Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Herbert Kränzlein SPD vom 06.11.2017 Heilig-Geist-Spital-Stiftung in Landsberg Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) hat vor Kurzem dem Landsberger Stadtrat ein Schreiben zukommen lassen bezüglich des rechtlichen Status der Heilig-Geist-Spital-Stiftung und sich dabei auf den Beschluss des Stadtrates von 1942 bezogen, obwohl in dieser Zeit kein rechtmäßig legitimierter Stadtrat gewählt war, sondern vom Nazi-Regime eingesetzte Verwalter tätig waren. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Wie kommt das StMI zu der Überzeugung, dass der Beschluss aus dem Jahr 1942 trotz einer Aberkennung durch den neu gewählten Stadtrat 1946 weiterhin gülig ist? 2. Welche Folgerungen ergeben sich für die Stadt Landsberg aus der durch das StMI getroffenen Einschätzung der Rechtslage? 3. a) Wird das StMI eine Neubewertung der Rechtslage aufgrund der Umstände der Beschlussfassung von 1942 vornehmen? b) Wenn ja, wie wird diese aussehen? c) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 07.12.2017 1. Wie kommt das StMI zu der Überzeugung, dass der Beschluss aus dem Jahr 1942 trotz einer Aberkennung durch den neu gewählten Stadtrat 1946 weiterhin gülig ist? Mit Schreiben vom 04.09.2017 hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) auf Bitte der Stadt Landsberg am Lech (Schreiben der Stadt vom 09.12.2016) eine Entscheidung gemäß Art. 25 Abs. 2 Bayerisches Stiftungsgesetz (BayStG) darüber getroffen, ob die Heilig- Geist-Spital-Stiftung weiterhin (wie seit dem Beschluss des Stadtrats von 1942) als nicht rechtsfähige (fiduziarische) Stiftung im Sinn des Art. 84 Gemeindeordnung (GO) oder (wie vor dem Beschluss des Stadtrats) als rechtsfähige örtliche Stiftung des öffentlichen Rechts im Sinn des BayStG einzuordnen ist. Hintergrund war insbesondere eine Bitte des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands (BKPV) an die Stadt, die Rechtsform der Stiftung mit der Stiftungsaufsicht zu klären; außerdem seien nach Darstellung der Stadt immer wieder Zweifel an der Richtigkeit der aktuellen Einordnung geäußert worden. Aus den von der Stadt vorgelegten umfangreichen Unterlagen ergab sich Folgendes: Die Heilig-Geist-Stiftung war gemäß Beschluss des Stadtrats vom 09.04.1942 mit Wirkung vom 01.04.1942 aufgrund § 66 Abs. 2 der damaligen Deutschen Gemeindeordnung (DGO) aufgelöst worden; als Grund für die Auflösung war eine Gefährdung des Gemeinwohls durch die Stiftung im Sinne von § 66 Abs. 2 DGO genannt worden; nach den Unterlagen soll der Bürgermeister mit der Auflösung die Absicht verfolgt haben, den seinerzeit befürchteten Verlust des Stiftungsvermögens an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt zu verhindern. Die Aufsichtsbehörde (Landrat) hatte mit Schreiben vom 10.04.1942 diese Auflösung unter der Bedingung genehmigt, dass die bisherigen Stiftungseinrichtungen (Spital und Waisenhaus) im bisherigen Umfang fortgeführt würden. Mit der staatsaufsichtlichen Genehmigung war die Heilig-Geist-Spital-Stiftung nicht mehr rechtsfähig , die Bedingung für die Genehmigung (Fortführung der Einrichtungen im bisherigen Umfang, wie sie auch im Auflösungsbeschluss des Stadtrats enthalten war und in der Stadtratssitzung vom 21.07.1942 bestätigt wurde) wurde offensichtlich erfüllt. Zwar beschloss der Stadtrat am 11.03.1946, den Beschluss von 1942 aufzuheben, weil der seinerzeit angeführte (offizielle) Grund für die Auflösung (Gefährdung des Gemeinwohls) nicht mehr geteilt werden konnte; die Stiftung sollte nach dem Stadtratsbeschluss „in der alten Form“ (vor der Auflösung, insbesondere mit den bisherigen Namen für die Einrichtungen) weitergeführt werden. Der Stadtratsbeschluss vom 11.03.1946 wurde von der Aufsichtsbehörde (Landrat) am 19.10.1946 gemäß § 66 DGO, Art. 132 Baye- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/19630 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19630 rische Gemeindeordnung staatsaufsichtlich genehmigt. Das damalige Innenministerium begrüßte zwar seinerzeit den Aufhebungsbeschluss des Stadtrats von 1946, kam aber zu der Einschätzung, dass der Beschluss von 1946 hinsichtlich der Wiedererlangung der Rechtsfähigkeit der Stiftung ohne Wirkung geblieben sei, weil es hierzu nach (damals und heute) geltendem Stiftungsrecht einer formellen Neuerrichtung der Stiftung (Stiftungsgeschäft) und einer anschließenden Genehmigung durch das Innenministerium bedurft hätte. Diese Rechtsauffassung wurde der Stadt in den Jahren zwischen 1947 und 1960 durch das Innenministerium und die Regierung von Oberbayern mehrfach dargelegt. Die Stadt beließ es aber schließlich beim seinerzeitigen Rechtszustand . Begründet wurde dies damit, dass eine Neuerrichtung der Stiftung aus Sicht der Stadt mit dem Aufhebungsbeschluss von 1946 nicht beabsichtigt gewesen sei; vielmehr sollten das Stiftungsvermögen bzw. die entsprechenden Einrichtungen zwar weiterhin haushaltsrechtlich gesondert behandelt, die Stiftung aber nicht als rechtsfähig weitergeführt werden. Das StMI kam nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des sich aus den Unterlagen ergebenden und auch im Schreiben der Stadt vom 09.12.2016 im Einzelnen dargelegten Willens der Stadt, wonach mit dem Beschluss des neu gewählten Stadtrats von 1946 eine Neuerrichtung der Stiftung als rechtsfähig nicht beabsichtigt war, in dem o. g. Schreiben vom 04.09.2017 zu dem Ergebnis, dass die Heilig-Geist-Spital-Stiftung nach geltender Rechtslage und entsprechend der bewussten und gewollten Behandlung der Stiftung durch die Stadt weiterhin nicht als rechtsfähige Stiftung einzuordnen ist. Für die Anerkennung der Rechtsfähigkeit hätte jedenfalls die Stadt seinerzeit die zuvor aufgelöste Stiftung formell neu errichten müssen. 2. Welche Folgerungen ergeben sich für die Stadt Landsberg aus der durch das StMI getroffenen Einschätzung der Rechtslage? Die Heilig-Geist-Spital-Stiftung wurde von der Stadt Landsberg am Lech bereits seit dem Auflösungsbeschluss im Jahr 1942 als nicht rechtsfähige (fiduziarische) Stiftung geführt. Durch die Entscheidung des StMI ergeben sich deshalb keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Die Stadt hat bei der Verwaltung des Vermögens der Stiftung die für fiduziarische Stiftungen geltenden Regelungen der Gemeindeordnung unter Berücksichtigung der entsprechenden Hinweise des BKPV und der Rechtsaufsichtsbehörde zu beachten. 3. a) Wird das StMI eine Neubewertung der Rechtslage aufgrund der Umstände der Beschlussfassung von 1942 vornehmen? Nein. b) Wenn ja, wie wird diese aussehen? Entfällt (siehe Antwort zu Frage 3 a). c) Wenn nein, warum nicht? Das StMI hat in seiner Entscheidung über die Rechtsstellung der Stiftung sämtliche aus den Unterlagen ersichtlichen und von der Stadt Landsberg am Lech dargelegten Umstände berücksichtigt, darunter insbesondere auch die Beschlüsse des Stadtrats von 1942 und 1946 (siehe Antwort zu Frage 1).