Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martina Fehlner SPD vom 03.01.2018 Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Die Ministerpräsidenten haben nach ihrer Konferenz im Oktober 2017 die Strukturoptimierungs- und Einsparpläne der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für nicht ausreichend befunden. Ich frage daher die Staatsregierung: 1. a) Welche Nachbesserungen sind aus Sicht der Staatsregierung vonseiten der Anstalten erwünscht in der technischen und logistischen Kooperation? b) Welche in der programmlichen Zusammenarbeit bzw. Aufteilung programmlicher Aufträge? c) Welche in der Zusammenführung von Senderstrukturen ? 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung die stellenweise polemisch geführte publizistische Auseinandersetzung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, insbesondere mit Blick auf Begriffe wie „Staatsfunk“ und „Zwangsgebühr “? b) Welche Maßstäbe sind nach Meinung der Staatsregierung bei der „Konkretisierung des Verbots presseähnlicher Angebote im internet“ durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk anzulegen? c) Welche Entwicklungsmöglichkeiten soll der öffentlichrechtliche Rundfunk im Wettbewerb mit den Verlagen und den Plattformen globaler Medienkonzerne auf Onlineverbreitungswegen haben? 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung, dass zwei Bundesländer ohne Kenntnis der konkreten Bedarfsanmeldungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Beitragsperiode ab 2021 und ohne Kenntnis der Begutachtung und Empfehlung durch die KEF eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab 2021 ausgeschlossen haben? b) Ist nach Einschätzung der Staatsregierung ab 2021 ein nach Bundesländern und Rundfunkanstalten gesplitteter Beitrag als Kompromiss denkbar? 4. Wie bewertet die Staatsregierung Forderungen nach einer Indexierung des Rundfunkbeitrags bzw. einer Koppelung an die Entwicklung des BIP? 5. Wie schätzt die Staatsregierung Vorschläge ein, den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Anstalten und Anstaltsverbünden für die Wahrnehmung ihres Auftrags mit einem Budget auszustatten , innerhalb dessen die Anstalten und Anstaltsverbünde unter Kontrolle ihrer Aufsichtsgremien frei über den Einsatz ihrer Mittel verfügen können? 6. a) Welche rechtlichen Voraussetzungen wären für eine solche Budgetierung erforderlich? b) Welche Argumente sprechen nach Ansicht der Staatsregierung dagegen? c) Welche Widerstände hält sie für unüberwindlich? 7. Wie bewertet die Staatsregierung den Vorschlag des „ABC-Modells“, die bislang starren gesetzlichen Auftragsbeschreibungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (konkrete Vorgaben für Programme und Verbreitungswege ) zu flexibilisieren und den Anstalten und Anstaltsverbünden die Entwicklung ihrer Angebote entsprechend den Anforderungen zunehmender Konvergenz , unter Wahrung wettbewerbs- und beihilferechtlicher Grenzen und unter Kontrolle der Rundfunkaufsicht eigenständig zu übertragen? 8. a) Strebt die Staatsregierung in den Verhandlungen mit den anderen Bundesländern ein konkretes Abschaltdatum für UKW an? b) Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Antwort der Staatskanzlei vom 06.02.2018 1. a) Welche Nachbesserungen sind aus Sicht der Staatsregierung vonseiten der Anstalten erwünscht in der technischen und logistischen Kooperation ? Die von den Anstalten im September 2017 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind auch aus Sicht der Staatsregierung ein wichtiger Schritt. Allerdings ist bereits jetzt absehbar, dass über die von den Anstalten prognostizierten Einsparvolumina hinaus weitere Maßnahmen folgen müssen. Besonderes Augenmerk gilt dabei allen Bereichen, in denen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch eine bessere Zusammenarbeit dazu beitragen können, Doppelstrukturen abzubauen und die Aufgaben effizienter zu erfüllen . Deswegen prüft die Rundfunkkommission der Länder die unterbreiteten Vorschläge in ihren Auswirkungen auf die Reformfelder sorgfältig – auch im Hinblick auf notwendige Ergänzungen und Erweiterungen. Ohne den Ergebnissen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.04.2018 Drucksache 17/20590 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20590 dieses Reformprozesses vorgreifen zu wollen, ist allen Beteiligten bewusst, dass es noch Anstrengungen bedarf. b) Welche in der programmlichen Zusammenarbeit bzw. Aufteilung programmlicher Aufträge? Die Rundfunkkommission nimmt derzeit ergänzend zu den in 1 a genannten Reformen die Frage der Neuausgestaltung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den Blick. Ein stimmiges Reformkonzept muss sich daran messen lassen, ob alle Möglichkeiten zur Strukturoptimierung ausgeschöpft, die Auftragsstruktur zukunftsfest ausgestaltet und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine verlässliche Entwicklungsperspektive eröffnet werden, um insbesondere Regionalität und Qualität seiner Angebote zu stärken. c) Welche in der Zusammenführung von Senderstrukturen ? Die Fragen, die derzeit von der Rundfunkkommission konkret geprüft und geklärt werden, zielen unmittelbar auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der nächsten Beitragsperiode (2021 bis 2024) ab. Eine Zusammenführung von Senderstrukturen zielt demgegenüber ausdrücklich auf einen längerfristigen Reformprozess. 2. a) Wie bewertet die Staatsregierung die stellenweise polemisch geführte publizistische Auseinandersetzung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, insbesondere mit Blick auf Begriffe wie „Staatsfunk “ und „Zwangsgebühr“? In Anbetracht ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Sicherung von Meinungsvielfalt und freier öffentlicher Meinungsbildung bekennt sich die Staatsregierung zum Medienpluralismus und zum freien Meinungsmarkt der Massenmedien. Dazu gehört ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk genauso wie erfolgreiche private Medienunternehmen. Im Interesse unserer Demokratie brauchen beide Seiten eine Perspektive. Polemische Begriffe sind dabei wenig hilfreich. b) Welche Maßstäbe sind nach Meinung der Staatsregierung bei der „Konkretisierung des Verbots presseähnlicher Angebote im internet“ durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzulegen? Bei einer Neufassung des Telemedienauftrags für den öffentlich -rechtlichen Rundfunk muss der Gesetzgeber einerseits den verfassungsrechtlichen Grundversorgungsauftrag beachten, der eine Bestands- und Entwicklungsgarantie beinhaltet und daher auch „neue Dienste mittels neuer Techniken “ umfasst. Andererseits ist die Pressefreiheit ebenfalls ein Rechtsgut von Verfassungsrang. Beim Telemedienauftrag können die zwei Verfassungsgüter in Konflikt geraten. Im Internet konkurriert das Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit dem gewerblichen Angebot der Presseverleger und beeinflusst insoweit den wirtschaftlichen Wettbewerb. Ein Verbot presseähnlicher Angebote ist deshalb sinnvoll. Um die konkrete Ausgestaltung wird derzeit noch gerungen. Im Ergebnis muss ein gerechter Interessenausgleich herbeigeführt werden , der für die Gesamtheit aller meinungsbildenden Medien akzeptabel ist. c) Welche Entwicklungsmöglichkeiten soll der öffentlich -rechtliche Rundfunk im Wettbewerb mit den Verlagen und den Plattformen globaler Medienkonzerne auf Onlineverbreitungswegen haben? Bestands- und Entwicklungsgarantie bedeutet auch Onlineverbreitung . Im Verhältnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu den Verlagen ist – wie bei 2 b dargestellt – zunächst eine sinnvolle und rechtlich einwandfreie Abgrenzung bei den digitalen Inhalten wichtig. Der Rundfunkauftrag erstreckt sich auf Übertragungstechniken , die den Empfang für alle sicherstellen. Es ist nachvollziehbar , dass sich Verlage für eine Beschränkung des öffentlich-rechtlichen Engagements auf privaten Plattformen einsetzen. Andererseits sind die großen internationalen Internetunternehmen immer öfter erste Anlaufstelle für Konsumenten . Ein diskriminierungsfreier Zugang öffentlich-rechtlicher Angebote auf neuen Plattformen ist daher wichtig. Nach derzeitigem Diskussionsstand unter den Ländern soll in Zukunft die Verbreitung öffentlich-rechtlichen Inhalts auf Drittplattformen grundsätzlich zulässig werden. Auch dies ist in einen gerechten Interessenausgleich miteinzubeziehen. 3. a) Wie bewertet die Staatsregierung, dass zwei Bundesländer ohne Kenntnis der konkreten Bedarfsanmeldungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Beitragsperiode ab 2021 und ohne Kenntnis der Begutachtung und Empfehlung durch die KEF eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab 2021 ausgeschlossen haben? Die politische Debatte zeigt, dass unter den Ländern noch Meinungsunterschiede in dieser Frage bestehen. b) Ist nach Einschätzung der Staatsregierung ab 2021 ein nach Bundesländern und Rundfunkanstalten gesplitteter Beitrag als Kompromiss denkbar? Die geltende Rechtslage ist eindeutig. Die Höhe des Rundfunkbeitrags kann nur in einem von allen Ländern einstimmig gefassten Staatsvertrag festgelegt werden. 4. Wie bewertet die Staatsregierung Forderungen nach einer Indexierung des Rundfunkbeitrags bzw. einer Koppelung an die Entwicklung des BIP? Das ist ein Reformvorstoß, der ernst zu nehmen ist und in den nächsten Monaten intensiv geprüft wird. 5. Wie schätzt die Staatsregierung Vorschläge ein, den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Anstalten und Anstaltsverbünden für die Wahrnehmung ihres Auftrags mit einem Budget auszustatten, innerhalb dessen die Anstalten und Anstaltsverbünde unter Kontrolle ihrer Aufsichtsgremien frei über den Einsatz ihrer Mittel verfügen können? Auch bei diesem Reformvorschlag sind viele Einzelfragen ungeklärt. Unter anderem müsste eine Budgetierung sowohl dem deutschen Verfassungsrecht als auch dem EU-Recht entsprechen. Dies gilt für die Staatsferne des Rundfunks ebenso wie für die Regelungen des EU-Beihilferechts. Durch spezielle Kontrollmechanismen müsste beispielsweise eine künftige Überkompensation genauso ausgeschlossen sein wie eine Unterfinanzierung. Außerdem müsste die Funktion und Aufgabe der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) neu definiert werden. Drucksache 17/20590 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 6. a) Welche rechtlichen Voraussetzungen wären für eine solche Budgetierung erforderlich? Siehe Antwort 5. b) Welche Argumente sprechen nach Ansicht der Staatsregierung dagegen? Siehe Antwort 5. c) Welche Widerstände hält sie für unüberwindlich? Es gilt, die Vor- und Nachteile intensiv abzuwägen. Im Grundsatz scheinen keine Widerstände unüberwindlich. 7. Wie bewertet die Staatsregierung den Vorschlag des „ABC-Modells“, die bislang starren gesetzlichen Auftragsbeschreibungen des öffentlichrechtlichen Rundfunks (konkrete Vorgaben für Programme und Verbreitungswege) zu flexibilisieren und den Anstalten und Anstaltsverbünden die Entwicklung ihrer Angebote entsprechend den Anforderungen zunehmender Konvergenz, unter Wahrung wettbewerbs- und beihilferechtlicher Grenzen und unter Kontrolle der Rundfunkaufsicht eigenständig zu übertragen? Siehe Antwort 5. 8. a) Strebt die Staatsregierung in den Verhandlungen mit den anderen Bundesländern ein konkretes Abschaltdatum für UKW an? Die Staatsregierung bekennt sich seit Langem dazu, dass die Digitalisierung des Hörfunks, insbesondere die digitale Verbreitungswege, weiter vorangetrieben werden sollen. Langfristiges Ziel ist die vollständige Digitalisierung der Hörfunkverbreitung . Ein konkretes Abschaltdatum wurde bisher nicht bestimmt . b) Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Eine wichtige Voraussetzung für den Umstieg auf DAB+ ist eine hohe Marktdurchdringung mit entsprechenden Empfangsgeräten . Deshalb strebt Bayern eine Neureglung des Telekommunikationsgesetzes an, die eine generelle digitale Empfangbarkeit der Endgeräte zum Ziele hat (Interoperabilität ).