Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rosi Steinberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 18.01.2018 Genehmigungsvoraussetzungen für gewerbliche Hun deschulen 1. Welche Genehmigungsvoraussetzungen gibt es für gewerbliche Hundeschulen? 2. a) In welchen Baugebieten (Wohngebiet, Dorfgebiet, Mischgebiet, Gewerbegebiet, Industriegebiet) sind gewerbliche Hundeschulen grundsätzlich genehmi gungsfähig? b) Können gewerbliche Hundeschulen in Gewerbegebie ten rechtssicher angesiedelt werden? c) Können Hundeschulen in Mischgebieten rechtssicher angesiedelt werden? 3. a) Sind Hundeschulen privilegiert? b) Welche Voraussetzungen gibt es für die Privilegierung von Hundeschulen? c) Wer stellt die Privilegierung von Hundeschulen fest? 4. Müssen für die Genehmigungsfähigkeit von Hunde schulen baurechtliche Bedingungen erfüllt sein? 5. Muss für die Genehmigungsfähigkeit von Hundeschu len der vor Ort gültige Flächennutzungsplan geändert werden? 6. Sind nach Ansicht der Staatsregierung Hundeschulen im öffentlichen Interesse? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Ver kehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 23.02.2018 1. Welche Genehmigungsvoraussetzungen gibt es für gewerbliche Hundeschulen? In baurechtlicher Hinsicht ist folgendes auszuführen: Im Re gelfall wird eine in der Fragestellung in Bezug genommene Hundeschule aus dem Platz, auf dem die Hunde geschult werden, sowie aus einem oder mehreren Gebäuden (ge mäß Art. 2 Abs. 2 Bayerische Bauordnung – BayBO – sind das selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anla gen, die von Menschen betreten werden können) beste hen. Soweit kein Genehmigungsfreistellungsverfahren nach Art. 58 BayBO durchzuführen ist, ist die Errichtung solcher baulichen Anlagen bauaufsichtlich genehmigungspflichtig (Art. 55 Abs. 1 BayBO). Soweit es sich nicht um Sonderbau ten im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, und das wird der praktische Regelfall sein, ist ein vereinfachtes Geneh migungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchzuführen. Prü fungsmaßstab im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind – die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit baulicher Anlagen nach den §§ 29 bis 38 Baugesetzbuch (BauGB) und den Reglungen ört licher Bauvorschriften, – beantragte Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO sowie – andere öffentlichrechtliche Anforderungen, soweit we gen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach an deren öffentlichrechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. In tierschutzrechtlicher Hinsicht gilt: Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f Tierschutzgesetz (TierSchG) bedarf der Er laubnis der zuständigen Behörde, wer für Dritte Hunde aus bilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten will sowie nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TierSchG für das Ausbilden von Hunden zu Schutzzwecken für Dritte oder die Unterhaltung von Einrichtungen zu diesem Zweck. Die tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TierSchG darf insbesondere nur dann erteilt werden, wenn die für die Tätigkeit verantwortliche Person die für die Tä tigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkei ten (Sachkunde) und die erforderliche Zuverlässigkeit hat. Näheres hierzu ist der Antwort der Staatsregierung zur Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Martina Fehlner zur Erlaubniserfordernis für gewerbliche Hundetrainer (Drs. 17/5779) zu entnehmen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 08.06.2018 Drucksache 17/20921 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20921 2. a) In welchen Baugebieten (Wohngebiet, Dorfgebiet, Mischgebiet, Gewerbegebiet, Industriegebiet) sind gewerbliche Hundeschulen grundsätzlich geneh migungsfähig? Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in diesen Bauge bieten lässt sich nur im Einzelfall anhand der konkreten Ausgestaltung der Hundeschule sowie der Ausprägung des jeweiligen Baugebiets beurteilen. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass eine gewerbliche Hundeschule baupla nungsrechtlich in Wohn und Mischgebieten nach den §§ 3, 4 und 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) als sog. stö rende bzw. das Wohnen wesentlich störende Gewerbebe triebe einzustufen und dort somit weder allgemein noch aus nahmsweise zulässig sein werden. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung auf eine typisierende Betrachtungswei se an, wonach das Störpotential solcher Nutzungen in die sen Gebieten schon abstrakt und unabhängig von etwaigen Schutzvorkehrungen im Einzelfall so groß sein dürfte, dass sie als nicht gebietsverträglich anzusehen sein werden. Ge werbegebiete gem. § 8 BauNVO sind – in Abgrenzung zum Industriegebiet – nur für solche gewerblichen Nutzungen vorgesehen, die nicht erheblich belästigend sind. Auch hier kann der zulässige Störgrad im Baugebiet durch eine Hun deschule überschritten sein, mit Rücksicht auf die im Ge werbegebiet allgemein zulässigen Geschäfts, Büro und Verwaltungsgebäude. Lediglich das Industriegebiet nach § 9 BauNVO dient der Aufnahme gewerblicher Nutzungen, die – insbesondere im Hinblick auf ihr Störpotential – in ande ren Baugebieten unzulässig sind, was auf gewerbliche Hun deschulen nach den obigen Ausführungen zutreffen kann. Ferner kann die Festsetzung eines sonstigen Sonderge biets (§ 11 BauNVO) in Betracht kommen. Soweit eine Hundeschule in vorgenannten Baugebieten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig ist, kann die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nur im Wege einer Be freiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB begründet werden. Hierzu wäre erforderlich, dass die Grundzüge der Planung nicht be rührt werden, ein Befreiungsgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB vorliegt und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Dies kann nur einzelfallbezogen be urteilt werden, verallgemeinernde Aussagen sind insofern nicht statthaft. b) Können gewerbliche Hundeschulen in Gewerbe gebieten rechtssicher angesiedelt werden? c) Können Hundeschulen in Mischgebieten rechts sicher angesiedelt werden? Hundeschulen können in diesen Gebieten nur dann rechts sicher angesiedelt werden, wenn eine erforderliche bau rechtliche Genehmigung für sie herbeigeführt wird. Nach obigen Ausführungen (siehe Antwort zu Frage 2 a) wird dies in Gewerbe und Mischgebieten bauplanungsrechtlich in der Regel die Erteilung einer Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB erfordern. 3. a) Sind Hundeschulen privilegiert? b) Welche Voraussetzungen gibt es für die Privilegie rung von Hundeschulen? Die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Vorhaben im Außenbereich ist in § 35 Abs. 1 BauGB geregelt. Für Hun deschulen kommt allenfalls der Tatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in Betracht. Darunter fallen Vorhaben, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außen bereich ausgeführt werden sollen. Für die Privilegierung reicht es allerdings nicht, dass ein Vorhaben sinnvoll nur im Außenbereich errichtet werden kann. Ob ein Vorhaben im Außenbereich bevorzugt zugelassen werden „soll“, ist un ter wertender Betrachtung im Einzelfall zu prüfen, wobei die grundsätzliche gesetzgeberische Intention zur Freihaltung des Außenbereichs von Bebauung zu berücksichtigen ist. Insofern ist § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einschränkend dahin gehend auszulegen, dass ein Vorhaben insbesondere dann nicht unter diese Privilegierung fällt, wenn damit ausschließ lich oder überwiegend individuelle Freizeit und Erholungs wünsche bedient werden. Ob Hundeschulen unter § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fal len, lässt sich dementsprechend nicht pauschal beurteilen, sondern hängt von ihrer Ausgestaltung und Ausrichtung im Einzelfall ab. Insofern kann es beispielsweise einen Unter schied machen, ob der Schwerpunkt der jeweiligen Anlage in einer allgemeinen Hundeausbildung liegt, die in entgelt lichen Kursen von jedermann in Anspruch genommen wer den kann, oder ob Gemeinwohlaspekte im Vordergrund ste hen. Letzteres kann für eine Privilegierung sprechen und bei einer gemeinwohlbezogenen Hundeausbildung z. B. für Ret tungsdienste gegeben sein; in diesem Sinne differenzierte etwa das Verwaltungsgericht Bayreuth in seinem Urteil vom 30.09.2004 (Az. 2 K 04.16, BeckRS 2015, 41668, BAYERN. RECHT), das die Privilegierung im entschiedenen Fall ver neinte, „weil das individuelle Freizeitinteresse der an einer Hundeausbildung interessierten Hundebesitzer gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Na tur, das einen von baulichen Anlagen weitestgehend freige haltenen Außenbereich voraussetzt, zurückzustehen hat.“ c) Wer stellt die Privilegierung von Hundeschulen fest? Im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens für ein Vor haben im Außenbereich wird von der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde u. a. geprüft, ob das Vorhaben baupla nungsrechtlich nach § 35 BauGB zulässig ist. Dies schließt die Prüfung ein, ob eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB gegeben ist. 4. Müssen für die Genehmigungsfähigkeit von Hun deschulen baurechtliche Bedingungen erfüllt sein? Siehe Antwort zu Frage 1. 5. Muss für die Genehmigungsfähigkeit von Hunde schulen der vor Ort gültige Flächennutzungsplan geändert werden? Sofern ein Vorhaben im Außenbereich privilegiert ist (hierzu siehe Antwort zu Frage 3), bedarf es in der Regel keiner Änderung des Flächennutzungsplans; Darstellungen eines Flächennutzungsplans können einem privilegierten Vorha ben nur in bestimmten Fällen entgegenstehen, insbesonde re wenn sie eine qualifizierte Standortaussage zugunsten einer anderen baulichen Nutzung treffen (z. B. für eine ge plante Straßentrasse). Sofern keine Privilegierung gegeben ist, bemisst sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB. Die Errichtung einer Hundeschule im Außenbereich kann nach dieser Bestimmung zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung Drucksache 17/20921 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 gesichert ist. Darstellungen eines Flächennutzungsplans sind gem. § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB ein öffentlicher Belang, der in diesem Zusammenhang zu prüfen ist. Soweit dieser Belang aufgrund einer Diskrepanz zwischen der geplanten Nutzung und der bestehenden Darstellung des Flächennut zungsplans beeinträchtigt ist, müsste der Flächennutzungs plan geändert werden, um insofern die Genehmigungsfähig keit der Hundeschule herbeizuführen. Dabei wird es auch im jeweiligen Einzelfall darauf ankommen, in welchem Umfang bauliche Anlagen für die Hundeschulen errichtet werden sollen. Die Beeinträchtigung öffentlicher Belange wird in der Regel eher anzunehmen sein, wenn für die Hundeschule Gebäude errichtet werden sollen, als wenn es lediglich um eine Übungswiese mit untergeordneten Baulichkeiten (wie Hindernisparcours und Aufbewahrungsboxen) geht. Davon unberührt bleibt im Übrigen das Erfordernis, dass durch das Vorhaben auch keine sonstigen öffentlichen Belange be rührt sein dürfen. 6. Sind nach Ansicht der Staatsregierung Hunde schulen im öffentlichen Interesse? Im Hinblick auf die Vermeidung von Gefahren durch das Verhalten von Hunden, die auf Fehlern oder Defiziten in der Ausbildung und/oder Führung der Hunde beruhen, liegt es im Interesse der Tierhalter, dass sie durch sachkundige Personen vorbeugend oder korrigierend unterstützt werden können. Durch zuverlässige und sachkundige Unterstützung von Hundehaltern kann zudem das Risiko für das Auftreten von Schmerzen, Leiden und Schäden in der Haltung, Aus bildung und Führung für die von ihnen gehaltenen Hunde sowie ggf. von Schadwirkungen an anderen Tieren gesenkt werden. Dies ist unter Tierschutzaspekten sowie unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit zu begrüßen.