Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20.11.2017 Brandkatastrophe am 16.11.2017 in Bamberg und Brandschutzkonzepte der Aufnahmeeinrichtungen Die Brandkatastrophe am 16.11.2017 im Transitzentrum Bamberg wirft erhebliche Fragen bezüglich der Brandschutzkonzepte der bayerischen Aufnahmeeinrichtungen auf. Es ist wichtig, die Ursachen der Brandkatastrophe und die Ursache wie die Folge der späten Alarmierung der Feuerwehr aufzuklären. Aus diesem Grund frage ich daher die Staatsregierung: 1.1 Wie viele Menschen (bitte Nationalität und Alter nennen ) lebten in der vom Brand betroffenen Wohnung? 1.2 Wie viele Menschen waren beim Ausbruch des Brandes in der Wohnung anwesend? 1.3 Wie viele Menschen waren im betroffenen Haustrakt anwesend? 2.1 Welche Folgen hat die Alarmierung durch die Rauchmelder ? 2.2 Wird der Sicherheitsdienst informiert, wenn ein Rauchmelder Alarm schlägt? 2.3 Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um einen solchen oder ähnlichen verspäteten Rettungsoder Alarmierungsverlauf zukünftig zu unterbinden? 3.1 Wann genau wurde von einem Mieter der Brandalarmknopf betätigt? 3.2 Wann genau wurde die Feuerwehr alarmiert (bitte nennen , durch wen die Alarmierung geschah) und wann war die Feuerwehr vor Ort? 3.3 Werden die Bewohner und Bewohnerinnen mithilfe von Schulungen oder Übungen mit deutschen Brandschutzkonzepten und dem angemessenen Verhalten im Falle eines Brandes oder einer Notsituation vertraut gemacht (bitte angeben, wie dies geschieht)? 4.1 Was ist der Grund dafür, dass die Alarmknöpfe nicht zur Alarmierung der Feuerwehr, sondern nur zur Alarmierung der Pforte führen? 4.2 Ist dies den Bewohnerinnen und Bewohnern bekannt? 4.3 In wie vielen Aufnahmeeinrichtungen wird dies ebenso gehandhabt? 5.1 Warum war ein Nachzug des zu Tode gekommenen Eritreers zu seinem in Schweden anerkannten Bruder nicht möglich? 5.2 Warum sind Abschiebungen im Rahmen der Dublin-Verträge nach Italien nicht ausgesetzt? 5.3 Warum konnte das Selbsteintrittsrecht Deutschlands in diesem Fall nicht wahrgenommen werden? 6.1 Wie viele in Bamberg untergebrachte Menschen haben negative Dublin-Bescheide? 6.2 In welche Länder droht jeweils die Rückschiebung? 6.3 Kann nun das Selbsteintrittsrecht für die Überlebenden der Brandkatastrophe wahrgenommen werden? 7.1 Kann die Bezirksregierung oder der Freistaat für die Überstellung oder Beerdigung des Todesopfers aufkommen ? 7.2 Können die Überlebenden in einem anderen Gebäude als dem Brandhaus untergebracht werden? 7.3 Auf welche Weise soll der Flüchtling, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass nicht noch mehr Personen zu Tode kamen, geehrt werden? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 21.12.2017 Vorbemerkung: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Schriftliche Anfrage auf den Brand bezieht, der am frühen Morgen des 15.11.2017 in einem Unterkunftsgebäude der Aufnahmeeinrichtungen Oberfranken (AEO) in Bamberg ausgebrochen ist. Die nachfolgenden Antworten geben den aktuellen Stand der Ermittlungen wieder. 1.1 Wie viele Menschen (bitte Nationalität und Alter nennen) lebten in der vom Brand betroffenen Wohnung ? Bei der Brandörtlichkeit handelt es sich um ein Zimmer in der im Hochparterre des Hauses „Block 7“ gelegenen Wohnung Nr. 8. In der betroffenen Wohnung waren zum fraglichen Zeitpunkt insgesamt zehn Personen untergebracht: Nationalität Alter 1 Eritrea 40 2 Eritrea 18 3 Eritrea 23 4 Eritrea 32 5 Eritrea 19 6 Eritrea 27 7 Eritrea 24 8 Eritrea 34 9 Eritrea 28 10 Eritrea 19 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 02.03.2018 Drucksache 17/19756 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19756 1.2 Wie viele Menschen waren beim Ausbruch des Brandes in der Wohnung anwesend? Bei Brandentdeckung befanden sich nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Oberfranken außer dem Opfer noch vier weitere Personen in der betroffenen Wohnung. Das Opfer schlief allein in einem Zimmer. Die weiteren vier Personen konnten die Wohnung noch nahezu unverletzt verlassen. Die anderen auf der Belegungsliste genannten Personen schliefen in anderen Häusern bzw. Wohnungen. 1.3 Wie viele Menschen waren im betroffenen Haustrakt anwesend? Die zur Brandzeit anwesenden Bewohner der Wohnung Nr. 8 sowie die weiteren laut Belegungsliste in der Wohnung untergebrachten Personen wurden formell als Zeugen vernommen . Dabei stellte sich heraus, dass die Schlafplätze recht willkürlich von den Untergebrachten genutzt bzw. untereinander getauscht werden. Die Anzahl der Personen, die tatsächlich in den anderen Wohnungen des Haustraktes geschlafen haben, kann deshalb vonseiten der Polizei nicht benannt werden. 2.1 Welche Folgen hat die Alarmierung durch die Rauchmelder? Es gibt eine Hausalarmanlage, die über einen Handmelder in jedem Treppenaufgang aktiviert werden kann. Hierbei erfolgt eine akustische Alarmierung im Gebäude sowie auch eine Meldung an die Security. Die Security patrouilliert ständig auf dem Gelände, um schnell reagieren zu können. Innerhalb der Wohnungen (Schlafräume und Flur) sind Rauchwarnmelder vorhanden und es gilt ein Rauchverbot. Darüber hinaus gibt es Öffnungen zur Rauchableitung am oberen Ende des Treppenhauses, die über Taster an den Ausgängen aktiviert werden können. Ebenfalls sind Feuerlöscher im Hausflur vorhanden. Die Asylbewerber werden per Aushang und in Flyern in verschiedenen Sprachen aufgeklärt , wie im Brandfall zu verfahren ist. 2.2 Wird der Sicherheitsdienst informiert, wenn ein Rauchmelder Alarm schlägt? Siehe Frage 2.1. 2.3 Welche Maßnahmen plant die Staatsregierung, um einen solchen oder ähnlichen verspäteten Rettungs - oder Alarmierungsverlauf zukünftig zu unterbinden ? Da es auf Basis der polizeilichen Ermittlungen bislang keine belastbaren Hinweise auf einen verspäteten Rettungs- oder Alarmierungsverlauf gibt, sind derzeit keine konkreten Maßnahmen geplant. 3.1 Wann genau wurde von einem Mieter der Brandalarmknopf betätigt? Der Brandalarm wurde nicht betätigt. Durch den Asylbewerber Herrn A. wurde irrtümlich lediglich ein Schalter für den Rauchabzug im Dach des Gebäudes gedrückt. Dieser Schalter wurde durch ihn mit dem Brandmeldeknopf verwechselt . Herr A. hatte jedoch bereits zuvor die Security persönlich verständigt. 3.2 Wann genau wurde die Feuerwehr alarmiert (bitte nennen, durch wen die Alarmierung geschah) und wann war die Feuerwehr vor Ort? Um 02:57 Uhr erfolgte die Erstmeldung durch die Security an die Integrierte Leitstelle (ILS). Von dort wurde die Feuerwehr alarmiert. Um 03:01 Uhr erfolgte eine Zweitmeldung an die ILS durch die Security mit der Bitte um beschleunigte Anfahrt. Um 03:03 Uhr verständigte der Asylbewerber Herr A. über die Notrufnummer 112 die ILS. Laut den Aufzeichnungen der ILS trafen die ersten Kräfte der Feuerwehr um 03:08 Uhr an der Einsatzstelle ein. 3.3 Werden die Bewohner und Bewohnerinnen mithilfe von Schulungen oder Übungen mit deutschen Brandschutzkonzepten und dem angemessenenen Verhalten im Falle eines Brandes oder einer Notsituation vertraut gemacht (bitte angeben, wie dies geschieht)? Das Verhalten im Brandfall wird mit den Bewohnern geübt. Darüber hinaus werden die Bewohnerinnen und Bewohner mit verschiedensprachigen Flyern und Aushängen (Piktogramme ) über das Verhalten im Brandfall aufgeklärt. 4.1 Was ist der Grund dafür, dass die Alarmknöpfe nicht zur Alarmierung der Feuerwehr, sondern nur zur Alarmierung der Pforte führen? 4.2 Ist dies den Bewohnerinnen und Bewohnern bekannt ? 4.3 In wie vielen Aufnahmeeinrichtungen wird dies ebenso gehandhabt? Das aktuelle Alarmierungssystem in der AEO entspricht dem geltenden Standard für den Brandschutz in Aufnahmeeinrichtungen . Bei einer Alarmierung des Sicherheitsdienstes wird umgehend überprüft, ob es sich um einen Fehlalarm handelt. Bei einem tatsächlichen Brandfall wird die Feuerwehr vom Sicherheitsdienst telefonisch alarmiert. Den Bewohnerinnen und Bewohnern ist dies bekannt. Eine Alarmierung des Sicherheitsdienstes ohne unmittelbare Meldung an die Feuerwehr erfolgt an insgesamt 9 Standorten der bayerischen Aufnahmeeinrichtungen bzw. deren Dependancen. 5.1 Warum war ein Nachzug des zu Tode gekommenen Eritreers zu seinem in Schweden anerkannten Bruder nicht möglich? Die Zuständigkeit für die Durchführung des Dublin-Verfahrens liegt beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der Asylantrag des zu Tode gekommenen Eritreers wurde vom BAMF mit Bescheid vom 30.03.2017 nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes (AsylG) als unzulässig abgelehnt, es wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen, und die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet. Ein dagegen eingelegter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 06.04.2017 abgelehnt. Dem Bescheid des Bundesamts ist ebenso wie dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss zu entnehmen, dass der zu Tode gekommene Eritreer im Dublin-Verfahren vorgetragen hatte, dass er sehr gerne in Deutschland bleiben und er nur nach Deutschland wolle. Ein Vortrag zu einem in Schweden anerkannten Bruder ist nicht ersichtlich. Allgemein ist hierzu noch anzumerken, dass der Bruder eines Antragstellers kein Familienangehöriger im Sinne von Art. 2 g) der Dublin-Verordnung ist und somit Art. 9 der Dublin -Verordnung als spezielles Zuständigkeitskriterium nicht anwendbar ist. Drucksache 17/19756 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 5.2 Warum sind Abschiebungen im Rahmen der Dublin-Verträge nach Italien nicht ausgesetzt? Auch bezüglich dieser Frage wird darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit für Dublin-Entscheidungen beim BAMF liegt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin-Verordnung kommt eine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nur in Betracht, wenn es in dem zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Für Italien liegen diese Voraussetzungen nicht vor. 5.3 Warum konnte das Selbsteintrittsrecht Deutschlands in diesem Fall nicht wahrgenommen werden? Das BAMF hat im Bescheid vom 30.03.2017 dargelegt, dass außergewöhnliche Gründe, die den Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin-Verordnung veranlassen könnten, nicht ersichtlich waren. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat dies in seinem Beschluss vom 06.04.2017 bestätigt. 6.1 Wie viele in Bamberg untergebrachte Menschen haben negative Dublin-Bescheide? Nach den vorliegenden Daten der Zentralen Ausländerbehörde Oberfranken – Dienststelle Bamberg – waren zum 01.12.2017 131 Menschen mit negativer Dublin-Entscheidung in der AEO Bamberg untergebracht. 6.2 In welche Länder droht jeweils die Rückschiebung ? Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Kroatien , Litauen, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowenien. 6.3 Kann nun das Selbsteintrittsrecht für die Überlebenden der Brandkatastrophe wahrgenommen werden? Mangels Zuständigkeit bayerischer Behörden für Dublin- Entscheidungen kann die Staatsregierung hierzu keine Angaben machen. 7.1 Kann die Bezirksregierung oder der Freistaat für die Überstellung oder Beerdigung des Todesopfers aufkommen? Die Regierung von Oberfranken ist im engen Austausch mit den Hinterbliebenen, ehrenamtlichen Unterstützern und der Stadt Bamberg, um die Überstellung organisatorisch zu unterstützen . Die Kosten für die Überstellung zahlt das Sozialamt der Stadt Bamberg gemäß § 6 AsylbLG. Diese Kosten werden anschließend seitens des Freistaates erstattet. 7.2 Können die Überlebenden in einem anderen Gebäude als dem Brandhaus untergebracht werden? Sowohl die Bewohner der durch den Brand betroffenen Wohnung als auch alle übrigen in Haus „Block 7“ untergebrachten Personen wurden noch in der Nacht vorübergehend in Haus „Block 13“ untergebracht. Dieses stand leer, war aber für einen jederzeitigen Bezug hergerichtet. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden sofort mit Wasser und Decken versorgt. Eine Nutzung der vom Brand betroffenen Wohnungen ist erst nach Renovierungsarbeiten vorgesehen . Die Bewohnerinnen und Bewohner, die in den betroffenen Wohnungen lebten, wurden nach Umzugswünschen (zu Freunden) befragt. Diesen Wünschen wurde entsprochen. 7.3 Auf welche Weise soll der Flüchtling, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass nicht noch mehr Personen zu Tode kamen, geehrt werden? Eine Ehrung des Asylbewerbers, der den Sicherheitsdienst verständigt hat, ist nicht geplant.