Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 01.12.2017 Klare Zahlen zu Tötungsfällen von Luchsen Lange Zeit war der Luchs in Europa ausgerottet, nun siedelt er sich auch in Bayern wieder an. Doch seit Jahren kommt es immer wieder zur Tötung und Wilderei von Luchsen. Das ist nicht nur für die streng geschützte Art bestandsgefährdend . Das Töten eines Luchses ist eine Straftat. Wenige der Täter sind bis heute gefasst, viele Ermittlungen blieben offen. Die oft ehrenamtliche Arbeit von Naturschützern und der Einsatz von öffentlichem Personal und Mitteln werden durch diese Straftaten zunichte gemacht. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Artenschutzvergehen gegen Luchse wurden in Bayern seit der ersten Wiederansiedlung Anfang der 1970er-Jahre registriert? b) Welchen Anteil stellen die Straftaten gegen den Luchs am Gesamtstraftatenaufkommen im Bereich Umwelttaten dar? 2. a) Falls die Wilderei in Bayern zunimmt, was sind dafür nach Einschätzung der Staatsregierung die Ursachen? b) Welche Motivation steht hinter der Wilderei von Luchsen nach Analyse der Kriminalstatistik? c) Wie hoch schätzt die Staatsregierung die Dunkelziffer der in Bayern illegal getöteten Luchse? 3. a) Wie hoch ist die Aufklärungsquote bei Wilderei von Luchsen in Bayern? b) Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus der Aufklärungsquote? c) In wie vielen Ermittlungsfällen wurden DNA-Proben untersucht und zu welchem Ergebnis haben diese Untersuchungen geführt? 4. a) Wie bewertet die Staatsregierung die mangelnden Ergebnisse der Ermittlungen von vergifteten, erschossenen oder in illegalen Fallen gefangenen Luchsen? b) Tragen nach Auffassung der Staatsregierung strukturelle und organisatorische Defizite bei den bayerischen Behörden zu den mangelnden Ergebnissen der Ermittlungen bei? c) Zieht die Staatsregierung die Einrichtung einer fachkundigen , regional unabhängigen Ermittlungseinheit für Luchsvergehen in Erwägung? 5. a) Wie viele Luchse sind in den letzten fünf Jahren durch Verkehrsunfälle ums Leben gekommen? b) Ist der Luchsbestand in Bayern nach Auffassung der Staatsregierung durch Verkehrsunfälle in Gefahr? c) Sollte nach Einschätzung der Staatsregierung geprüft werden, inwiefern Geschwindigkeitsbegrenzungen auf waldreichen Strecken die Gefahr von Wildunfällen notorisch senken könnten? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 08.01.2018 Vorbemerkung: Für die Auswertung wurden zum einen Daten aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) herangezogen, zum anderen erfolgten Recherchen im Polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem (IGVP). Anschließend erfolgte eine Einzelfallauswertung, soweit diese in der Kürze der Zeit möglich war. In der PKS erfolgt keine Aufschlüsselung nach einzelnen Tierarten, weshalb auch die Beiziehung der Daten aus IGVP erforderlich war. 1. a) Wie viele Artenschutzvergehen gegen Luchse wurden in Bayern seit der ersten Wiederansiedlung Anfang der 1970er-Jahre registriert? Die Recherchen zu dieser Fragestellung erfolgten im Polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem (IGVP) mit den Straftatenschlüsseln 662100 (Jagdwilderei gem. § 292 Strafgesetzbuch – StGB) sowie 743000 (Vergehen gegen das Bundesnaturschutz-, Tierschutz, Bundesjagd- und Pflanzenschutzgesetz) und ohne Eingrenzung der Aufnahme - und Tatzeit. Es konnten insgesamt 12 Fälle festgestellt werden, bei denen ein Luchs betroffen war (sofern ein entsprechender Eintrag in IGVP enthalten war). In 6 Fällen erfolgte nachweislich eine illegale Tötung von Luchsen. Dies sind die zur Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD) vom 04.04.2016 mitgeteilten Fälle (vgl. Drs. 17/11866) sowie die 2017 im Landkreis Berchtesgaden nachgewiesene illegale Tötung eines Luchses. Bei weiteren 6 Fällen wurden Felle, Pelzmäntel oder andere Trophäen festgestellt. Der erste polizeiliche Datensatz stammt aus dem Jahr 2011. Vorgänge aus vorhergehenden Jahren mit Bezug zum Thema „Luchs“ konnten nicht festgestellt werden. Es ist diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass bei polizeilichen Vorgängen grundsätzlich Aussonderungsfristen gelten, die regelmäßig bei zehn Jahren liegen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.06.2018 Drucksache 17/19808 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19808 b) Welchen Anteil stellen die Straftaten gegen den Luchs am Gesamtstraftatenaufkommen im Bereich Umwelttaten dar? In der Interpretation dieser Frage wurden hier die unter Frage 1 a aufgeführten Straftaten gegen den Luchs den Gesamtfallzahlen zu den gleichen Delikten (Schlüssel 662100 und 743000) des jeweiligen Jahres gegenübergestellt. Jahr Gesamtfallzahl Luchs-Fälle Anteil in % 2011 210 1 0,5 2012 270 1 0,4 2013 291 1 0,3 2014 294 1 0,3 2015 326 3 0,9 2016 354 3 0,8 2017* 295 1 0,3 * Stand: 12.12.2017 2. a) Falls die Wilderei in Bayern zunimmt, was sind dafür nach Einschätzung der Staatsregierung die Ursachen? Die Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik ergibt nach rückläufigen Zahlen in den Jahren 2014 und 2015 für das Jahr 2016 eine Steigerung der Fälle von Jagdwilderei gem. § 292 StGB um 37,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Jahr erfasste Fälle Steigerung zum Vorjahr in % 2012 176 8,6 2013 180 2,3 2014 159 -11,7 2015 152 -4,4 2016 209 37,5 Im Fünfjahresvergleich ergibt sich nur eine moderate Steigerung der Fallzahlen. Inwieweit hier eine tatsächliche Tendenz vorliegt, wird sich erst im längerfristigen Vergleich zeigen . Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik lassen sich keine Aussagen zu den Ursachen der Steigerung ableiten. Eine stichprobenartige Auswertung von Einzelfällen aus dem Jahr 2016 ergab jedoch eine Vielzahl von Fällen, bei denen die Anzeigenerstattung aufgrund wildernder Hunde erfolgt ist. b) Welche Motivation steht hinter der Wilderei von Luchsen nach Analyse der Kriminalstatistik? Auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik sind keine Aussagen zur Motivation der Täter möglich. c) Wie hoch schätzt die Staatsregierung die Dunkelziffer der in Bayern illegal getöteten Luchse? Aufgrund der Daten- und Erkenntnislage können aus polizeilicher Sicht keine Aussagen zur Dunkelziffer der in Bayern illegal getöteten Luchse getroffen werden. Das Landesamt für Umwelt hat 14 Fälle registriert, bei denen eine illegale Verfolgung als Ursache für das Verschwinden wildlebender Luchse zumindest nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Drs. 17/11866). 3. a) Wie hoch ist die Aufklärungsquote bei Wilderei von Luchsen in Bayern? Im Hinblick auf die aktuell sechs bekannten illegalen Tötungen von Luchsen konnten nach hier vorliegenden Erkenntnissen bisher keine Täter ermittelt werden. b) Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus der Aufklärungsquote? Siehe hierzu die Antwort auf Frage 4 a. c) In wie vielen Ermittlungsfällen wurden DNA-Proben untersucht und zu welchem Ergebnis haben diese Untersuchungen geführt? Zum Zwecke der Täterermittlung kam es bisher in einem Fall zur Sicherung und Auswertung von DNA. Aufgrund der noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen können keine weiteren Aussagen getroffen werden. 4. a) Wie bewertet die Staatsregierung die mangelnden Ergebnisse der Ermittlungen von vergifteten, erschossenen oder in illegalen Fallen gefangenen Luchsen? Bei den zurückliegenden gegenständlichen Taten ergaben sich trotz qualifizierter Spurensicherung und -auswertung, z. B. durch das Landeskriminalamt oder andere Untersuchungsanstalten , aus gesicherten Spuren nur sehr wenige Ermittlungsansätze. Ausschlaggebend ist hier insbesondere, dass häufig die gesicherten Spuren z. B. bei Schussverletzungen mittels Schrotmunition, Vergiftung durch Carbofuran oder im Hinblick auf das Verletzungsmuster bei einer Strangulation nicht zwingend dazu geeignet sind, eine personenbezogene Individualisierung des Täters herbeizuführen. Aufgrund der vorgenannten Problemstellungen im Hinblick auf Sachbeweise kommt dem Personenbeweis damit eine umso größere Bedeutung zu. Die gegenständlichen Taten finden jedoch regelmäßig nicht im Bereich der öffentlichen Wahrnehmbarkeit statt. Zeugen der Tathandlungen sind damit regelmäßig nicht vorhanden, was die Täterermittlung ebenfalls erheblich erschwert. Trotz Auslobung hoher Geldbeträge bei zurückliegenden Tathandlungen gingen bisher noch keine tatklärenden Zeugenhinweise ein. Bereits nach dem Fund von vier Luchsläufen im Jahr 2015 wurde für den Bereich der Bayerischen Polizei das „Handlungskonzept zur Polizeilichen Aufgabenwahrnehmung im Zusammenhang mit dem Luchs“ erstellt. Es dient der allgemeinen Wissensvermittlung im Hinblick auf Biologie und Verbreitung des Luchses und regelt des Weiteren die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung sowohl im Hinblick auf illegale Tötungen als auch hinsichtlich möglicher Sichtungen , Nutztierrisse und Verkehrsunfälle. Weitere Bestandteile sind die zu treffenden polizeilichen Sofortmaßnahmen. Drucksache 17/19808 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Das Handlungskonzept wurde allen bayerischen Polizeipräsidien mit der Maßgabe einer Anpassung auf regionale Gegebenheiten zugeleitet. Des Weiteren wurde neben dem Handlungskonzept „Luchs“ ein ressortübergreifendes Behördenrundschreiben erstellt, das insbesondere den Justizbehörden, den Regierungen und Kreisverwaltungsbehörden rechtliche und fachliche Hinweise zur Verfolgung von Artenschutzdelikten zur Verfügung stellt. Auch erfolgte eine Neufassung der Gemeinsamen Bekanntmachung der Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr, der Justiz, für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, für Umwelt und Verbraucherschutz , für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität. All dies sind Bausteine in einem umfangreichen Maßnahmenpaket , mit dem der illegalen Tötung streng geschützter Tierarten entgegengetreten wird. Die Nutzung aller rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden (kriminal-) polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen, eine offensive Öffentlichkeitsarbeit , die Teilnahme polizeilicher Vertreter bei verschiedensten Tagungen von Umweltverbänden oder Podiumsdiskussionen, aber auch eine intensive Zusammenarbeit mit allen weiteren thematisch betroffenen Staatsministerien sind hier als weitere Punkte zu nennen. In der Gesamtheit haben diese Maßnahmen sicherlich zu einer Kompetenzsteigerung gerade im polizeilichen Bereich geführt . b) Tragen nach Auffassung der Staatsregierung strukturelle und organisatorische Defizite bei den bayerischen Behörden zu den mangelnden Ergebnissen der Ermittlungen bei? Nein. c) Zieht die Staatsregierung die Einrichtung einer fachkundigen, regional unabhängigen Ermittlungseinheit für Luchsvergehen in Erwägung? Für die Schaffung einer Zentralstelle bzw. zentralen Ermittlungseinheit , beispielsweise beim Landeskriminalamt, besteht aus fachlichen Gründen kein Erfordernis. Gerade die Beamtinnen und Beamten der örtlichen Inspektionen (spezielle Umwelt- und Jagdsachbearbeiter) verfügen über die in diesen Fällen für die Ermittlungen unabdingbaren Kenntnisse regionaler Strukturen und regionaler Besonderheiten. Daneben bestehen häufig auch gute Verbindungen zu den örtlichen Umwelt- und Jagdverbänden. Hierdurch ist gewährleistet , dass ein breites Spektrum an Fachwissen in die Ermittlungen einfließt. Beamte der Kriminalpolizeiinspektionen oder auch des Landeskriminalamts können bereits jetzt jederzeit unterstützend für die Ermittlungen beigezogen werden. Sofern für die Ermittlungen wildbiologische Fachkompetenzen erforderlich sind, erfolgt die Beiziehung von Spezialisten (beispielsweise des Landesamts für Umwelt). Auch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Umweltkriminalität beim Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz – etwa nach dem Vorbild des nordrhein -westfälischen Umweltministeriums – ist bislang nicht vorgesehen. Dadurch würden weitere Strukturen außerhalb der eigentlich zuständigen Ermittlungsbehörden geschaffen. 5. a) Wie viele Luchse sind in den letzten fünf Jahren durch Verkehrsunfälle ums Leben gekommen? In den vergangenen fünf Jahren kamen insgesamt fünf Luchse durch Verkehrsunfälle ums Leben. Weitere vier Luchse wurden bei Verkehrsunfällen angefahren, liefen aber anschließend von der Unfallstelle davon. Uns liegen keine Informationen über den Verbleib dieser Luchse vor. b) Ist der Luchsbestand in Bayern nach Auffassung der Staatsregierung durch Verkehrsunfälle in Gefahr ? Im Durchschnitt ereignen sich pro Jahr ein bis zwei Verkehrsunfälle mit Luchsen. Wir sehen den Luchsbestand dadurch nicht in Gefahr. c) Sollte nach Einschätzung der Staatsregierung geprüft werden, inwiefern Geschwindigkeitsbegrenzungen auf waldreichen Strecken die Gefahr von Wildunfällen notorisch senken könnten? Die Straßenverkehrsbehörden können Geschwindigkeitsbeschränkungen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung anordnen, wenn dies im Einzelfall aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Auf stark belasteten Wildunfallstrecken ist es folglich möglich, die Geschwindigkeit mit Zeichen 274 Straßenverkehrsordnung zu beschränken. Aufgrund der Lebensweise von Luchsen kristallisieren sich allerdings keine ausgeprägten, konkreten und wiederkehrenden Wildquerungsstellen an Straßen heraus. Unfallhäufungen mit Luchsbeteiligung lassen sich nicht feststellen.