Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Müller SPD vom 12.12.2017 Leistungsumfang, Bedarf und Ausbildungskonzept Betreuungsassistentinnen und -assistenten In den am 29.12.2014 vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) veröffentlichten „Richtlinien nach § 87b Abs. 3 SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen“ (Betreuungskräfte-Rl) ist in § 2 Abs. 4 der Leistungsumfang der Betreuungsassistenten in stationären Pflegeinrichtungen festgelegt. Das in den Richtlinien festgelegte Aufgabengebiet hat jedoch einen relativ großen Ermessensspielraum. In der Praxis wird verstärkt Kritik am „regelwidrigen Einsatz der 87b-Kräfte“ geäußert. Ich frage die Staatsregierung: 1. Ist der Staatsregierung eine Evaluation bekannt, die es zum Ziel hat, den tatsächlichen Leistungsumfang der Betreuungsassistenten in bayerischen Pflegeheimen zu erfassen? 2. Falls nein, plant die Staatsregierung, eine derartige Evaluation/Studie in Auftrag zu geben? 3. a) Sind der Staatsregierung bzw. dem Patienten- und Pflegebeauftragten Beschwerden bekannt, die den regelwidrigen Einsatz der 87b-Kräfte zum Thema haben ? b) Falls ja, bitte Anzahl der Beschwerden angeben. 4. Wie schätzt die Staatsregierung die Umsetzung der offiziellen Arbeitsplatzbeschreibung von Betreuungsassistentinnen und -assistenten in der Realität bayerischer Pflegeheime ein? 5. Gibt es eine Auswertung des Konzepts für die Ausbildung zum Betreuungsassistenten mit dem Ziel der Angleichung der Ausbildungsinhalte an den realen Aufgabenbereich in der Praxis? 6. Wie viele Betreuungsassistenten gibt es in Bayern (bitte Zahlen bayernweit und nach Jahren unterteilt von 2014–2017 aufzeigen)? 7. Kann nach Kenntnis der Staatsregierung der Bedarf an Betreuungsassistentinnen und -assistenten in bayerischen Pflegeheimen gedeckt werden (bitte Auflistung nach Anzahl der ausgebildeten Betreuungsassistentinnen und -assistenten, nach Anzahl der praktizierenden Betreuungsassistentinnen und -assistenten und nach möglicher prozentualer Einschätzung der Überbzw . Unterkapazitäten)? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung vom 11.01.2018 Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage hat den „regelwidrigen Einsatz der 87b-Kräfte“ zum Gegenstand und nimmt Bezug auf die vom GKV-Spitzenverband veröffentlichten „Richtlinien nach § 87b Abs. 3 SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen “ (Betreuungskräfte-RL). Bevor auf die einzelnen Fragestellungen eingegangen wird, wird darauf hingewiesen, dass § 87b Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) mit dem Zweiten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom 21.12.2015 mit Wirkung zum 01.01.2017 aufgehoben wurde. Die zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen findet sich seitdem – was die leistungsrechtliche Komponente anbelangt – in § 43b SGB XI. Sie wurde also im Vierten Kapitel des SGB XI über die Leistungen der Pflegeversicherung angesiedelt und gewährt Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen einen individuellen Rechtsanspruch auf Maßnahmen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gegen ihre Pflegekasse und das private Versicherungsunternehmen. Im Folgenden wird daher bei den Antworten die Bezeichnung „43b-Kräfte“ verwendet. Die vertrags- und vergütungsrechtlichen Bestimmungen zu der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung wurden in die allgemeinen Vorschriften für die Vergütung der stationären Pflegeleistungen aufgenommen (§ 84 Abs. 8; § 85 Abs. 8 SGB XI). Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.06.2018 Drucksache 17/19823 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/19823 Die in Bezug genommenen Richtlinien des GKV-Spitzenverbands werden seither auf Grundlage des § 53c SGB XI erlassen, der an die Stelle des bisherigen § 87b Abs. 3 SGB XI getreten ist. Die aktuellste Fassung dieser Richtlinien nach § 53c SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen (Betreuungskräfte-RL) datiert vom 23.11.2016. 1. Ist der Staatsregierung eine Evaluation bekannt, die es zum Ziel hat, den tatsächlichen Leistungsumfang der Betreuungsassistenten in bayerischen Pflegeheimen zu erfassen? Der Staatsregierung ist keine Evaluation bekannt, die es zum Ziel hat, den tatsächlichen Leistungsumfang der Betreuungsassistenten in bayerischen Pflegeheimen zu erfassen . 2. Falls nein, plant die Staatsregierung, eine derartige Evaluation/Studie in Auftrag zu geben? Die Staatsregierung plant derzeit keine derartige Evaluation. 3. a) Sind der Staatsregierung bzw. dem Patienten- und Pflegebeauftragten Beschwerden bekannt, die den regelwidrigen Einsatz der 87b-Kräfte zum Thema haben? Der Staatsregierung ist bekannt, dass vereinzelt Beschwerden eingehen, die den regelwidrigen Einsatz der „43b-Kräfte “ zum Thema haben. Hierbei geht es in der Hauptsache um den Einsatz dieser Kräfte in der Hauswirtschaft und in der Grundpflege. Dem Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung sind Beschwerden, die den regelwidrigen Einsatz der „43b-Kräfte“ zum Thema haben, bekannt. b) Falls ja, bitte Anzahl der Beschwerden angeben. Die genaue Anzahl der Beschwerden zum regelwidrigen Einsatz der „43b-Kräfte“ kann nicht benannt werden, da die Daten seitens des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege nicht erhoben werden. Die Fachstellen für Pflegeund Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) gehen diesen Beschwerden zwar nach, allerdings werden zu diesem Thema keine Statistiken geführt. Auf eine Anfrage bei den FQA wurde aufgrund der Kürze der Frist daher verzichtet. Der Patienten- und Pflegebeauftragte der Bayerischen Staatsregierung hat in den Jahren 2015, 2016 sowie 2017 jeweils eine Beschwerde, die den regelwidrigen Einsatz der „43b-Kräfte“ zum Thema hatte, erhalten. In der gesamten Amtszeit des Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, also seit dem 01.02.2014, gingen insgesamt drei Beschwerden den regelwidrigen Einsatz der „43b-Kräfte“ betreffend ein. 4. Wie schätzt die Staatsregierung die Umsetzung der offiziellen Arbeitsplatzbeschreibung von Betreuungsassistent Innen in der Realität bayerischer Pflegeheime ein? Die Schaffung eines neuen, eigenständigen Leistungsanspruchs des Pflegebedürftigen in § 43b SGB XI sollte dabei helfen, sicherzustellen, dass die zusätzliche Betreuung und Aktivierung auch tatsächlich stattfindet. Der Anspruch zielt im Ergebnis darauf ab, zusätzliches Personal für dieses Betreuungsangebot in den Einrichtungen bereitzustellen unter vollständiger Finanzierung durch die Pflegeversicherung. Angesichts der relativ geringen Anzahl von Beschwerden zu diesem Themenkomplex und der relativ großen Anzahl von zusätzlichen Betreuungskräften mit steigender Tendenz (siehe hierzu Frage 6) darf davon ausgegangen werden, dass zumindest in der Mehrzahl der Fälle die zusätzlichen Betreuungskräfte primär den ihnen zugedachten Aufgaben nachkommen. 5. Gibt es eine Auswertung des Konzepts für die Ausbildung zum Betreuungsassistenten mit dem Ziel der Angleichung der Ausbildungsinhalte an den realen Aufgabenbereich in der Praxis? Der Staatsregierung ist keine Auswertung des Konzepts für die Qualifikation der Betreuungskräfte bekannt. Der reale Aufgabenbereich in der Praxis sollte identisch mit den Aufgaben sein, wie sie in der Betreuungskräfterichtlinie nach § 53c SGB XI beschrieben sind. Hierin ist explizit geregelt, dass zusätzliche Betreuungskräfte weder regelmäßig noch planmäßig in körperbezogene Pflegemaßnahmen sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden dürfen. Zu den Aufgaben der zusätzlichen Betreuungskräfte gehören lediglich Hilfen, die bei der Durchführung ihrer Betreuungs - und Aktivierungstätigkeiten unaufschiebbar und unmittelbar erforderlich sind, wenn eine Pflegekraft nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Maßnahmen der Behandlungspflege bleiben ausschließlich dafür qualifizierten Pflegekräften vorbehalten. Die Qualifikationsinhalte scheinen für die vorgesehenen Aufgaben angemessen. Soweit aus einzelnen Beschwerden, die die Staatsregierung erreichen, hervorgeht, dass „43b-Kräfte“ regelwidrig in der Hauswirtschaft und in der Grundpflege eingesetzt werden , darf dies nicht Anlass sein, die Ausbildungsinhalte zu ändern. Vielmehr muss ein regelwidriger Einsatz unterbunden werden, damit „43b-Kräfte“ ihrem gesetzlichen Auftrag einer zusätzlichen Betreuung und Aktivierung nachkommen können. 6. Wie viele Betreuungsassistenten gibt es in Bayern (bitte Zahlen bayernweit und nach Jahren unterteilt von 2014–2017 aufzeigen)? Die Pflegestatistik des Landesamts für Statistik weist zum Stichtag 15.12.2015 für stationäre Einrichtungen in Bayern 7.118 zusätzliche Betreuungskräfte nach § 87b SGB XI aus. Die Pflegestatistik wird alle zwei Jahre vorgelegt. Die Zahlen für 2017 stehen noch aus. Weitere, auf die Jahre 2014, 2016 und 2017 aufgeschlüsselte Zahlen der in Bayern tätigen Betreuungsassistenten liegen nicht vor. Nach Bekanntgabe des Bundesministeriums für Gesundheit vom 10.11.2017 konnte die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen durch die Pflegereform bundesweit auf rund 60.000 Betreuungskräfte (Stand: Oktober 2017) mehr als verdoppelt werden. Drucksache 17/19823 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 7. Kann nach Kenntnis der Staatsregierung der Bedarf an Betreuungsassistentinnen und -assistenten in bayerischen Pflegeheimen gedeckt werden (bitte Auflistung nach Anzahl der ausgebildeten Betreuungsassistentinnen und -assistenten, nach Anzahl der praktizierenden Betreuungsassistentinnen und -assistenten und nach möglicher prozentualer Einschätzung der Über- bzw. Unterkapazitäten )? Eine Rückfrage bei der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern ergab, dass mit allen stationären Einrichtungen in Bayern Vergütungszuschläge nach § 43b SGB XI verbunden mit einem Personalschlüssel für entsprechend qualifiziertes Betreuungspersonal vereinbart wurden. Davon ausgehend, dass die Pflegeeinrichtungen diese vereinbarten Schlüssel einhalten, kann von einer Deckung des Bedarfs an Betreuungsassistenzen ausgegangen werden. Abzuwarten bleibt, ob sich ggf. aus stattfindenden Qualitätsprüfungen Erkenntnisse über fehlende Betreuungskräfte ableiten lassen. Genaue Zahlen hinsichtlich ausgebildeter sowie praktizierender Betreuungsassistenten sowie zu Über- und Unterkapazitäten sind der Staatsregierung nicht bekannt.