Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm, Markus Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 04.01.2018 Vergabe von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr auf den Linien der Augsburger Netze Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hat die Regionalverkehre der „Augsburger Netze“ neu ausgeschrieben. Dazu gehören der Fugger-Express, die Staudenbahn, und die Paartalbahn. Viele der Probleme des Fuggerexpresses in der Vergangenheit hatten in der unzureichenden Spezifizierung der letzten Ausschreibung ihre Ursache. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Warum gibt es keine Loslimitierung auf ein Los pro Anbieter ? 2. a) Warum gibt es keine stündlichen, sondern nur zweistündliche Durchbindungen auf der Strecke München – Augsburg – Ulm? b) Warum gibt es auf der Staudenbahn nur im Berufsund Schülerverkehr durchgehende Fahrten zwischen Langenneufnach und Augsburg? c) Warum gibt es nicht zumindest eine Eventualposition zu einem stündlichen Angebot am Wochenende zwischen Treuchtlingen und Donauwörth? 3. a) Warum wird nicht gefordert, Pünktlichkeitsdaten zu veröffentlichen? b) Warum wird für das Los 1 eine geringere maximale zulässige Durchschnittsverspätung als für Los 2 gefordert ? c) Warum werden im Münchner Hauptbahnhof montags bis freitags vor 07.00 Uhr Mindestwendezeiten von nur 10 Minuten gefordert, während zu allen anderen Zeiten 20 Minuten gefordert werden? 4. a) Warum werden keine Mindestfahrradkapazitäten für die Mehrzweckbereiche gefordert? b) Warum werden nicht zumindest teilweise klappsitzfreie Mehrzweckbereiche gefordert, damit Fahrräder einfacher und ohne Konflikte mit anderen Reisenden eingestellt werden können? c) Inwieweit sind Durchgänge zum Mehrzweckbereich mit Breiten von 500 mm rollstuhlgerecht? 5. Warum wird nicht in allen Zügen der Einsatz von Servicepersonal gefordert? 6. a) Warum wurde aus Komfortgründen auf die Zulassung der engen 2+3-Bestuhlung nicht verzichtet? b) Warum enthält die Ausschreibung zur Steigerung des Komforts keine Aussagen zu Wireless Local Area Network (WLAN) im Zug? 7. Warum sollen die im Regelbetrieb eingesetzten Fahrzeuge nur im ausgeschriebenen Netz verkehren dürfen ? 8. Warum wird bei Los 1 nicht der Einsatz von Ökostrom gefordert? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 16.02.2018 1. Warum gibt es keine Loslimitierung auf ein Los pro Anbieter? Von einer Loslimitierung macht die Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) nur im Ausnahmefall Gebrauch, weil dies zur Folge hat, dass möglicherweise in einem Los nicht das wirtschaftlichste Angebot bezuschlagt werden kann. Eine Loslimitierung ist vor diesem Hintergrund nur dann empfehlenswert, wenn ohne dieses Instrument kein oder nur ein schwacher Wettbewerb zu erwarten ist. Da die BEG aber in der Ausschreibung Augsburger Netze in beiden Losen mit ausreichendem Wettbewerb rechnet, wurde von einer Loslimitierung abgesehen. 2. a) Warum gibt es keine stündlichen, sondern nur zweistündliche Durchbindungen auf der Strecke München – Augsburg – Ulm? Beim derzeitigen Betriebskonzept des Fugger-Expresses treten immer wieder Verspätungen auf. Wenn ein Zugteil zu spät in Augsburg ankommt, setzt sich die Verspätung bei der Weiterfahrt nach München fort. Zudem werden künftig in Donauwörth die Zugteile aus Aalen und Würzburg miteinander vereinigt, um dem Wunsch der Region nach durchgehenden Verbindungen bis München zu entsprechen. Eine zweimalige Änderung der Zugbildung (in Donauwörth und in Augsburg) würde die betrieblichen Abhängigkeiten und damit die Verspätungsanfälligkeit noch verstärken. Um eine höhere Pünktlichkeit zu erreichen, werden die langlaufenden Linien künftig betrieblich voneinander getrennt. Durch das Umsteigen verlängern sich die Reisezeiten in der Relation München – Ulm nicht, da die Standzeit für das Kuppeln und Flügeln entfällt. Kommt es künftig zu einer größeren Verspätung in Fahrtrichtung München, besteht in Augsburg spätestens nach einer halben Stunde eine Möglichkeit zur Weiterfahrt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 29.03.2018 Drucksache 17/20764 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20764 b) Warum gibt es auf der Staudenbahn nur im Berufsund Schülerverkehr durchgehende Fahrten zwischen Langenneufnach und Augsburg? Mit dem beabsichtigten Fahrplankonzept wird die Nachfrage gut bedient. Zu Tageszeiten ohne durchgehende Züge und an Wochenenden bestehen Anschlüsse mit kurzer Umsteigezeit in Gessertshausen. Die Leistungsbeschreibung umfasst im Übrigen eine Mehrbestelloption, also die Möglichkeit, zusätzliche Züge zu einem definierten Preis zu bestellen. Bestandteil eines möglichen Mehrleistungspakets sind weitere umsteigefreie Fahrten der Staudenbahn von und nach Augsburg. Ob diese bestellt werden, hängt neben dem angebotenen Zugkilometerpreis auch von der künftigen Entwicklung der Verkehrsnachfrage und der Infrastrukturverfügbarkeit im Abschnitt Gessertshausen – Augsburg ab. Letztere wird mit der zu erwartenden Ausweitung des Fernverkehrsangebots nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21/Neubaustrecke Stuttgart – Ulm nicht uneingeschränkt gegeben sein, solange keine zusätzlichen Gleise Gessertshausen – Augsburg fertiggestellt sind. Diese zusätzlichen Gleise sind im Bundesverkehrswegeplan im „vordringlichen Bedarf“ platziert. c) Warum gibt es nicht zumindest eine Eventualposition zu einem stündlichen Angebot am Wochenende zwischen Treuchtlingen und Donauwörth? Eine Eventualposition zur Verdichtung des Expressverkehrs zwischen Augsburg und Treuchtlingen auf einen Stundentakt am Wochenende gibt es im Verkehrsdurchführungsvertrag „Ringzug West“. Aufgrund geringerer Verkehrsnachfrage bei fortbestehender Notwendigkeit des wirtschaftlichen Einsatzes der zur Bestellung von SPNV-Leistungen (SPNV= Schienenpersonennahverkehr) verfügbaren Haushaltsmittel wurde diese Eventualposition bislang nicht bestellt. Trotz relativ geringer Nachfrage ist der Staatsregierung die überregionale Bedeutung der Relation Augsburg – Nürnberg bewusst. Mittelfristig wird die Einrichtung eines durchgehenden Stundentakts durch eine nachträgliche Bestellung dieser Eventualposition nicht ausgeschlossen. 3. a) Warum wird nicht gefordert, Pünktlichkeitsdaten zu veröffentlichen? Entscheidend ist nicht die Veröffentlichung von Pünktlichkeitsdaten durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen, sondern das Recht der BEG als Auftraggeber, diese Daten zu erhalten und veröffentlichen zu können. Deshalb ist in der Leistungsbeschreibung die Vorgabe enthalten, dass der Auftraggeber berechtigt ist, Pünktlichkeitsdaten zu veröffentlichen . Der Auftraggeber hat also das Recht zu entscheiden , wann welche Daten in welchem Zusammenhang veröffentlicht werden. b) Warum wird für das Los 1 eine geringere maximale zulässige Durchschnittsverspätung als für Los 2 gefordert? Generell werden Pünktlichkeitsschwellenwerte, also die maximale zulässige Durchschnittsverspätung, für jedes Netz je nach Netzcharakteristik spezifisch festgelegt. Beim Los 1 (dem heutigen Fugger-Express) handelt es sich um ein sehr anspruchsvolles Netz mit vielen externen Einflüssen (Mischverkehr) und stark frequentierten Leistungen zwischen München und Augsburg. Das Los 2 (die heutige Bayerische Regiobahn) ist ein deutlich geringer frequentiertes Netz, das eher Nebenstrecken bedient. Dadurch ist das Pünktlichkeitsniveau in beiden Netzen sehr unterschiedlich . Da die in einem Pünktlichkeitsmesssystem festgesetzten Schwellenwerte nur dann eine tatsächliche Anreizwirkung entfalten, wenn diese im Betrieb – erforderlichenfalls durch den Einsatz pünktlichkeitsfördernder Maßnahmen – auch wirklich erreichbar sind, sind die Schwellenwerte für die Lose unterschiedlich hoch. c) Warum werden im Münchner Hauptbahnhof montags bis freitags vor 07.00 Uhr Mindestwendezeiten von nur 10 Minuten gefordert, während zu allen anderen Zeiten 20 Minuten gefordert werden? Am frühen Morgen ist das Aufkommen an Fernverkehrszügen im direkten Zulauf auf München geringer. ICE und IC verkehren zu dieser Zeit aufgrund ihrer kürzeren Laufwege auch pünktlicher. Somit bestehen vor 07.00 Uhr weniger Verspätungsübertragungen. Dazu kommt, dass anderenfalls zusätzliche Fahrzeuge beschafft werden müssten, die nur einmal am Tag in eben diesen frühen Morgenstunden benötigt würden. 4. a) Warum werden keine Mindestfahrradkapazitäten für die Mehrzweckbereiche gefordert? Im Interesse einer hohen Variabilität der Mehrzweckbereiche für möglichst viele Nutzergruppen werden weder Mindest- noch Maximalkapazitäten für den Fahrradtransport definiert. Stattdessen werden sehr weitreichende Anforderungen an die Ausgestaltung der Mehrzweckbereiche gestellt , um auch für Radfahrer eine optimale Nutzbarkeit zu gewährleisten. Konkret muss möglichst jeder, mindestens jedoch jeder zweite Einstiegsbereich über mindestens einen Mehrzweckbereich mit einer Mindestlänge von 1,80 m verfügen . Für diese Mehrzweckbereiche ist in Summe abzüglich der Fläche für einen Durchgang mit einer Breite von 500 mm bei einstöckigen Fahrzeugen pro 50 m Fahrzeuglänge eine Grundfläche im Intervall von 10 bis 15 m² vorzusehen. Bei doppelstöckigen Fahrzeugen sind die Grundflächen um den Faktor 1,5 zu erhöhen. b) Warum werden nicht zumindest teilweise klappsitzfreie Mehrzweckbereiche gefordert, damit Fahrräder einfacher und ohne Konflikte mit anderen Reisenden eingestellt werden können? Klappsitzfreie Mehrzweckbereiche sind als wertungsrelevantes Kriterium Bestandteil der Leistungsbeschreibung. Bewertet werden die Angebote im Hinblick darauf, welches Angebot die längsten klappsitzfreien Mehrzweckbereiche vorsieht. c) Inwieweit sind Durchgänge zum Mehrzweckbereich mit Breiten von 500 mm rollstuhlgerecht? Durchgänge zum Mehrzweckbereich müssen von Rollstuhlfahrern nicht benutzt werden und sind daher nicht vorgesehen . Mehrzweckbereiche müssen sich vielmehr unmittelbar an die Einstiegsräume anschließen. 5. Warum wird nicht in allen Zügen der Einsatz von Servicepersonal gefordert? Der Einsatz von Servicepersonal wird in beiden Losen gegenüber dem Status quo erheblich angehoben, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden: – im Los 2: von bislang 30 Prozent auf 50 Prozent. – im Los 1: von bislang 60 Prozent auf 100 Prozent, Vor dem Hintergrund der fortbestehenden Notwendig- Drucksache 17/20764 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 keit des wirtschaftlichen Einsatzes der zur Bestellung von SPNV-Leistungen verfügbaren Haushaltsmittel wurde der erforderliche Einsatz von Servicepersonal auf Basis des jeweiligen Betriebskonzepts, der Fahrgastzahlen und sonstiger Anforderungen wie Schülerverkehr oder touristischer Verkehr ermittelt. Hierbei wurden auch Erfahrungswerte aus dem laufenden Betrieb und aus anderen Netzen berücksichtigt. 6. a) Warum wurde aus Komfortgründen auf die Zulassung der engen 2+3-Bestuhlung nicht verzichtet? Eine 2+3-Bestuhlung ist ein grundsätzlich geeignetes Mittel, um Kapazitäten bereitzustellen, insbesondere bei festliegenden Bahnsteiglängen und begrenzten Trassenkapazitäten . Voraussetzung für eine 2+3-Bestuhlung ist allerdings eine lichte Innenraumbreite von 2.900 mm auf Höhe der Sitzflächen. Ihr Anteil darf 70 Prozent der Anzahl der fest installierten Sitzplätze nicht überschreiten. Damit ist sichergestellt , dass auch bei 2+3-Bestuhlungen ein angemessenerer Komfort gewährleistet ist. Bei einigen Linien in Bayern, wie auch im benachbarten Ausland, gibt es bereits 2+3-Bestuhlungen , ohne dass dies zu Beschwerden geführt hätte. b) Warum enthält die Ausschreibung zur Steigerung des Komforts keine Aussagen zu Wireless Local Area Network (WLAN) im Zug? Um eine mögliche künftige Realisierung von WLAN im ausgeschriebenen Netz zu erleichtern, enthält die Leistungsbeschreibung die Vorgabe, dass Neufahrzeuge für die Nachrüstung mit WLAN- und/oder Repeater-Technik vorbereitet sein müssen. Dazu gehört das Vorhalten von Einbau- und Kabelschächten. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt darüber entschieden, ob und mit welcher Technologie (WLAN, Repeater-Technik) Internet im Zug umgesetzt wird. 7. Warum sollen die im Regelbetrieb eingesetzten Fahrzeuge nur im ausgeschriebenen Netz verkehren dürfen? Diese Anforderung soll sicherstellen, dass im ausgeschriebenen Netz zu jeder Zeit ausreichende Kapazitäten bereitgestellt werden und dabei zugleich genügend Reserven für die Wartung und Instandhaltung bestehen, um eine hohe Fahrzeugverfügbarkeit sicherstellen zu können. 8. Warum wird bei Los 1 nicht der Einsatz von Ökostrom gefordert? Die Lieferverträge für Strom werden zwischen dem Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und dem Stromanbieter geschlossen. Es liegt somit in der unternehmerischen Verantwortung und Freiheit des EVU, mit welcher Stromart dieses anbietet. Die Staatsregierung hat bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass es zwingend erforderlich wäre, in diese Auswahlfreiheit, die letztlich auch wirtschaftlichere Angebote ermöglicht, lenkend einzugreifen.