Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürgen Mistol BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 05.12.2017 Reichsbürgerszene in der Oberpfalz Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele sog. Reichsbürger sind der Staatsregierung derzeit in den oberpfälzischen Landkreisen und kreisfreien Städten bekannt (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten)? 2.1 In welchen oberpfälzischen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten wurden in den letzten drei Jahren Informationsveranstaltungen oder Auftritte von Referenten der Reichsbürgerideologie durchgeführt? 2.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Häufung, Vernetzung, Inhalte und politische Ausrichtung der Veranstaltungen? 2.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu Anzahl und Herkunft der Teilnehmer/-innen der selbigen? 3.1 Welche anderen Aktivitäten (querulatorisches Verhalten , Staatsangehörigkeitsausweis, Verkauf von Fantasiepapieren , gerichtliche Auseinandersetzung) sind bei „Reichsbürgern“ in der Oberpfalz beobachtet worden ? 3.2 Wie viele „Reichsbürger“ und deren Aktivitäten werden in der Oberpfalz dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet ? 3.3 Wie erklärt sich die Staatsregierung die zum Teil deutlich erhöhte Anzahl der Anträge für Staatsangehörigkeitsausweise 2015/2016 in vielen oberpfälzischen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten? 4.1 Wie schätzt die Staatsregierung das Gefahrenpotenzial ein, das von der Reichsbürgerszene in der Oberpfalz ausgeht? 4.2 Wie viele „Reichsbürger“ sind strafrechtlich auffällig geworden? 5.1 Wie viele „Reichsbürger“ aus der Oberpfalz verfügen derzeit über eine waffenrechtliche Erlaubnis (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten )? 5.2 Wie vielen „Reichsbürgern“ wurde diese gegebenenfalls entzogen? 6. Wie viele sog. Reichsbürger in der Oberpfalz bekleiden öffentliche Ämter (bitte politisch bzw. kommunalpolitisch , aufgeschlüsselt nach Bezirk, kreisfreien Städten, Landkreisen und Gemeinden) oder sind im öffentlichen Dienst tätig? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 29.01.2018 1. Wie viele sog. Reichsbürger sind der Staatsregierung derzeit in den oberpfälzischen Landkreisen und kreisfreien Städten bekannt (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten)? Kreisfreie Stadt bzw. Landkreis Anzahl Stadt Amberg 4 Stadt Regensburg 10 Stadt Weiden i.d.OPf. 7 Landkreis Amberg-Sulzbach 7 Landkreis Cham 24 Landkreis Neumarkt i.d.OPf. 24 Landkreis Neustadt a.d.Waldnaab 26 Landkreis Regensburg 22 Landkreis Schwandorf 19 Landkreis Tirschenreuth 16 2.1 In welchen oberpfälzischen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten wurden in den letzten drei Jahren Informationsveranstaltungen oder Auftritte von Referenten der Reichsbürgerideologie durchgeführt ? 2.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Häufung, Vernetzung, Inhalte und politische Ausrichtung der Veranstaltungen? 2.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu Anzahl und Herkunft der Teilnehmer/innen der selbigen ? Der Staatsregierung liegen Erkenntnisse zu folgenden Informationsveranstaltungen vor: Am 10.04.2017 fand im Landkreis Neustadt a.d.Waldnaab eine Informationsveranstaltung statt, auf der sog. Reichsbürger -Theorien vorgebracht und erörtert wurden. Es nahmen ca. 30 Teilnehmer aus der näheren Umgebung teil. Am 11.03.2017 sollte in einem Hotel in der Stadt Regensburg ein Seminar durch den bekannten Reichsbürgeraktivisten Peter F. aus Schleswig-Holstein zum Thema „So setzen Sie Behörden, GEZ, Finanzämter, Gerichtsvollzieher und Gerichte rechtlich legal schachmatt!“ stattfinden. Der Inhaber des Hotels übte sein Hausrecht aus und verbot die Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.04.2018 Drucksache 17/20498 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20498 Veranstaltung. Mögliche Seminarteilnehmer wurden nicht festgestellt. Im Landkreis Cham liegen seit Ende 2015 Hinweise vor, dass Angehörige der sog. Heimatgemeinde Cham Treffen abhalten. Konkrete Erkenntnisse zu etwaigen Auftritten von Referenten liegen nicht vor. Zumindest ein Teil der Treffen findet derzeit aufgrund deutlich rückläufiger Teilnehmerzahlen nicht mehr statt. 3.1 Welche anderen Aktivitäten (querulatorisches Verhalten , Staatsangehörigkeitsausweis, Verkauf von Fantasiepapieren, gerichtliche Auseinandersetzung ) sind bei „Reichsbürgern“ in der Oberpfalz beobachtet worden? Über folgende Aktivitäten sog. Reichsbürger/Selbstverwalter liegen Erkenntnisse vor: – Vorbringen reichsbürgerspezifischer Thematiken im Rahmen von Eingaben an staatliche Stellen, – Beantragung von Staatsangehörigkeitsausweisen unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz für das Deutsche Reich (RuStAG) von 1913, – Nichtanerkennung/Ablehnung behördlicher Maßnahmen, Widerstandshandlungen gegen Amtsträger, – Nichtbezahlung von Gebühren, Steuern und Bußgeldern mit Verweis auf die angebliche Ungültigkeit der Rechtsgrundlagen und die fehlende Befugnis der Behörde, – Zusendung von sog. Amtsblättern des „Staatenbundes Deutsches Reich“ sowie von sog. Haftungssicherungsverträgen und Kaufmännischen Bestätigungsschreiben im Schriftverkehr mit Behörden, – Verwendung von Fantasiedokumenten (z. B. Fahrerlaubnisdokumente ) oder sonstigen Reichsbürgerunterlagen gegenüber staatlichen Stellen, – Anbringen von Tafeln und Schildern sowie Fahnen mit Reichsbürgerbezug am Grundstück, – Besuch einer Gerichtsverhandlung gegen eine Reichsbürgerin in Weiden; die Besucher der Gerichtsverhandlung gaben sich vor dem Amtsgericht Weiden als Reichsbürger zu erkennen, – Abgabe von Ausweisdokumenten mit reichsbürgertypischen Begründungen, – Erpressungsversuche gegenüber Bediensteten staatlicher Stellen, – Widerstandshandlung gegen Amtsträger und vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil von Polizeibeamten und Nötigung von Polizeibeamten. 3.2 Wie viele „Reichsbürger“ und deren Aktivitäten werden in der Oberpfalz dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet? Gegenwärtig sind in der Oberpfalz „Reichsbürger“ im höheren einstelligen Bereich dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen. 3.3 Wie erklärt sich die Staatsregierung die zum Teil deutlich erhöhte Anzahl der Anträge für Staatsangehörigkeitsausweise 2015/2016 in vielen oberpfälzischen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten? Nach den dem Polizeipräsidium Oberpfalz vorliegenden Meldungen nahm die Anzahl der Anträge auf Staatsangehörigkeitsausweise von 2015 (Anzahl: 192) bis 2016 (Anzahl: 244) um 27 Prozent zu; innerhalb des Präsidialbereichs sind in einzelnen Landkreisen teilweise auch rückläufige Zahlen zu verzeichnen. Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse zum Hintergrund der zum Teil erhöhten Anzahl an Anträgen auf Staatsangehörigkeitsausweise vor. 4.1 Wie schätzt die Staatsregierung das Gefahrenpotenzial ein, das von der Reichsbürgerszene in der Oberpfalz ausgeht? Die Ideologie der Reichsbürgerbewegung insgesamt ist geeignet , Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in welchem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein. Verschiedene Vorfälle in der Vergangenheit belegen, dass sich innerhalb der Reichsbürgerszene auch gewaltbereite Personen bewegen . Den bayerischen Sicherheitsbehörden liegen in Bezug auf die Oberpfalz keine Erkenntnisse oder Hinweise zum „Gefahrenpotenzial“ vor, die von der vorgenannten bayernweiten Einschätzung abweichen. 4.2 Wie viele „Reichsbürger“ sind strafrechtlich auffällig geworden? Die Beantwortung dieser Frage erfordert aufwändige, mehrstufige , manuelle Recherchen in verschiedenen Dateisystemen , die innerhalb der Frist für die Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage nicht leistbar sind. 5.1 Wie viele „Reichsbürger“ aus der Oberpfalz verfügen derzeit über eine waffenrechtliche Erlaubnis (bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen und kreisfreien Städten)? 5.2 Wie vielen „Reichsbürgern“ wurde diese gegebenenfalls entzogen? In der Oberpfalz wurden insgesamt zwölf „Reichsbürger“ mit waffenrechtlichen Erlaubnissen identifiziert, gegen die ein Verfahren zum Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse eingeleitet wurde. Lediglich in zwei Verfahren (beide Landkreis Schwandorf) konnte das Widerrufsverfahren von der Waffenbehörde noch nicht abgeschlossen worden. In den übrigen zehn Fällen wurde das Verfahren durch Erlass eines Widerrufsbescheids, durch Einstellung des Verfahrens oder auf sonstige Weise beendet. Dabei wurden 15 waffenrechtliche Erlaubnisse widerrufen oder freiwillig zurückgegeben sowie insgesamt 16 Waffen eingezogen bzw. an einen Berechtigten übergeben. 6 Wie viele sog. Reichsbürger in der Oberpfalz bekleiden öffentliche Ämter (bitte politisch bzw. kommunalpolitisch, aufgeschlüsselt nach Bezirk, kreisfreien Städten, Landkreisen und Gemeinden) oder sind im öffentlichen Dienst tätig? Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) wird dem Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport – wie bereits in der Sitzung am 15.02.2017 – voraussichtlich im ersten Quartal 2018 erneut umfassend über Maßnahmen gegen die sog. Reichsbürgerbewegung berichten, u. a. auch über etwaige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes mit Bezügen zur „Reichsbürgerbewegung “. Zur Vermeidung mehrfacher bzw. unverhältnismäßiger Aufwände sowie zur Fristwahrung wurde bei der Beantwortung der vorliegenden Frage von einer ressortübergreifenden Abfrage bzw. Erhebung bei den obersten Dienstbehörden abgesehen und es wird insoweit auf den anstehenden Bericht des StMI im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport verwiesen. Die Be- Drucksache 17/20498 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 antwortung der vorliegenden Frage beschränkt sich daher auf den Geschäftsbereich des StMI. Dem StMI sind in seinem Geschäftsbereich keine Personen bekannt, die im Regierungsbezirk Oberpfalz ein politisches Amt bekleiden oder im öffentlichen Dienst tätig sind und die der „Reichsbürger-“ bzw. „Selbstverwalterszene“ zuzurechnen sind.