Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Georg Rosenthal SPD vom 16.10.2017 Starkregenereignisse Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Gewässer(abschnitte) zweiter und dritter Ord nung sind in Unterfranken bei Starkregenereignissen besonders gefährdet? b) Welche dieser Gewässer(abschnitte) sind noch nicht in das Hochwasseraktionsprogramm 2020plus (AP 2020plus) aufgenommen? c) Wie viele Einwohner leben an den besonders gefähr deten Gewässern in Unterfranken? 2. a) Hat die Staatsregierung Kenntnis davon, welche wei teren Regionen, Orte oder Ortsteile in Unterfranken bei Starkregenereignissen besonders gefährdet sind? b) Wie verteilen sich die Mittel aus dem AP2020plus in Höhe von jährlich 150 Mio. Euro in den Jahren 2016 und 2017 auf die Regierungsbezirke? c) Warum bekommt der Regierungsbezirk Unterfranken für den Zeitraum von 2005 bis 2015 mit Abstand die geringste Fördersumme für den Hochwasserschutz an Gewässern dritter Ordnung (vgl. Frage 1 der Schriftli chen Anfrage auf Drs. 17/12709)? 3. a) Wie viele interkommunale Projekte aus dem AP2020 plus wurden bisher in Unterfranken gefördert? b) Liegen den betreffenden Landratsämtern bzw. der Be zirksregierung Unterfranken im Zusammenhang mit der Unwetterkatastrophe am 04.05.2017 in Unterfran ken bereits Bedarfszuwendungsanträge basierend auf Punkt 2c des Maßnahmentableaus „Hilfen des Frei staates Bayern Bewältigung der Schäden der Unwet ter mit Hochwasser Ende Mai/Anfang Juni 2016“ des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwick lung und Heimat (u. a. im Rahmen des mündlichen Berichts im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanz fragen am 14.07.2016 vorgelegt) vor? c) Wenn ja, wie schätzt die Staatsregierung die Möglich keit auf Zuweisung der beantragten Bedarfszuweisun gen ein? 4. a) Unterscheidet sich der Anteil der Fördermittel für Un terfranken bei Gewässern erster und zweiter Ord nung? b) Wie sind Kernbestandteile der kritischen Infrastruktur (KRITIS) in Bayern vor den Folgen von Starkregener eignissen geschützt (mit Bitte um besondere Beach tung der bayerischen Atomkraftwerke)? c) Wie sind trinkwassergefährdende Einrichtungen wie Anlagen der chemischen Industrie vor Starkregener eignissen geschützt? 5. a) Hält die Staatsregierung einen verpflichtenden Hoch wasserpass für trinkwassergefährdende und/oder kriti sche Infrastruktur für sinnvoll? b) Wie schätzt die Staatsregierung die Notwendigkeit ein, Starkregenereignisse explizit in das Hochwasser schutzaktionsprogramm aufzunehmen? c) Welche speziellen Fördermöglichkeiten zur Minimie rung von Schadensereignissen bei Starkregenereig nissen beinhaltet das AP2020plus bereits? 6. a) Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Staatsregie rung für geeignet an, um Schadensereignisse infolge von Starkregen zu verhindern? b) Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Resili enz von kritischen Infrastrukturen bei Extremwetterla gen zu erhöhen? c) Bei welchen kritischen Infrastrukturen sieht die Staats regierung eine veränderte Gefährdungslage? 7. a) Was löst diese Gefährdungs bzw. Gefahrenlage aus? b) Welche Maßnahmen werden speziell bei den bayeri schen Atomkraftwerken ergriffen, um die Resilienz in der Bevölkerung zu erhöhen? c) Welche Gefährdungslagen und Schadensereignisse sollten laut Staatsregierung im Mittelpunkt besonderer Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung stehen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucher schutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 07.12.2017 1. a) Welche Gewässer(abschnitte) zweiter und dritter Ordnung sind in Unterfranken bei Starkregener eignissen besonders gefährdet? Starkregenereignisse können überall in Bayern auftreten. Sie treten lokal sehr begrenzt auf und führen v. a. an den kleinen kommunalen Gewässern dritter Ordnung zu Über schwemmungen. Grundsätzlich sind daher an allen Ge wässerstrecken der Gewässer dritter Ordnung mit angren zenden Siedungsgebieten Gefahrenlagen vorhanden. Dies ist abhängig von der Intensität des Niederschlags. Auch nach Errichtung eines baulichen Hochwasserschutzes an Gewässern bleibt eine Gefährdung bestehen, denn hier Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 16.04.2018 Drucksache 17/19588 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19588 durch wird nur die statistische Wahrscheinlichkeit bzw. die Häufigkeit der Überschwemmung reduziert. Überschwem mungen durch Starkregenereignisse können darüber hi naus auch abseits von Gewässern auftreten und führen vor allem in Siedlungsbereichen mit Muldenlagen oder Senken zu Überschwemmungen. Eine abschließende Gefährdungs einstufung liegt somit nicht vor. An Gewässern erster Ordnung und auch an einigen Ge wässern zweiter sowie dritter Ordnung liegen Hochwasser gefahren und risikokarten vor. Diese können unter www. iug.bayern.de eingesehen werden. Sofern keine genaueren Informationen vorliegen, können auch die Karten zu „was sersensiblen Gebieten“, ebenfalls einsehbar unter www.iug. bayern.de, eine erste Sensibilisierung im Hinblick auf Was sergefahren darstellen. b) Welche dieser Gewässer(abschnitte) sind noch nicht in das Hochwasseraktionsprogramm 2020 plus (AP2020plus) aufgenommen? Grundsätzlich sieht das Aktionsprogramm 2020plus (AP 2020plus) keine Kulisse und damit auch keine Abgrenzung weder für staatliche noch für kommunale Gewässer vor. Sofern Kommunen Planungen oder Hochwasserschutzvor haben an kommunalen Gewässern unter Inanspruchnahme der Förderung nach den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas) abwickeln, wer den diese Vorhaben seitens des Freistaates Bayern auch im Rahmen des AP2020plus finanziert. c) Wie viele Einwohner leben an den besonders ge fährdeten Gewässern in Unterfranken? Abschließende Einwohnerzahlen liegen nicht vor (siehe hierzu auch Frage 1 a). Zahlen sind derzeit lediglich für Über schwemmungsgefahren an Gewässern der Hochwasserrisi komanagementRichtlinie verfügbar und können gemeinde scharf für 135 Kommunen in Unterfranken unter http://www. hoplamain.de/index.php/hochwasserrisikokarten/zugang zudenkarten.html abgerufen werden. Dabei decken diese Karten nicht alle Gewässer einer Kommune ab. 2. a) Hat die Staatsregierung Kenntnis davon, welche weiteren Regionen, Orte oder Ortsteile in Unter franken bei Starkregenereignissen besonders ge fährdet sind? Als Auswirkung von Starkregen tritt Hochwasser in unter schiedlichen Abflussformen auf. Wild abfließendes Wasser entsteht meist in den Außengebieten von Siedlungen und läuft in und durch die Gefährdungsgebiete. Hochwasser, welches aufgrund von Starkregen in urbanen Räumen ent steht und nicht abfließen kann, wird als „urbane Sturzflut“ bezeichnet. Ebenso zählen Hochwasser aus kleinen Ge wässern, i. d. R. Gewässer dritter Ordnung, auch zu den Erscheinungsformen von Sturzfluten (Hochwasser aufgrund Starkregen). Da Sturzfluten aufgrund von Starkregenereig nissen somit in Siedlungsgebieten, in der Fläche und ent lang von kleinen Gewässern und damit überall in Bayern auftreten können, ist von einem allgemeinen und nicht örtlich abgrenzbaren Starkregen bzw. Sturzflutrisiko auszugehen. Um zukünftig ein differenzierteres Bild über die Gefähr dungslage aufgrund von Sturzfluten in Bayern zu erhal ten, hat im August 2017 das Landesamt für Umwelt das Forschungsprojekt „Hinweiskarte Oberflächenabfluss und Sturzflut“ (HiOS) gestartet. Mit diesem Projekt wird die Wissensbasis bzgl. hydrologischer Berechnungsverfahren, hydraulischer Modellierungsverfahren und deren Anwend barkeit verbessert. Als Ergebnis soll in ca. drei Jahren eine bayernweite Hinweiskarte veröffentlicht werden, welche eine erste grundsätzliche Einschätzung einer Sturzflutge fährdung von Siedlungsgebieten aufzeigt. Diese Karte soll der Öffentlichkeit, insbesondere Kommunen, Gewerbe und v. a. auch Privaten, als eine grobe Ersteinschätzung der Ge fahrenlage dienen. Darauf sollten Kommunen ein Sturzflut Risikomanagement aufbauen, Maßnahmen entwickeln und realisieren. b) Wie verteilen sich die Mittel aus dem AP2020plus in Höhe von jährlich 150 Mio. Euro in den Jahren 2016 und 2017 auf die Regierungsbezirke? Eine regionalisierte Auswertung ist aus Gründen der Da tenverfügbarkeit nicht möglich. Die Investitionen zum Ak tionsprogramm 2020plus sind in beigefügter Tabelle für ganz Bayern dargestellt. Die Daten für das Jahr 2017 liegen noch nicht vor. Als Folge der jeweils vorangegangenen Hochwas serereignisse wurde für die Jahre 2006 bis 2011 und ab 2014 die Zielmarke 150 Mio. Euro vorgegeben. Davor und dazwischen lag die Zielmarke bei 115 Mio. Euro pro Jahr. Jahr Gesamt/Jahr AP2020plus aufsummiert 2001 114,1 114,1 2002 109,9 224,0 2003 131,3 355,3 2004 119,5 474,8 2005 112,5 587,3 2006 160,6 747,9 2007 161,9 909,8 2008 159,4 1.069,2 2009 139,6 1.208,8 2010 153,4 1.362,2 2011 148,6 1.510,8 2012 129,9 1.640,7 2013 126,7 1.767,4 2014 138,9 1.906,3 2015 145,3 2.051,6 2016 140,7 2.192,3 Tab.: Investitionen zum Aktionsprogramm 2020plus in Mio. Euro c) Warum bekommt der Regierungsbezirk Unterfran ken für den Zeitraum von 2005 bis 2015 mit Abstand die geringste Fördersumme für den Hochwasser schutz an Gewässern dritter Ordnung (vgl. Frage 1 der Schriftlichen Anfrage auf Drs. 17/12709)? Drucksache 17/19588 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Die Förderung nach RZWas stellt ein Förderangebot an die Kommunen dar. Sofern eine Kommune oder kommunale Zweckverbände selbst aktiv werden und ein Vorhaben mit der fachlichen Beratung der Wasserwirtschaftsämter durch führen, können sie die Förderung in Anspruch nehmen. Werden somit in einem Regierungsbezirk weniger Vorhaben oder auch kleinere Vorhaben durch die Kommunen durch geführt, so bildet sich dies auch in den vom Freistaat Bayern ausgezahlten Fördersummen ab. Insofern spiegeln die aus bezahlten Fördersummen lediglich die Nachfrage seitens der Kommunen wider. 3. a) Wie viele interkommunale Projekte aus dem AP 2020plus wurden bisher in Unterfranken geför dert? Eine explizite Förderung der interkommunalen Zusammen arbeit im Zuge von Hochwasserschutzvorhaben mit erhöh ten Fördersätzen sieht die RZWas erst seit 2013 vor. Seit 2013 wurde ein interkommunales Projekt abgeschlossen, mehrere sind in Aufstellung. b) Liegen den betreffenden Landratsämtern bzw. der Bezirksregierung Unterfranken im Zusammen hang mit der Unwetterkatastrophe am 04.05.2017 in Unterfranken bereits Bedarfszuwendungsan träge basierend auf Punkt 2c des Maßnahmentab leaus „Hilfen des Freistaates Bayern Bewältigung der Schäden der Unwetter mit Hochwasser Ende Mai/Anfang Juni 2016“ des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (u. a. im Rahmen des mündlichen Berichts im Aus schuss für Staatshaushalt und Finanzfragen am 14.07.2016 vorgelegt) vor? c) Wenn ja, wie schätzt die Staatsregierung die Mög lichkeit auf Zuweisung der beantragten Bedarfszu weisungen ein? In Folge des Unwetters haben zwei Kommunen Anträge auf klassische Bedarfszuweisungen in Höhe von insgesamt 1,2 Mio. Euro gestellt, über die im Rahmen der Sitzung des Ver teilerausschusses am 23.10.2017 entschieden wurde. Der Gemeinde Krombach konnte keine Bedarfszuweisung nach Art. 11 Finanzausgleichsgesetz (FAG) gewährt werden, da keine Rechnungen und auch keine Kostenschätzung vorge legt wurden und aufgrund der vorgelegten Haushaltszahlen eine finanzielle Härte derzeit nicht erkennbar ist. Über den Antrag der Marktgemeinde Mömbris auf Gewährung einer Bedarfszuweisung konnte in der Verteilerausschusssit zung 2017 noch nicht positiv entschieden werden, da die Schadensbeseitigung am Friedhof Niedersteinbach und an den betroffenen Straßen, Flurwegen und Gewässern noch nicht abgeschlossen war und dementsprechend noch keine Rechnungen vorliegen. Zudem ist für die Beurteilung der fi nanziellen Härte die Erstellung der endgültigen Jahresrech nung für das Haushaltsjahr 2017 abzuwarten. Die beiden Kommunen werden darüber informiert, dass sie erneut ei nen Antrag auf Bedarfszuweisung stellen können, wenn die Rechnungen über die Kosten der Schadensbeseitigung und die abgerechneten Haushaltszahlen vorliegen. 4. a) Unterscheidet sich der Anteil der Fördermittel für Unterfranken bei Gewässern erster und zweiter Ordnung? Die Gewässer erster und zweiter Ordnung liegen gemäß Art. 22 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) (zu § 40 Abs. 1 Satz 1 WHG) und Art. 39 BayWG in der Unterhaltungslast und in der Ausbaupflicht des Freistaates Bayern. Insofern wer den bei diesen Gewässern keine Fördermittel ausgezahlt. Die Kommunen werden jedoch bei staatlichen Hochwasser schutzvorhaben gemäß Art. 42 BayWG mit 50 Prozent der finanziellen Aufwendungen beteiligt. Liegt das Vorhaben in einem Raum mit besonderem Handlungsbedarf (RmbH), so ist der Beteiligtenbeitragssatz der jeweiligen Kommune ver ringert bei 35 Prozent. Bei Unterhaltungsmaßnahmen wer den in der Regel keine Beteiligtenbeiträge erhoben. An Gewässern dritter Ordnung obliegen die Unterhaltungs last und die Ausbaupflicht den Kommunen. Die Fördersätze nach RZWas 2016 liegen je nach Maßnahmentyp zwischen 50 Prozent und 75 Prozent. Eine detaillierte Auflis tung der För dersätze kann auf folgender Internetseite abgerufen werden: http://www.stmuv.bayern.de/themen/wasserwirtschaft/foer derung/doc/foerdertatbestaende_wasserbau.pdf b) Wie sind Kernbestandteile der kritischen Infra struktur (KRITIS) in Bayern vor den Folgen von Starkregenereignissen geschützt (mit Bitte um besondere Beachtung der bayerischen Atomkraft werke)? Gefährdungen durch Starkregenereignisse und sonstige Gefährdungen durch externe Hochwasser sind für alle bay erischen Kernkraftwerksstandorte individuell ermittelt und dem Sicherheitskonzept der jeweiligen Anlage bei der Er richtung zugrunde gelegt worden. Wasserinduzierte Ereig nisse werden bau und anlagentechnisch beherrscht. Nach den Geschehnissen in Fukushima wurden alle für Kern kraftwerke denkbaren Einwirkungen – darunter auch Star kregenereignisse – standortspezifisch erneut betrachtet mit dem Ergebnis, dass die bayerischen Anlagen gegen Stark regen und Hochwasserereignisse robust sind und diesen gegenüber erhebliche Sicherheitsreserven aufweisen. Dies wurde auch von den hierfür eingesetzten Expertengremien des Bundes bestätigt. c) Wie sind trinkwassergefährdende Einrichtungen wie Anlagen der chemischen Industrie vor Starkre genereignissen geschützt? Der Schutz vor durch Starkregen bedingten Abflussprozes sen liegt in der Verantwortung des Anlagenbetreibers. Da rüber hinaus regelt das BundesImmissionsschutzgesetz (BImSchG), dass genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) so zu errichten und zu betreiben sind, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästi gungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können und dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getrof fen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Die Technischen Regeln für Anlagensicherheit (TRAS 310) „Vorkehrungen und Maß nahmen wegen der Gefahrenquellen Niederschläge und Hochwasser“ geben detaillierte Vorgaben im Umgang mit Gefahrenquellen, die aus Überflutungen durch Gewässer (Hochwasser oder Sturmfluten), einschließlich dem Versa gen von Hochwasserschutzeinrichtungen, sonstigen Über Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19588 flutungen, z. B. durch Starkniederschläge, Rückstau aus der Kanalisation oder aufsteigendem Grundwasser resultieren. 5. a) Hält die Staatsregierung einen verpflichtenden Hochwasserpass für trinkwassergefährdende und/ oder kritische Infrastruktur für sinnvoll? Der Hochwasserpass, wie er v. a. in NordrheinWestfalen für kleinere Gebäude ausgestellt wird, bezieht sich auf sehr all gemeine Erkenntnisse bei der Gefahren und Risikobewer tung. Es werden lediglich rudimentäre Aussagen bzgl. der Gefährdung eines Einzelobjekts getroffen. Im Rahmen des in Bayern vollzogenen Hochwasserri sikomanagements werden auch diese Anlagen bewertet. Diese Bauwerke unterscheiden sich bzgl. der einwirkenden Gefahren und bzgl. ihrer Auswirkungen auf andere Bereiche bzw. Einrichtungen deutlich. Daher sind diese Anlagen bes ser im Einzelfall und im Rahmen eines Risikomanagement prozesses zu bewerten. b) Wie schätzt die Staatsregierung die Notwendigkeit ein, Starkregenereignisse explizit in das Hochwas serschutzaktionsprogramm aufzunehmen? Die Staatsregierung hat die Erweiterung des Aktionspro gramms 2020plus um die Komponente „Sturzfluten“ im Juli 2016 beschlossen. c) Welche speziellen Fördermöglichkeiten zur Mini mierung von Schadensereignissen bei Starkregen ereignissen beinhaltet das AP 2020plus bereits? Folgende Auflistung zeigt die Fördermöglichkeiten nach RZWas 2016, welche sich auf Sturzfluten beziehen. Die För dertatbestände wurden im Jahr 2016 im Rahmen der Kom ponente „Sturzfluten“ (siehe Frage 5 b) ergänzt: Fördertatbestand Fördersatz Integrale Hochwasserschutz und Rückhaltekonzepte 75 % Integrale Konzepte zum kommunalen SturzflutRisikomanagement 75 % Ermittlung von Überschwemmungsgebieten an Gewässern dritter Ordnung 75 % Gefährdungsbetrachtungen (z. B. hydraulische Leistungsfähigkeit von Gerinnen, Standsicherheit von Anlagen, Verklausungen, Überlastfallbetrachtungen) 75 % Sicherheitsüberprüfung kommunaler Stau und Hochwasserschutzanlagen 75 % HochwasserAudits 75 % Hochwasserschutz entlang von Gewässern dritter Ordnung (Deiche, Mauern, Schöpfwerke etc.) 50 % Bau von Hochwasserrückhaltebecken 65 % Herstellung der Anlagensicherheit von kleinen kommunalen Stauanlagen 50 % Maßnahmen zum Rückhalt im Gewässer, in der Aue und auf Feuchtflächen 75 % 6. a) Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Staatsre gierung für geeignet an, um Schadensereignisse infolge von Starkregen zu verhindern? Prinzipiell können Sturzfluten nicht vollständig verhindert werden, genauso wie Flusshochwasserereignisse. Mit der Kombination einer Vielzahl von Maßnahmen können aller dings die Risiken reduziert werden. Insofern unterscheidet sich der grundlegende Umgang mit Sturzfluten im Vergleich zu Flusshochwassern nicht, allerdings erfahren einzelne Maßnahmen eine andere Gewichtung und Ausprägung. Die Vermeidung sowie Verminderung von Schäden durch Starkregenereignisse und Sturzfluten ist als eine Gemein schaftsaufgabe vieler Beteiligter zu sehen, wie z. B. von Kommunen, Grundstückseigentümern, Gewerbe und Staat. Den Kommunen kommt hier eine wichtige Schlüsselfunk tion zu. Einerseits sind sie z. B. verantwortlich für eine hoch wasser und starkregenangepasste Orts und Stadtplanung oder für die Aufstellung von Alarm und Einsatzplänen. An dererseits sind sie wichtiger Motivator, um Bürger, Private und ansässige Gewerbebetriebe für Eigen und Verhaltens vorsorge zu sensibilisieren und um ein allgemeines Ge fahrenbewusstsein für diese lokalen Gefahren zu etablieren. Um den Kommunen hier ein Werkzeug an die Hand zu ge ben, hat das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucher schutz im September 2017 ein Sonderförderprogramm nach RZWas 2016 zu „Integralen Konzepten zum kommunalen Sturzflutrisikomanagement“ aufgelegt. Ziel dieses Konzepts ist, eine von der Öffentlichkeit getragene kommunale Stra tegie zur Risikominimierung zu erarbeiten und festzulegen. Hierbei werden die Örtlichkeit mit deren Bestand analysiert, Gefahren von wild abfließendem Wasser und Gewässern ermittelt, Risiken bewertet, Schutzziele für Einzelobjekte und Gebiete festgelegt, Maßnahmen entwickelt und letztlich daraus eine Strategie, bestehend aus zielführenden Maß nahmen, fixiert. Die Maßnahmen erstrecken sich dabei über alle Fachbereiche, insbesondere jedoch über baulichen Hochwasserschutz, Katastrophenschutz, Siedlungsent wässerung, Stadt und Ortsplanung, Flächenvorsorge und Landwirtschaft bis hin zum Straßen und Wegebau. b) Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Resi lienz von kritischen Infrastrukturen bei Extremwet terlagen zu erhöhen? Drucksache 17/19588 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Grundsätzlich ist jeder Betreiber einer Anlage für die Resi lienz bei extremen Sturzflutereignissen eigenverantwortlich tätig. Um künftig die Betreiber auf eine grundsätzliche Sturz flutgefährdung aufmerksam zu machen, wird die bayern weite Hinweiskarte des Projekts HiOS zur Verfügung gestellt werden (siehe die Antwort zu Frage 2 a). Im Rahmen der integralen Konzepte zum kommunalen SturzflutRisikoma nagement werden kritische Infrastrukturen einbezogen. Es werden die Gefahren auch für seltene Niederschlagsereig nisse betrachtet und die Risiken auch für diese Einzelob jekte ermittelt. Ebenso stehen die Hochwassergefahren und risikokar ten an ca. 7.650 km Fließgewässern zur Verfügung (siehe die Antwort zu Frage 1 a). Auf Basis dieser Karten wurden HochwasserrisikomanagementPläne erstellt, die zukünftig alle sechs Jahre überarbeitet werden. Im Zuge der Erstel lung dieser Pläne wurden und werden die überregionalen sowie regionalen Infrastrukturträger eingebunden. c) Bei welchen kritischen Infrastrukturen sieht die Staatsregierung eine veränderte Gefährdungsla ge? Es wird erwartet, dass in Zukunft Niederschläge mit hö heren Intensitäten auftreten können. Die Gefährdungslage, welche Schutzmaßnahmen gegen Ereignisse von mittlerer und seltener Wahrscheinlichkeit erforderlich werden lassen, wird hiervon jedoch nicht grundsätzlich beeinflusst. Daher ist prinzipiell von einer nicht veränderten Gefährdungslage auszugehen. 7. a) Was löst diese Gefährdungs bzw. Gefahrenlage aus? Siehe die Antworten zu den Fragen 2 a und 6 c. b) Welche Maßnahmen werden speziell bei den bay erischen Atomkraftwerken ergriffen, um die Resili enz in der Bevölkerung zu erhöhen? Die Frage ist hier nicht verständlich. Im Übrigen siehe die Antwort zu Frage 4 b. c) Welche Gefährdungslagen und Schadensereignis se sollten laut Staatsregierung im Mittelpunkt be sonderer Aufklärungskampagnen für die Bevölke rung stehen? Sturzfluten können überall auftreten und daher Kommunen, Gewerbe und Private gleichermaßen treffen. Bezüglich der Thematik Starkregen und Sturzfluten laufen bereits viele Ini tiativen auf Bundes und Landesebene. Hervorzuheben sind hierbei die Kampagnen des Bundesamts für Bevölkerungs schutz und Katastrophenschutz. Da sich Sturzfluten, aber auch Hochwasserereignisse als Naturereignisse nicht verhindern lassen, ist die Absicherung der Bevölkerung von großer Bedeutung. Auch durch staatli che und kommunale Maßnahmen (z. B. Hochwasserschutz anlagen) lassen sich nicht alle Risiken für die Bevölkerung beseitigen und es verbleibt ein Restrisiko. Finanzielle Ri siken können dann z. B. über eine Elementarschadenver sicherung abgedeckt werden. Die Staatsregierung strebt daher mit Ministerratsbeschluss vom Juli 2017 an, über die Kampagne zur Elementarschadenversicherung die Versi cherungsdichte in Bayern zu erhöhen.