-Jährigen ist freilich mit zunehmendem Alter auch die Einsatzbelastung rückläufig, zumal hier auch vermehrt die Möglichkeit genutzt wird, vom Schichtdienst in den Tagesdienst zu wechseln. Die Altersgruppe der 26- bis 35-jährigen Polizeibeamten ist im am stärksten betroffenen Funktionsbereich des Wach- und Streifendienstes überproportional vertreten. Um jedoch fundierte Aussagen zur Opferspezifikation „Alter “ treffen zu können, müsste die jeweilige Anzahl der in den Altersgruppen dienstverrichtenden Beamten bekannt sein und einbezogen werden. Solche Aufzeichnungen sind nicht vorhanden und würden auch zu einem immensen, nicht zu vertretenden Verwaltungsaufwand führen. Die Opferspezifikation „Migrationshintergrund“ wird statistisch nicht erfasst. Uns liegen keine Erkenntnisse vor, dass ein Polizeibeamter aufgrund dessen Opfer eines Gewaltdeliktes in Ausübung seines Berufes wurde. 2.3 Wenn ja, wie wird in der Polizeiausbildung und -fortbildung mit diesen individuellen Opferrisiken umgegangen? Da keine wesentlichen personenbezogenen Eigenschaften der Opfer vorliegen, erfolgt somit keine gesonderte Berücksichtigung in der Aus- und Fortbildung. 3.1 In welchen Situationen werden Polizeibeamtinnen und -beamte überproportional oft Opfer von Gewalt ? Folgende Kernaussagen aus den Landeslagebildern lassen sich hierzu treffen: In den Ballungsräumen und Städten besteht grundsätzlich eine höhere Belastung gegenüber den Flächen. Die Gefahr, dort als Polizeibeamter Opfer eines Gewaltdeliktes zu werden, ist damit wesentlich höher als in ländlich geprägten Gebieten. Bei der Tatörtlichkeit sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze mit 44,8 Prozent am häufigsten verzeichnet . Hierbei sind überwiegend alkoholisierte männliche Täter anzutreffen. 67,2 Prozent aller Tatverdächtigen standen zum Zeitpunkt der Tatausführung unter dem Einfluss berauschender Mittel (Alkohol und/oder Drogen). Dieser Trend der alkoholassoziierten Gewaltdelikte ist im Allgemeinen bereits seit 2003 zu beobachten. Der Schwerpunkt der Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte liegt mit rund 85 Prozent bei den Einsatzlagen des täglichen Dienstes und hierbei bei verbalen oder tätlichen Auseinandersetzungen (22,1 Prozent), zu denen die Polizei gerufen wurde. Der Großteil der Gewalttaten ereignet sich bei Festbzw . Gewahrsamnahmen (37,4 Prozent) und bei Identitätsfeststellungen bzw. Sachverhaltsklärungen (26,5 Prozent). 3.2 Wie wird diesen individuellen Situationen im Rahmen der Aus- und Fortbildung Rechnung getragen ? Die Erkenntnisse aus den bayerischen Landeslagebildern wurden und werden in Bayerischen zur Eindämmung des Phänomens „Gewalt gegen Polizeibeamte“ fortlaufend in der Aus- und Fortbildung berücksichtigt: ̶ Ausbildungsinhalte zur Förderung der persönlichen und sozialen Kompetenzen bilden einen Schwerpunkt der Ausbildung bei der Bayerischen Polizei. Hierbei lernen Polizeibeamte, ihr Verhalten und ihre Vorgehensweise in schwierigen Situationen durch kommunikative Fähigkeiten , psychologisches Geschick und Kompetenz in der Konfliktbewältigung entsprechend anzupassen (Ausbildungsfach Kommunikation und Konfliktbewältigung). ̶ Steigerung der Kompetenzen in der Konflikt- und Stressbewältigung durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. ̶ Training von lageangepasstem taktischem Vorgehen in Einsatzteams. ̶ Fortbildung und einsatzmäßige Umsetzungen einer lageangepassten Einsatzsteuerung und Führung. ̶ In den Unterrichten der sogenannten einsatzbezogenen polizeilichen Selbstverteidigung und Eigensicherung (epSVE) werden Polizeivollzugsbeamten ergänzend in praktischen Übungsszenarien die notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse vertiefend vermittelt, um handlungssicher unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit erforderlichenfalls unmittelbaren Zwang unter Beachtung der Eigensicherung anwenden zu können. ̶ Die Ausbildung der Polizeivollzugsbeamten ist im hohem Maße praxisorientiert. ̶ Jeder Beamte im Wach- und Streifendienst nimmt fortlaufend an Trainingsmaßnahmen des „Polizeilichen Einsatzverhaltens (PE)“ teil. ̶ Stärkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Dienstsport Das PE-Training umfasst die möglichst realitätsnahe Schulung von professioneller Handlungs- und Verhaltenssicherheit der Polizeivollzugsbeamten im polizeilichen Einsatzgeschehen . PE ist im Rahmen der Aus- und Fortbildung bei der Bayerischen Polizei als ganzheitliches Training konzipiert. Dabei werden in komplexen Übungen alle Bereiche des polizeilichen Einsatzgeschehens von der verbalen Kommunikation über die Anwendung unmittelbaren Zwangs bis hin zum Schusswaffennichtgebrauch oder Schusswaffengebrauch trainiert. In den realitätsnahen Trainingsszenarien werden insbesondere Kommunikation, Einsatztaktik, Eingriffstechniken sowie Handhabung und Einsatz von Führungs- und Einsatzmitteln teamorientiert und ganzheitlich in Interaktion trainiert sowie rechtlich und verhaltensorientiert von speziell geschulten Trainern begleitet und ausgewertet. Infolge der stetigen Überprüfung und Weiterentwicklung der Inhalte entsprechen die Trainings den aktuellen fachlichen Anforderungen. Beispielsweise wurden die PE- Leitthemen „Umgang mit aggressiven Personen, die sich in psychischen Ausnahmesituationen befinden“ und „Polizeiliches Einschreiten gegen Gruppen, die sich aggressiv gegenüber Polizeivollzugsbeamten verhalten“ konzipiert und in Trainingsszenarien konsequent zur Fortbildung unserer Beamten umgesetzt. Aktuell wird das PE-Leitthema „Lebensbedrohliche Einsatzlagen“ umgesetzt. Im Fokus dieses Trainingsmoduls stehen die Interventionsmaßnahmen des Wach- und Streifendienstes, insbesondere bei Lagen mit Tätern, die mit einem extremistischen bzw. gewaltbereiten terroristischen Hintergrund ein sehr hohes Gefährdungspotenzial für die eingesetzten Kräfte beinhalten und sofortige polizeiliche Maßnahmen noch vor Eintreffen der Spezialeinheiten am Tatort erfordern. Mit der im Jahr 2017 erfolgten Anschaffung geeigneter Ausrüstungsgegenstände und der zwischenzeitlich begonnenen Unterweisung unserer Einsatzkräfte in Elementen der sogenannten Taktischen Einsatzmedizin können wir die Maßnahmen der konventionellen Ersten Hilfe noch besser Drucksache 17/19529 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 ergänzen, u. a.ch etwaig im Einsatz schwer verletzte Polizeibeamte ersthelferisch noch besser versorgen zu können. Zur Vorbereitung unserer Einsatzkräfte auf Großveranstaltungen wie z. B. Fußballeinsätze oder Demonstrationen werden für die geschlossenen Einheiten Einsatztrainings mit entsprechenden Szenarien durchgeführt. Ergänzend verweisen wir auf die Antwort des Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 06.03.2017 zur Schriftlichen Anfrage des Herr Abgeordneten Markus Ganserer vom 15.11.2016 (Drs 17/15794). 4. Welche Betreuungsangebote stehen Polizeibeamtinnen und -beamte zur Verfügung, die Opfer von Gewalt geworden sind? Für die von Gewalt betroffenen Polizeibeamten besteht jederzeit die Möglichkeit, die Beratungs- und Betreuungsangebote des Zentralen Psychologischen Dienstes der Bayerischen Polizei (ZPD), der bei den Verbänden angesiedelten Sozialpädagogen des Polizeilichen Sozialen Dienstes (PSD), des Ärztlichen Dienstes sowie der Polizeiseelsorge der Bayerischen Polizei in Anspruch zu nehmen. Für Fragen des dienstlichen Rechtsschutzes und der Unfallfürsorge steht bei jedem Polizeipräsidium ein Jurist zur Verfügung. Um Betroffenen eine fachkundige Hilfe bei der Problemverarbeitung anbieten zu können, sind psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen für eine fundierte Beratung und Betreuung unserer Mitarbeiter bei den Präsidien der Bayerischen Polizei konzeptionell vorbereitet. Weiterhin findet bei größeren Einsatzlagen, die im Rahmen einer Besonderen Aufbauorganisation abgearbeitet werden, der Bereich „Zentrale Betreuung“ Berücksichtigung. 5.1 An welche Stellen können sich Polizeibeamtinnen und -beamte wenden, wenn ihnen intern problematische Entwicklungen auffallen? 5.2 Wie gestaltet sich das Beschwerdemanagement? Als direkter Ansprechpartner steht in diesen Fällen der unmittelbare Vorgesetzte des Beamten zur Verfügung. Des Weiteren kann er sich an seinen Dienststellenleiter bzw. an das Polizeipräsidium wenden. Davon unabhängig können sich Polizeibeamte insbesondere auch an die Polizeiseelsorger, den Zentralen Psychologischen Dienst der Polizei, die Gleichstellungsbeauftragten sowie den Polizeilichen Sozialen Dienst des jeweiligen Polizeipräsidiums , an einen der örtlichen Personalräte bis hin zum Hauptpersonalrat oder die Berufsvertretungen wenden. Bei der Bayerischen Polizei stellt die Einsatznachbereitung ein wichtiges Instrumentarium im Sinne einer positiven Fehlerkultur dar, die quer durch alle Hierarchieebenen praktiziert wird. Hier besteht die Möglichkeit, dass alle eingesetzten Beamten mögliche Fehlentwicklungen kommunizieren können. Die bestehenden Kontrollinstrumente wie z. B. Fach- und Dienstaufsicht, Ermittlungen in Amtsdelikten durch kriminalpolizeiliche Fachdienststellen bzw. Fachbeamte, Bearbeitung von Beschwerden und Disziplinarangelegenheiten durch juristische Sachbearbeiter und die Kontrolle durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, die Staatsregierung und den Landtag sowie auch durch die Öffentlichkeit gewährleisten eine effektive Kontrolle des polizeilichen Handelns. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, bestehen ausreichend Möglichkeiten, Beschwerden, auch innerdienstliche, vorzubringen. Jede Beschwerde wird ernst genommen und sorgfältig geprüft. Erforderlichenfalls werden Maßnahmen eingeleitet. Am 01.03.2013 wurde die Zentralstelle „Interne Ermittlungen “ beim Dezernat 13 im Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) für strafrechtliche Ermittlungen gegen Beschäftigte der Bayerischen Polizei geschaffen, welche organisationsintern vom täglichen Einsatzgeschehen der Verbände der Bayerischen Polizei getrennt ist. Der Staatsanwaltschaft, welche nicht der Aufsicht des Innenressorts untersteht, obliegt in diesen Fällen die Sachleitung der Ermittlungen. Sie beauftragt die strafrechtlichen polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen durch die o. g. Zentralstelle. 5.3 Wie werden solche Beamtinnen und -beamte, die intern auf problematische Entwicklungen aufmerksam machen, gegen Repressalien geschützt? Die Implementierung von Schutzmechanismen setzt voraus, dass hierfür ein fachlicher Bedarf besteht. Es liegen uns keine Erkenntnisse vor, dass Beamte, die auf problematische Entwicklungen innerhalb ihrer Organisation aufmerksam gemacht haben, Nachteile erlitten haben bzw. befürchten müssen. 6.1 Wie oft werden vor dem Hintergrund der steigenden Einsatzbelastung von den Beamtinnen und -beamte im Wach- und Streifendienst Situationen trainiert, die – auf das konkrete Lagebild bezogen – oft zu Widerstandshandlungen führen? Der Zeitansatz für das Training des Polizeilichen Einsatzverhaltens (PE) ist für die Beamten des Wach- und Streifendienstes mit mindestens 24 Stunden jährlich verpflichtend festgelegt. Die Fortbildung hat an mindestens vier auseinanderliegenden Terminen im Jahr zu erfolgen. 6.2 Gibt es einen Rückgang der Teilnahmequote an polizeilichen Einsatztrainings? Grundsätzlich nehmen alle Polizeivollzugsbeamten der Bayerischen Polizei an den dezentral durchgeführten Fortbildungsveranstaltungen zum PE teil. Informationen über einen Rückgang der Teilnahmequote liegen uns nicht vor. 6.3 Welche Fortbildungsangebote werden z. B. zu den Themen interkulturelle Kommunikation oder institutioneller Rassismu. a.geboten? Zu den spezifischen Inhalten der Aus- und Fortbildung der Bayerischen Polizei zum Thema „Interkulturelle Kompetenz“ und „Besonderheiten von rechtsextremistisch bzw. rassistisch motivierten Straf- und Gewalttaten“ dürfen wir auf die Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 26. September 2016 zur Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Katharina Schulze vom 3. August 2016 betreffend „Umgang mit rechtsextremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten I: Schulungsangebote für bayerische Polizeikräfte“ (Drucksache 17/13096) verweisen. 7.1 Welche sicherheitspolitischen Ansätze werden hinsichtlich der Prävention von Alkoholkonsum verfolgt? Die Bayerischen Polizei führt vielfältige Präventionsaktionen , vor allem im Bereich der Suchtvorbeugung in Bezug auf Drogen aber auch Alkohol und sonstige bewusstseinsverändernde Substanzen durch. Hierbei wird vor allem die Zielgruppe Jugendliche bzw. junge Heranwachsende insbe- Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19529 sondere durch Jugend- und Präventionsbeamte angesprochen . Als Beispiel ist hier die Kampagne „Don‘t drink too much – STAY GOLD“ (www.staygold.eu) der Polizeilichen Kriminalprävention des Bundes und der Länder (ProPK) zu nennen. Mit einem speziellen auf die Zielgruppe der Jugendlichen und Heranwachsenden ausgerichteten Internetauftritt wird der Themenbereich Alkoholkonsum mittels Videoclip, downloadbaren Wallpapers und einer Vielzahl von weiteren Medienangeboten thematisiert. Art. 30 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) bietet den Gemeinden die Möglichkeit, durch Verordnung an bestimmten öffentlich zugänglichen Orten außerhalb von Gebäuden und genehmigten Freisitzflächen den Verzehr und das Mitführen alkoholischer Getränke zu verbieten. Die polizeiliche Prävention in Bezu. a.f Alkoholkonsum erstreckt sich hier auf eine Überwachung von kommunalen Alkoholverbotszonen durch schwerpunktmäßige Kontrolltätigkeit und Kontrollen im täglichen Dienst. Im Zuge der Errichtung solcher Alkoholverbotsbereiche berät die Polizei die jeweilige Kommune. Ziel ist hierbei immer auch, mittelbar die Folgen des Alkohol- und Drogenmissbrauchs, insbesondere Gewalt- und Aggressionsdelikten zu verhindern. Die Ahndung von Verstößen gegen die Abgabebestimmungen des Jugendschutzgesetzes ist in Bayerischen Aufgabe der Kreisverwaltungsbehörden. Zur Kontrolle der Abgabebestimmungen hat sich die Staatsregierung für den Einsatz von Testkäufern ausgesprochen. Hierzu wurden die bayerischen Vollzugshinweise zum Jugendschutzgesetz (JuSchG) Ende 2009 entsprechend angepasst. Danach werden Testkäufe unter Aufsicht der zuständigen Vollzugsbehörden mit jugendlichen Angehörigen des öffentlichen Dienstes empfohlen. Damit wurde für die Praxis eine verbesserte Rechtssicherheit für die Durchführung von Testkäufen geschaffen. Wenn Gewerbetreibende damit rechnen müssen, dass sie von den zuständigen Behörden verstärkt kontrolliert werden, werden Verstöße weniger häufig begangen. Auf Vorschlag Bayerischens hat die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörden AGJF zudem im März 2017 die „Rechtsauffassung und Praxishinweise der Obersten Landesjugendbehörden zum (Online-) Versandhandel“ beschlossen. Mit dem Ziel, eine flächendeckende Einhaltung des Jugendschutzes sicherzustellen, wurden Handlungsempfehlungen für den (Online-)Versandhandel mit alkoholischen Getränken festgelegt. Der Alkoholkonsum von Minderjährigen stellt als selbstgefährdendes Verhalten eine große Herausforderung für die Kinder- und Jugendhilfe dar. Damit junge Menschen gar nicht erst das Verlangen nach Suchtmitteln entwickeln, ist gezielt ihre Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Daher weist das Kinder- und Jugendprogramm der Staatsregierung auf die Notwendigkeit hin, Kinder und Jugendliche in allen Lebensbereichen stark zu machen. Einsicht und Überzeugung sind schließlich die Grundlage für den Schutz junger Menschen. Die Maßnahmen der Jugendämter vor Ort gegen den Alkoholmissbrauch umfassen u. a. Präventionsveranstaltungen , Beratungsangebote, Informationsmaterial und Fortbildungen. Auf Landesebene leistet die Aktion Jugendschutz. B.yerischen durch Fortbildungen und Arbeitshilfen für Fachkräfte einen wichtigen Beitrag zur Alkoholprävention. Thematische Schwerpunkte sind Fortbildungen bzgl. der Arbeit mit Eltern und bzgl. der Gesprächsführung mit Jugendlichen. Darüber hinaus hat die Aktion Jugendschutz Bayern eine Vielzahl an Broschüren und interaktiven Planspielen für Jugendliche (Voll die Party, Die Anhörung) entwickelt, die sich mit dem Thema Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen beschäftigen . Der Prävention widmet ist das Projekt ELTERN- TALK, das zur Stärkung elterlicher Kompetenzen dient. Das Thema Suchtvorbeugung und gesundes Aufwachsen stößt dabei bei den Eltern auf großes Interesse. Auch die Förderung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Gesundheitssektor ist unabdingbar. Mit dem Ärzteleitfaden hat das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration eine wichtige Grundlage für die verstärkte Kooperation von Gesundheitswesen und Jugendhilfe geschaffen, sodass suchtgefährdete Jugendliche die bestmögliche Unterstützung erhalten können. 7.2 Welche präventiven Ansätze werden hinsichtlich des hohen Anteils von ausländischen Straftätern verfolgt? Seit Anfang 2016 führen Richter, Staatsanwälte sowie Rechtspfleger in Bayerischen Rechtskundeunterricht bei Flüchtlingen und Asylbewerbern äußerst erfolgreich durch. Im Rechtskundeunterricht werden unsere grundlegenden Werte, unsere Verfassung und unsere Rechtsordnung vermittelt. Dies geschieht zum einen durch die Inhalte, die in den jeweils zweistündigen Veranstaltungen besprochen werden. Das Unterrichtskonzept basiert auf einem Grundmodul zu den grundlegenden Prinzipien und Werten der deutschen Rechtsordnung und bislang drei darau. a.fbauenden Zusatzmodulen zu den Grundlagen des Zivilrechts, Familienrechts und Strafrechts. Das Unterrichtsmaterial umfasst passend zu den Modulen vier kurze Erklärfilme und vier thematisch passende Handouts in jeweils acht verschiedenen Sprachen sowie eine Informationsbroschüre über die deutsche Rechtsordnung in bislang sechs verschiedenen Sprachen. Das Material ist über die Homepage des Staatsministeriums der Justiz unter dem Link http://www.justiz.bayern.de/service/fluechtlingeasylbewerber / öffentlich zugänglich; die Erklärfilme finden sich zudem auf dem YouTube-Kanal der Staatsregierung. Allein im Jahr 2016 wurden bayernweit 873 Rechtskundeunterrichte organisiert und durchgeführt. Damit konnten rund 17.000 Menschen direkt erreicht werden. Der Rechtskundeunterricht wird sowohl Einrichtungen und Trägern vor Ort angeboten, als auch im Rahmen der Erstorientierungskurse durchgeführt. Aufgrund der äußerst positiven Rezeption war und ist der bayerische Rechtskundeunterricht beispielsgebend für entsprechende Projekte in anderen Bundesländern. 8.1 Wie hoch ist der Anteil von Polizeibeamtinnen und -beamte mit Migrationshintergrund? Polizeibeamte mit ausländischen Wurzeln gehören zum Selbstverständnis der modernen und bürgernahen Bayerischen Polizei. Die Zahl der Polizeibeamten mit Migrationshintergrund wird jedoch nicht erfasst, da die Frage der ausländischen Herkunft im Zusammenhang mit der Einstellung deutscher Bewerber in den Polizeivollzugsdienst dienstrechtlich nicht relevant ist. Überdies könnte die Erhebung solcher Angaben mittels Bewerbungsunterlagen oder in einem Vorstellungsgespräch die Diskriminierungsvermutung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes rechtfertigen . Insofern lässt sich der Anteil bayerischer Polizeivollzugsbeamter mit Migrationshintergrund nicht beziffern. Seit 1993 besteht die Möglichkeit, auch ausländische Staatsangehörige als Polizeivollzugsbeamte bei der Baye- Drucksache 17/19529 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 7 rischen Polizei einzustellen, sofern ein dringendes dienstliches Bedürfnis hierfür besteht. Voraussetzung dafür ist, dass auch die ausländischen Bewerber die gültigen Einstellungsvoraussetzungen – abgesehen von der deutschen Staatsangehörigkeit – erfüllen. Zwischenzeitlich wurde in 176 Fällen eine entsprechende Ausnahmegenehmigung erteilt . 8.2 Welche Maßnahmen werden zur Förderung der Einstellung von Bewerbern mit Migrationshintergrund ergriffen? In den Informationsflyern unserer Nachwuchswerbekampagne für den Polizeivollzugsdienst „Mit Sicherheit anders“ wird ebenso wie auf der Karrierewebseite www.mit-sicherheit -anders.de darauf hingewiesen, dass grundsätzlich eine Ausnahme von der Einstellungsvoraussetzung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich ist. Mehrere der Beamten , die sich als „Gesichter der Bayerischen Polizei“ für die Werbekampagne zur Verfügung gestellt haben, haben selbst einen Migrationshintergrund und sind in diversen Werbemitteln abgebildet. Als Bindeglied zu jungen Leuten, die am Polizeiberuf interessiert sind, fungieren die Einstellungsberater der Bayerischen Polizei. Sie stehen auf Berufsmessen, in Schulen und im persönlichen Gespräch für Fragen zum Polizeiberuf und zu den Einstellungsvoraussetzungen zur Verfügung. Dabei sprechen sie auch Mitbürger mit Migrationshintergrund an und informieren über die Möglichkeit einer Ausnahme von der deutschen Staatsangehörigkeit.