Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Günther Knoblauch SPD vom 14.11.2017 Perfluoroktansäure Vor Kurzem ist bekannt geworden, dass die Blutwerte einiger Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Altötting eine erhöhte Konzentration des Tensids Perfluoroktansäure (PFOA) aufgewiesen haben. PFOA gilt als krebserregend und steht im Verdacht, die Schilddrüse anzugreifen und zu Schäden bei ungeborenen Kindern zu führen. Trinkwasser gilt als Hauptaufnahmequelle für PFOA. Die Behörden wussten über die erhöhte Konzentration von PFOA in den Blutproben aus Emmerting wohl schon seit einem Jahr Bescheid , die Öffentlichkeit wurde nicht informiert. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Erkenntnisse gibt es über die Verunreinigungen durch PFOA in der Region Inn-Salzach? b) Wo sind die Belastungen durch PFOA besonders hoch? 2. a) Was wird unternommenen, um die Gesundheitsgefährdung durch PFOA einzudämmen? b) Wie erfolgversprechend sind diese Maßnahmen? c) Reichen diese Maßnahmen aus, um eine Gesundheitsgefährdung der Bürgerinnen und Bürger durch PFOA jetzt und künftig auszuschließen? 3. a) Was war der Anlass für die Untersuchung der Blutproben aus Emmerting? b) Warum wurde die Untersuchung nicht ausgeweitet? 4. a) Seit wann ist die erhöhte PFOA-Belastung Thema in den Behörden? b) Seit wann bestand der Verdacht auf eine erhöhte PFOA-Belastung? c) Seit wann wissen die Behörden über die Ergebnisse der Untersuchung der Blutproben aus Emmerting Bescheid ? 5. a) Warum wurde die Öffentlichkeit nicht über die Gefahr der Gesundheitsbelastung durch PFOA und über die Untersuchung der Blutproben aus Emmerting informiert ? b) Wurden die betroffenen Personen aus Emmerting, deren Blutproben untersucht wurden, über die erhöhte Konzentration von PFOA in ihrem Blut und die dadurch resultierende Gesundheitsbelastung aufgeklärt? 6. a) Was wird unternommen, um die Versäumnisse und die „Geheimniskrämerei“ hinsichtlich der PFOA-Belastung aufzuarbeiten? b) Inwiefern werden nun alle Bürgerinnen und Bürger aufgeklärt und informiert? 7. a) Sind ein umfassendes Monitoring und eine repräsentative Untersuchung der PFOA-Konzentration in Blutproben aus der Region Inn-Salzach geplant? b) Wenn ja, wie sieht das Monitoring-Konzept aus? c) Wenn nein, warum nicht? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 18.01.2018 1. a) Welche Erkenntnisse gibt es über die Verunreinigungen durch PFOA in der Region Inn-Salzach? Die Erkenntnisse zur PFOA-Verunreinigung in Boden und Grundwasser in der Region Inn-Salzach finden sich zusammengefasst auf der Internetpräsenz des Landesamtes für Umwelt (LfU, siehe nachstehende Links). Grundlage der Ergebnisdarstellung sind Untersuchungen u. a. durch die örtlichen Fach- und Landesbehörden und der durch den Chemiepark Gendorf (bzw. ein von dortiger Seite beauftragtes Fachbüro) erarbeiteten, jedoch noch nicht abgeschlossenen Detailuntersuchung. Der zusammenfassende abschließende Bericht wird voraussichtlich im Frühjahr 2018 vorliegen . Notwendigkeit sowie Art und Umfang ggf. erforderlicher weiterer Maßnahmen sind hieraus abzuleiten (Maßnahmenuntersuchung ). https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/index.htm https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/aktuelle_ situation/index.htm https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/bodenbe lastungen/index.htm Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erhielt Kenntnis von einer potenziellen Kontamination von Trinkwasser durch PFOA im Herbst des Jahres 2006. Seitdem werden regelmäßig alle öffentlichen Wasserversorgungsanlagen der Region mit einer bekannten Umweltbelastung untersucht. Alle Messergebnisse für PFOA werden seit der ersten Probenahme im Jahr 2006 zeitnah auf der Internetseite des LGL und des lokalen Gesundheitsamtes veröffentlicht. b) Wo sind die Belastungen durch PFOA besonders hoch? Die höchsten PFOA-Konzentrationen im Grundwasser und Boden treten im Umgebungsbereich des Chemieparks auf. Mit zunehmender Entfernung vom Werksgelände sowie mit zunehmender Tiefe nehmen die PFOA-Konzentrationen im Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 25.05.2018 Drucksache 17/20220 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20220 Grundwasser und Boden ab. Die PFOA-Konzentrationen in der Streuauflage von Waldflächen sind deutlich höher als auf landwirtschaftlichen Flächen (Auskämmeffekte von Bäumen ). Nähere Hinweise finden sich ebenfalls auf den Internetseiten des LfU: https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/aktuelle_ situation/index.htm https://www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/bodenbe lastungen/index.htm Grundlage für die Bewertung von PFOA-Gehalten im Trinkwasser war seit dem Jahr 2006 die entsprechende Stellungnahme des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission, die für die Summe aus PFOA und PFOS einen lebenslang gesundheitlich duldbaren Leitwert von 0,3 μg/l, Maßnahmenwerte von 0,5 μg/l (für Säuglinge sowie schwangere und stillende Mütter) bzw. 5 μg/l (für die Allgemeinbevölkerung) sowie einen Zielwert von 0,1 μg/l der Summe an perfluorierten Verbindungen vorsah. Besonders hohe Gehalte an PFOA wurden bei Proben aus dem Zweckverband der Inn-Salzach-Gruppe festgestellt . Dort wurde daraufhin bereits im Jahr 2009 eine Aktivkohlefiltration in Betrieb genommen. Seit Inbetriebnahme der Aktivkohlefilter wurden keine PFOA-Gehalte über dem aktuellen Trinkwasserleitwert von 0,1 μg/l mehr gemessen. Gehalte unterhalb des Leitwerts von 2006 (0,3 μg/l), aber über dem neuen Leitwert (0,1 μg/l) wurden nur noch in den zentralen Wasserversorgungen (WV) Kastl und Burghausen und nachrangig auch in der Wasserversorgung Neuötting ermittelt. Durch Umstellungen innerhalb der Wasserversorgungen wird seit November 2016 auch hier der neue Trinkwasserleitwert eingehalten. Lediglich in der WV Kastl und der WV Tüßling, die das Trinkwasser von Kastl bezieht, wurde in einer Probe vom Juni 2017 im Trinkwassernetz eine geringe Überschreitung des Trinkwasserleitwertes im Leitungswasser nachgewiesen. 2. a) Was wird unternommenen, um die Gesundheitsgefährdung durch PFOA einzudämmen? Das Gesundheitsamt Altötting nimmt seit dem Jahr 2006 jährlich Trinkwasserproben von zentralen Wasserversorgungen im Abstromgebiet des Bereichs, der mit PFOA kontaminiert ist. Seit dem Jahr 2013 werden diese Proben zweimal pro Jahr genommen. Die Untersuchungsergebnisse werden im Internet veröffentlicht und den Wasserversorgern mitgeteilt. Auf Veranlassung der örtlichen Behörden ist, in Abstimmung mit dem LGL, seit 2009 eine Aufbereitung des Rohwassers und ggf. Zumischung durch den Betreiber veranlasst . Damit konnte der damals gültige Trinkwasserleitwert von 0,3 µg/l für PFOA und PFOS eingehalten bzw. unterschritten werden. Im Jahr 2018 sollen Aktivkohlefilteranlagen für die WV Kastl und die Brunnen von Neuötting in Betrieb gehen. Damit kann dann sichergestellt werden, dass das Trinkwasser aller zentralen Wasserversorger im Landkreis Altötting unterhalb des Leitwerts von 0,1 µg/l liegt. Vom Landratsamt Altötting, Amt für Veterinärmedizin und Lebensmittelsicherheit wurden in Zusammenarbeit mit dem LGL seit November 2006 bis 2017 insgesamt 352 Lebensmittelproben schwerpunktmäßig aus den besonders gefährdeten Gemeindebereichen untersucht. Das Probenspektrum umfasste u. a. Fische, Eier, Milch, Honig, pflanzliche Lebensmittel, Speisepilze und Wild. Hinzu kam noch zwischen 2007 und 2011 die Untersuchung von insgesamt 57 Futtermittelproben. Zusammenfassend wurde in der Mehrzahl der Proben keine oder nur eine relativ geringe Belastung festgestellt. Die Befunde lassen den Schluss zu, dass Trinkwasser der wesentliche Belastungspfad für die Bevölkerung war. Da einige Wildschweinleber-, Wildschweinnieren - und Wildschweinfleischproben höhere PFOA-Gehalte enthielten, wurden nach Bekanntwerden dieser verdächtigen Befunde die Jäger mit einem entsprechenden Informationsschreiben (26.07.2011) informiert und ihnen empfohlen, vorsorglich keine Leber und auch keine Nieren von möglicherweise belasteten Wildschweinen zu verzehren oder in Verkehr zu bringen. b) Wie erfolgversprechend sind diese Maßnahmen? Mit den in der Antwort auf Frage 2 a genannten Maßnahmen , insbesondere der Aktivkohlefilterung des Trinkwassers, lässt sich die Exposition der Bürgerinnen und Bürger über diesen zentralen Aufnahmeweg vermeiden. In der Folge ist, bei deutlicher Unterschreitung des aktuellen Trinkwasserleitwertes von 0,1 µg/l, auch eine Minderung der internen Belastung zu erreichen. c) Reichen diese Maßnahmen aus, um eine Gesundheitsgefährdung der Bürgerinnen und Bürger durch PFOA jetzt und künftig auszuschließen? Diese Maßnahmen reichen aus, um den von der Wissenschaft empfohlenen Leitwert einzuhalten. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist damit eine Gesundheitsgefährdung nicht zu besorgen. 3. a) Was war der Anlass für die Untersuchung der Blutproben aus Emmerting? Anlass der Untersuchung von Blutproben war die Prüfung, ob das PFOA-Ersatzprodukt ADONA im Blut der Bevölkerung im Umfeld des Betriebes zu einer messbaren internen Belastung geführt hat. Obwohl das Ersatzprodukt bereits seit 2009 eingesetzt wird, kann dies verneint werden. b) Warum wurde die Untersuchung nicht ausgeweitet ? Der Umfang der Untersuchung orientierte sich an der Fragestellung (siehe Antwort zu Frage 3 a). Auch bei einer größeren Stichprobe ist nicht mit grundsätzlich anderen Ergebnissen zu rechnen. 4. a) Seit wann ist die erhöhte PFOA-Belastung Thema in den Behörden? Die Reduktion der PFOA-Fracht im Abwasserstrom des Industrieparks Gendorf ist seit den 1990er-Jahren Thema in den Behörden. Die flächenhafte Betrachtung der PFOA- Belastung der Böden und des Grundwassers im Umfeld des Industrieparks Gendorf begann im Jahr 2006. Nähere Hinweise dazu finden sich auf der Internetseite des LfU: https:// www.lfu.bayern.de/altlasten/pfoa_gendorf/index.htm Erstmals 2005 wurde in den USA darüber berichtet, dass Belastungen des Trinkwassers zu erhöhten Körperbelastungen in der Bevölkerung führen können. Seit Bekanntwerden der Trinkwasserbelastungen im Raum Burgkirchen ab 2006 war dies auch dort zu erwarten, selbst bei Einhalten des damaligen Trinkwasserleitwertes. Dies wurde der Bevölkerung in einer Informationsveranstaltung im Bürgerzentrum in Burgkirchen im Januar 2010 auch so vermittelt. Drucksache 17/20220 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) Seit wann bestand der Verdacht auf eine erhöhte PFOA-Belastung? Der Verdacht einer PFOA-Belastung der Böden und des Grundwassers im Umfeld des Industrieparks Gendorf verdichtete sich zunehmend im Laufe der 2006 begonnenen Untersuchungen. c) Seit wann wissen die Behörden über die Ergebnisse der Untersuchung der Blutproben aus Emmerting Bescheid? Das LGL informierte nach Abschluss der Analytik das Landratsamt Altötting sowie das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) über die Ergebnisse der aktuellen Untersuchungen im November 2016 und veröffentlichte den „Sachstandsbericht ADONA und perfluorierte Substanzen“ im Dezember 2016 auf seiner Website. 5. a) Warum wurde die Öffentlichkeit nicht über die Gefahr der Gesundheitsbelastung durch PFOA und über die Untersuchung der Blutproben aus Emmerting informiert? Die Information der Bevölkerung im Raum Altötting über die Belastung der Umwelt mit PFOA erfolgte kontinuierlich seit Bekanntwerden der Kontaminationsproblematik, insbesondere durch die lokalen Behörden und mit Unterstützung durch die zuständigen Landesämter. Hierzu wurden verschiedene Veranstaltungen vor Ort durchgeführt, z. B. eine Informationsveranstaltung im Bürgerzentrum in Burgkirchen im Jahr 2010. Außerdem werden die Messwerte im Trinkwasser fortlaufend im Internet eingestellt und den Wasserversorgern unverzüglich übermittelt. Auch die Ergebnisse der Untersuchung der Blutproben aus Emmerting und ihre Bewertung sind bereits im Dezember 2016 auf den Internetseiten des Landratsamtes Altötting und des LGL veröffentlicht worden. In den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass nach medialer Thematisierung vor Ort weiterer Informationsbedarf entstand. Deshalb wurde in Bürgerversammlungen am 14.11.2017 in Emmerting, am 23.11.2017 in Kastl und zuletzt im Kreisausschuss des Landkreises Altötting am 27.11.2017 umfassend über die Ergebnisse berichtet. Das StMGP wird ferner bei künftigen Human-Biomonitoring-Untersuchungen (HBM-Untersuchungen) auf eine aktive Kommunikation der zuständigen Behörden hinwirken. b) Wurden die betroffenen Personen aus Emmerting, deren Blutproben untersucht wurden, über die erhöhte Konzentration von PFOA in ihrem Blut und die dadurch resultierende Gesundheitsbelastung aufgeklärt? Eine individuelle Information ist nicht möglich, da es sich um anonymisierte Blutproben aus Blutspenden handelt. Die Ergebnisse der Untersuchung und ihre Bewertung sind auf den Internetseiten des Landratsamtes Altötting und des LGL seit Dezember 2016 veröffentlicht. In Bürgerversammlungen am 14.11.2017 in Emmerting, am 23.11.2017 in Kastl und zuletzt im Kreisausschuss des Landkreises Altötting am 27.11.2017 wurde umfassend über die Ergebnisse berichtet. 6. a) Was wird unternommen, um die Versäumnisse und die „Geheimniskrämerei“ hinsichtlich der PFOA- Belastung aufzuarbeiten? Bei der Durchführung der konkreten Abhilfemaßnahmen zur Belastungsminderung sind keine behördlichen Versäumnisse zu erkennen. Zum Aspekt der Informierung der Öffentlichkeit siehe Antwort zur Frage 5 a. b) Inwiefern werden nun alle Bürgerinnen und Bürger aufgeklärt und informiert? Wie bei der Antwort zur Frage 5 b erläutert, werden die Ergebnisse der Untersuchung und ihre Bewertung auf den Internetseiten des Landratsamtes Altötting und des LGL bereits seit Dezember 2016 veröffentlicht. Zudem wurde im November 2017 in Bürgerversammlungen umfassend über die Ergebnisse berichtet. 7. a) Sind ein umfassendes Monitoring und eine repräsentative Untersuchung der PFOA-Konzentration in Blutproben aus der Region Inn-Salzach geplant? Es gibt umfangreiche Ergebnisse aus Studien in den USA, in denen PFOA ebenfalls über das Trinkwasser zu einer Belastung des Blutes geführt hat. Diese Ergebnisse zeigen einheitlich, dass sich die Höhe der internen Belastung gut durch die Konzentrationen im Trinkwasser abschätzen lässt. Die in der Pilotuntersuchung mit anonymen Blutspendeproben vom LGL gefundenen Blutgehalte in Emmerting passen sehr gut in dieses Bild. b) Wenn ja, wie sieht das Monitoring-Konzept aus? Das LGL entwirft derzeit eine personenbezogene HBM- Untersuchung im Landkreis Altötting, die im Jahr 2018 durchgeführt werden soll. Dabei sollen ca. 750 Personen Blutproben entnommen werden und verschiedene Bereiche des Landkreises berücksichtigt werden, bei denen in unterschiedlicher Höhe und Dauer eine PFOA-Belastung über das Trinkwasser bekannt ist. In späteren Jahren können ggf. Folgeuntersuchungen stattfinden. Ziel der Untersuchung ist es, die Belastungssituation der Bevölkerung mit perfluorierten Substanzen im Landkreis Altötting genauer zu ermitteln und den Erfolg der eingeleiteten Maßnahmen zur Verringerung bzw. Beseitigung der Exposition zu verifizieren. c) Wenn nein, warum nicht? Entfällt.