Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Peter Paul Gantzer SPD vom 11.12.2017 Zustände am Münchner Hauptbahnhof Immer mehr Anwohner, Geschäftstreibende, Reisende und Bürgerinnen und Bürger beklagen sich darüber, dass vor dem Hauptbahnhof München wie in dem gesamten angrenzenden Viertel die Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei. Es habe sich eine Subkultur entwickelt, die geschäftsschädigend sei (z. B. ein Rückgang von Hotelgästen) und auch sonst das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigen würde. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Sind die vorbezeichneten Klagen berechtigt? b) Bejahendenfalls: Welches sind die Ursachen? 2. a) Bejahendenfalls: Welche Maßnahmen werden ergriffen , damit die Zustände im vorbezeichneten Bereich wieder normalisiert werden? b) Inwieweit kann hierzu die Landeshauptstadt München beitragen? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr nach Einbindung des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie und der Landeshauptstadt München vom 29.01.2018 1. a) Sind die vorbezeichneten Klagen berechtigt? Der Staatsregierung liegen nach dem Bericht des örtlich zuständigen Polizeipräsidiums (PP) München keine objektiven Tatsachen vor, die die Entwicklung einer Subkultur im Bereich des Hauptbahnhofs bestätigen. In den letzten Jahren ist allerdings im Bereich des Münchner Hauptbahnhofs und den angrenzenden Straßenzügen ein Anstieg von Ordnungs- und Sicherheitsstörungen feststellbar . Hauptsächlich handelt es sich hierbei um alkoholbedingte Störungen, Rohheitsdelikte, Betäubungsmittelkriminalität und illegale Prostitution, aber auch Bettelei und sonstige Ordnungsstörungen. Hierbei ist jedoch deutlich zwischen objektiver und subjektiver Sicherheit zu differenzieren . Die objektive Kriminalität, insbesondere Rohheitsdelikte , findet fast ausschließlich zwischen den Alkohol- bzw. Betäubungsmittelkonsumenten statt. Allein die Anwesenheit größerer Personengruppen, die augenscheinlich Randgruppen zuzuordnen sind, ist dazu geeignet, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu beeinträchtigen. Hierbei ist jedoch der polizeiliche Handlungsspielraum eingeschränkt. Solange keine Ordnungsoder Sicherheitsstörungen von den Personen ausgehen, ist die bloße Anwesenheit sicherheitsrechtlich nicht relevant. b) Bejahendenfalls: Welches sind die Ursachen? Der Hauptbahnhof München stellt durch seine zentrale Lage, zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten und die vielen zusammenlaufenden Verkehrsmittel ein Drehkreuz dar. Tagtäglich passieren mehrere hunderttausend Personen, Pendler wie auch Gäste der Landeshauptstadt München, diesen Knotenpunkt. Durch das hohe Personenaufkommen sind der Hauptbahnhof und seine angrenzenden Bereiche gleichzeitig auch Anziehungspunkt für soziale Randgruppen. 2. a) Bejahendenfalls: Welche Maßnahmen werden ergriffen , damit die Zustände im vorbezeichneten Bereich wieder normalisiert werden? Hinsichtlich der polizeilichen Anstrengungen und Maßnahmen ist festzustellen, dass der Hauptbahnhof München beim PP München schon immer im besonderen Fokus stand und weiterhin steht. Bereits seit 2009 werden in den sog. S.A.M.I.-Sitzungen (Sicherheits- und Aktionsbündnis Münchner Institutionen) unter Beteiligung von Vertretern des PP München sicherheitsrelevante Örtlichkeiten, u. a. der Hauptbahnhof, thematisiert und im Bedarfsfall (wenn diese mit szenetypischen Sicherheits- und Ordnungsstörungen einhergehen) die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.04.2018 Drucksache 17/20497 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20497 Daneben nehmen Führungskräfte der für den Hauptbahnhof und dessen Umfeld zuständigen Polizeiinspektionen regelmäßig an Bürgerversammlungen teil, um auch gerade im Bereich des Hauptbahnhofs die bestehenden Probleme gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zu erörtern. Der aktuellen Situation begegnet das PP München im Rahmen eines Gesamtkonzepts mit einem umfangreichen und intensiven Maßnahmenbündel, insbesondere einer möglichst hohen Präsenz von uniformierten aber auch zivilen Polizeibeamten. Dadurch werden begangene Delikte konsequent verfolgt, Störungen und Straftaten bereits im Ansatz verhindert und durch sichtbare Polizeipräsenz das Sicherheitsgefühl von Reisenden, der Gewerbetreibenden und der Bevölkerung gestärkt. Hierbei ist eine große Anzahl von Beamten verschiedenster Dienststellen im Einsatz: Einsatzkräfte der örtlich zuständigen Polizeiinspektionen, geschlossene Einheiten des Polizeipräsidiums München sowie der Bayerischen Bereitschaftspolizei und Beamte der Kriminalpolizei sind teilweise rund um die Uhr am und im Umfeld das Hauptbahnhofs eingesetzt. Der Anstieg der im Bereich des Hauptbahnhofes registrierten Betäubungsmittelverstöße kann hierbei auch als Beleg für die hohe Kontrollintensität gesehen werden. Darüber hinaus führt das PP München unter Einbeziehung von geschlossenen Einheiten u. a. zusammen mit der Bundespolizei großangelegte Kontrollaktionen, wie zuletzt am 16. November 2017, durch. Dabei waren insgesamt 267 Beamte der Bayerischen Polizei beteiligt. Solche Kontrollaktionen werden auch im Jahr 2018 fortgeführt. Weiterhin wurde am Münchner Hauptbahnhof Ende Juli 2017 die Anzahl der polizeilichen Videokameras im Außenbereich von zwei auf sechs erhöht, um alle sicherheitsrelevanten Außenbereiche des Hauptbahnhofs zu erfassen. Eine entscheidende Rolle zur Verbesserung der Situation am Münchner Hauptbahnhof spielt die enge Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit den anderen Kooperationspartnern am Hauptbahnhof. Insbesondere handelt es sich dabei um die Bundespolizei, die Deutsche Bahn AG und die Stadtwerke München GmbH/Münchner Verkehrsgesellschaft mbH (SWM/MVG), die ebenfalls entsprechende Maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich treffen. Die Situation im Bereich des Hauptbahnhofs ist fortdauerndes Thema in Besprechungen mit den genannten Kooperationspartnern . Speziell zu diesem Thema wurde beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) München im Jahr 2015 ein „Runder Tisch Hauptbahnhof“ (hierzu siehe Frage 2 b) eingerichtet. Zusammen werden dort konkrete Maßnahmen erarbeitet, gebündelt und das gemeinsame Vorgehen abgestimmt. Die umfangreichen Maßnahmen des PP München sowie die Maßnahmen der Landeshauptstadt München und der Kooperationspartner im Rahmen der Zusammenarbeit (siehe 2 b) zeigen erste Erfolge. Auf Basis der vorläufigen Kriminalitätszahlen kann festgestellt werden, dass die Straftaten (insgesamt – ohne Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet [AufenthG] im Gültigkeitsbereich der Alkoholverbotsverordnung (Hauptbahnhof) im Zeitraum von Januar bis September 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zurückgegangen sind. Bei den Körperverletzungs-, Rohheits - und Raubdelikten ist sogar ein starker Rückgang zu verzeichnen. Konkrete Zahlen können erst nach Abschluss der bundesweiten Qualitätssicherung für die Kriminalstatistik , die das Bayerische Landeskriminalamt zusammen mit dem Bundeskriminalamt durchführt, genannt werden. b) Inwieweit kann hierzu die Landeshauptstadt München beitragen? Im September 2017 fand bereits die siebte Sitzung des „Runden Tisches Hauptbahnhof“ (siehe Frage 2 a) statt. Insgesamt kam ein breites Maßnahmenbündel zustande, das auch in mehreren gemeinsamen Ortsbegehungen eruiert wurde. Beispielhaft und nicht abschließend wurden mit Unterstützung aller Kooperationspartner durch die Landeshauptstadt München einige städtebauliche und infrastrukturelle Maßnahmen beschlossen und teilweise bereits umgesetzt. So wurde durch die Landeshauptstadt München die Alkoholverbotsverordnung zum 21. Januar 2017 eingeführt. Die Hausordnung des Hauptbahnhofs wurde an das außen geltende Alkoholverbot angepasst. Weiterhin hat die Landeshauptstadt München die Einführung eines Kommunalen Außendienstes (KAD) beschlossen. Es ist geplant, dass dieser seine Tätigkeit zum 1. Juli 2018 aufnehmen wird. Daneben wurden in Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten im Bereich des Hauptbahnhofs a) die Beleuchtungseinrichtungen optimiert, b) optische Verschönerungsmaßnahmen beschlossen bzw. getroffen (z. B. Räumung der Fahrradständer, Anstrich des Kunstpavillons im Alten Botanischen Garten), c) die Sauberkeit durch Verkürzung der Reinigungsintervalle gefördert, d) die Gewebetreibenden hinsichtlich des Alkoholverkaufs sensibilisiert, e) im Bereich des Alten Botanischen Gartens die Übersichtlichkeit verbessert (z. B. Unterholz ausgedünnt) und f) Streetworker eingesetzt. Neben dem Arbeitskreis Runder Tisch Hauptbahnhof nimmt die Landeshauptstadt München am Verbundprojekt Sicherheit in Bahnhofsvierteln (SiBa) teil. Dieses Verbundprojekt wird seit dem 1. August 2017 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf Basis des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit “ der Bundesregierung im Rahmen der Bekanntmachung „Zukünftige Sicherheit in Urbanen Räumen“ gefördert. Unter Leitung der Universität Tübingen und der Universität Wuppertal wird das Anliegen verfolgt, einen Beitrag zu ganzheitlichen Sicherheitskonzepten für Bahnhofsviertel zu leisten und praxisbezogene Hinweise für Kriminalprävention und Stadtentwicklung zu erarbeiten. Das Gesamtziel des Projekts ist die Bearbeitung grundlegender Fragen zur Sicherheit in Bahnhofsvierteln und die Entwicklung eines praxistauglichen, integrierten Präventions- und Handlungskonzepts . Anliegen von SiBa ist es, bedarfsorientierte Sicherheitsforschung im unmittelbaren Lebensumfeld von Bürgern zu betreiben. Das Projekt beinhaltet u. a. eine Bevölkerungsbefragung und Experteninterviews. Zudem sollen mit den assoziierten Partnern im Rahmen gemeinsamer Begehungen und anschließender Workshops strukturierte Beobachtungen in den Bahnhofsvierteln der Zielstädte durchgeführt werden, die Aufschluss über Schwächen und Potenziale der jeweiligen Untersuchungsgebiete bieten. Neben München sind auch noch Leipzig und Düsseldorf assoziierte Partnerstädte des Verbundprojekts. Weiterhin unterstützt die Landeshauptstadt München die Maßnahmen der örtlich zuständigen Polizeiinspektion durch den Erlass von individuellen Aufenthaltsverboten. Das heißt, das Kreisverwaltungsreferat erlässt bei wiederholten Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten, wie z. B. bei Verstößen Drucksache 17/20497 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gegen das Betäubungsmittelgesetz oder bei verbotener Anbahnung der Prostitution gegen die Betroffenen sicherheitsrechtliche Aufenthaltsverbote, deren Einhaltung durch die Polizei kontrolliert wird. Ergänzend gibt es derzeit auch Bestrebungen der Sicherheitsbehörden hinsichtlich einer gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit , um die vielfältigen bereits eingeleiteten und geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation am und im Umfeld des Hauptbahnhofs den Bürgerinnen und Bürgern transparent zu machen.