Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harry Scheuenstuhl SPD vom 16.01.2018 Zustand des bayerischen Kanalnetzes – Sanierungsbedarf Ich frage die Staatsregierung; 1. Wie beurteilt die Staatsregierung den Zustand des öffentlichen sowie privaten Kanalnetzes in Bayern? 2. Wie hat sich die kurzfristig sanierungsbedürftige Kanallängenrate seit 1998 im Freistaat entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kanallängenrate in Prozent und zugehöriger Zustandsklasse 0 bzw. 1)? 3. Wie hat sich die mittelfristig sanierungsbedürftige Kanallängenrate seit 1998 im Freistaat entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und zugehöriger Zustandsklasse )? 4. Wie hat sich die mittlere jährliche Kanalsanierungsrate in Bezug auf die gesamte Kanalnetzlänge seit 1998 im Freistaat entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und mittlerer Kanalsanierungsrate in Prozent)? 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Kanalsanierungsrate in Bayern in Bezug auf Sanierungsraten in anderen Bundesländern? 6. Welche staatlichen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Rückstand bei der Kanalsanierung und -erneuerung mittelfristig aufzuholen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 01.02.2018 1. Wie beurteilt die Staatsregierung den Zustand des öffentlichen sowie privaten Kanalnetzes in Bayern ? Zuständig für den Betrieb und Erhalt der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasseranlagen sind die Kommunen. Die Anlagen müssen grundsätzlich ohne zusätzliche Finanzierung von außen kostendeckend betrieben werden. Die Ersterschließung von Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen wurde in Bayern durch staatliche Zuwendungen in Höhe von rund 12 Mrd. Euro unterstützt. Um unzumutbare finanzielle Belastungen von Bürgern und Kommunen bei der Sanierung der Anlagen zu vermeiden , hat das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) 2016 ein Förderprogramm für Härtefälle aufgelegt. Für das Programm stehen jährlich bis zu 70 Mio. Euro für Sanierungen von Trink- und Abwasseranlagen zur Verfügung. Mit den im Auftrag des StMUV durchgeführten Erhebungen zum Zustand der Kanalisation in Bayern 2008 (Erhebungsjahr 2006) und 2015 (Erhebungsjahr 2012) liegen umfangreiche Kenntnisse über den Zustand der öffentlichen Kanalisation vor. Der Bericht 2015 zeigt für rund 14,5 Prozent der öffentlichen Abwasserkanäle einen kurz- bis mittelfristigen Sanierungsbedarf . Der berichtete Sanierungsbedarf wird als bewältigbar bewertet. Mit fortschreitendem Alter der Kanalisation wird der spezifische Sanierungs- und Erneuerungsbedarf ansteigen. Der Abbau bekannter Mängel sollte daher nicht hinausgezögert werden. Zum Zustand der privaten Kanäle existiert keine entsprechende zentrale Zustandsbewertung. Im Erhebungsjahr 2012 lag laut Aussagen der Kanalnetzbetreiber nur bei 17 Prozent der privaten Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA) eine Zustandsbewertung vor und der Sanierungsbedarf wurde mit 25 Prozent der GEA abgeschätzt. Für die Teilstrecken von GEA, bei denen eine öffentliche Zuständigkeit vorliegt, lag der Inspektionsgrad bei 23 Prozent und der Sanierungsbedarf bei 27 Prozent. Aus diesen Zahlen kann wegen der geringen Anzahl der Datensätze jedoch nicht ohne Weiteres auf die landesweite Situation geschlossen werden. 2. Wie hat sich die kurzfristig sanierungsbedürftige Kanallängenrate seit 1998 im Freistaat entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Kanallängenrate in Prozent und zugehöriger Zustandsklasse 0 bzw. 1)? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.04.2018 Drucksache 17/20575 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20575 3. Wie hat sich die mittelfristig sanierungsbedürftige Kanallängenrate seit 1998 im Freistaat entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und zugehöriger Zustandsklasse)? Eine strukturierte Auswertung der Zustandserfassung öffentlicher Kanäle in Bayern wurde erstmals 2008 mit den Daten aus 2006 durchgeführt, 2015 mit Daten aus 2012 wiederholt und ist für 2019 mit Daten aus 2018 vorgesehen (6- Jahres -Turnus). Die vorliegenden Daten geben die Summe der Kanäle mit sofortigem, kurz- und mittelfristigem Sanierungsbedarf an (ZK 0–2). Ein mittelfristiger Sanierungsbedarf soll innerhalb von etwa 6 Jahren behoben werden. 2006: 15,7 Prozent, 2012: 14,5 Prozent ZK 0–2 (Zahlen für Deutschland, vgl. Frage 5, wobei das Kanalnetz in Bayern tendenziell jünger ist als in Gesamtdeutschland, für das 2013 ein durchschnittliches Netzalter von 39,8 Jahren ermittelt wurde: 2007: 17,0 Prozent, 2013: 19,4 Prozent ZK 0–2) 4. Wie hat sich die mittlere jährliche Kanalsanierungsrate in Bezug auf die gesamte Kanalnetzlänge seit 1998 im Freistaat entwickelt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr und mittlerer Kanalsanierungsrate in Prozent)? Die jährliche Sanierungsrate der Kanalnetzbetreiber hat sich 2012 gegenüber 2006 von ca. 500 km/a auf ca. 1.600 km/a deutlich gesteigert. 5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Kanalsanierungsrate in Bayern in Bezug auf Sanierungsraten in anderen Bundesländern? Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat zuletzt 2016 einen Bericht über den „Zustand der Kanalisation in Deutschland“ mit Daten aus dem Erhebungsjahr 2013 veröffentlicht. Demnach sind deutschlandweit (575.580 km öffentliche Kanallänge) „etwa ein Fünftel aller Haltungen kurz- bis mittelfristig zu sanieren (Zustandsklasse ZK 0 bis ZK 2)“. „Jährlich werden 1,1 Prozent des Kanalnetzes in Deutschland saniert.“ In Bayern wurde 2012 eine mittlere Sanierungsrate von 1,9 Prozent festgestellt. Angesichts des relativ jungen Kanalbestands in Bayern ist die bayerische Sanierungstätigkeit im Bundesvergleich als hoch zu bewerten. Dennoch müssen in Bayern die Sanierungsanstrengungen weiter gesteigert werden, um den bekannten Sanierungsbedarf abzubauen und dem rasch anwachsenden Anteil alter Kanäle gerecht zu werden. 6. Welche staatlichen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Rückstand bei der Kanalsanierung und -erneuerung mittelfristig aufzuholen? Die kommunalen Einrichtungsträger können bei Organisation und Betrieb der Abwassernetze mit weiten Spielräumen agieren. Die Strukturen und örtlichen Randbedingungen für den Substanzerhalt sind in Bayern heterogen. Die Kommunen bestimmen und verfolgen eigenverantwortlich örtlich passende Sanierungsstrategien. Der Erhalt der kommunalen Abwasserinfrastrukturen wird staatlich unterstützt insbesondere durch: – fachliche Bewertung und individuelle Rückmeldung zu den nach Eigenüberwachungsverordnung vorzulegenden Kanaljahresberichten, – Härtefallförderung dort, wo durch Investitionen in kommunale Anlagen der Abwasserentsorgung unzumutbare Härten entstehen, – Informationsmaterial, wie z. B. LfU Leitfaden zur Inspektion und Sanierung kommunaler Abwasserkanäle, – weitere Flexibilisierung der Rücklagenbildung nach Kommunalabgabengesetz im Jahr 2013, – Vorbereitung einer Kampagne zur Bewusstseinsbildung, die zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Fachverbänden noch in 2018 gestartet werden wird.