Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr SPD vom 21.12.2017 Inobhutnahme in Bayern I Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie viele Inobhutnahmen wurden in Bayern von 2012 bis 2017 (Stichtag: 07.12.2017) durch die Jugendämter vollzogen (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, gesamt Bayern, Regierungsbezirken, Landkreisen, kreisfreien Städten, Gründen für die Inobhutnahme, absoluten Zahlen, Prozentzahlen und prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr angeben)? b) Sollten prozentuale Veränderungen vorliegen, worin sieht die Staatsregierung die Gründe für diese Veränderungen ? c) Wie viele Jugendliche (zwischen 13 und 18 Jahren) und wie viele Kinder (zwischen 0 und 12 Jahren) wurden zwischen 2012 und 2017 durch das Jugendamt in Obhut genommen (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren , gesamt Bayern, Regierungsbezirken, Landkreisen , kreisfreien Städten, Geschlecht, Altersgruppen, Durchschnittsalter, Gründen für die Inobhutnahme, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)? 2. a) Wie wird bei einer Inobhutnahme der Wille der Kinder durch das Jugendamt ermittelt und inwiefern wird diesem Rechnung getragen? b) Wie wird bei einer Inobhutnahme der Wille der Kinder durch das Familiengericht ermittelt und inwiefern wird diesem Rechnung getragen? c) Welche soziale oder rechtliche Betreuung erfahren die betroffenen Eltern während der Inobhutnahme sowie des gerichtlichen Verfahrens? 3. a) Nach welchen Kriterien werden Gutachter beispielsweise zur Feststellung der Erziehungsfähigkeit der Eltern oder zur Beurteilung der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Kindes durch das Familiengericht bestellt? b) Welche Möglichkeiten haben die Eltern zur Einholung eines Gegengutachtens? c) Müssen die Eltern bei einer Inobhutnahme die Kosten für die Einholung eines Gegengutachtens und ihre soziale bzw. rechtliche Betreuung selbst tragen? 4. a) In wie vielen Fällen erfolgte nach der Entscheidung des Familiengerichts zwischen 2012 und 2017 (Stichtag 07.12.2017) bei Jugendlichen (zwischen 13 und 18 Jahren) und Kindern (zwischen 0 und 12 Jahren) eine Rückführung in die Familie, eine Unterbringung im Heim oder die Unterbringung in einer Pflegefamilie (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Altersgruppen, gesamt Bayern, Regierungsbezirken, Landkreisen, kreisfreien Städten, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)? b) Sofern sich regionale Unterschiede hinsichtlich der Entscheidung und Art der Unterbringung ergeben, worin sind diese begründet? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und unter Beteiligung des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt vom 22.02.2018 1. a) Wie viele Inobhutnahmen wurden in Bayern von 2012 bis 2017 (Stichtag: 07.12.2017) durch die Jugendämter vollzogen (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, gesamt Bayern, Regierungsbezirken, Landkreisen, kreisfreien Städten, Gründen für die Inobhutnahme, absoluten Zahlen, Prozentzahlen und prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr angeben)? b) Sollten prozentuale Veränderungen vorliegen, worin sieht die Staatsregierung die Gründe für diese Veränderungen? c) Wie viele Jugendliche (zwischen 13 und 18 Jahren ) und wie viele Kinder (zwischen 0 und 12 Jahren ) wurden zwischen 2012 und 2017 durch das Jugendamt in Obhut genommen (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, gesamt Bayern, Regierungsbezirken , Landkreisen, kreisfreien Städten, Geschlecht, Altersgruppen, Durchschnittsalter, Gründen für die Inobhutnahme, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)? Es wird auf die beigefügten Tabellen verwiesen. Statistische Daten für das Jahr 2017 liegen noch nicht vor. In der sta- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 08.06.2018 Drucksache 17/20910 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20910 tistischen Erfassung erfolgt eine Einteilung in Kinder und Jugendliche gemäß der gesetzlichen Definition. Danach ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, vgl. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII). Eine darüber hinausgehende Differenzierung ist in der Sta tis tik nicht enthalten. Die Angabe des Durchschnittsalters der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen ist daher nicht möglich. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass vorläufige Schutzmaßnahmen sowohl die Inobhutnahme als auch die Herausnahme eines Kindes oder Jugendlichen umfassen. Eine Herausnahme findet statt, wenn ein Kind oder Jugendlicher bei Gefahr im Verzug trotz des Widerspruchs seiner Eltern, also gegen ihren Willen, in Obhut genommen wird. Insofern handelt es sich bei einer Herausnahme um eine besondere Form der Inobhutnahme, die in der Statistik gesondert erfasst wird. Nach einer Gesetzesänderung im SGB VIII wird ab dem Berichtsjahr 2014 nicht mehr nach der Art der vorläufigen Schutzmaßnahme (Inobhutnahme bzw. Herausnahme) unterschieden. Der sprunghafte Anstieg der Inobhutnahmen im Jahr 2014 um 64,6 Prozent und im Jahr 2015 um 227,2 Prozent ist auf den hohen Zugang an unbegleiteten ausländischen Minderjährigen (UMA) in diesem Zeitraum zurückzuführen. Am 01.11.2015 ist das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung , Betreuung und Versorgung ausländischer Kinder und Jugendlicher in Kraft getreten. Damit wurde insbesondere die bundesweite Verteilung von UMA gesetzlich geregelt. Im Jahr 2016 sank die Zahl der Inobutnahmen in Bayern um 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei der überwiegenden Anzahl der Schutzmaßnahmen (3 869 Fälle) war der Anlass die unbegleitete Einreise von Minderjährigen aus dem Ausland . Gegenüber dem Vorjahr ist hier ein Rückgang von fast 70 Prozent zu verzeichnen, was auch auf die bundesweite Verteilung der UMA zurückzuführen ist. 2. a) Wie wird bei einer Inobhutnahme der Wille der Kinder durch das Jugendamt ermittelt und inwiefern wird diesem Rechnung getragen? Gemäß § 8 SGB VIII sind Kinder und Jugendliche in jedem Einzelfall entsprechend ihres Entwicklungsstandes an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Dies gilt auch für den Fall einer Inobhutnahme , zu der das Jugendamt unter den Voraussetzungen des § 42 SGB VIII berechtigt und verpflichtet ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Kind oder der Jugendliche darum bittet oder eine dringende Gefahr für das Kindeswohl die Inobhutnahme erfordert und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. In der Regel geht der Inobhutnahme eines Kindes bzw. Jugendlichen ein Gefährdungstatbestand voraus, welcher im Rahmen des § 8a SGB VIII im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte eingeschätzt werden muss. Soweit der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht infrage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung miteinzubeziehen (§ 8a Abs. 1 SGB VIII). Das rasche Handeln bei akuter Gefährdung des Kindeswohls (§ 8a SGB VIII, § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) muss fachlich reflektiert, bewusst entschieden und kollegial beraten werden. Eine Inobhutnahme ist nur dann gegen den Willen des Kindes oder Jugendlichen möglich, wenn dessen Wille seinem Wohl offensichtlich widerspricht. b) Wie wird bei einer Inobhutnahme der Wille der Kinder durch das Familiengericht ermittelt und inwiefern wird diesem Rechnung getragen? Bei einer Inobhutnahme handelt es sich um eine originäre Maßnahme des Jugendamts, an der das Familiengericht grundsätzlich nicht beteiligt ist. Das Familiengericht ist vom Jugendamt lediglich dann mit der Sache zu befassen, wenn die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme widersprechen und aus Sicht des Jugendamts wegen einer bestehenden Kindeswohlgefährdung eine Übergabe des Kindes an diese nicht in Betracht kommt (§ 42 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII). Das Familiengericht entscheidet in diesem Fall aber nicht über die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme und deren Fortdauer, sondern es ordnet eigenständige Maßnahmen zum Schutz des Kindes bzw. Jugendlichen (insbesondere nach den §§ 1666, 1666a BGB) an oder sieht – wenn es die Voraussetzungen hierfür nicht (mehr) für gegeben erachtet – von solchen ab. In den gerichtlichen Sorgerechtsverfahren dienen vor allem die persönliche Anhörung des Kindes durch den Richter nach § 159 Familienverfahrensgesetz (FamFG) sowie die Bestellung eines Verfahrensbeistands nach § 158 FamFG der Ermittlung des Kindeswillens. Erkenntnisse hinsichtlich des Willens des Kindes können sich zudem aus der Stellungnahme des Jugendamts ergeben, das in Verfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB gemäß § 162 FamFG zu beteiligen und anzuhören ist. Darüber hinaus führt auch ein gegebenenfalls vom Familiengericht beauftragter Sachverständiger in der Regel mindestens ein persönliches Gespräch mit dem Kind und nimmt in seinem Gutachten u. a. Stellung zum Kindeswillen. Im Übrigen liegt es im Ermessen des unabhängigen Gerichts, auf welche weiteren Erkenntnisquellen es zur Ermittlung des Kindeswillens im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips nach § 26 FamFG und der freien oder förmlichen Beweiserhebung nach den §§ 29, 30 FamFG zurückgreift. Zu der Frage, inwiefern dem Willen der Kinder durch das Familiengericht Rechnung getragen wird, ist auszuführen, dass der Kindeswille grundsätzlich ein wichtiges – aber nicht das alleinige – Kriterium für die Beurteilung des Kindeswohls darstellt. Bei der vom Gericht in richterlicher Unabhängigkeit vorzunehmenden Gesamtabwägung kann dem Willen des Kindes dabei je nach Alter und sonstigen Umständen des Einzelfalls ein größeres oder geringeres Gewicht zukommen . Insbesondere bei den hier infrage stehenden Sorgerechtsentscheidungen wegen Kindeswohlgefährdung nach den §§ 1666, 1666a BGB kann der geäußerte Kindeswille manchmal auch nur eine untergeordnete Rolle spielen. So kann es zum Beispiel zum Schutz des Kindes geboten sein, ein Kind, das im elterlichen Haushalt massiv körperlich misshandelt wurde, aus der Familie herauszunehmen, auch wenn das Kind trotz der Misshandlungen den Wunsch geäußert hat, bei seinen Eltern zu bleiben. c) Welche soziale oder rechtliche Betreuung erfahren die betroffenen Eltern während der Inobhutnahme sowie des gerichtlichen Verfahrens? Zur Verwirklichung des Rechts eines jeden jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit soll die Jugendhilfe gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen. Dieser Grundsatz gilt auch während der Inobhutnahme. Zudem hat das Jugend- Drucksache 17/20910 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 amt gemäß § 42 Abs. 3 SGB VIII die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. In gerichtlichen Sorgerechtsverfahren können sich die Eltern durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 FamFG können die Eltern auch bestimmte andere Personen als Bevollmächtigte wählen, wie zum Beispiel einen volljährigen Familienangehörigen oder einen unentgeltlich tätig werdenden Volljuristen aus dem Bekanntenkreis . Unabhängig von der Vertretung durch einen Bevollmächtigten können die Eltern im Gerichtstermin mit einem Beistand erscheinen, § 12 FamFG. Als Beistand sind kraft Gesetzes alle oben genannten Personen zugelassen, die auch als Bevollmächtigte auftreten können. Darüber hinaus kann das Gericht im Einzelfall andere Personen – zum Beispiel eine Freundin der Kindesmutter – als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. 3. a) Nach welchen Kriterien werden Gutachter beispielsweise zur Feststellung der Erziehungsfähigkeit der Eltern oder zur Beurteilung der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Kindes durch das Familiengericht bestellt? Gemäß § 163 Abs. 1 FamFG sollen Sachverständige in Kindschaftssachen mindestens über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen. Verfügt der Sachverständige über eine pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation, ist der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen. Neben dieser allgemeinen fachlichen Qualifizierung hat das Gericht die konkrete Eignung des Sachverständigen für den jeweiligen Fall zu prüfen. Im Übrigen liegt die Auswahl des Sachverständigen im Ermessen des unabhängigen Gerichts. Ein zusätzliches wichtiges Auswahlkriterium stellt dabei insbesondere dar, ob der Sachverständige das Gutachten in angemessener Zeit erstatten kann, zumal nach § 155 Abs. 1 FamFG in Kindschaftssachen ein erhöhtes Beschleunigungsgebot gilt. b) Welche Möglichkeiten haben die Eltern zur Einholung eines Gegengutachtens? Eine gesetzliche oder sonst allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Gegengutachten“ existiert nicht. Allgemein lässt sich zur Einholung weiterer Gutachten Folgendes ausführen : Gemäß § 30 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 412 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn der bisherige Sachverständige nach Erstattung des Gutachtens erfolgreich – insbesondere wegen Besorgnis der Befangenheit – abgelehnt wurde. Die Anordnung einer neuen Begutachtung durch das Gericht kommt nach § 412 Abs. 1 ZPO ferner in Betracht, wenn es das erstattete Gutachten für ungenügend erachtet, beispielsweise weil dieses unvollständig ist oder Widersprüche enthält. Es steht dabei allerdings grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob es zunächst versucht, die Mängel durch eine mündliche oder schriftliche Erläuterung, Ergänzung oder Neuerstattung des Gutachtens durch den bisherigen Sachverständigen auszuräumen, oder ob es sogleich einen anderen Sachverständigen mit einem neuen Gutachten beauftragt. In der Praxis kommt es zudem vor, dass Beteiligte außerhalb des gerichtlichen Verfahrens selbstständig ein sog. Privatgutachten durch einen anderen Sachverständigen in Auftrag geben. Es kann sich dabei sowohl um ein methodenkritisches Gutachten handeln, das sich mit der Art und Weise der Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen auseinandersetzt, als auch um ein eigenständiges neues Gutachten in der Sache selbst. Sollen Kinder in eine solche private Begutachtung einbezogen werden, bedarf es freilich der Einwilligung des Inhabers der elterlichen Sorge. Werden derartige Privatgutachten im gerichtlichen Verfahren vorgelegt, handelt es sich nicht um einen förmlichen Sachverständigenbeweis, sondern um einen sog. qualifizierten Beteiligtenvortrag. Gleichwohl muss sich das Gericht selbstverständlich mit dem Privatgutachten auseinandersetzen und etwaige Widersprüche zwischen den verschiedenen Gutachten aufklären. Welcher Mittel es sich dabei bedient, steht wiederum im Ermessen des Gerichts. So kann das Gericht beispielsweise dem gerichtlich bestellten Sachverständigen aufgeben, zu dem Privatgutachten ergänzend mündlich oder schriftlich Stellung zu nehmen. Sofern sich die bestehenden Widersprüche nicht anderweitig zur Überzeugung des Gerichts ausräumen lassen, kann es im Einzelfall auch erforderlich sein, einen dritten Sachverständigen mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens zu beauftragen. c) Müssen die Eltern bei einer Inobhutnahme die Kosten für die Einholung eines Gegengutachtens und ihre soziale bzw. rechtliche Betreuung selbst tragen? Zunächst sei noch einmal klargestellt, dass die Inobhutnahme durch das Jugendamt und ein sich gegebenenfalls anschließendes Sorgerechtsverfahren vor dem Familiengericht voneinander zu unterscheiden sind. Zu den Kosten im gerichtlichen Verfahren ist Folgendes auszuführen: Bei den Kosten eines gerichtlich eingeholten Gutach tens – sei es ein Erstgutachten oder ein weiteres Gutachten – handelt es sich um Auslagen des Gerichts, die unter die Gerichtskosten fallen (§ 80 Satz 1 FamFG). Wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ergibt sich grundsätzlich aus der vom Gericht zu treffenden Kostenentscheidung. In Sorgerechtsverfahren kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Es kann aber auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Leben die Eltern in beengten finanziellen Verhältnissen, steht ihnen grundsätzlich die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe offen. Wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt, müssen die Eltern auch dann, wenn ihnen in der Kostenentscheidung die Gerichtskosten auferlegt werden, für diese – nach Maßgabe der Bewilligung – nur zum Teil, nur in Raten oder gar nicht aufkommen. Die Kosten für ein gegebenenfalls eingeholtes Privatgutachten müssen die Eltern als Auftraggeber in der Regel selbst tragen. Eine Erstattung von Aufwendungen durch die Staatskasse ist im Gesetz grundsätzlich nicht vorgesehen. Auch eine Erstattung notwendiger Aufwendungen durch Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20910 andere Verfahrensbeteiligte scheidet in Sorgerechtsverfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB regelmäßig aus, da an diesen meist außer den Eltern nur der Verfahrensbeistand und das Jugendamt formell beteiligt sind. Es wird aber nur sehr selten der Billigkeit entsprechen, das Jugendamt zur Kostentragung zu verpflichten, beispielsweise dann, wenn dieses das Verfahren durch ein grobes Verschulden veranlasst hat (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 81 FamFG, Rn. 6a). Einem Verfahrensbeistand können nach § 158 Abs. 8 FamFG von vornherein keine Kosten auferlegt werden. Aus denselben Gründen haben die Eltern in der Regel auch die Kosten für einen von ihnen für das gerichtliche Verfahren beauftragten Rechtsanwalt selbst zu bezahlen. Eine Ausnahme gilt wiederum im Fall der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Wird den Eltern Verfahrenskostenhilfe bewilligt, ist ihnen auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat im jeweiligen Einzelfall das zuständige Gericht in richterlicher Unabhängigkeit zu beurteilen . In Verfahren, in denen eine Entziehung des Sorgerechts nach den §§ 1666, 1666a BGB im Raum steht, geht die obergerichtliche Rechtsprechung allerdings davon aus, dass die Beiordnung eines Anwalts regelmäßig geboten ist. Wird ein Rechtsanwalt beigeordnet, erhält dieser eine Vergütung von der Staatskasse. Ein Rückgriff bei den Beteiligten ist nur möglich, wenn und soweit in dem Bewilligungsbeschluss (oder nachträglich aufgrund einer eingetretenen Verbesserung der finanziellen Situation) Teil- oder Ratenzahlungen angeordnet wurden. 4. a) In wie vielen Fällen erfolgte nach der Entscheidung des Familiengerichts zwischen 2012 und 2017 (Stichtag 07.12.2017) bei Jugendlichen (zwischen 13 und 18 Jahren) und Kindern (zwischen 0 und 12 Jahren) eine Rückführung in die Familie, eine Unterbringung im Heim oder die Unterbringung in einer Pflegefamilie (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren, Altersgruppen, gesamt Bayern, Regierungsbezirken , Landkreisen, kreisfreien Städten, absoluten Zahlen und Prozentzahlen angeben)? b) Sofern sich regionale Unterschiede hinsichtlich der Entscheidung und Art der Unterbringung ergeben , worin sind diese begründet? Der Staatsregierung liegen hierzu keine statistischen Daten vor. In der Justizgeschäftsstatistik in Familiensachen wird weder erfasst, ob einem Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB eine Inobhutnahme durch das Jugendamt vorausgegangen ist, noch, wo Kinder und Jugendliche nach Erledigung des Sorgerechtsverfahrens ihren Aufenthalt nehmen. Überdies ist insoweit anzumerken, dass die Familiengerichte in Sorgerechtsverfahren grundsätzlich nicht unmittelbar über den konkreten künftigen Aufenthaltsort eines Kindes entscheiden. Vielmehr ordnen sie entweder eine Entziehung des Sorgerechts (insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts ) an oder lehnen eine solche ab bzw. heben einen früheren – zum Beispiel im Wege der einstweiligen Anordnung ergangenen – Sorgerechtsentzug wieder auf. Die weiteren Entscheidungen trifft sodann der jeweilige Inhaber der elterlichen Sorge – im erstgenannten Fall der Ergänzungspfleger oder Vormund, in den letztgenannten Fällen die Eltern. Drucksache 17/20910 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Anlage Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20910 Anlage Drucksache 17/20910 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 7 Anlage Seite 8 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20910 Anlage Drucksache 17/20910 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 9 Anlage