Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 11.01.2018 Wartezeiten bei Polizeinotrufen Ich frage die Staatsregierung; 1. a) Wie viele Notrufe sind jeweils jährlich seit 2016 insgesamt bei den bayerischen Polizeiinspektionen eingegangen (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? b) Welche durchschnittliche Wartezeit pro Anruf zwischen Rufaufbau und Gesprächskontakt ist seit 2016 bei dem polizeilichen Notruf in Bayern angefallen (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? c) Welche längste Wartezeit pro Anruf beim polizeilichen Notruf ist zwischen Rufaufbau und Gesprächskontakt seit 2016 bei dem polizeilichen Notruf in Bayern angefallen (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? 2. a) Wie viele Fälle zweckfremder Nutzungen des Polizeinotrufs in Bayern sind seit 2016 erfasst (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? b) In wie vielen dieser Fälle ist eine Strafanzeige nach § 145 StGB von Amts wegen erfolgt? c) Wie ist der Anteil der rechtskräftigen Verurteilungen aus diesen Strafanzeigen? 3. a) Wie viele der Notrufe seit 2016 sind verloren gegangen , also Notrufe, die nach mehr als fünf Sekunden Wartezeit durch den Anrufer beendet werden, ohne dass der Anruf durch die Leitstelle in diesem Zeitraum entgegengenommen worden ist (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln )? b) Wie viele der eingegangenen Notrufe sind seit 2016 aufgrund von Überlastung an eine andere Polizeidienststelle weitergeleitet worden (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? 4. a) Wie bewertet die Staatsregierung im Grundsatz die notwendige Erreichbarkeit des Polizeinotrufs? b) Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Staatsregierung , dass jeder eingehende Polizeinotruf in Bayern angenommen werden kann? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 14.02.2018 Vorbemerkung: Als Notrufe werden alle Anrufe in den Einsatzzentralen der Präsidien der Bayerischen Landespolizei bezeichnet, die unter der Rufnummer 110 eingehen. Sämtliche Notrufe werden an die jeweilige Einsatzzentrale geroutet, sodass bei den bayerischen Polizeiinspektionen grundsätzlich kein Notruf entgegengenommen wird. 1. a) Wie viele Notrufe sind jeweils jährlich seit 2016 insgesamt bei den bayerischen Polizeiinspektionen eingegangen (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln )? Bei den Einsatzzentralen der Bayerischen Polizei wurden über die Notrufnummer 110: – im Jahr 2016 1.907.921 Notrufe angenommen. – im Jahr 2017 1.866.302 Notrufe angenommen. Polizeiverband Notrufe 2016 Notrufe 2017 PP Oberbayern Süd 153.435 130.683 PP Oberbayern Nord 200.766 205.310 PP Niederbayern 149.274 142.294 PP Oberpfalz 125.140 124.912 PP Oberfranken 108.052 122.896 PP Unterfranken 187.240 181.293 PP Mittelfranken 289.406 282.767 PP Schwaben Nord 98.961 92.874 PP Schwaben Süd/ West 102.848 106.149 PP München 492.799 477.124 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 05.04.2018 Drucksache 17/20739 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20739 b) Welche durchschnittliche Wartezeit pro Anruf zwischen Rufaufbau und Gesprächskontakt ist seit 2016 bei dem polizeilichen Notruf in Bayern angefallen (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? Nach Wählen des Notrufs 110 erfolgt zunächst eine acht Sekunden dauernde, systemseitige Bandansage („Polizeinotruf , bitte legen Sie nicht auf“), welche in deutscher und englischer Sprache wiedergegeben wird. In diesem Zusammenhang darf auf eine beachtliche Anzahl von versehentlich aufgebauten Notrufgesprächen über Mobilfunk hingewiesen werden, wobei in diesen Fällen häufig die Anwahlversuche nach Verbindungsaufbau des Providers , spätestens während der systemseitigen Bandansage abgebrochen werden. Aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben beträgt die zulässige Speicherfrist der Telefon-/Gesprächsdaten der Sprachaufzeichnungsanlage bei den Einsatzzentralen 90 Tage. Nach Ablauf dieser Zeitspanne müssen die Daten gelöscht werden. Ein statistisch valides Ergebnis kann deshalb für Jahreszeiträume nicht mitgeteilt werden. Bei Auswertung der Monate November und Dezember 2017 ergibt sich – inklusive der achtsekündigen Ansage – rechnerisch eine durchschnittliche Zeitspanne bis zur Annahme des Notrufs von elf bis vierzehn Sekunden. c) Welche längste Wartezeit pro Anruf beim polizeilichen Notruf ist zwischen Rufaufbau und Gesprächskontakt seit 2016 bei dem polizeilichen Notruf in Bayern angefallen (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? Wie unter 1 b dargelegt, kann aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten hierzu keine reliable und valide Aussage getroffen werden. 2. a) Wie viele Fälle zweckfremder Nutzungen des Polizeinotrufs in Bayern sind seit 2016 erfasst (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? Eine statistische Dokumentation von zweckfremden Nutzungen des Polizeinotrufes (z. B. Frage nach der Uhrzeit oder Bestellung von Taxi) erfolgt nicht. Anzumerken ist, dass der Notruf 110 von vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern als „Nummer der Polizei“ angesehen wird, um beispielsweise sonstige Hinweise, Beschwerden, allgemeine Verkehrsverstöße oder Ähnliches mitzuteilen. b) In wie vielen dieser Fälle ist eine Strafanzeige nach § 145 StGB von Amts wegen erfolgt? Der Missbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs - und Nothilfemitteln gemäß § 145 StGB wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) bundeseinheitlich unter der Schlüsselzahl 620013 aufgeführt. Für das Jahr 2016 wurden hierzu 1.126 Delikte aufgelistet . In wie vielen Fällen es sich dabei konkret um einen Missbrauch des polizeilichen Notrufs handelte, kann der Statistik nicht entnommen werden. Für das Jahr 2017 können erst mit Veröffentlichung der PKS 2017 valide Aussagen getroffen werden. c) Wie ist der Anteil der rechtskräftigen Verurteilungen aus diesen Strafanzeigen? Eine Zuordnung von rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen zu vorangegangenen einzelnen polizeilichen Strafanzeigen ist ohne aufwendige Recherche in den betreffenden Strafakten, von der aus Verhältnismäßigkeitsgründen abgesehen wird, nicht möglich. Im Übrigen ist festzustellen, dass zwar die bayerische Strafverfolgungsstatistik 2016 Angaben zu den wegen des Straftatbestands des Missbrauchs von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln gemäß § 145 des Strafgesetzbuchs (StGB) rechtskräftig verurteilten Personen enthält. Dieser Straftatbestand erfasst aber neben dem Missbrauch des polizeilichen Notrufs auch andere Begehungsformen. In der bayerischen Strafverfolgungsstatistik wird insoweit jedoch keine Unterscheidung getroffen. Von der Mitteilung konkreter Zahlen wird daher abgesehen. Auch in den Justizgeschäftsstatistiken der Staatsanwaltschaften werden keine verwertbaren Daten zu Straftaten nach § 145 StGB erfasst. 3. a) Wie viele der Notrufe seit 2016 sind verloren gegangen , also Notrufe, die nach mehr als fünf Sekunden Wartezeit durch den Anrufer beendet werden, ohne dass der Anruf durch die Leitstelle in diesem Zeitraum entgegengenommen worden ist (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? Die Einsatzzentralen der Bayerischen Polizeipräsidien führen in ihren Statistiken nicht gesondert auf, zu welchem Zeitpunkt der Anrufer die Verbindungsaufnahme mit dem Notruf 110 beendet. Polizeiverband Vor Annahme beendete Notrufe 2017 PP Oberbayern Süd 7.207 PP Oberbayern Nord 22.591 PP Niederbayern 17.230 PP Oberpfalz 14.987 PP Oberfranken 14.844 PP Unterfranken 23.863 PP Mittelfranken 33.405 PP Schwaben Nord 17.599 PP Schwaben Süd/West 12.738 PP München 60.759 Es kann konstatiert werden, dass für das Jahr 2017 insgesamt 224.371 Notrufe vor der Annahme/Bearbeitung des Notrufdisponenten abgebrochen wurden. In der Gesamtschau bedeutet dies, dass in 10,7 Prozent aller Anrufe beim Notruf 110 vorzeitig die Verbindung seitens der Bürgerinnen bzw. Bürgern beendet wird. Drucksache 17/20739 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 b) Wie viele der eingegangenen Notrufe sind seit 2016 aufgrund von Überlastung an eine andere Polizeidienststelle weitergeleitet worden (bitte nach Jahren, im Gesamten und im Detail nach Polizeiinspektionen aufschlüsseln)? Alle eingehenden Notrufe 110 werden ausschließlich zu den Einsatzzentralen der Bayerischen Polizeipräsidien geroutet und werden hier abgearbeitet. Eine Weiterleitung dieser Anrufe an andere Polizeidienststellen erfolgte in keinem Fall. 4. a) Wie bewertet die Staatsregierung im Grundsatz die notwendige Erreichbarkeit des Polizeinotrufs? Die Erreichbarkeit des Polizeinotrufs 110 wird als alternativlos bewertet. Durch die zentrale Notrufnummer ist es jedem Bürger und jeder Bürgerin sofort möglich, einen Kontakt zur Polizei herzustellen, ohne lange nach der Telefonnummer der örtlich zuständigen Polizeiinspektion zu suchen. Die Strategie heißt daher, Einsätze zentral zu steuern, sie aber durch die örtlichen Polizeikräfte zu bewältigen. b) Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Staatsregierung , dass jeder eingehende Polizeinotruf in Bayern angenommen werden kann? In jeder Polizeieinsatzzentrale der zehn Bayerischen Polizeipräsidien stehen für die Größe der jeweiligen Zuständigkeitsgebiete anhand der fachlichen Vorgaben ausreichend dimensionierte und technisch hochredundant aufgebaute Notrufabfragesysteme sowie die dafür entsprechende Anzahl von Notrufabfrageplätzen zur Verfügung. Mit der Deutschen Telekom, dem derzeit alleinigen Anbieter von Notrufleitungen , sind entsprechende Verträge zur Bereitstellung des Notrufs mit hoher Verfügbarkeit abgeschlossen. Darüber hinaus entwickelt die Bayerische Polizei seit Jahren Zug um Zug den Polizeinotruf weiter. Soweit es die aktuellen, bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglichen, wurden Vorkehrungen getroffen , den reinen Sprachnotruf qualitativ zu verbessern. So hat die Bayerische Polizei in allen Einsatzzentralen für hörund sprachbehinderte Mitbürger den Nothilfedienst „SMSto -Fax“ eingerichtet, der auch diesem Personenkreis eine schnelle und professionelle Hilfeleistung ermöglicht. Die Ansagen beim Notruf erfolgen sowohl in deutscher als auch englischer Sprache, um möglichst viele Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Insbesondere bei erkannten Schwerpunktzeiten (beispielsweise Nachtzeiten an Wochenenden) und bei herausragenden Einsatzlagen können sowohl die Anzahl der Notrufannahmeplätze als auch die Dienststärke von Mitarbeitern sukzessive erweitert werden. Gleichwohl sind in Ausnahmefällen Einsatzanlässe denkbar, bei denen aufgrund der exorbitanten Anzahl von zeitgleichen bzw. im engen zeitlichen Zusammenhang abgesetzten Notrufen die polizeilichen Notrufannahmekapazitäten nicht ausreichen. Exemplarisch darf hier der Amoklauf am Münchner Olympiaeinkaufszentrum benannt werden (4.310 Notrufe bis 24:00 Uhr des Einsatztags).