Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Weikert SPD vom 21.11.2017 Lohnbetrugsvorwürfe bei den Bauarbeiten am Straf justizzentrum Nürnberg – aktueller Stand Im Februar 2016 wurde bekannt, dass auf der Baustelle des Justizzentrums in Nürnberg mehrere rumänische Werkvertragsarbeitnehmer ohne Wissen und Zustimmung der zuständigen Behörden beschäftigt und um ihren Lohn betrogen worden waren. In einem Bericht vom 20.09.2016 (Drs. 17/10320) konnte die Staatsregierung zu einigen Fragen erste Informationen vorlegen. Nach wie vor besteht jedoch zu vielen Punkten Unklarheit. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Haben mittlerweile alle betroffenen Beschäftigten des Werkvertragsunternehmens ihre Löhne in vollem Umfang erhalten? b) Falls nein, warum nicht? c) Hat das Bauamt Erlangen-Nürnberg die treuhänderisch über die IG Bau geleisteten Lohnzahlungen an fünf Beschäftigte von der Rohbaufirma zurückerhalten ? 2. a) Welche Ergebnisse erbrachten die Ermittlungen durch das Hauptzollamt Nürnberg? b) Wurden die Arbeitszeitnachweise vorschriftsgemäß geführt? c) Welche rechtlichen Konsequenzen zogen die Ermittlungen nach sich? 3. a) Waren die entsandten rumänischen Arbeitnehmer ordnungsgemäß angemeldet und versichert? b) Wurden die erforderlichen Unterlagen bereitgehalten? c) Falls nein, welche Konsequenzen hatten diese Verstöße für die Entsenderfirma, den Subunternehmer, der diese beauftragt hat, sowie den Hauptunternehmer? 4. a) Welche der involvierten Firmen (Haupt-, Sub- und Sub- Sub-Unternehmer) sind nach Kenntnis der Staatsregierung derzeit in Bayern tätig? b) Werden sie regelmäßig kontrolliert? c) Für welchen Zeitraum sind die involvierten Unternehmen von Vergaben und Aufträgen des Freistaates ausgeschlossen ? 5. Hat die Staatsregierung als Konsequenz aus den Vorfällen ihre Vergaberichtlinien bzw. Vergabeverfahren geändert? 6. a) Hat die Staatsregierung als Konsequenz aus den Vorfällen die Kontrollen bei der Ausführung staatlicher Aufträge intensiviert? b) Hat die Staatsregierung als Konsequenz aus den Vorfällen die Kontrollmechanismen überarbeitet? 7. a) Findet im Vorfeld der Vergabe von Aufträgen durch den Freistaat an ausländische Unternehmen eine Kooperation mit den ermittelnden Instanzen in den Heimatländern statt, beispielsweise um Firmen erkennen zu können, die rein zur Arbeitnehmerentsendung bestehen ? b) Kommt das europäische Binnenmarktinformationssystem („IMI-System“) bei der Vergabe von Aufträgen des Freistaates Bayern regelmäßig zum Einsatz? c) Falls nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 08.01.2018 1. a) Haben mittlerweile alle betroffenen Beschäftigten des Werkvertragsunternehmens ihre Löhne in vol lem Umfang erhalten? b) Falls nein, warum nicht? Uns liegen zu den Lohnzahlungen des Nach-Nachunternehmers an seine Mitarbeiter keine Erkenntnisse vor. Das Unternehmen ist dahin gehend nicht auskunftspflichtig und war zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits gekündigt. c) Hat das Bauamt ErlangenNürnberg die treuhände risch über die IG Bau geleisteten Lohnzahlungen an fünf Beschäftigte von der Rohbaufirma zurück erhalten? Die geleisteten Zahlungen wurden bei den Rechnungen einbehalten . 2. a) Welche Ergebnisse erbrachten die Ermittlungen durch das Hauptzollamt Nürnberg? Ausschließlich die Bundesbehörden der Zollverwaltung, speziell deren Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), haben die Ermittlungs- und Prüfungsbefugnisse bei Verstößen gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG), das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), das Mindestlohngesetz (MiLoG) und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) durchzuführen. Andere Behörden, so auch im konkreten Fall das Staatliche Bauamt Erlangen-Nürnberg, haben nur die Befugnis, Informationen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.06.2018 Drucksache 17/19801 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19801 an die FKS zu geben. Während der Ermittlungen gibt die FKS aus Gründen der Beweissicherung und vor allem auch der Beachtung ihrer datenschutzrechtlichen Bestimmungen keinerlei Informationen an Außenstehende, auch nicht an andere Behörden weiter. b) Wurden die Arbeitszeitnachweise vorschriftsge mäß geführt? Die Prüfung der Arbeitszeitnachweise ist Aufgabe der FKS im Rahmen ihrer Ermittlungen. Das Staatliche Bauamt Erlangen -Nürnberg hat alle vorhandenen Informationen und Unterlagen im Zusammenhang mit den Vorkommnissen beim Bau des Strafjustizzentrums der FKS vorgelegt. c) Welche rechtlichen Konsequenzen zogen die Er mittlungen nach sich? Gegen einen der Subunternehmer wird nach Abschluss der Ermittlungen im Herbst 2017 durch die FKS ein Ausschlussverfahren von der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr durchgeführt, da gegen die verantwortlich Handelnden des Unternehmens ein rechtskräftiger Strafbefehl bzw. ein rechtskräftiges Urteil mit einem Strafmaß von wenigstens 90 Tagessätzen oder drei Monaten Freiheitsstrafe oder ein bestandskräftiger Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro ergangen ist. 3. a) Waren die entsandten rumänischen Arbeitnehmer ordnungsgemäß angemeldet und versichert? b) Wurden die erforderlichen Unterlagen bereitgehal ten? c) Falls nein, welche Konsequenzen hatten diese Verstöße für die Entsenderfirma, den Subunter nehmer, der diese beauftragt hat, sowie den Haup tunternehmer? Die Fragen betreffen die Prüfungs- und Ermittlungszuständigkeit der Zollbehörden (FKS). Das Staatliche Bauamt führt nach den vergaberechtlichen Vorschriften die Eignungsprüfung beim Hauptunternehmer durch. Setzt der Hauptunternehmer für die Ausführung des Auftrags Subunternehmer ein, ist es dessen Aufgabe, seinerseits die entsprechende Eignungsprüfung beim Subunternehmer durchzuführen. Geschieht dies unzureichend , haftet der Hauptunternehmer zivilrechtlich für die Verpflichtungen des Subunternehmers bzw. des Sub-Sub- Unternehmers. Im konkreten Fall wurde auf Antrag des Staatlichen Bauamts der Hauptunternehmer aus der Liste präqualifizierter Bauunternehmen gelöscht. Weitergehende Konsequenzen sind rechtlich nicht möglich. Ein Überwachungsverschulden bzw. eine unzureichende Auswahl eines Subunternehmers bildet keine Rechtsgrundlage, das Unternehmen von künftigen öffentlichen Aufträgen auszuschließen. 4. a) Welche der involvierten Firmen (Haupt, Sub und SubSubUnternehmer) sind nach Kenntnis der Staatsregierung derzeit in Bayern tätig? Nach Kenntnis der Staatsregierung ist der Hauptauftragsnehmer derzeit in Bayern für die Staatsbauverwaltung tätig. b) Werden sie regelmäßig kontrolliert? Die Firma wird wie jeder andere Auftragnehmer der Staatsbauverwaltung regelmäßig kontrolliert. c) Für welchen Zeitraum sind die involvierten Unter nehmen von Vergaben und Aufträgen des Freistaa tes ausgeschlossen? Unternehmen, die in der verwaltungsinternen Ausschlussliste geführt werden, können bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. 5. Hat die Staatsregierung als Konsequenz aus den Vorfällen ihre Vergaberichtlinien bzw. Vergabever fahren geändert? Nein. Die Regelungen in der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie vom 13.04.2004 sind ausreichend. 6. a) Hat die Staatsregierung als Konsequenz aus den Vorfällen die Kontrollen bei der Ausführung staatli cher Aufträge intensiviert? b) Hat die Staatsregierung als Konsequenz aus den Vorfällen die Kontrollmechanismen überarbeitet? Die Kontrollmechanismen bei öffentlichen Bauvorhaben sind ausgewogen und ausreichend. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. a) Findet im Vorfeld der Vergabe von Aufträgen durch den Freistaat an ausländische Unternehmen eine Kooperation mit den ermittelnden Instanzen in den Heimatländern statt, beispielsweise um Firmen er kennen zu können, die rein zur Arbeitnehmerent sendung bestehen? Die Staatlichen Bauämter als Vergabestellen kooperieren nicht mit ausländischen ermittelnden Instanzen. Aufgabe der Staatlichen Bauämter ist, die Eignung der Bieter im Vergabeverfahren zu prüfen – unabhängig vom Herkunftsland. Subunternehmer werden vom Hauptunternehmer beauftragt und demzufolge auch von diesem auf ihre Eignung geprüft. b) Kommt das europäische Binnenmarktinforma tionssystem („IMISystem“) bei der Vergabe von Aufträgen des Freistaates Bayern regelmäßig zum Einsatz? Nein. c) Falls nein, warum nicht? Das Binnenmarktinformationssystem im Modul „Öffentliche Auftragsvergaben“ wird nach Angaben der Regierung der Oberpfalz – Länderkoordinator in Bayern für das IMI-System – in Bayern nicht genutzt. Ähnlich verhält es sich in den übrigen Bundesländern. Das IMI-System sei zwar einfach zu bedienen, jedoch sind angefragte Unterlagen (bisher eine Anfrage aus Lettland über einen Bieter aus Bayern) bei den Behörden in der vorgegebenen Zuschlagsfrist nicht zu beschaffen. Die Verifizierbarkeit der bei Angebotsabgabe vorliegenden Eigenerklärungen ist im Zeitraum der vorgegebenen Fristen nicht leistbar. Es wird darauf hingewiesen, dass sich das IMI-System noch in der Pilotierungsphase befindet. Die Vergabestellen nutzen bei Vorliegen eines Angebotes aus einem EU-Mitgliedstaat die Onlineplattform e-Certis, mittels derer die vorgelegten Eignungsnachweise eines Bieters aus einem EU-Mitgliedstaat auf Plausibilität überprüft werden können. Die Plattform für eCertis wird für alle Mitgliedstaaten eingerichtet und deckt sich inhaltlich mit der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE).