Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Christoph Rabenstein SPD vom 23.01.2018 „Rechts- und Grauzonenrock“-Konzerte in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über aktive Rechtsrock- und Grauzonenrock-Gruppen im Freistaat ? b) Welche regionalen Schwerpunkte für Rechtsrock- oder Grauzonenrock-Konzerte gibt es im Freistaat? c) Wie bewertet die Staatsregierung die einzelnen Rechtsrock- und Grauzonenbands? 2. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung, ob Mitglieder von Rechtsrock- und Grauzonenrock-Gruppen in der Vergangenheit strafrechtlich auffällig geworden sind? b) Welche strafrechtlichen Vergehen wurden auf Rechtsrock - oder Grauzonenrock-Konzerten in den vergangenen fünf Jahren insgesamt festgestellt (aufgeteilt nach Datum, Ort, Art des Vergehens)? 3. a) Welche Konzerte von Rechtsrock- oder Grauzonenrock -Gruppen sind in den vergangenen fünf Jahren vom Staatsschutz/Polizei beobachtet worden (Datum, Ort, Veranstalter)? b) Steht der bayerische Verfassungsschutz in Kontakt mit dem Verfassungsschutz aus Sachsen und Thüringen, wenn Konzerte von bekannten Rechtsrock- oder Grauzonenrock -Gruppen im Freistaat stattfinden? 4. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu den Rechtsrock- und Grauzonenrock-Gruppen „Bombecks “ aus Eisenach und „Roials“ aus Dresden, die am 27.01.in Pegnitz auf einer „Privatveranstaltung“ des Vereins „Rock-Society e. V.“ auftreten sollten? b) Wie bewertet es die Staatsregierung, dass Tonträger der Band „Bombecks“ beim rechtsextremistischen Label DIM Records in Ebersdorf bei Coburg veröffentlicht worden sind, dessen Inhaber in der Vergangenheit bei der Untergruppierung der NPD, der JN, aktiv war? 5. a) Wie bewertet es die Staatsregierung, dass ein Mitglied der Band „Roials“ ebenfalls Mitglied der Band „Kraft durch Froide“ ist, die als rechtextrem gilt und von der einige Werke von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften aufgrund ihrer verfassungsfeindlichen und ausländerfeindlichen Texte indiziert wurden? b) War A. P., der die Band 1999 neu gründete, Mitglied in den verbotenen neonazistischen Organisationen „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ und „Nationalistische Front“? 6. Wie bewertet es die Staatsregierung, dass augenscheinlich unpolitische Kulturvereine Rechtsrock- und Grauzonenrock-Gruppen zu Veranstaltungen einladen und diese Konzerte – die zwar öffentlich vom Veranstalter in den sozialen Netzwerken beworben werden, für die man Eintrittskarten kaufen kann und die als offizielle Auftritte der Bands im Internet beworben werden – dann als Privatveranstaltung deklarieren? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 27.02.2018 Vorbemerkung: Der Aufgabenkreis des Landesamtes für Verfassungsschutz (BayLfV) wird in Art. 3 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) festgelegt. Dazu zählen die in § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) bezeichneten Aufgaben (Art. 3 Satz 1 BayVSG). Dabei finden Begriffsbestimmungen des BVerfSchG Anwendung (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayVSG). Dem BayLfV obliegt beispielsweise gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen , insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über Bestrebungen , die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung , den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben. Als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind solche politisch bestimmten , ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss anzusehen, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen (§ 4 Abs. 1 Buchst. c BVerfSchG). Daher kann zu Bands und Gruppierungen, die nicht als extremistisch bewertet werden – also Grauzonen-Gruppen – keine Auskunft im Sinne dieser Anfrage gegeben werden. 1. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über aktive Rechtsrock- und Grauzonenrock-Gruppen im Freistaat? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/21014 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21014 Derzeit sind folgende zehn aktive rechtsextremistische Bands in Bayern bekannt: – Burning Hate (Oberfranken), – Kodex Frei (Raum Kempten), – Eskalation (Raum Hof), – Faustrecht (Raum Mindelheim), – MPU (Raum Hof), – Nordwind (Raum Forchheim), – Prolligans (Raum Allgäu), – Schanddiktat (Raum Dillingen a. d. Donau), – Sturmtrupp (Neuburg a. d. Donau), – White Rebel Boys (Raum Hof). b) Welche regionalen Schwerpunkte für Rechtsrockoder Grauzonenrock-Konzerte gibt es im Freistaat ? Das strikte Vorgehen der bayerischen Sicherheitsbehörden führt dazu, dass viele Musikveranstaltungen nicht mehr in Bayern, sondern in benachbarten Regionen durchgeführt werden. In den letzten fünf Jahren fanden nur noch wenige Rechtsrockkonzerte in Bayern statt (vgl. auch Antwort auf die Frage 3 a). Ein regionaler Schwerpunkt konnte bei diesen Konzerten nicht festgestellt werden. c) Wie bewertet die Staatsregierung die einzelnen Rechtsrock- und Grauzonenbands? Das BayLfV bewertet Bands anhand ihrer Mitglieder, der veröffentlichten Lieder, der Konzerte samt Publikum sowie deren Szenebindung. Erst wenn sich aus der Gesamtschau der vorliegenden Erkenntnisse hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung ergeben, werden Musikgruppen als rechtsextremistischer Personenzusammenschluss (Band) beobachtet. Das BayLfV bewertet die in der Antwort auf die Frage 1 a genannten aktiven Bands sowie die derzeit inaktiven Bands Hard as nails (Raum Allgäu), National born haters (Neu-Ulm) und Untergrundwehr (Würzburg) als rechtsextremistisch . Sie entstammen dem Genre des Rechtsrock bzw. Rock against Communism (RAC) oder Hatecore. Diese Bands haben ihren Ursprung oftmals in der rechtsextremistischen Skinheadszene. 2. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung, ob Mitglieder von Rechtsrock- und Grauzonenrock- Gruppen in der Vergangenheit strafrechtlich auffällig geworden sind? b) Welche strafrechtlichen Vergehen wurden auf Rechtsrock- oder Grauzonenrock-Konzerten in den vergangenen fünf Jahren insgesamt festgestellt (aufgeteilt nach Datum, Ort, Art des Vergehens )? Die aus den Fallzahlendatenbanken des Landeskriminalamtes erhobenen Rechercheergebnisse basieren auf den KTA-PMK-Meldungen (Kriminaltaktische Anfrage in Fällen der Politisch Motivierten Kriminalität) der örtlich zuständigen Staatsschutzdienststellen der Bayerischen Polizei, die im Wege des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch Motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) dem Landeskriminalamt übermittelt wurden. Der KPMD-PMK enthält jedoch keine Datenfelder, welche eine Zuordnung von Straftaten, die durch Mitglieder von Musikgruppen im Sinne der Fragestellung begangen wurden, ermöglichen. Eine Recherche nach Musikveranstaltungen im Allgemeinen wäre allerdings – aufgrund der vielfältigen (Kombinations -)Möglichkeiten von Suchbegriffen – nicht zielführend. Insofern ist eine valide Aussage im Sinne der Fragestellungen nicht möglich. 3. a) Welche Konzerte von Rechtsrock- oder Grauzonenrock -Gruppen sind in den vergangenen fünf Jahren vom Staatsschutz/Polizei beobachtet worden (Datum, Ort, Veranstalter)? Der Staatsregierung liegen Erkenntnisse zu folgenden Rechtsrockkonzerten in den vergangen fünf Jahren vor: – 12.10.2013 Scheinfeld, Veranstalter: Patrick Schröder – 03.05.2014 Zellingen, Veranstalter: Privatperson – 26.07.2014 Zellingen, Veranstalter: k. A. – 21.03.2015 Schöllnach, Veranstalter: Privatperson – 29.08.2015 Roden-Ansbach, Veranstalter: k. A. – 25.03.2017 Krumbach: Veranstalter: Voice of Anger – 13.01.2018 Wachenroth, Veranstalter: Privatperson Darüber hinaus wird auf die Vorbemerkung verwiesen. b) Steht der bayerische Verfassungsschutz in Kontakt mit dem Verfassungsschutz aus Sachsen und Thüringen, wenn Konzerte von bekannten Rechtsrock - oder Grauzonenrock-Gruppen im Freistaat stattfinden? Ja. Sollten die Landesämter für Verfassungsschutz in Sachsen und Thüringen Kenntnis von in Bayern geplanten Veranstaltung erlangen, wird das BayLfV frühzeitig in geeigneter Weise unterrichtet. Die Unterrichtung beinhaltet auch Informationen , soweit vorhanden, zur Mobilisierungsbreite, (voraussichtlichen ) Teilnehmern aus Thüringen und Sachsen, Anreisewegen und -zeiten, Gewaltbereitschaft etc. Ziel der Unterrichtung ist es, die zuständigen bayerischen Behörden frühzeitig in die Lage zu versetzen, im eigenen Ermessen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit treffen zu können. 4. a) Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung zu den Rechtsrock- und Grauzonenrock-Gruppen „Bombecks“ aus Eisenach und „Roials“ aus Dresden , die am 27.01. in Pegnitz auf einer „Privatveranstaltung “ des Vereins „Rock-Society e. V.“ auftreten sollten? Bei den Bands „Bombecks“ und „Roials“ handelt es sich um Skinheadbands, die der Musikrichtung des Oi! zugerechnet werden können. Die Band „Bombecks“ stammt aus Thüringen , die Band „Roials“ aus Sachsen. Sie sind nach eigener Bewertung des BayLfV eher als Oi!-Skinheadbands zu betrachten , die grundsätzlich nicht dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag unterliegen. Relevante Bezüge nach Bayern Drucksache 17/21014 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ergeben sich bei den Bands Bombecks und Roials aufgrund der teilweisen Veröffentlichung der Musik über das bekannte rechtsextremistische Label DIM Records in Coburg. Eine Bewertung, ob hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung bei den beiden Bands vorliegen, obliegt den zuständigen Landesämtern für Verfassungsschutz in Thüringen und Sachsen. b) Wie bewertet es die Staatsregierung, dass Tonträger der Band „Bombecks“ beim rechtsextremistischen Label DIM Records in Ebersdorf bei Coburg veröffentlicht worden sind, dessen Inhaber in der Vergangenheit bei der Untergruppierung der NPD, der JN, aktiv war? Die Veröffentlichung von Tonträgern bei einem rechtsextremistischen Vertrieb und Versandhandel ist ein Anhaltspunkt, der in die Bewertung, ob eine Band als rechtsextremistisch gilt, einfließt. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 4 a verwiesen. 5. a) Wie bewertet es die Staatsregierung, dass ein Mitglied der Band „Roials“ ebenfalls Mitglied der Band „Kraft durch Froide“ ist, die als rechtextrem gilt und von der einige Werke von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften aufgrund ihrer verfassungsfeindlichen und ausländerfeindlichen Texte indiziert wurden? Auch diese Frage fließt in die Bewertung, ob eine Band als rechtsextremistisch gilt, mit ein. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 4 a verwiesen. b) War A. P., der die Band 1999 neu gründete, Mitglied in den verbotenen neonazistischen Organisationen „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ und „Nationalistische Front“? Dem BayLfV liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Anfrage vor. 6. Wie bewertet es die Staatsregierung, dass augenscheinlich unpolitische Kulturvereine Rechtsrockund Grauzonenrock-Gruppen zu Veranstaltungen einladen und diese Konzerte – die zwar öffentlich vom Veranstalter in den sozialen Netzwerken beworben werden, für die man Eintrittskarten kaufen kann und die als offizielle Auftritte der Bands im Internet beworben werden – dann als Privatveranstaltung deklarieren? Für Vergnügungsveranstaltungen enthält Art. 19 Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) nähere rechtliche Vorgaben. Für die Beurteilung der Öffentlichkeit einer solchen Veranstaltung sind nicht die Angaben des Veranstalters, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Entscheidend ist danach etwa, ob der Teilnehmerkreis konkret abgegrenzt ist oder grundsätzlich jedermann Zutritt erhalten kann. Zur Abwehr von Gefahren u. a. für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft können die Gemeinden Anordnungen für den Einzelfall für die Veranstaltung öffentlicher und sonstiger Vergnügungen treffen (Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG). Wenn Anordnungen zur Gefahrenabwehr im jeweiligen Fall nicht ausreichen oder die Veranstaltung sonstige öffentlichrechtliche Vorschriften verletzt, kann eine Vergnügungsveranstaltung auch untersagt werden. Wann die Untersagung einer Vergnügungsveranstaltung rechtlich zulässig ist, entzieht sich damit einer pauschalen Beurteilung und bedarf – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Für Veranstaltungen, die keine „Vergnügungen“ im Sinne des Art. 19 LStVG sind, gelten die allgemeinen Befugnisse des Polizei- und Sicherheitsrechts, also insbesondere die Befugnis der Polizei bzw. der Sicherheitsbehörden, (vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Bestimmungen) zur Abwehr von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Einzelfall die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr im Jahr 2014 einen umfassenden Leitfaden zum Umgang mit sog. Rechtsrockkonzerten und vergleichbaren Veranstaltungen herausgegeben hat. Darin werden die in diesem Zusammenhang relevanten Rechtsfragen (auch außerhalb des allgemeinen Sicherheitsrechts) in komprimierter Form dargestellt sowie konkrete Handlungsempfehlungen gegeben.