Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gisela Sengl, Rosi Steinberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 15.11.2017 Cross-Compliance-Kontrollen in Bayern Die Gewährung von Agrarzahlungen ist an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel , guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie Tierschutz geknüpft . Diese sog. Cross-Compliance-Vorschriften werden systematisch bzw. anlassbezogen kontrolliert. Die Planung der Cross-Compliance(CC)-Kontrollen erfolgt jährlich auf Basis einer Risikoanalyse und erfasst mindestens 1 Prozent der Landwirte, die Prämien beziehen (Drs. 17/2975). Wir fragen die Staatsregierung: 1. a) Bei jeweils wie vielen Betrieben in Bayern wurden in den letzten drei Jahren Cross-Compliance-Kontrollen durchgeführt? b) Bei wie vielen Betrieben handelte es sich dabei um eine Folgekontrolle, die sich aufgrund eines CC-Verstoßes aus dem Vorjahr ergab? c) Wie hoch war der Anteil der systematischen bzw. der anlassbezogenen Kontrollen in den letzten drei Jahren (bitte einzeln angeben)? 2. a) Wie hoch war jeweils der Prozentanteil der CC-Verstöße in den einzelnen Jahren? b) Wie hoch war jeweils der Prozentanteil der CC-Verstöße , bei denen Vorsatz konstatiert wurde? c) Wie haben sich die CC-Verstöße, bei denen Vorsatz festgestellt wurde, jeweils auf die Bereiche Tierkennzeichnung , Düngerecht, Naturschutzrecht und Pflanzenschutzrecht verteilt? 3. a) Wie sieht die Risikoanalyse für die Kontrollen aus? b) Für welche Betriebe ergibt sich daraus eine höhere Kontrolldichte? c) Für welche Betriebe ergibt sich daraus eine niedrige Kontrolldichte? 4. a) Mit welcher Jährlichkeit hat ein durchschnittlicher Betrieb mit einer CC-Kontrolle zu rechnen? b) Mit welcher Jährlichkeit hat ein unter Frage 3 b aufgeführter Betrieb mit einer CC-Kontrolle zu rechnen? c) Mit welcher Jährlichkeit hat ein unter Frage 3 c aufgeführter Betrieb mit einer CC-Kontrolle zu rechnen? 5. a) Wird die Risikoanalyse ausschließlich von den Landwirtschaftsämtern vorgenommen oder welche Abstimmungen gibt es mit übergeordneten Stellen? b) Gelten ökologisch wirtschaftende Betrieb als Betrieb mit höherem Risiko? c) Welche Rolle spielt die Betriebsgröße bei der Risikoanalyse ? 6. Wie viel Personal (Planstellen) ist mit der Beratung zu Cross Compliance bei der staatlichen Landwirtschaftsberatung betraut? 7. Wie viel Personal (Planstellen) ist mit der Kontrolle zu Cross Compliance bei der staatlichen Landwirtschaftsverwaltung betraut? Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 29.01.2018 Vorbemerkung: Gemäß den EU-rechtlichen Vorgaben müssen Begünstigte von Cross-Compliance-relevanten Zahlungen aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und/oder dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) systematisch vor Ort auf alle CC-Vorschriften kontrolliert werden. Diese werden in zwei unterschiedliche Kategorien, nämlich in Rechtsakte des weißen Bereichs (veterinärrechtlich) und Vorschriften des grünen Bereichs (Naturschutz-, Dünge-, Pflanzenschutzrecht und guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand [GLÖZ]) untergliedert. In beiden Bereichen müssen jeweils mindestens 1 Prozent der Begünstigten kontrolliert werden. Über diese systematischen Kontrollen hinaus sind von den fachlich zuständigen Behörden (z. B. Landwirtschafts-, Veterinär- oder Naturschutzbehörde) alle weiteren im Rahmen der Fachrechtskontrollen festgestellten Verstöße eines Antragstellers, die Cross-Compliance-Vorschriften betreffen , an die Zahlstelle zu melden (Anlasskontrollen). Zur Beantwortung der Fragen wurden als Datenquellen die CC-Kontrollstatistik, gemäß Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 809/2014 herangezogen. Diese muss jährlich am 15. Juli des Folgejahres an die Kommission übermittelt werden . Da die Statistik für das Jahr 2017 erst im Juni des Jahres 2018 erstellt wird, stehen für das Jahr 2017 noch keine ausgewerteten Daten zur Verfügung. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.04.2018 Drucksache 17/20428 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20428 1. a) Bei jeweils wie vielen Betrieben in Bayern wurden in den letzten drei Jahren Cross-Compliance-Kontrollen durchgeführt? Jahr CC-kontrollierte Betriebe insg.(systematisch und anlassbezogen) 2014 5.306 2015 4.325 2016 4.156 Datenquelle: Kontrollstatistik b) Bei wie vielen Betrieben handelte es sich dabei um eine Folgekontrolle, die sich aufgrund eines CC- Verstoßes aus dem Vorjahr ergab? Das Cross-Compliance-System sieht keine direkten Folgekontrollen , die sich aus CC-Verstößen aus dem Vorjahr ergeben , vor (vgl. hierzu Antwort zu Frage 3). c) Wie hoch war der Anteil der systematischen bzw. der anlassbezogenen Kontrollen in den letzten drei Jahren (bitte einzeln angeben)? Jahr syst. auf CC kontrollierte Betriebe anlassbezogen kontrollierte Betriebe 2014 4.488 818 2015 3.447 878 2016 3.259 897 Datenquelle: Kontrollstatistik 2. a) Wie hoch war jeweils der Prozentanteil der CC-Verstöße in den einzelnen Jahren? Jahr Anteil der Betriebe* mit CC-Verstößen(in %) 2014 58,6 2015 75,9 2016 61,5 * bezogen auf alle im entsprechenden Jahr auf CC kontrollierte Betriebe Datenquelle: Kontrollstatistik Anmerkung: In den unter Frage 2 a genannten Prozentanteilen der CC-Verstöße sind geringfügige Verstöße, die als Frühwarnungen bewertet wurden, enthalten. b) Wie hoch war jeweils der Prozentanteil der CC-Verstöße , bei denen Vorsatz konstatiert wurde? Jahr Anteil der Betriebe* mit vorsätzlichen CC-Verstößen (in %) 2014 1,02 2015 1,20 2016 2,26 * bezogen auf alle im entsprechenden Jahr auf CC kontrollierte Betriebe Datenquelle: Kontrollstatistik c) Wie haben sich die CC-Verstöße, bei denen Vorsatz festgestellt wurde, jeweils auf die Bereiche Tierkennzeichnung, Düngerecht, Naturschutzrecht und Pflanzenschutzrecht verteilt? Rechtsakt Anzahl Betriebe mit vorsätzlichen Verstößen Jahr 2014 2015 2016 Tierkennzeichnung (Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen) 29 24 55 Nitratrichtlinie 1 1 4 Vogelschutz- und FFH- Richtlinie 1 3 0 Pflanzenschutzrecht 0 0 1 Summe 31 28 60 Datenquelle: Kontrollstatistik 3. a) Wie sieht die Risikoanalyse für die Kontrollen aus? Seit dem Jahr 2011 wird die Risikoanalyse, jeweils separat für den weißen und grünen Bereich, in der HI-Tier-Datenbank (HI-Tier = Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere – HIT) mithilfe eines statistischen Modells durchgeführt. Hierzu wird jährlich eine aktuelle Liste von Attributen für alle Antragsteller an die HIT übermittelt. Die Attribute charakterisieren die individuellen Eigenschaften der Antragsteller. Je Antragsteller werden über 100 Attribute wie z. B. GVE-Besatz (GVE = Großvieheinheit), Fläche in Natura 2000-Gebieten, Anzahl CC-Landschaftselemente usw. ermittelt. Bei Bedarf kann der Umfang der Attribute erweitert werden. Für das Modell, das jährlich neu berechnet wird, wird mit- Drucksache 17/20428 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 hilfe statistischer Analysen die Abhängigkeit der festgestellten Verstöße von den o. g. Attributen untersucht. Diejenigen Attribute, die den höchsten Zusammenhang mit Verstößen aufweisen, werden für die Modellbildung herangezogen. Für eine Risikoanalyse im Jahr n werden die Attribute der Jahre n-1 und n-2 sowie die entsprechenden Verstöße dieser Jahre untersucht. Anschließend werden bei der Ziehung die Antragsteller in der Grundgesamtheit entsprechend dem Modell hinsichtlich ihrer Verstoß-Wahrscheinlichkeit (Scoring) bewertet. Ausgewählt werden die Antragsteller mit dem höchsten Scoring- Wert (Worst-first-Prinzip). Ein Modell für einen Bereich (weiß oder grün) eines bestimmten Jahres besteht in der Regel aus ca. 10 bis 16 Attributen mit unterschiedlichen Vorzeichen. Attribute mit positivem Vorzeichen erhöhen den Scoring-Wert und damit die Wahrscheinlichkeit, gezogen zu werden, Attribute mit negativem Vorzeichen verringern den Scoring-Wert und damit die Wahrscheinlichkeit, gezogen zu werden. b) Für welche Betriebe ergibt sich daraus eine höhere Kontrolldichte? Betriebe, die über Attribute mit positivem Vorzeichen verfügen , unterliegen einer höheren Kontrolldichte. Eine generelle Aussage hierzu ist allerdings nicht möglich, da sich die Attribute, die aufgrund ihrer statistischen Relevanz im Modell berücksichtigt werden, von Jahr zu Jahr unterscheiden. c) Für welche Betriebe ergibt sich daraus eine niedrige Kontrolldichte? Betriebe, die über Attribute mit negativem Vorzeichen verfügen , unterliegen einer geringeren Kontrolldichte. Eine generelle Aussage hierzu ist nicht möglich, da sich die Attribute, die aufgrund ihrer statistischen Relevanz im Modell berücksichtigt werden, von Jahr zu Jahr unterscheiden. 4. a) Mit welcher Jährlichkeit hat ein durchschnittlicher Betrieb mit einer CC-Kontrolle zu rechnen? Da jedes Jahr zwischen 3.300 und 4.000 der ca. 100.000 antragstellenden Betriebe für eine systematische CC-Kontrolle ausgewählt werden, wird jeder bayerische Betrieb durchschnittlich alle 25 bis 30 Jahre systematisch auf die CC-Vorgaben des grünen oder des weißen Bereichs kontrolliert . b) Mit welcher Jährlichkeit hat ein unter Frage 3 b aufgeführter Betrieb mit einer CC-Kontrolle zu rechnen ? Ein unter Frage 3 b aufgeführter Betrieb wird öfter als der Durchschnitt kontrolliert. Eine generelle Aussage hierzu ist nicht möglich (vgl. Antwort zu Frage 3). c) Mit welcher Jährlichkeit hat ein unter 3 c aufgeführter Betrieb mit einer CC-Kontrolle zu rechnen? Ein unter Frage 3 c aufgeführter Betrieb wird seltener als der Durchschnitt kon-trolliert. Eine generelle Aussage hierzu ist nicht möglich (vgl. Antwort zu Frage 3). 5. a) Wird die Risikoanalyse ausschließlich von den Landwirtschaftsämtern vorgenommen oder welche Abstimmungen gibt es mit übergeordneten Stellen? Die Risikoanalyse wird zentral für ganz Bayern von der HI- Tier-Datenbank unter fachlicher Aufsicht und Federführung der verantwortlichen Ressorts (Staatsministerium für Ernährung , Landwirtschaft und Forsten – StMELF – für den grünen Bereich und Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz – StMUV – für den weißen Bereich) durchgeführt . Eine Reihe weiterer Zahlstellen anderer Bundesländer nutzen dieses Verfahren ebenfalls. b) Gelten ökologisch wirtschaftende Betrieb als Betrieb mit höherem Risiko? In den Jahren 2012 und 2014 wurde das Attribut „ökologisch wirtschaftender Betrieb“ aufgrund seiner statistischen Relevanz mit negativem Vorzeichen in das Modell aufgenommen . Ein ökologisch wirtschaftender Betrieb galt somit in diesen Jahren als ein Betrieb mit geringerem Risiko. In den anderen Jahren war das Attribut „ökologisch wirtschaftender Betrieb“ statistisch nicht aussagekräftig genug, um ins Modell aufgenommen zu werden. Es spielte bei der Auswahl der zu kontrollierenden Betriebe somit keine Rolle. c) Welche Rolle spielt die Betriebsgröße bei der Risikoanalyse ? Das Attribut „Landwirtschaftliche Fläche insgesamt“ war seit 2011 aufgrund fehlender statistischer Relevanz noch nie Bestandteil des Modells. Es zeigte sich in den vergangenen Jahren vielmehr, dass relative Attribute, wie z. B. das Verhältnis von erosionsgefährdeter Fläche zur gesamten landwirtschaftlichen Fläche eines Betriebs, eine höhere statistische Abhängigkeit zu festgestellten Verstößen aufweisen als z. B. der absolute Wert „erosionsgefährdete Fläche insgesamt“. 6. Wie viel Personal (Planstellen) ist mit der Beratung zu Cross Compliance bei der staatlichen Landwirtschaftsberatung betraut? Abgesehen von den Standards zur Erhaltung von Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand sind die Cross-Compliance-Vorschriften unabhängig vom Förderrecht bestehendes Fachrecht in den Bereichen Düngung, Pflanzenschutz, Naturschutz, Lebens- und Futtermittelsicherheit sowie Tierschutz und -kennzeichnung. Die Sachgebiete L 2.2 „Landwirtschaft“ der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Fachzentren Pflanzenbau, Agrarökologie, Ökolandbau, Almwirtschaft, Rinderhaltung, Fleischrinderzucht und -haltung, Rindermast , Schweinezucht und -haltung, Kleintiere, Pferdehaltung sowie die Abteilungen L 4 Gartenbau erfüllen Aufgaben in den Bereichen Bildung, Beratung sowie Förderund Hoheitsvollzug und somit auch die Aufgabe zur Beratung bezüglich der Cross-Compliance-Vorschriften. Derzeit verfügen die Sachgebiete L 2.2 sowie die oben genannten Fachzentren und Abteilungen L 4 Gartenbau der 47 Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten insgesamt über 484 Planstellen (SG L 2.2: 275; o. g. Fachzentren: 165; Abt. L 4 Gartenbau: 44). Die CC-Beratung beansprucht allerdings nur einen Bruchteil dieser AK-Kapazitäten. 7. Wie viel Personal (Planstellen) ist mit der Kontrolle zu Cross Compliance bei der staatlichen Landwirtschaftsverwaltung betraut? Den an sechs Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angesiedelten Abteilungen L 3.P Prüfdienst obliegt die Durchführung der Vor-Ort- und Ex-post-Kontrollen aller über die Zahlstelle Bayern abgewickelten Fördermaßnahmen (z. B. flächenbezogene Maßnahmen, einzelbetriebliche Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20428 Investitionsförderung, Leader-Maßnahmen im Geschäftsbereich des StMELF usw.). Daneben ist der Prüfdienst auch zuständig für die Kontrolle der systematisch für den grünen Bereich ausgewählten Antragsteller. Die Kontrolle der für den weißen Bereich ausgewählten Antragsteller wird von den Veterinärämtern und der Regierung von Oberbayern durchgeführt. Die Abteilungen L 3.P Prüfdienst verfügen insgesamt über 84 Planstellen. Aktuell werden hiervon ca. 12 AK für die CC- Kontrolle des grünen Bereichs eingesetzt. Die Erstprüfer des Prüfdienstes werden dabei von weiteren ca. 12 AK an Saisonarbeitskräften unterstützt.