Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Arif Taşdelen SPD vom 17.03.2014 Lebenssituation der Muslime in Bayern Basis für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen im Freistaat Bayern sind die Werte des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung. Dazu gehört die freie und individuelle Ausübung der Religion und Weltanschauung. Neben Christentum und Judentum gehört der Islam zu den drei großen Buchreligionen. Der Islam ist nach dem Christentum die zweitgrößte Glau bensrichtung in Deutschland und deshalb gebührt ihr ein fester Platz in der Gesellschaft. Die Lebenssituation der Muslime in Bayern sollte dieser Tatsache Rechnung tragen. Die Mehrheit der muslimischen Gläubigen tritt für ein friedliches Miteinander und einen konstruktiven Dialog der Religionen ein. Eine erfolgreiche Integration der bayerischen Muslime ist dann gegeben, wenn eine Kultur der Anerkennung vorherrscht, die kulturelle Vielfalt nicht leugnet und kulturelle Unterschiede als Möglichkeit neuer Gemeinsamkeit begreift. Wir fragen die Staatsregierung: 1. Wie viele Muslime leben in Bayern und welche Staats- angehörigkeit haben sie? a) Wie viele Moscheen und muslimische Gebetsstätten gibt es in Bayern und an welchen Standorten befinden sie sich? b) Wie viele Imame gibt es in Bayern und ist die Staatsregierung in Bayern an (Pilot-)Projekten zur Imam-Ausbildung beteiligt? Wenn ja, an welchen und in welcher Art und Weise? c) Welche Daten über Muslime in Bayern erhebt die Bayerische Staatsregierung? 2. Inwieweit wird auf die islamischen Feiertage in den öf- fentlichen Schulen, in der öffentlichen Verwaltung und in den Betrieben Rücksicht genommen? a) In wie vielen Gemeinden in Bayern gibt es Bestattungsfelder für Muslime? 3. Wie viele ehrenamtliche muslimische Seelsorger betreu- ten in den vergangenen Jahren Gefangene muslimischen Glaubens in den bayerischen Justizvollzugsanstalten ? a) Gibt es Sozialprojekte mit dem Schwerpunkt „kultursensible Pflege“, die als Zielgruppe unter anderem die Muslime haben? Wenn ja, in welchem finanziellen Umfang wurden diese in den letzten Jahren vom Freistaat gefördert und wer waren die Projektträger? 4. Liegen der Staatsregierung derzeit von muslimischen Verbänden gestellte Anträge auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft vor? Wenn ja, von welchen Verbänden ? a) Inwiefern sind bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts muslimische Verbände beteiligt? b) In welchem Umfang und von welchen islamischen Verbänden in Bayern werden in freier Trägerschaft Kindertagesstätten und Schulen betrieben und welchen Standort haben diese? 5. Inwiefern teilt die Staatsregierung die mehrfach, zu- letzt Anfang März 2014 geäußerte politische Position des Herrn Markus Söder, Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, „der Islam ist ein Bestandteil Bayerns“? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 16.05.2014 Die Schriftliche Anfrage wird in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, dem Staatsministerium der Justiz, dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, dem Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege wie folgt beantwortet: 1. Wie viele Muslime leben in Bayern und welche Staatsangehörigkeit haben sie? In seiner Antwort vom 18.08.2010 auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Isabell Zacharias (SPD) vom 12.05.2010 (LT-Drs. 16/5697) hat das seinerzeitige Staatsministerium für Unterricht und Kultus dargelegt, dass die genaue Zahl der in Bayern lebenden Muslime der Staatsregierung nicht bekannt sei. Eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islam-Konferenz 2009 herausgegebene Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ komme zu dem Ergebnis , dass deutschlandweit insgesamt 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime leben. Für Bayern komme die Studie auf einen Anteil von 13,2 Prozent, was eine Zahl zwischen 500.000 und 570.000 bedeute. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.06.2014 17/2079 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2079 Neuere Zahlen liegen der Staatsregierung nicht vor. Insbesondere liefert der Zensus 2011 (noch) keine Ergebnisse. Die Frage nach der Religionszugehörigkeit im Rahmen der Haushaltsstichprobe war bei den „sonstigen Religionszugehörigkeiten “ lediglich als freiwillige Frage konzipiert. Da der Rücklauf nur bei ca. 50 Prozent lag, können derzeit keine statistisch vertretbaren Auswertungen erfolgen. Ein jüngst vergebener Forschungsauftrag des Statistischen Bundesamtes an ein Forscherteam der Universität Bamberg untersucht Möglichkeiten, dennoch zu fachlich fundierten Auswertungen zu kommen. a) Wie viele Moscheen und muslimische Gebetsstätten gibt es in Bayern und an welchen Standorten befinden sie sich? Die Staatsregierung verfügt gegenüber der Beantwortung der in der Antwort zu Frage 1. zitierten Schriftlichen Anfrage Drs. 16/5697 (dort zu Fragen 2 und 2.1) über keine weiteren Erkenntnisse. b) Wie viele Imame gibt es in Bayern und ist die Staatsregierung in Bayern an (Pilot-)Projekten zur  Imam-Ausbildung beteiligt? Wenn  ja,  an welchen  und in welcher Art und Weise? Die Zahl der Imame in Bayern ist der Staatsregierung nicht bekannt. Der Freistaat Bayern ist an keinem (Pilot-)Projekt zur Imam-Ausbildung beteiligt. Der an der Friedrich-Alexander -Universität Erlangen-Nürnberg eingerichtete Bachelorstudiengang „Islamisch-Religiöse Studien“ ist nicht auf die Ausbildung künftiger Imame ausgerichtet, womit aber nicht ausgeschlossen ist, dass Absolventen dieses Studiengangs in Moscheegemeinden Einsatz finden.   c)  Welche Daten über Muslime  in Bayern erhebt die  Staatsregierung? Die Staatsregierung erhebt keine statistischen Daten über Muslime in Bayern. 2. Inwieweit wird auf die islamischen Feiertage in den öffentlichen Schulen, in der öffentlichen Verwaltung und in den Betrieben Rücksicht genommen? Muslimische Schülerinnen und Schüler sind gem. Nr. 4 der Bekanntmachung des seinerzeitigen Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 13. Juni 1978 über die Auswirkungen des Gesetzes über den Schutz der Sonnund Feiertage sowie anderer religiöser und nationaler Feiertage auf den Unterricht an den Schulen (Nr. A/1-8/70413, KMBl I S. 434, geändert durch Bek. Nr. III/2-S4406-8/47473 v. 03.11.1993, KWMBl I S. 630) an den religiösen Festen Ramazan Bayrami (Fastenbrechensfest) und Kurban Bayrami (Opferfest) jeweils für die ersten beiden Tage von der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht und sonstigen schulischen Veranstaltungen befreit. Darüber hinaus sehen die Schulordnungen der verschiedenen Schularten vor, dass den Schülerinnen und Schülern ausreichende Gelegenheit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten und zur Wahrnehmung religiöser Veranstaltungen auch außerhalb der Schule zu geben ist. Im Bereich der allgemeinen öffentlichen Verwaltung bewegt sich die Freistellung vom Dienst bei muslimischen Feiertagen im verfassungsrechtlichen Spannungsfeld von staatlicher Neutralitätspflicht, dem Grundrechtsschutz der Religionsausübung und der Pflicht zur Gleichbehandlung. Eine Abwägung und Austarierung dieser verschiedenen Ver- fassungsgüter kann nur durch den Gesetzgeber erfolgen. Dies ist durch das Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz – FTG) geschehen. Außerdem wird den privaten Belangen und Wünschen der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung auch hinsichtlich der Religionsausübung soweit möglich entsprochen (Gewährung von Urlaub, Schicht- und Arbeitseinteilung). Im Übrigen wird auf die Beantwortung der in der Antwort zu Frage 1. zitierten Schriftlichen Anfrage Drs. 16/5697 (dort zu Frage 4.1.) verwiesen. Hinsichtlich der Freistellung in Betrieben verfügt die Staatsregierung gegenüber der Beantwortung der in der Antwort zu Frage 1. zitierten Schriftlichen Anfrage Drs. 16/5697 (dort zu Frage 4.1) über keine weiteren Erkenntnisse. a) In wie vielen Gemeinden in Bayern gibt es Bestattungsfelder für Muslime? Der Staatsregierung liegen keine statistischen Angaben darüber vor, in wie vielen Gemeinden in Bayern muslimische Grabfelder vorgehalten werden. Soweit bekannt, gibt es Bestattungsfelder für Muslime vor allem in größeren Städten mit entsprechendem Bedarf. Nach bisherigen Erfahrungen sind auch Gemeinden, die keine gesonderten Friedhofsbereiche eingerichtet haben, bestrebt, auf die Wünsche von muslimischen Angehörigen nach islamischer Bestattung einzugehen und den maßgeblichen islamischen Bestattungsriten zu entsprechen. 3 . Wie viele ehrenamtliche muslimische Seelsorger betreuten in den vergangenen Jahren Gefangene muslimischen Glaubens in den bayerischen Justizvollzugsanstalten ? In den bayerischen Justizvollzugsanstalten wird die seelsorgerische Betreuung für Gefangene muslimischen Glaubens gemäß Art. 178 Abs. 2 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz – BayStVollzG) durch ehrenamtlich tätige Seelsorger gewährleistet. Ebenso wie bei anderen Religionsgemeinschaften kommt es zur Hinzuziehung muslimischer Seelsorger jeweils anlassbezogen. Statistische Zahlen zur Häufigkeit der Inanspruchnahme muslimischer Seelsorger durch Gefangene muslimischen Glaubens sowie zur Zahl der hierbei tätig gewordenen Seelsorger liegen nicht vor. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Justizvollzugsanstalten im Bedarfsfall auch vertrauensvoll mit kommunalen Ausländerbeiräten und mit Religionsbeauftragten der diplomatischen Vertretungen der Republik Türkei zusammenarbeiten.   a)  Gibt es Sozialprojekte mit dem Schwerpunkt „kultursensible   Pflege“,  die  als  Zielgruppe  unter  anderem  die Muslime haben? Wenn  ja,  in welchem  Umfang wurden diese  in den  letzten Jahren vom  Freistaat gefördert und wer waren die Projektträger ? Der Bayerischen Staatsregierung ist eine kultursensible Pflege ein wichtiges Anliegen. Aus diesem Grund wurde in das auf einem Entwurf der Staatsregierung beruhende Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (vom 08.07.2008, GVBl S. 346) die Passage aufgenommen, dass die Heimträger verpflichtet sind, die interkulturelle Kompetenz der Betreuungsund Pflegekräfte zu fördern. Dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege lagen bislang keine Förderanträge für Sozialprojekte mit dem Schwerpunkt „kultursensible Pflege“ vor, die als Zielgruppe unter anderem die Muslime haben. Drucksache 17/2079  Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 4.   Liegen  der  Staatsregierung  derzeit  von  muslimischen Verbänden gestellte Anträge auf Anerkennung  als Religionsgemeinschaft vor? Wenn ja, von  welchen Verbänden? Am 26.03.2014 hat der Verband DITIB Nord- und Südbayern e. V. beim Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst einen Antrag auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft und Erteilung von bekenntnisorientiertem islamischem Religionsunterricht gestellt. Weitere Anträge liegen nicht vor. Eine abstrakte „Anerkennung als Religionsgemeinschaft“ ist im deutschen Recht nicht vorgesehen . Der Begriff „Religionsgemeinschaft“ spielt lediglich als Tatbestandsmerkmal von Rechtsbestimmungen eine Rolle, etwa in Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz bei der Einführung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts, der „in Übereinstimmung den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften “ zu erteilen ist. Deshalb ist im Rahmen dieses Verfahrens u. a. zu prüfen, ob die Antragsteller die Voraussetzungen des Merkmals „Religionsgemeinschaft“ erfüllen. a) Inwiefern sind bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts muslimische Verbände beteiligt ? Der an mehr als 250 Schulen angebotene Modellversuch „Islamischer Unterricht“ unterstützt die religiöse und interreligiöse Kompetenz muslimischer Schülerinnen und Schüler, er ist jedoch kein islamischer Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz. An der Erstellung des Lehrplans nach dem sog. Erlanger Modell, der dem Modellver- such zugrunde liegt, waren Vertreter der Islamischen Religionsgemeinschaft Erlangen e. V. beteiligt. b) In welchem Umfang und von welchen islamischen Verbänden in Bayern werden in freier Trägerschaft Kindertagesstätten und Schulen betrieben und welchen Standort haben diese? Der Staatsregierung sind weder Kindertageseinrichtungen noch private Ersatz- oder Ergänzungsschulen bekannt, die von einem islamischen Verband betrieben werden. 5. Inwiefern teilt die Staatsregierung die mehrfach, zuletzt Anfang März 2014 geäußerte politische Position des Herrn Markus Söder, Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, „der  Islam ist ein Bestandteil Bayerns“? In Bayern leben rund eine halbe Million Muslime. Wie es Herr Bundespräsident Gauck sagte: Die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland. Die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit gilt auch für die Muslime. Selbstverständlich haben sich die Anhänger und Organisationen des Islam auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewegen . Die Bayerische Integrationspolitik mit ihrem Prinzip des Forderns und Förderns zeigt vielfach Erfolge. Das gute wirtschaftliche und soziale Umfeld in Bayern bietet die bestmögliche Grundlage für eine gelingende Integration. Der Islam ist Alltag und Realität in Bayern. Somit kann der Islam als ein Bestandteil Bayerns bezeichnet werden.