Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 19.12.2017 Einfluss des Landesamts für Verfassungsschutz auf die Einordnung des OEZ-Attentats Bei der Bewertung des Tatmotivs von David S. und der Frage nach der Einordnung des OEZ-Attentats (OEZ = Olympia -Einkaufszentrum) als Politisch motivierte Kriminalitätrechts (PMK-rechts) spielte offenbar die Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz (BayLfV) eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1.1 Inwiefern war das BayLfV in die Bewertung bzw. Einordnung des Tatmotivs von David S. eingebunden (Inhalt von Stellungnahmen, Bewertungen und Gutachten bitte ggf. detailliert darlegen)? 1.2 Wer veranlasste die Hinzuziehung des BayLfV – insbesondere hinsichtlich der Frage nach der Einordnung des Tatmotivs von David S.? 1.3 Welche Unterlagen wurden dem BayLfV für die Bewertung bzw. Einordnung des Tatmotivs von David S. zur Verfügung gestellt (Unterlagen bitte detailliert auflisten )? 2.1 Welches konkrete Untersuchungsziel lag der Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV zugrunde? 2.2 Inwiefern spielte die Frage, ob das OEZ-Attentat rassistisch motiviert war bzw. als Hasskriminalität einzuordnen ist, bei der Bewertung eine Rolle? 2.3 Auf der Grundlage welcher theoretischen Konzepte bzw. mit welchem theoretischen Ansatz erfolgte die Prüfung des Sachverhalts durch das BayLfV? 3.1 Welche fachliche Expertise lag der Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV zugrunde? 3.2 Inwiefern waren Psychologinnen/Psychologen und Expertinnen/Experten für den Themenbereich „Mobbing “ daran beteiligt? 4. Zu welchem konkreten Ergebnis kam das BayLfV? 5.1 Welche Rolle spielte die Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV für die Entscheidung der Ermittlungsbehörden , das Attentat nicht als Hasskriminalität bzw. PMK-rechts einzuordnen? 5.2 Welche Bewertungen, Gutachten oder sonstigen Stellungnahmen von anderen Stellen flossen ebenfalls in die Bewertung ein (bitte einzeln auflisten)? 5.3 Gab es in diesen Bewertungen, Gutachten oder sonstigen Stellungnahmen unterschiedliche Einschätzungen bzgl. der Einordnung als PMK-rechts bzw. Hasskriminalität und wenn ja, wer vertrat welche Einschätzung und worin unterschieden sich diese? 6. Welche Rolle spielt das BayLfV grundsätzlich in Bayern bei der Bewertung bzw. Einordnung von Straf- und Gewalttaten als Hasskriminalität bzw. PMK-rechts? 7.1 Inwiefern erkennt die Staatsregierung eine Diskrepanz zwischen den konzeptionellen und rechtlichen Arbeitsgrundlagen des BayLfV (Extremismustheorie, Verfassungsschutzgesetz) und den Definitionskriterien der PMK („Politisch motivierter Kriminalität-rechts werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer rechten Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss.“; vgl. BT-Drs. 18/13607)? 7.2 Inwiefern wurde diese Diskrepanz im Hinblick auf die Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV bzgl. des Tatmotivs von David S. berücksichtigt? 8.1 Welche Definition von Rassismus liegt grundsätzlich der Arbeit des BayLfV zugrunde? 8.2 Handelt es sich aus Sicht des BayLfV bei Rassismus immer um ein abstraktes ideologisches Feindbild oder kann sich Rassismus auch in Bezug auf das konkrete Lebensumfeld von Tätern entwickeln und damit Züge eines individuellen rassistischen Feindbilds tragen? 8.3 Inwiefern kann es aus Sicht des BayLfV auch eine individuelle, beispielsweise rassistische oder salafistische , Radikalisierung von Einzeltätern geben, ohne dass diese konkret an extremistische Gruppierungen oder Ideologien angebunden sind? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 08.06.2018 Drucksache 17/20922 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20922 Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz vom 20.02.2018 Vorbemerkung: Bei dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) handelt es sich um eine polizeiliche Datensammlung, die anhand eines Definitionssystems für bestimmte Kriminalitätsformen eine differenzierte Betrachtung ermöglichen soll. Die Einstufung einer Straftat als Politisch motivierte Kriminalität trifft die mit den Ermittlungen betraute Kriminalpolizeidienststelle. Die Qualifizierung der Einstufung von Straftaten als extremistische Kriminalität erfolgt ebenfalls in Erstzuständigkeit durch die Kriminalpolizeidienststelle anhand des Definitions systems Politisch motivierte Kriminalität des Bundeskriminalamts. Der Verfassungsschutz wird insoweit aber in Zweifelsfällen zur Klärung eingebunden, da sich die Definition an dem Extremismusbegriff der Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder orientiert, woraus sich die Deutungshoheit der Verfassungsschutzbehörden ableitet. „Extremistisch motivierte Straftaten bilden eine Teilmenge des Phänomenbereichs Politisch motivierte Kriminalität. Es handelt sich um diejenigen Straftaten, bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind“ (vgl. Bundesverfassungsschutzbericht 2016, S. 23). Auch im Fall des David S. liegt also die Einordnung der Tat als PMK im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes nicht im Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes , gleichwohl war das Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) in die Bewertung eingebunden (vgl. Antwort zu Frage 1.1). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen hat das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) am 03.11.2017 die Ermittlungsbehörden, namentlich das Landeskriminalamt (BLKA) beauftragt, die möglichen Tatmotive des David S. noch einmal einer genauen Betrachtung zu unterziehen. Dabei sind die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren gegen den Waffenhändler, bei dem David S. die Tatwaffe erworben hat sowie die drei im Auftrag der Landeshauptstadt München erstellten Gutachten mit einzubeziehen . Über das Ergebnis dieses Prüfauftrags an die Ermittlungsbehörden wird die Staatsregierung – nach Eingang der Antwort der beteiligten Ermittlungsbehörden – dem Landtag schriftlich berichten (Beschluss vom 12.12.2017, Drs. 17/19665). 1.1 Inwiefern war das BayLfV in die Bewertung bzw. Einordnung des Tatmotivs von David S. eingebunden (Inhalt von Stellungnahmen, Bewertungen und Gutachten bitte ggf. detailliert darlegen)? Hinsichtlich der Einbindung des Verfassungsschutzes in den KPMD-PMK wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Das BayLfV hat mit Schreiben vom 09.08.2016 einen Beitrag zur Bewertung der Tat des David S. erstellt. Am 30.11.2016 erfolgte eine Bewertung von Unterlagen, die dem BayLfV von den Ermittlungsbehörden übermittelt wurden . Hinsichtlich des Inhalts der Bewertungen wird auf die Beantwortung der Fragen 1.2 bis 2.1 verwiesen. Eine Wiedergabe von Gutachten und Stellungnahmen kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Bei den entsprechenden Dokumenten handelt es sich um einen Aktenbestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten. Die wortwörtliche Wiedergabe eines Aktenbestandteils käme im Falle einer Drucklegung einer Teilakteneinsicht der Allgemeinheit gleich und würde damit unberücksichtigt lassen , dass nach den Regeln der Strafprozessordnung (StPO) Dritten ausschließlich im Falle eines berechtigten Interesses im Einzelfall Akteneinsicht gewährt oder Auskunft aus den Akten erteilt werden darf (§ 475 StPO). Dem Informationsanspruch der Fragestellerin wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes (vgl. BayVerfGH vom 11.09.2014, BayVBl. 2015, 375ff. – dort Rn. 38 und BayVerfGH vom 26.07.2006, VerfGHE 59, 144ff. – dort Rn. 309 – jeweils zitiert nach www.juris.de) im vorliegenden Fall dadurch entsprochen , dass die weitergehenden Informationen in einem gesonderten Schreiben an die Fragestellerin übermittelt werden, verbunden mit der Bitte um vertrauliche Behandlung . 1.2 Wer veranlasste die Hinzuziehung des BayLfV – insbesondere hinsichtlich der Frage nach der Einordnung des Tatmotivs von David S.? 1.3 Welche Unterlagen wurden dem BayLfV für die Bewertung bzw. Einordnung des Tatmotivs von David S. zur Verfügung gestellt (Unterlagen bitte detailliert auflisten)? 2.1 Welches konkrete Untersuchungsziel lag der Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV zugrunde? Das BayLfV wurde durch die Polizei gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz – BayVSG (Art. 39 Abs. 4 Polizeiaufgabengesetz – PAG) in den Vorgang eingebunden. Folgende Unterlagen wurden dem BayLfV zur Verfügung gestellt: 1. Mein Manifest.docx 2. Sinn des Lebens.docx 3. Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx 4. 20160920 Sp7837 Verschriftung S. Handy-Glock 5. Bastian-Chat 6. 20160916 Sp7796 Verschriftung Video S. S. 7. 20160725 Auswertung Krankenakte S. 8. 20161007 Sp7848 Themenkomplex Mobbing 9. 20160805 Sp7670 Auswertung USB-Stick 1 10. 20160723 Zeugenvernehmung R. L. 11. 20160818 Zeugenvernehmung M. C. 12. 20160725 Zeugenvernehmung S. D. 13. 20160722 Zeugenvernehmung S. M. 14. 20160726 Zeugenvernehmung S. M. 15. 20160808 Zeugenvernehmung B. G. O. 16. 20160804 Zeugenvernehmung S. M. ohne Anlagen 17. 20161025 Sp8674 Aktenvermerk Auswertung Zitate S. 18. 20161114 Sp8672 Aktenvermerk Politische Einstellung 19. 20161021 Sp8163 Aktenvermerk Videos Schießübungen Verschriftung 20. 20161025 Sp8658 Aktenvermerk Verschriftung Sprachmemo S. Mit Datum vom 09.08.2016 hat das BayLfV auf Grundlage der zunächst vorliegenden Dokumente 1 (Mein Manifest) und 2 (Sinn des Lebens) einen Beitrag zur Bewertung der Tat erstellt, der eine Klärung der Frage nach einer möglichen Drucksache 17/20922 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 extremistischen Motivation zum Ziel hatte. Zu dem Zeitpunkt der Erstellung des Beitrags erschien eine extremistische Motivation nicht belegbar. Gleiches gilt für die Bewertung vom 30.11.2016, die nach der Sichtung von weiterem Material die Frage der Abgrenzung zwischen Amok und Terrorismus behandelte. Anhand der zu dem Zeitpunkt vorliegenden Informationen kam das BayLfV zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Tat nicht um einen terroristischen Akt, sondern um eine Amoktat handelte. 2.2 Inwiefern spielte die Frage, ob das OEZ-Attentat rassistisch motiviert war bzw. als Hasskriminalität einzuordnen ist, bei der Bewertung eine Rolle? Hasskriminalität zählt zum Bereich der Politisch motivierten Kriminalität. Die Einstufung einer Straftat als Hasskriminalität liegt somit im Aufgabenbereich der Polizei. Das Definitionssystem des Bundeskriminalamts zum KPMD-PMK erläutert hierzu: „Der Begriff „Hasskriminalität“ ist an den international eingeführten Begriff „Hate Crime“ angelehnt. Straftaten der Hasskriminalität sind vorurteilsgeleitete Straftaten. Die Straftat richtet sich gegen eine Person bzw. ein Objekt, welche(s) täterseits einer gesellschaftlichen Gruppe (z. B. Nationalität, Ethnie, Religion) zugerechnet wird. Antisemitische und fremdenfeindliche Straftaten sind Teilmengen der Hasskriminalität.“ Fremdenfeindliche Straftaten werden gemäß Definitionssystem der Hasskriminalität zugerechnet. Bei dem Beitrag zur Bewertung der Tat vom 09.08.2016 wird Hass als ein mögliches (Teil-)Motiv von Amoktätern angeführt . Eine fremdenfeindliche Motivlage – ein Motiv der Hasskriminalität – wird in dem Beitrag im Ergebnis nicht ausgeschlossen. 2.3 Auf der Grundlage welcher theoretischen Konzepte bzw. mit welchem theoretischen Ansatz erfolgte die Prüfung des Sachverhalts durch das BayLfV? 3.1 Welche fachliche Expertise lag der Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV zugrunde? Das Untersuchungsziel des Beitrags zur Bewertung der Tat vom 09.08.2016 bestand in der Überprüfung eines möglichen rechtsextremistischen Motivs. Wie bereits in der Vorbemerkung erwähnt, liegt die Expertise der Verfassungsschutzbehörden in ihrer durch den Gesetzgeber zugeschriebenen Aufgabe der Extremismusbeobachtung. Das BayLfV hat bei seiner Bewertung vom 09.08.2016 u. a. auf öffentliche wissenschaftliche Ausarbeitungen sowohl des gesamten Verfassungsschutzverbundes als auch teilweise ausländischer Sicherheitsbehörden im Sinne einer vergleichenden Analyse zurückgriffen. Exemplarisch wird auf spezielle Ausarbeitungen zu Einzeltätern im Bereich Rechtsextremismus verwiesen: Joseph Paul Franklin, Buford O‘Neal Furrow Jr., Michael Frederick Griffin, Paul Jennings Hill, Terry Lynn Nichols, Eric Robert Rudolph, John C. Salvi III, Theodore John Kaczinski, Benjamin Nathaniel Smith, Josef Bachmann, Uwe Behrendt, John Ausonius, Franz Fuchs, Kay Diesner, David Copeland, Michael Berger, Peter Mangs, Anders Behring Breivik, Frank S. und Anton Lundin Petterson. Auch Vergleiche mit Einzeltätern aus dem islamistischen Bereich wurden angestellt. 3.2 Inwiefern waren Psychologinnen/Psychologen und Expertinnen/Experten für den Themenbereich „Mobbing“ daran beteiligt? Psychologinnen/Psychologen oder Expertinnen/Experten mit vergleichbarer Qualifikation waren nicht beteiligt. 4. Zu welchem konkreten Ergebnis kam das BayLfV? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2.1 verwiesen. 5.1 Welche Rolle spielte die Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV für die Entscheidung der Ermittlungsbehörden , das Attentat nicht als Hasskriminalität bzw. PMK-rechts einzuordnen? Bei der Beurteilung des Tatmotivs von David S. wurden von den Ermittlungsbehörden, neben den beiden Stellungnahmen des BayLfV vom 09.08.2016 und 30.11.2016, eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigt (vgl. auch Antwort zu Frage 2 c der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Florian Ritter vom 28.03.2017 – Drs. 17/17957). In der Gesamtbetrachtung aller vorliegenden Erkenntnisse kamen Polizei und Staatsanwaltschaft letztlich übereinstimmend zu der Bewertung, dass nicht eine politische Motivation tatauslösend war, sondern die Auswahl der Opfer durch den Täter dem persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbild der ehemaligen Mobber geschuldet sein dürfte. 5.2 Welche Bewertungen, Gutachten oder sonstigen Stellungnahmen von anderen Stellen flossen ebenfalls in die Bewertung ein (bitte einzeln auflisten )? Neben den Bewertungen des BayLfV sowie des Landeskriminalamts (BLKA) erfolgte auch durch die Operative Fallanalyse (OFA) Bayern eine Einschätzung hinsichtlich der Motivlage des Täters. Diese sah das Motiv für die Tat ebenfalls in den persönlichen Erfahrungen des Täters begründet. Von der OFA Bayern wurden zwei Bewertungen erarbeitet, die der Sonderkommission (SOKO) OEZ des BLKA am 05.08.2016 und 15.12.2016 übermittelt wurden. 5.3 Gab es in diesen Bewertungen, Gutachten oder sonstigen Stellungnahmen unterschiedliche Einschätzungen bzgl. der Einordnung als PMK-rechts bzw. Hasskriminalität und wenn ja, wer vertrat welche Einschätzung und worin unterschieden sich diese? Nein. Alle für die Beurteilung der Tatmotivation zuständigen Stellen kamen übereinstimmend zu der Bewertung, dass nicht eine politische Motivation tatauslösend war, sondern in der Gesamtbetrachtung die Auswahl der Opfer durch den Täter dem persönlichen, aber verallgemeinerten Feindbild der ehemaligen Mobber geschuldet sein dürfte. Auch insoweit kann auf die Antwort zu Frage 2 c der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Florian Ritter vom 28.03.2017 (Drs. 17/17957) ergänzend Bezug genommen werden. Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/20922 6. Welche Rolle spielt das BayLfV grundsätzlich in Bayern bei der Bewertung bzw. Einordnung von Straf- und Gewalttaten als Hasskriminalität bzw. PMK-rechts? Hinsichtlich der Einbindung des Verfassungsschutzes in den KPMD-PMK wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7.1 Inwiefern erkennt die Staatsregierung eine Diskrepanz zwischen den konzeptionellen und rechtlichen Arbeitsgrundlagen des BayLfV (Extremismustheorie , Verfassungsschutzgesetz) und den Definitionskriterien der PMK („Politisch motivierter Kriminalität-rechts werden Straftaten zugeordnet , wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/ oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung (z. B. nach Art der Themenfelder) einer rechten Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss.“; vgl. BT-Drs. 18/13607)? 7.2 Inwiefern wurde diese Diskrepanz im Hinblick auf die Bewertung bzw. Einordnung des BayLfV bzgl. des Tatmotivs von David S. berücksichtigt? Wie bereits in der Vorbemerkung dargelegt, bilden extremistisch motivierte Straftaten eine Teilmenge des Phänomenbereichs Politisch motivierte Kriminalität. Es handelt sich bei dieser Einordnung nicht um eine Diskrepanz, sondern um eine Qualifizierung der Tat. 8.1 Welche Definition von Rassismus liegt grundsätzlich der Arbeit des BayLfV zugrunde? Mit der Bezeichnung als „Rasse“ werden Menschen nach ethnischen Besonderheiten in Gruppen aufgeteilt. Rassisten gehen von nicht oder kaum veränderbaren „Rassen“ aus. Sie leiten daraus „naturbedingte“ Besonderheiten und Verhaltensweisen von Menschen ab und unterscheiden zwischen „höherwertigen“ und „minderwertigen“ Menschen. Der Rassismus verstößt damit gegen die elementaren Menschenrechte (Art. 3 Grundgesetz, Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz) und somit gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Das BayLfV beobachtet Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten. Bestrebungen können von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen. Der Begriff Bestrebung erfordert ein ziel- und zweckgerichtetes, finales Handeln, das in Vorbereitungstätigkeiten , Agitation oder Gewaltakten bestehen kann. Hierzu bedarf es in der Regel Aktivitäten, die über bloße Missbilligung oder Kritik an einem Verfassungsgrundsatz hinausgehen . Nicht dem Beobachtungsauftrag unterfallen bloße Äußerungen von Meinungen nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz, sogar wenn diese in extrem populistischer Weise Argumente in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen sollten. Es ist nicht Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden, derartige, auch ggf. gesellschaftlich polarisierende Kritik generell zu überwachen oder zu bewerten. 8.2 Handelt es sich aus Sicht des BayLfV bei Rassismus immer um ein abstraktes ideologisches Feindbild oder kann sich Rassismus auch in Bezug auf das konkrete Lebensumfeld von Tätern entwickeln und damit Züge eines individuellen rassistischen Feindbilds tragen? Aus Sicht des BayLfV dienen Feindbilder extremistischen Gruppierungen als verbindendes Element. Sie dienen der Einigung als „Hassgemeinschaft“ und der Projektion individuellen Hasses auf ein von vielen geteiltes Feindbild. Auch Einzeltäter greifen auf bekannte Feindbilder zurück. Belastbare Aussagen darüber, ob es individuelle Feindbilder gibt, die dem konkreten Lebensumfeld von Tätern entstammen und die in keiner extremistischen Ideologie begründet sind, kann das BayLfV nicht treffen. 8.3 Inwiefern kann es aus Sicht des BayLfV auch eine individuelle, beispielsweise rassistische oder salafistische, Radikalisierung von Einzeltätern geben , ohne dass diese konkret an extremistische Gruppierungen oder Ideologien angebunden sind? Radikalisierung verläuft in einem Prozess in verschiedenen Phasen. Jeder solche Radikalisierungsprozess ist individuell . Es gibt kein allgemeingültiges Muster. Ein Radikalisierungsprozess kann, muss aber nicht zu Extremismus oder gar Gewalt führen. Bei einer individuellen Radikalisierung von Einzeltätern kann, muss aber nicht zwangsläufig eine konkrete Anbindung an extremistische Gruppierungen oder Ideologien gegeben sein.