Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Stamm (fraktionslos) vom 14.11.2017 Neue Uniformen für die Bayerische Polizei Seit Dezember 2016 läuft die Austattung der Bayerischen Beamtinnen und Beamten von Polizei und Justiz mit der neuen Dienst- und Schutzbekleidung. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Erfahrungen liegen im Einsatzalltag bis heute mit der neuen Dienstbekleidung vor? b) Gibt es Erkenntnisse zum Beispiel über allergische Reaktionen im Zusammenhang mit der neuen Dienstbekleidung ? 2. a) Wie hoch ist der Anteil zertifizierter, biologisch produzierter Rohstoffe wie Baumwolle oder Merino? b) Welche Zertifizierungen haben die Hersteller inkl. deren Zulieferbetriebe? c) Welche in der Textilindustrie verwendeten Zertifizierungen bzw. Siegel hat die Bekleidung (bitte Zertifizierungen , Normen, Siegel einzeln je nach Produkt aufführen )? 3. a) Wie wird das verwendete Leder (etwa für Blousons) hergestellt (bitte Angaben über Herkunft, Haltung der Tiere, Verarbeitung des Materials)? b) Wie wird die verwendete Merinowolle (Unterwäsche, etc.) hergestellt (bitte Angaben über Herkunft, Haltung der Tiere, Verarbeitung des Materials)? c) Wie wird die verwendete Baumwolle hergestellt (bitte Angaben über Herkunft und Verarbeitung des Materials )? 4. a) Wie hoch ist der Anteil von synthetischen Kunstfasern oder Materialen wie Polyester, Polyamid, Elasthan, Polyurethan etc.? b) Wie beurteilt die Staatregierung die gesundheitlichen Risiken aus den verwendeten Zusatzstoffen in den synthetischen Materialen wie z. B. Weichmachern, Phtalaten, Flammschutzmitteln etc.? c) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung zur Reduktion des Kunststoffanteils in der Polizeibekleidung ? 5. a) Wo sind die Herstellerbetriebe der Textilien beheimatet ? b) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Arbeitsbedingungen der mit der Herstellung beschäftigten Arbeitnehmer? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 08.01.2018 1. a) Welche Erfahrungen liegen im Einsatzalltag bis heute mit der neuen Dienstbekleidung vor? Aktuell haben etwa 18.000 Beamtinnen und Beamte und damit bereits über die Hälfte der Dienstkleidungsträger der Bayerischen Polizei die neue Dienstkleidung erhalten. Im Vergleich zu diesen hohen Ausstattungszahlen gingen bei der Projektgruppe Neue Dienstkleidung der Bayerischen Polizei über ein speziell hierfür eingerichtetes Kontaktformular bislang nur sehr wenige Rückmeldungen von Dienstkleidungsträgern ein, die eine Kritik oder einen Anpassungsbedarf zur neuen Dienstkleidung zum Inhalt haben. Eine statistisch belastbare und fundierte Aussage, wie sich die neue Dienstkleidung im weiten Feld des Einsatzalltags bewährt, ist derzeit leider noch nicht möglich. Insgesamt erhalten wir jedoch zur neuen Uniform der Bayerischen Polizei eine überwiegend positive Resonanz sowohl aus den Reihen der Dienstkleidungsträger als auch aus der Bevölkerung. Die lobenden Rückmeldungen betreffen insbesondere das Erscheinungsbild, die frauengerechten Schnitte und die Pflegeeigenschaften der Bekleidung. Auch im Geschäftsbereich der Justiz hat der Rollout der neuen Dienstkleidung zwischenzeitlich begonnen. In den bereits ausgestatteten Dienststellen kommt das neue zeitgemäße Erscheinungsbild gut an, Qualität und Tragekomfort sowie die Pflegeleichtigkeit der neuen Dienstkleidung werden durchweg gelobt. Die weiblichen Bediensteten sind mit den frauenfreundlichen Schnitten insgesamt überaus zufrieden. Im Hinblick auf die erst kurze Einsatzdauer im Bereich der Justiz konnten über diese erste Einschätzung hinausgehende Erfahrungen noch nicht gewonnen werden. b) Gibt es Erkenntnisse zum Beispiel über allergische Reaktionen im Zusammenhang mit der neuen Dienstbekleidung? Bei der neuen Dienstkleidung werden die Grenzwerte nach „OEKO-TEX Standard 100“, Produktklasse II (Produkte mit Hautkontakt) eingehalten. Entsprechende Zertifikate belegen dies. Trotz dieser Sorgfalt können textile Unverträglichkeiten im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden. Im polizeilichen Bereich ist aktuell ein ärztlich attestierter Fall einer allergischen Reaktion aktenkundig, welcher in Verbindung mit der neuen Dienstkleidung stehen könnte. Entsprechende Untersuchungen sind im Gange. Auch im Bereich der Justiz wird gelegentlich über Hautunverträglichkeiten beim Tragen der neuen Dienstkleidung berichtet . Diese verschwinden jedoch in der Regel nach dem Waschen der Bekleidung. Bei einer ärztlich bescheinigten allergischen Reaktion im Zusammenhang mit dem Tragen der neuen Dienstkleidung wird dem betroffenen Bedienste- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.06.2018 Drucksache 17/19795 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19795 ten zum Beispiel das Einnähen eines Futterstoffes in die Diensthosen auf Kosten des Dienstherrn angeboten. 2. a) Wie hoch ist der Anteil zertifizierter, biologisch produzierter Rohstoffe wie Baumwolle oder Merino ? Die in der vom Logistikzentrum Niedersachsen (LZN) im Auftrag des Freistaates Bayern beschafften Dienstkleidung verwendete Baumwolle ist nicht zertifiziert. Merinowolle wird lediglich in der Strickjacke zu einem Anteil von 60 Prozent verarbeitet. Auch diese ist nicht zertifiziert. b) Welche Zertifizierungen haben die Hersteller inkl. deren Zulieferbetriebe? Die Beschaffung und der Vertrieb der neuen Dienstkleidung der Bayerischen Polizei erfolgen über den Kooperationspartner LZN. Das LZN ist an das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz (NTVergG) sowie an die Niedersächsische Kernarbeitsnormenverordnung (NKernVO) gebunden. Diese Regelungen gewährleisten die Förderung sozialverträglicher Beschaffung und sind mit den bayerischen Vorgaben vergleichbar. Für Textilien, die in einem Staat hergestellt werden, der in der sog. DAC List of ODA Recipients aufgeführt ist (durch den Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD erstellten Liste der Entwicklungsländer und -gebiete), muss die Einhaltung der Mindestanforderungen gemäß § 2 NKernVO durch ein Zertifikat oder die Mitgliedschaft in einer Initiative (z. B. BSCI, Fair Wear Foundation) nachgewiesen werden. Hier handelt es sich um Eignungskriterien, die eingehalten werden müssen, eine Gewichtung wird folglich nicht vorgenommen. Darüber hinaus müssen die zum Zeitpunkt der Leistungsausführung geltenden Umweltschutzanforderungen sowie die Arbeitsschutzanforderungen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union erfüllt werden. Im Zweifelsfall gilt das strengere Recht. Eine Gewichtung erfolgt auch hier nicht. Durch das LZN werden folgende Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO) eingefordert: – ILO-Konvention Nr. 29: Beseitigung von Zwangsarbeit, – ILO-Konvention Nr. 87: Vereinigungsfreiheit und Recht zur Bildung von Organisationen, – ILO-Konvention Nr. 98: Kollektive Lohnfindung, – ILO-Konvention Nr. 100: Gleiche Entlohnung von Männern und Frauen, – ILO-Konvention Nr. 105: Abschaffung von Zwangsarbeit, – ILO-Konvention Nr. 111: Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz , – ILO-Konvention Nr. 138: Mindestalter für Beschäftigung, – ILO-Konvention Nr. 182: Eliminierung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit. Bei den Ausschreibungen werden nur Angebote berücksichtigt , die die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen bestätigen . c) Welche in der Textilindustrie verwendeten Zertifizierungen bzw. Siegel hat die Bekleidung (bitte Zertifizierungen, Normen, Siegel einzeln je nach Produkt aufführen)? Sämtliche Bestandteile der neuen Dienstkleidung sind nach „OEKO-TEX 100“ zertifiziert. Eine komplette Zertifizierung der Endprodukte hat nicht stattgefunden. 3. a) Wie wird das verwendete Leder (etwa für Blousons ) hergestellt (bitte Angaben über Herkunft, Haltung der Tiere, Verarbeitung des Materials)? Das zur Fertigung der Gürtel einzusetzende Leder muss frei von Pentachlorphenol (PCP) sein; die bei der Zurichtung des Leders und der Konfektionierung der Gürtel verwendeten Materialien dürfen darüber hinaus keine gesundheitsgefährdeten Substanzen enthalten. Der Auftragnehmer, das heißt der Hersteller, hat dies schriftlich zu versichern und durch Prüfzeugnisse unabhängiger Institute zu belegen. Bei der Fertigung sind die Forderungen aus TL 8330-0013 BWB, Ausgabe 11, Güteprüfung für Leder und TL 8330-0003 BWB, Ausgabe 7, zu beachten (Lederprüfung nach den Richtlinien der Bundeswehr -Schadstoffe-). Einen Lederblouson enthält die neue Kleidungskollektion derzeit nicht. b) Wie wird die verwendete Merinowolle (Unterwäsche etc.) hergestellt (bitte Angaben über Herkunft, Haltung der Tiere, Verarbeitung des Materials)? Hierzu liegen derzeit keine Angaben vor. Zur Beantwortung der Fragestellung müssten zwingend die Herstellerfirma und etwaige Zulieferbetriebe einbezogen werden. Aufgrund des damit verbundenen hohen Zeitaufwandes wurde auf die Beantwortung der Fragestellung verzichtet. c) Wie wird die verwendete Baumwolle hergestellt (bitte Angaben über Herkunft und Verarbeitung des Materials)? Hierzu liegen derzeit keine Angaben vor. Zur Beantwortung der Fragestellung müssten zwingend die Herstellerfirma und etwaige Zulieferbetriebe einbezogen werden. Aufgrund des damit verbundenen hohen Zeitaufwandes wurde auf die Beantwortung der Fragestellung verzichtet. 4. a) Wie hoch ist der Anteil von synthetischen Kunstfasern oder Materialen wie Polyester, Polyamid, Elas than, Polyurethan etc.? Die Zusammensetzung der Textilien ist stoffabhängig und damit von Artikel zu Artikel unterschiedlich. Beispielsweise haben die körpernah getragenen Kleidungsstücke folgende textile Zusammensetzung: – Hosen: 54 Prozent Polyester, 44 Prozent Wolle, 2 Prozent Elasthan; – Hemden: 100 Prozent Baumwolle; – Strickjacke: 60 Prozent Merino-Schurwolle, 40 Prozent Polyacryl; – Funktionsshirt: 36 Prozent Viskose, 36 Prozent Baumwolle , 28 Prozent Polypropylen. b) Wie beurteilt die Staatregierung die gesundheitlichen Risiken aus den verwendeten Zusatzstoffen in den synthetischen Materialen wie z. B. Weichmachern , Phtalaten, Flammschutzmitteln etc.? Das Vorhandensein von Zusatzstoffen in der Dienstkleidung dient der Erfüllung von speziellen (technischen) Anforderungen , wie z. B. Pflegeeigenschaften oder verminderte Entflammbarkeit (die bei polizeilichen Uniformteilen ggf. eine Rolle spielen kann) und ist damit zwingend erforderlich. Darüber hinaus sind nachhaltige gesundheitliche Auswirkungen durch das Tragen der Bekleidung nicht zu befürchten , da sämtliche Bestandteile der neuen Dienstkleidung nach dem Standard „OEKO-TEX 100“ zertifiziert sind. Drucksache 17/19795 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Zentrales Ziel dieses Standards ist es, nachteilige gesundheitliche Auswirkungen durch das Tragen von zertifizierten Textilien zu vermeiden. c) Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung zur Reduktion des Kunststoffanteils in der Polizeibekleidung ? Derzeit bestehen keine Bestrebungen, den Kunststoffanteil in der neuen Dienstkleidung zu reduzieren. Zum einen besteht hier aus Gründen der Gesundheitsvorsorge kein Anlass und zum anderen würde eine Reduktion die Funktionalität und Stabilität (z. B. Scheuer- und Reißfestigkeit) einzelner Kleidungsstücke negativ beeinflussen. In der Folge könnte der große Anspruch an eine hochmoderne und atmungsaktive Dienstkleidung mit zum Teil wasserdichten Textilien nicht erreicht werden. Ein Verzicht auf Elasthan beispielsweise würde darüber hinaus auch den Tragekomfort erheblich einschränken. 5. a) Wo sind die Herstellerbetriebe der Textilien beheimatet ? In der Wahl der Produktionsstandorte sind die Auftragnehmer an keine Vorgaben gebunden. Aus vergaberechtlichen Gründen können in Ausschreibungen diesbezüglich grundsätzlich keine Einschränkungen gemacht werden. Die neue Dienstkleidung der Bayerischen Polizei wird neben Deutschland und Ländern der Europäischen Union auch in Tunesien, der Ukraine, Weißrussland, Bangladesch und der Türkei produziert. b) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Arbeitsbedingungen der mit der Herstellung beschäftigten Arbeitnehmer? Die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz von Arbeitsund Menschenrechten ist der Staatsregierung ein wichtiges Anliegen. Daher werden Verträge nur mit gesetzestreuen und zuverlässigen Firmen abgeschlossen. Es werden dabei die allgemeinen Regularien angewandt und von jedem Bieter Eigenerklärungen bzw. Zertifikate gefordert , siehe die Auflistung der vorzulegenden Erklärungen und Nachweise unter Frage 2 b. Die Produktion der Hemden und Hosen der neuen Dienstkleidung der Bayerischen Polizei wurde vor Ort durch ein unabhängiges Prüfinstitut begutachtet. Hierbei wurden unter anderem auch die Arbeitsbedingungen in der Produktionsstätte in Augenschein genommen. Dabei gab es keine Beanstandungen .