Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 21.11.2017 Gesundheitsgefahren durch Perfluoroctansäure im bay erischen Chemiedreieck: Was taten Staatsregierung und Behörden? Im Chemiedreieck zwischen Salzach und Inn, vor allem aber im Landkreis Altötting, ist das Wasser offensichtlich stark mit perfluorierter Octansäure (PFOA) belastet, die dort von dem Unternehmen Dyneon hergestellt bzw. verwendet wurde. Diese Tatsache ist den verantwortlichen Behörden seit mindestens 2006 bekannt. Jetzt wurde bekannt, dass das Blut von Menschen aus der Region hoch mit PFOA belastet ist. 1. a) Seit wann genau sind bayerischen Behörden PFOA- Belastungen in Boden, Gewässern, Fisch sowie vor allem Grund- und Trinkwasser bekannt? b) Um welche Behörden handelt es sich dabei? c) Seit wann genau werden Boden, Gewässer, Fisch sowie vor allem Grund- und Trinkwasser in der Region von bayerischen Behörden untersucht? 2. a) Welche Einzelproben bzw. regelmäßgen Proben von Boden, Gewässern, Fisch sowie vor allem Grund- und Trinkwasser fanden seit dem Jahr 2005 in der betroffenen Region statt? b) Wer führte diese Proben durch? c) Welche konkreten Konsequenzen ergriffen die zuständigen Behörden nach Bekanntwerden der Probeergebnisse (aus Frage 2 a) im Einzelnen? 3. a) Wann wurden die zuständigen Staatsminister seit dem Jahr 2005 über die Problematik informiert? b) Welche Konsequenzen zogen die jeweiligen Staatsminister aufgrund dieser Informationen? c) Welchen – sich ggf. wandelnden – Erkenntnisstand hatte die Staatsregierung über die Gefahren von PFOA für Menschen und Umwelt seit dem Jahr 2005 bis zum heutigen Datum? 4. a) Wann hat das Unternehmen Dyneon nach Erkenntnissen der Staatsregierung die Produktion und die Verwendung von PFOA in der betroffenen Region eingestellt ? b) Wann hat das Unternehmen bzw. sein Mutterkonzern nach Erkenntnissen der Staatsregierung die Produktion und die Verwendung von PFOA in den USA eingestellt ? c) Wie erklärt die Staatsregierung etwaige Unterschiede im zeitlichen Verlauf bezüglich Produktion und Verwendung in Bayern und den USA? 5. a) Warum wurde die betroffene Bevölkerung seit 2006 nicht von den zuständigen Behörden umfassend über aktuelle Erkenntnisse informiert? b) Warum wurden die Erkenntnisse über die Belastung von Blutkonserven aus der betroffenen Region seit Dezember 2016 offenbar nur auf der Webseite des Landratsamtes Altötting veröffentlicht? c) Welche Behörden sind für die Information der Öffentlichkeit in diesem Fall inklusive der Aufsichtsbehörden verantwortlich? 6. a) Welche Konsequenzen haben bayerische Behörden aus der Bewertung von PFOA durch das Umweltbundesamt gezogen, das auf seiner Webseite schreibt, dass PFOA sich in der Umwelt nicht abbaue, für den Menschen giftig sei und die Fortpflanzung schädige? b) Welche konkreten Konsequenzen haben die Staatsregierung und verantwortliche bayerische Behörden aus der Tatsache gezogen, dass PFOA ab 2020 in der EU verboten ist? c) Warum wollen die zuständigen Behörden die Belastungen bei den potenziell betroffenen Menschen in der Region nicht flächendeckend erheben? 7. a) Haben die zuständigen Behörden nach Auffassung der Staatsregierung einem der Hauptprinzipinen der europäischen und deutschen Umweltpolitik, dem Vorsorgeprinzip , das sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie dem Grundgesetz ableiten lässt, ausreichend Rechnung getragen? b) Wenn ja, woran wird das deutlich? c) Welche präventiven Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung haben die zuständigen bayerischen Behörden seit 2005 im Einzelnen ergriffen? 8. a) Welche Initiativen bezüglich PFOA hat die Staatsregierung seit 2005 auf europäischer Ebene oder Bundesebene ergriffen? b) Welche Maßnahmen und Erlasse hat die Staatsregierung seit dem Jahr 2005 im Freistaat Bayern ergriffen? c) Welche anderen Regionen in Bayern sind nach Erkenntnissen der Staatsregierung derzeit noch potenziell oder nachgeweisen mit PFOA belastet? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.05.2018 Drucksache 17/20065 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20065 Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 18.01.2018 1. a) Seit wann genau sind bayerischen Behörden PFOA-Belastungen in Boden, Gewässern, Fisch sowie vor allem Grund- und Trinkwasser bekannt? Im Chemiepark Gendorf wurde zwischen 1968 und 2008 die zugelassene Perfluoroctansäure (PFOA) eingesetzt. In dieser Zeit gelangte PFOA neben der Luftemission auch über den Abwasserstrom in die Alz. Bereits seit den 1990er- Jahren bemühten sich die zuständigen Behörden vor Ort um eine Reduktion der PFOA-Fracht im Abwasser. Seit 2006 wurden in Bayern umfangreiche Untersuchungen zum Vorkommen von PFOA und anderen perfluorierten Kohlenwasserstoffen (PFC) in verschiedenen Umweltmedien durchgeführt. Auf eine Verunreinigung der Böden und des Grundwassers im Umfeld des Industrieparks wurden die Behörden 2006 aufmerksam. Fische werden ebenfalls seit 2006 untersucht. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind keine weiteren Regionen in Bayern potenziell oder nachgewiesen mit PFOA belastet. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erhielt Kenntnis von einer potenziellen Kontamination von Trinkwasser durch PFOA im Herbst 2006. In diesem Zusammenhang wurde dem LGL auch der Emittent im Industriepark Gendorf genannt. b) Um welche Behörden handelt es sich dabei? Vor Ort sind die zuständigen Behörden zunächst das Landratsamt Altötting und das Wasserwirtschaftsamt Traunstein. Das Wasserwirtschaftsamt Traunstein wird in der Thematik vom Landesamt für Umwelt unterstützt, das Landratsamt Alt ötting auch durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit . c) Seit wann genau werden Boden, Gewässer, Fisch sowie vor allem Grund- und Trinkwasser in der Region von bayerischen Behörden untersucht? Ab Oktober 2006 wurde mit Oberflächengewässer- sowie Fischuntersuchungen bzw. im November 2006 mit Trinkwasser - und Bodenuntersuchungen begonnen. Ab 2007 folgten weitere Boden-, Grundwasser- und Oberflächengewässeruntersuchungen , die bis heute fortgeführt werden. 2. a) Welche Einzelproben bzw. regelmäßgen Proben von Boden, Gewässern, Fisch sowie vor allem Grund- und Trinkwasser fanden seit dem Jahr 2005 in der betroffenen Region statt? Seit 2006 werden die verschiedenen Umweltmedien im Bereich Gendorf regelmäßig untersucht und die Ergebnisse veröffentlicht. Die Untersuchungsergebnisse für den Bereich Umwelt sind unter folgenden Links zu finden: https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/index.htm https://www.lfu.bayern.de/analytik_stoffe/analytik_org_ stoffe_perfluorierte_chemikalien/index.htm https://www.lfu.bayern.de/analytik_stoffe/analytik_org_ stoffe_perfluorierte_chemikalien/doc/hydrogeol_basisgut achten.pdf Ebenfalls seit dem Jahr 2006 analysiert das LGL in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gesundheitsamt regelmäßig alle öffentlichen und privaten Wasserversorgungsanlagen der Region mit einer bekannten PFOA-Belastung. Die Messwerte für PFOA werden seit den ersten Probenahmen im November 2006 auf der Internetseite des LGL mit Begleitinformationen zur Einordnung der Gehalte veröffentlicht. Bezüglich der potenziellen PFOA-Belastung von Fisch und anderen Lebensmitteln ermittelte das LGL die lokalen Erzeuger von Lebensmitteln und begann im Jahr 2007 mit Schwerpunktuntersuchungen von Lebensmitteln im Umfeld des Industriestandorts Gendorf. Untersucht wurden im Jahr 2007 Fische aus der Alz, Kuhmilch, Hühnereier, Hühnerfleisch , Honig sowie Karotten, Kartoffeln und Blattsalat. Das LGL hat die Untersuchungsergebnisse im Internet veröffentlicht und zudem in den Jahresberichten 2006 und 2007 umfassend über das Untersuchungsprogramm berichtet. So finden sich z. B. unter den folgenden Links Artikel und weiterführende Informationen: https://www.lgl.bayern.de/publikationen/jahresberichte.htm h t tps : / /www. lg l . baye rn .de /p resse /de ta i l ans i ch t . htm?tid=15838 https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/warengruppen/ wc_59_trinkwasser/ue_2009_trinkwasser_pft_messwerte. htm https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/warengruppen/ wc_59_trinkwasser/ue_2016_trinkwasser_pft_messwerte. htm https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontami nanten/pfas/pft_fische_gewaesser.htm https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontami nanten/pfas/lft_index.htm https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/warengruppen/ wc_25_frischgemuese/ue_2008_gemuese_pft.htm b) Wer führte diese Proben durch? Die Proben wurden durch das Wasserwirtschaftsamt (WWA) Traunstein und das Gesundheitsamt, jeweils in Abstimmung, entnommen und durch das Landesamt für Umwelt und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit analysiert. Seit 2010 werden umfangreiche weitere Untersuchungen im Rahmen der bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung des Standortes durch das von der Firma Dyneon beauftragte Ingenieurbüro durchgeführt. c) Welche konkreten Konsequenzen ergriffen die zuständigen Behörden nach Bekanntwerden der Probeergebnisse (aus Frage 2 a) im Einzelnen? Bereits seit den 1990er-Jahren bemühten sich die Behörden vor Ort um eine Reduktion der PFOA-Fracht im Abwasser. Im Jahr 2000 wurde auf Basis der Anforderungen des WWA Traunstein eine Rückgewinnungstechnologie installiert, mit der die PFOA-Fracht um mehr als 90 Prozent verringert werden konnte. Seit 2006 wurden am Standort umfangreiche Untersuchungen zur PFOA-Belastung und möglichen Umweltauswirkungen (u. a. Lysimeterstudien) durch die zuständigen Behörden durchgeführt. Diese Orientierende Untersuchung (OU) durch die Behörden führte zur Erhärtung des Anfangsverdachtes auf Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung . Daraufhin wurde eine Detailuntersuchung (DU) veranlasst , die voraussichtlich bis 2018 von der Firma Dyneon zum Abschluss gebracht wird. Im Jahr 2009 wurde als erste Grundlage für die Bewertung der PFOA-Belastung ein hydrogeologisches Basisgutachten „Grundwasserströmungsverhältnisse im Öttin- Drucksache 17/20065 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ger Forst“ vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein erstellt. Ebenfalls 2009 wurde aufgrund von Überschreitungen des Leitwertes für PFOA am Brunnen Alzgern der Inn-Salzach- Gruppe eine Aktivkohlefilteranlage installiert und in Betrieb genommen. Insgesamt wurde die Wasserversorgung in der Region umgestellt, um die Trinkwasserleitwerte einzuhalten. Zum Teil sind auch für die Zukunft wirkende Aufbereitungsmaßnahmen in Planung. Empfehlungen zur Nutzung bzw. Nichtnutzung privater Trinkwasserbrunnen wurden vom Landratsamt Altötting herausgegeben. Das LGL beurteilte alle Proben gemäß den Vorgaben des Lebensmittelrechts bzw. nach der Trinkwasserverordnung. Da Höchstgehalte für PFOA und andere perfluorierte Substanzen weder für Lebens- und Futtermittel noch für Trinkwasser festgesetzt waren oder sind, erfolgte in erster Linie eine Prüfung, ob die festgestellten Gehalte an PFOA eine Beurteilung als nicht sicheres bzw. gesundheitsschädliches Lebensmittel begründen. Dies war nach bisherigem wissenschaftlichen Kenntnisstand lediglich für einige Proben mit Wildschweininnereien sowie eine Probe mit Wildschweinfleisch der Fall. Daher erging von den örtlich zuständigen Behörden eine Empfehlung an die betroffenen Verbraucherkreise (Jäger), vorsorglich auf den Verzehr sämtlicher Wildschweininnereien zu verzichten. Bezüglich der Entsorgung der Innereien wurde der Jägerschaft angeraten, das jagdlich übliche Vergraben dieses Materials zu unterlassen, um auszuschließen, dass andere Wildschweine die kontaminierten Innereien ausgraben, verzehren und damit eine weitere Anreicherung in der Nahrungskette erfolgt. Bei den Wildschweinen sind regelmäßige Beprobungen (mindestens einmal jährlich) mit dem Veterinäramt vereinbart. Für das Trinkwasser zog das LGL die zum Zeitpunkt der Probenahme veröffentlichten Empfehlungen der Trinkwasserkommission am Umweltbundesamt (UBA) als Bewertungsgrundlage heran. Maßgeblich war vor allem der lebenslang duldbare Leitwert von 0,3 μg/l der Summe aus PFOA und PFOS. Das Ziel war die Einhaltung des Leitwertes für die öffentlichen Wasserversorger und eine möglichst weitgehende Minimierung der PFOA-Konzentration im Trinkwasser. Dies wurde durch verschiedene Maßnahmen erreicht, die von den vor Ort zuständigen Kreisverwaltungsbehörden initiiert wurden. Zu nennen sind z. B. Umstellungen bei der Nutzung verschiedener Brunnen der Wasserversorgung Burgkirchen, Einbau eines Aktivkohlefilters bei der Wasserversorgung Inn-Salzach und Einführung des Ersatzstoffes ADONA für PFOA durch den Hersteller im Industriepark Gendorf. Begleitend zu den amtlichen Untersuchungen führte das LGL zwei vom zuständigen Staatsministerium geförderte Forschungsvorhaben durch, mit denen mögliche Aufnahmewege der PFOA in die Lebensmittelkette systematisch untersucht wurden. In einem Fall standen der Übergang von PFOA (u. a.) von kontaminierten Böden in Gemüse sowie der Abbau einer höhermolekularen perfluorierten Substanz im Fokus. Bei der anderen Arbeit ging es um das „Carryover “ von perfluorierten Substanzen aus Futtermitteln und Tränkwasser in tierische Lebensmittel am Modell der Legewachtel . 3. a) Wann wurden die zuständigen Staatsminister seit dem Jahr 2005 über die Problematik informiert? Die zuständigen Staatsminister wurden stets über wesentliche Änderungen beim Sachstand informiert. Die Staatsministerin für Gesundheit und Pflege Melanie Huml wurde über die Ergebnisse der Untersuchung von anonymen Blutproben aus Emmerting im November 2017 im Zusammenhang mit Medienberichten über dieses Thema informiert und hat sich danach regelmäßig über den Sachstand informieren lassen. b) Welche Konsequenzen zogen die jeweiligen Staatsminister aufgrund dieser Informationen? Die nachgeordneten örtlichen Vollzugsbehörden haben mit Beratung und Unterstützung des LGL und des LfU die jeweils erforderlichen Maßnahmen ergriffen. c) Welchen – sich ggf. wandelnden – Erkenntnisstand hatte die Staatsregierung über die Gefahren von PFOA für Menschen und Umwelt seit dem Jahr 2005 bis zum heutigen Datum? Für PFOA und weitere PFC liegen seit 2006 einige wenige Richtwerte für verschiedene Umweltmedien vor, die von den zuständigen Bundesbehörden (UBA, Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR, Trinkwasserkommission) abgeleitet wurden. Für die Beurteilung des Trinkwassers wird die UBA-Empfehlung von 2016 als fachliche Grundlage herangezogen . Wenn die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) ihre derzeit laufende Überarbeitung des tolerablen Aufnahmewerts abgeschlossen und veröffentlicht hat, wird diese Vorgehensweise wieder geprüft. Zur Zusammenfassung und zur Vereinheitlichung des Vollzugs hat Bayern als bislang einziges Land im Januar 2012 „Leitlinien zur vorläufigen Bewertung von PFC-Verunreinigungen in Wasser und Boden“ herausgegeben, die seither in mittlerweile fünf Änderungen ständig an den aktuellen Wissensstand angepasst wurden. Im Jahr 2013 stufte der nach Art. 76 Abs. 1e der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzte Ausschuss der Mitgliedstaaten PFOA als persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Stoff (PBT) nach Art. 57d dieser Verordnung ein. 4. a) Wann hat das Unternehmen Dyneon nach Erkenntnissen der Staatsregierung die Produktion und die Verwendung von PFOA in der betroffenen Region eingestellt? Nach Kenntnisstand der zuständigen Behörden wurde im Chemiepark Gendorf PFOA von 1968 bis 2004 hergestellt und von 1968 bis 2008 zur Produktion von Fluorpolymeren als Produktionshilfsstoff (Emulgator) verwendet. b) Wann hat das Unternehmen bzw. sein Mutterkonzern nach Erkenntnissen der Staatsregierung die Produktion und die Verwendung von PFOA in den USA eingestellt? Nach Kenntnisstand der zuständigen Behörden hat die Firma 3M als Mutterkonzern von Dyneon in den USA im Jahr 2000 begonnen, aus der Produktion von PFOA, PFOS und PFOS-verwandten Substanzen (sog. C8-Chemie) auszusteigen . 2002 wurde von 3M bekannt gegeben, dass der Ausstieg aus der C8-Chemie weitgehend abgeschlossen sei. Es gab jedoch in den Vereinigten Staaten und Europa einzelne Standorte, an denen auch nach 2002 noch langkettige perfluorierte Verbindungen wie PFOA und PFOS eingesetzt wurden. So wurden beispielsweise an einem Dyneon -Standort im US-Bundesstaat Alabama noch bis 2004 langkettige PFC verwendet. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20065 c) Wie erklärt die Staatsregierung etwaige Unterschiede im zeitlichen Verlauf bezüglich Produktion und Verwendung in Bayern und den USA? Siehe Antwort zu Frage 4 b. 5. a) Warum wurde die betroffene Bevölkerung seit 2006 nicht von den zuständigen Behörden umfassend über aktuelle Erkenntnisse informiert? Die Information der Bevölkerung im Raum Altötting über die Belastung der Umwelt mit PFOA erfolgte kontinuierlich seit Bekanntwerden der Kontaminationsproblematik, insbesondere durch die lokalen Behörden und mit Unterstützung durch die zuständigen Landesämter. Hierzu wurden verschiedene Veranstaltungen vor Ort durchgeführt, z. B. eine Informationsveranstaltung im Bürgerzentrum in Burgkirchen im Jahr 2010. Außerdem werden die Messwerte im Trinkwasser fortlaufend im Internet eingestellt und den Wasserversorgern unverzüglich übermittelt, die dann für die weiteren Maßnahmen zuständig sind. b) Warum wurden die Erkenntnisse über die Belastung von Blutkonserven aus der betroffenen Region seit Dezember 2016 offenbar nur auf der Webseite des Landratsamtes Altötting veröffentlicht? Die Untersuchungsergebnisse der anonymen Blutspenderproben wurden sowohl auf der Website des Landratsamtes Altötting als auch der Website des LGL im Dezember 2016 veröffentlicht. In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass nach medialer Thematisierung unter Bürgerinnen und Bürgern vor Ort weiterer Informationsbedarf entstand. Deshalb wurde in Bürgerversammlungen am 14.11.2017 in Emmerting , am 23.11.2017 in Kastl und zuletzt im Kreisausschuss des Landkreises Altötting am 27.11.2017 umfassend über die Ergebnisse berichtet. Das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wird bei künftigen Human-Bio-Monitoring -Untersuchungen (HBM-Untersuchungen) auf eine aktive Kommunikation der zuständigen Behörden hinwirken. c) Welche Behörden sind für die Information der Öffentlichkeit in diesem Fall inklusive der Aufsichtsbehörden verantwortlich? Nach Art. 2 Abs. 3 Bayerisches Umweltinformationsgesetz (BayUIG) ist die Stelle informationspflichtig, bei der die Umweltinformationen vorhanden sind. Hierzu zählen auch Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit. Wie in Art. 10 Abs. 3 und 4 BayUIG vorgesehen, wurden die Informationen über elektronische Kommunikationsmittel (Internet) vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem örtlich zuständigen Landratsamt zur Verfügung gestellt. 6. a) Welche Konsequenzen haben bayerische Behörden aus der Bewertung von PFOA durch das Umweltbundesamt gezogen, das auf seiner Webseite schreibt, dass PFOA sich in der Umwelt nicht abbaue, für den Menschen giftig sei und die Fortpflanzung schädige? Bayern begrüßte und unterstützte die Erarbeitung einer Beschränkung von PFOA durch Deutschland und Norwegen durch Bereitstellung von Informationen und Daten. Im Übrigen siehe Antwort auf Frage 3 c. b) Welche konkreten Konsequenzen haben die Staatsregierung und verantwortliche bayerische Behörden aus der Tatsache gezogen, dass PFOA ab 2020 in der EU verboten ist? PFOA wird in Bayern nach aktuellem Kenntnisstand seit 2008 weder produziert noch verwendet. Aktuelle Kontaminationen beruhen auf Produktion und Anwendung in der Vergangenheit und werden durch die zuständigen Behörden bereits bearbeitet. c) Warum wollen die zuständigen Behörden die Belastungen bei den potenziell betroffenen Menschen in der Region nicht flächendeckend erheben ? Die laufenden Untersuchungen des Trinkwassers und die orientierende Untersuchung anonymer Blutspenderproben haben bereits die notwendigen Informationen geliefert, um die erforderlichen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen bzw. in die Wege zu leiten. Es gibt umfangreiche Ergebnisse aus Studien in den USA, in denen PFOA ebenfalls über das Trinkwasser zu einer Belastung des Blutes geführt hat. Diese Ergebnisse zeigen einheitlich, dass sich die Höhe der internen Belastung gut durch die Konzentrationen im Trinkwasser abschätzen lässt. Die in der Pilotuntersuchung mit anonymen Blutspendeproben vom LGL gefundenen Blutgehalte in Emmerting passen sehr gut in dieses Bild. Das LGL entwirft derzeit eine personenbezogene HBM-Untersuchung im Landkreis Altötting, die im Jahr 2018 durchgeführt werden soll. Dabei sollen ca. 750 Personen Blutproben entnommen werden und verschiedene Bereiche des Landkreises berücksichtigt werden, bei denen in unterschiedlicher Höhe und Dauer eine PFOA-Belastung über das Trinkwasser bekannt ist. In späteren Jahren können ggf. Folgeuntersuchungen stattfinden. Ziel der Untersuchung ist es, die Belastungssituation der Bevölkerung mit perfluorierten Substanzen im Landkreis Altötting genauer zu ermitteln und den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen zur Verringerung bzw. Beseitigung der Exposition zu verifizieren. 7. a) Haben die zuständigen Behörden nach Auffassung der Staatsregierung einem der Hauptprinzipinen der europäischen und deutschen Umweltpolitik, dem Vorsorgeprinzip, das sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie dem Grundgesetz ableiten lässt, ausreichend Rechnung getragen? Reduktionsmaßnahmen wurden frühzeitig, noch vor dem Ausstieg der Firma 3M aus der C8-Chemie, gefordert und umgesetzt. Im Nachgang wurden seit 2006 intensive Untersuchungen zur Belastungssituation durchgeführt und die Anforderungen im Rahmen der „Leitlinien zur vorläufigen Bewertung von PFC-Verunreinigungen in Wasser und Boden “ ständig an den aktuellen Wissensstand angepasst. Die Europäische Union sieht zur Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips eine abgestufte Risikoanalyse vor, die drei Stufen umfasst: Risikobewertung, Risikomanagement und Information über die Risiken. Dieses Prinzip wurde zu jedem Zeitpunkt beachtet, unter Berücksichtigung des zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Stands des Wissens und der Technik. Für eine weitere Erläuterung der ergriffenen Maßnahmen und Konsequenzen siehe Antwort zu Frage 2 c. Drucksache 17/20065 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 b) Wenn ja, woran wird das deutlich? Siehe Antwort zu Frage 7 a. c) Welche präventiven Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung haben die zuständigen bayerischen Behörden seit 2005 im Einzelnen ergriffen ? Siehe Antwort zu Frage 2 c. 8. a) Welche Initiativen bezüglich PFOA hat die Staatsregierung seit 2005 auf europäischer Ebene oder Bundesebene ergriffen? Bayerische Behörden wurden wie die Behörden anderer Länder an REACH-Verfahren beteiligt, mit denen das Risiko von PFOA für die menschliche Gesundheit und die Umwelt EU-weit beurteilt und geregelt wird, z. B. bei der Regelsetzung für die Beschränkung von PFOA nach der EU-REACH- Verordnung. b) Welche Maßnahmen und Erlasse hat die Staatsregierung seit dem Jahr 2005 im Freistaat Bayern ergriffen? Siehe Antwort zu Fragen 2 c und 3 c. c) Welche andere Regionen in Bayern sind nach Erkenntnissen der Staatsregierung derzeit noch potenziell oder nachgeweisen mit PFOA belastet? Siehe Antwort zu Frage 1 a.