Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze, Ulrich Leiner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 25.01.2018 Arzneimittelmissbrauch in Bayern Wir fragen die Staatsregierung: 1.1 Wie viele Menschen in Bayern sind von Arzneimitteln und speziell von Benzodiazepinen und Opioiden (wie z. B. Fentanyl) abhängig? 1.2 Welche Menschen bzw. Gruppen sind am meisten betroffen (bitte Alter, Geschlecht, evtl. andere Merkmale auflisten)? 1.3 Welche Stoffe bzw. Arzneimittel werden am häufigsten in Bayern missbraucht? 2.1 Wie viele Menschen sind aufgrund des Medikamentenmissbrauchs und speziell aufgrund des Benzodiazepine -Missbrauchs oder des Missbrauchs von Opioiden sowie aufgrund des gleichzeitigen Konsums der beiden Arzneimittel seit 2012 in Bayern gestorben (bitte jährlich getrennt auflisten)? 2.2 Wie stellt sich die Situation in Bayern nach Kenntnis der Staatsregierung im Vergleich zu anderen Bundesländern dar? 3.1 Sieht die Staatsregierung in diesem Bereich eine Fehlsteuerung (z. B. die Patientinnen und Patienten besorgen sich ein Privatrezept bei verschiedenen Ärztinnen und Ärzten) bzw. fehlende Sensibilisierung der Ärztinnen und Ärzte, die diese Stoffe immer wieder, manchmal auch in der Kombination, verordnen? 3.2 Und, falls ja, wie soll gegengesteuert werden? 4.1 Hält die Staatsregierung aufgrund des Medikamentenmissbrauchs das derzeitige Neue-psychoaktive-Stoffe -Gesetz oder evtl. andere Gesetze für reformbedürftig ? 4.2 Falls ja, in welcher Richtung soll dieses bzw. die anderen Gesetze überarbeitet werden? 5.1 Wie viele Ermittlungsverfahren und Sicherstellungsfälle gab es in letzten fünf Jahren in Bayern aufgrund von Missbrauch von Benzodiazepinen und Opioiden (bitte nach Jahren einzeln auflisten)? 5.2 Hat die Staatsregierung darüber Kenntnis, wie sich die Situation in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern darstellt? 6.1 Welche Wege nutzen die Konsumentinnen und Konsumenten bei der Beschaffung von Benzodiazepinen und Opioiden? 6.2 Hat die Staatsregierung darüber Kenntnis, welche Rolle das Darknet bei der Arzneimittelsucht spielt? 7.1 Welche Präventionsprogramme gibt es in Bayern, die auf die Suchtgefahr von bestimmten Arzneimitteln sowie auf den Arzneimittelmissbrauch aufmerksam machen ? 7.2 Hält die Staatsregierung diese Programme für wirksam und ausreichend? 7.3 Wie werden Ärztinnen und Ärzte und Apothekerinnen und Apotheker diesbezüglich sensibilisiert? 8.1 Welche zielgruppenspezifischen Programme und Beratungsmöglichkeiten gibt es derzeit in Bayern, die helfen sollen, Menschen aus der Arzneimittelsucht zu helfen? 8.2 Hält die Staatsregierung diese Programme bzw. Beratungsmöglichkeiten für wirksam und ausreichend? 8.3 Wie bewertet die Staatsregierung den Zugang zu diesen Programmen bzw. Beratungsmöglichkeiten in Hinsicht auf „richtige“ Risikogruppen und die Entfernung zum Wohnort? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und dem Staatsministerium der Justiz vom 27.02.2018 1.1 Wie viele Menschen in Bayern sind von Arzneimitteln und speziell von Benzodiazepinen und Opioiden (wie z. B. Fentanyl) abhängig? Das Jahrbuch Sucht 2017 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) schätzt die Zahl der Arzneimittelabhängigen in Deutschland auf bis zu 1,9 Millionen, also 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Übertragen auf Bayern wären dies schätzungsweise bis zu 300.000 Betroffene. Anhand von Absatzzahlen aus dem Jahr 2015 hat die DHS berechnet, dass bundesweit zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Menschen abhängig von der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine sein sollen. Übertragen auf Bayern wären dies zwischen 190.000 und 240.000 Personen. Opiode, also aus Opium gewonnene oder (halb)synthetisch hergestellte Arzneimittel (z. B. Tramadol oder Fentanyl ), können eine Suchterkrankung auslösen bzw. als Suchtmittel missbraucht werden. Zur Anzahl der von Opioid- Arzneimitteln abhängigen Menschen in Bayern liegen kei- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 19.04.2018 Drucksache 17/21032 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21032 ne Daten vor. Eine Expertenkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte bezeichnete das Missbrauchsrisiko für Tramadol und Tilidin in Deutschland als gering (vgl. Radbruch L, Glaeske G, Topical review on the abuse and misuse potential of Tramadol and Tilidine in Germany, Subst Abus 2013). Das verschreibungsfähige Betäubungsmittel Fentanyl wird in Bayern vor allem von i. V.-Drogennutzern missbräuchlich verwendet (Fentanyl in Europe, EMCDDA 2012). 1.2 Welche Menschen bzw. Gruppen sind am meisten betroffen (bitte Alter, Geschlecht, evtl. andere Merkmale auflisten)? Laut dem Jahrbuch Sucht 2017 sind von einer Arzneimittelabhängigkeit am häufigsten Frauen im höheren Lebensalter betroffen. Dementsprechend sind die Hauptrisikogruppen für Arzneimittelabhängigkeit Frauen (Prävalenz einer Arzneimittelabhängigkeit etwa doppelt so hoch wie bei Männern ) und ältere Menschen ab 65 Jahren (Prävalenz von 6 Prozent vs. 2,5 Prozent in der Gesamtbevölkerung). Weitere Gruppen mit erhöhten Prävalenzen für eine Arzneimittelabhängigkeit sind insbesondere – Jugendliche und junge Erwachsene, die Drogen ausprobieren , – beruflich stark belastete Menschen, – Sporttreibende, die Doping zur Leistungssteigerung nutzen , – Menschen mit Essstörungen, insbesondere Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren, und – Alkoholabhängige (z. B. zum Versuch des Selbstentzugs oder als Ersatzdroge). 1.3 Welche Stoffe bzw. Arzneimittel werden am häufigsten in Bayern missbraucht? In der Suchtmedizinischen Reihe, Band 5: „Medikamentenabhängigkeit “ der DHS sind nur bundesweite Daten zum Missbrauch von Arzneimitteln veröffentlicht. Speziell für Bay ern liegen der Staatsregierung keine Daten vor, daher wird im Folgenden auf die bundesweiten Daten zurückgegriffen : Die DHS geht davon aus, dass etwa 70 Prozent aller Arzneimittelabhängigkeiten in Deutschland auf einen unsachgemäßen Gebrauch von Benzodiazepinen und deren Analoga (Arzneimittel mit einer anderen chemischen Struktur, aber vergleichbarer Wirkung, z. B. die „Z-Drugs“ Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon) zurückzuführen sind. Da alle Benzodiazepine (und Z-Drugs) in ihrer Wirkung ähnlich sind, können die verkauften Packungsmengen einen Hinweis darauf geben, welche Präparate dieser Arzneimittelgruppe möglicherweise besonders häufig eine Abhängigkeit begründen. So handelte es sich im Jahr 2015 bei knapp einem Viertel aller verkauften Benzodiazepine um das Präparat Tavor® (Wirkstoff: Lorazepam). Auf der Liste der meistverkauften Benzodiazepine bzw. Z-Drugs folgen (Wirkstoffe in Klammern ): Diazepam ratiopharm® (Diazepam), Bromazanil® (Bromazepam), Oxazepam ratiopharm® (Oxazepam) und Lorazepam Dura® (Lorazepam). Bei allen Wirkstoffen ist das Missbrauchs-/Abhängigkeitspotenzial sehr hoch (Institut für medizinische Statistik, 12/2015: Der Pharmazeutische Markt Deutschland, 2015, Frankfurt am Main, in: Jahrbuch Sucht 2017, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.). Daneben gibt eine Reihe weiterer Arzneimittelklassen bzw. Arzneimittel, die in Deutschland häufig missbräuchlich konsumiert werden (Suchtmedizinische Reihe, Band 5: „Medikamentenabhängigkeit “, 2013, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.): – nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel, – Nasensprays bzw. -tropfen, – Opiate und Opioide, – Ephedrin, – Amphetamine, – anabole Steroide, – verschreibungspflichtige Appetitzügler, – Narkosemittel in frei verkäuflichen Produkten (Gase, z. B. in Farben), – Laxantien, – Antihistaminika, – Antidepressiva, – Diuretika und – Clomethiazol. 2.1 Wie viele Menschen sind aufgrund des Medikamentenmissbrauchs und speziell aufgrund des Benzodiazepine -Missbrauchs oder des Missbrauchs von Opioiden sowie aufgrund des gleichzeitigen Konsums der beiden Arzneimittel seit 2012 in Bayern gestorben (bitte jährlich getrennt auflisten)? 2.2 Wie stellt sich die Situation in Bayern nach Kenntnis der Staatsregierung im Vergleich zu anderen Bundesländern dar? Die Anzahl der Menschen in Bayern, die seit 2012 jährlich infolge von Medikamentenmissbrauch gestorben sind, ist unbekannt. Die Todesursachenstatistik weist diese Fälle nicht aus. Entsprechend liegen der Staatsregierung auch keine länderdifferenzierten Daten vor. 3.1 Sieht die Staatsregierung in diesem Bereich eine Fehlsteuerung (z. B. die Patientinnen und Patienten besorgen sich ein Privatrezept bei verschiedenen Ärztinnen und Ärzten) bzw. fehlende Sensibilisierung der Ärztinnen und Ärzte, die diese Stoffe immer wieder, manchmal auch in der Kombination, verordnen? 3.2 Und, falls ja, wie soll gegengesteuert werden? Eine Verordnung von Arzneimitteln, die unter die Betäubungsmittel -Verschreibungsverordnung (BtMVV) fallen, darf – gesetzlich geregelt – nicht über Privatrezepte, sondern ausschließlich über gesondert registrierte Betäubungsmittelrezepte erfolgen. Auch ist bei der Verordnung von Betäubungsmitteln (gemäß § 5b BtMVV) eine Meldung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verpflichtend . Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) weist auf ihrer Homepage u. a. auf die Gefahr hin, dass sich Versicherte Suchtmittel wie Fentanyl erschleichen, und gibt entsprechende Ratschläge, wie ein wirklicher Notfall von einem Missbrauch zu unterscheiden ist. Darüber hinaus informiert die KVB ihre Vertragsärzte über Arzneimittel und deren Wirkungen und Nebenwirkungen. Dies betrifft auch Hinweise auf die Arzneimittelrichtlinien, nach denen z. B. die Verordnung von Hypnotika und Sedativa grundsätzlich nur bis zu einer Dauer von vier Wochen erlaubt ist. Für die Hauptanwendungsgebiete von opiodhaltigen Arzneimitteln und Benzodiazepinen (Schmerztherapie bei starken bis stärksten Schmerzen, Schlafstörungen und verschiedene neurologische und psychische Erkrankungen) existieren Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Drucksache 17/21032 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Fachgesellschaften, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren beruhen . Grundsätzlich bleibt es der Therapiefreiheit der Ärztinnen und Ärzte überlassen, ob und inwieweit sie dennoch von den Empfehlungen im Einzelfall abweichen. Im Zusammenhang mit der Frage zur Sicherheit der Arzneimitteltherapie wird auf die Aktionspläne zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) verwiesen . Die Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplans AMTS wird durch eine Koordinierungsgruppe bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) gewährleistet , in der maßgebliche Verbände sowie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vertreten sind, z. B. die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA), der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA), die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS), die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG), der Deutsche Pflegerat e. V. (DPR), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Patientenverbände . Bislang vier Aktionspläne (2008/2009, 2010–2012, 2013–2015, 2016-2019) fördern den sicheren Umgang mit Arzneimitteln unter Mitwirkung aller Beteiligten (https://www. akdae.de/AMTS/Aktionsplan/index.html, aufgerufen am 12.02.2018). Derzeit sind aus Sicht der Staatsregierung keine weiteren Maßnahmen erforderlich. 4.1 Hält die Staatsregierung aufgrund des Medikamentenmissbrauchs das derzeitige Neue-psychoaktive -Stoffe-Gesetz oder evtl. andere Gesetze für reformbedürftig? 4.2 Falls ja, in welcher Richtung soll dieses bzw. die anderen Gesetze überarbeitet werden? Das Neue-psychoaktive-Stoffe Gesetz (NpSG), das am 26.11.2016 in Kraft getreten ist, wird derzeit evaluiert. Die Ergebnisse dieser Evaluation sollten abgewartet werden (vgl. Bekanntmachung zur „Evaluation zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG)“ vom 17.01.2017). Weitere einschlägige gesetzliche Regelungen zur Verschreibung von Arzneimitteln und Betäubungsmitteln, u. a. das Arzneimittelgesetz (AMG) und das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV), werden laufend den neuesten Erkenntnissen angepasst. Die Staatsregierung hält eine Reform derzeit nicht für erforderlich. 5.1 Wie viele Ermittlungsverfahren und Sicherstellungsfälle gab es in letzten fünf Jahren in Bayern aufgrund von Missbrauch von Benzodiazepinen und Opioiden (bitte nach Jahren einzeln auflisten )? Entsprechende Erkenntnisse liegen der Staatsregierung nicht vor. 5.2 Hat die Staatsregierung darüber Kenntnis, wie sich die Situation in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern darstellt? Da bereits Frage 5.1 nicht beantwortet werden kann, kann zwangsläufig auch zu Frage 5.2 nichts beigetragen werden. 6.1 Welche Wege nutzen die Konsumentinnen und Konsumenten bei der Beschaffung von Benzodiazepinen und Opioiden? Gemäß Angaben des Landeskriminalamts (BLKA) bedienen sich Konsumenten und Konsumentinnen zur Erlangung von Benzodiazepinen und Opioden als Suchtmittel verschiedenster Möglichkeiten, z. B.: – missbräuchliche Verwendung von verschriebenen Medikamenten , – Verschreibenlassen unter vorgetäuschter medizinischer Notwendigkeit, – illegale Weitergabe von verschriebenen Medikamenten bzw. Handel mit solchen, – Erwerb im Internet/Darknet, – Beschaffung von reinen Wirkstoffen über Internet/ Darknet, – Diebstahl von Rezepten und -vordrucken sowie deren Fälschung und – Diebstahl von Arzneimitteln in Apotheken, Arztpraxen oder ähnlichen Einrichtungen. 6.2 Hat die Staatsregierung darüber Kenntnis, welche Rolle das Darknet bei der Arzneimittelsucht spielt? Dem BLKA liegen aus verschiedenen nationalen und internationalen Ermittlungsverfahren allgemeine Erkenntnisse über den Handel mit Arzneimitteln im sogenannten Darknet vor. So konnte in einem zurückliegenden Verfahren gegen den Darknet-Handelsplatz „Silk Road“ zwischen 05.06.2011 und 01.10.2013 der Versand von insgesamt ca. 38 kg an Inhaltsstoffen in Pulverform sowie ca. 500.000 Tabletten, welche unter das Arzneimittelgesetz fielen, nach Deutschland festgestellt werden. Dies entspricht einem Anteil von ca. 5–8 Prozent am Gesamthandelsvolumen von Betäubungsmitteln über die Plattform „Silk Road“, das im o. g. Zeitraum ca. 800 kg betrug. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Arzneimittel und vergleichbare Stoffe im Regelfall mit erheblich höherem Wirkstoffgehalt als klassische Betäubungsmittel gehandelt werden, sodass der Anteil am Gesamthandelsvolumen aus Sicht des BLKA erheblich höher anzusetzen sein dürfte. 7.1 Welche Präventionsprogramme gibt es in Bayern, die auf die Suchtgefahr von bestimmten Arzneimitteln sowie auf den Arzneimittelmissbrauch aufmerksam machen? Generell ist es Aufgabe der betroffenen Heilberufe, im Rahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention möglichem Arzneimittelmissbrauch vorzubeugen und diesen zu erkennen. Im Rahmen der Berufsausbildung, in der Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekern und Apothekerinnen wird auf präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Arzneimittelmissbrauch im Allgemeinen und auf die relevanten Arzneimittel(gruppen) eingegangen. Zu der Prävention von Arzneimittelmissbrauch hat die bay erische Ärzte- und Apothekerschaft zudem folgende speziellen Präventionsprogramme entwickelt: – Die gemeinsame Kommission „Prävention“ von Bayerischer Landesärztekammer (BLÄK) und KVB hat das Programm „Arzt in der Schule“ entwickelt. Schulen haben die Möglichkeit, im Rahmen der „Woche der Gesundheit und Nachhaltigkeit“ an bayerischen Schulen ärztliche Referenten für Informationsstunden anzufragen. Hierzu sind Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21032 Modellvorträge auf der Homepage der BLÄK eingestellt, die von Ärzten kostenfrei heruntergeladen werden können . Ein Modellvortrag hat Doping zum Thema. – Seit vielen Jahren gibt es die Zusammenarbeit der BLÄK mit der Selbsthilfekoordination Bayern. Die Ärzte und Ärztinnen werden über das Bayerische Ärzteblatt und die Homepage zu den jährlich stattfindenden Selbsthilfekonferenzen zu „Sucht und Gesundheit“ informiert. – Das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG) der Bayerischen Landesapothekerkammer bietet deren Mitgliedern u. a. folgende Materialien an: Vortragsmaterialien für das Projekt „Apotheke und Schule“ Themen: A. Doping für den Alltag – Lifestyle-Pillen für jede Lebenslage ? B. Auf Leistung getrimmt? – Zielgruppe Kinder, Jugendliche , Eltern, Schüler In der Rubrik „Nutzen und Risiken von Arzneimitteln“ auf der WIPIG-Website wird ein Laien-Vortrag mit dem Titel „Nasenspray, Schmerztabletten & Co., Nutzen und Risiken der Anwendung“ zur Verfügung gestellt, der für Veranstaltungen der Apotheken oder im Rahmen von Aktionen zur betrieblichen Gesundheitsförderung verwendet werden kann. Dieser kann auch in Senioreneinrichtungen , für Vereine, Selbsthilfegruppen und andere Gruppierungen angeboten werden. Der Vortrag zeigt Gefahren des Arzneimittelmissbrauchs und Präventionsmaßnahmen auf. – In derselben Rubrik der WIPIG werden weitere Materialien wie ein Schmerztagebuch, Postervorlagen, der „Kurzfragebogen für Medikamentengebrauch nach Watzl“ sowie die Adressen der bayerischen Suchtberatungsstellen und andere Materialien zur Verfügung gestellt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet für Lehrkräfte drei umfangreiche Materialsammlungen zum Thema „Arzneimittel – Materialien für die Suchtprävention in den Klassen 5–10“ an, die von bayerischen Lehrkräften genutzt werden können (https://www.bzga.de/bot med_20430000.html, aufgerufen am 15.02.2018). Folgende Themenschwerpunkte und Fragen werden aufgegriffen: – Klassen 5 und 6: Schwerpunkt Schmerzmittel, – Klassen 7 und 8: Stress/Beruhigungsmittel, – Klassen 9 und 10: Leistung/Leistungssteigerung durch Doping-Substanzen. 7.2 Hält die Staatsregierung diese Programme für wirksam und ausreichend? Die Maßnahmen sind aus Sicht der Staatsregierung ausreichend . 7.3 Wie werden Ärztinnen und Ärzte und Apothekerinnen und Apotheker diesbezüglich sensibilisiert? Zum Thema Arzneimittelmissbrauch und Abhängigkeit von Arzneimitteln wurden in Bayern in den vergangenen Jahren zahlreiche Informationsveranstaltungen und Angebote im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Angehörigen der Heilberufe durchgeführt: – Die Bayerischen Landesärzte- und Landesapothekerkammern veranstalten in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Suchtfragen (BAS) zweimal jährlich „Suchtforen“, die sich insbesondere an Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten richten. Bei diesen Suchtforen werden u. a. Strategien zum Umgang mit Medikamentenabhängigkeit thematisiert . Explizit beschäftigten sich folgende Veranstaltungen mit Arzneimittelmissbrauch: 2003 Arzneimittelabhängigkeit 2007 Lebensstil und Sucht – Schöner Schneller Besser Jünger – zu welchem Preis? 2008 Mann SUCHT Frau – Geschlechtsspezifische Aspekte der Sucht 2009 Jugend und Sucht 2011 Vom Tüchtigen zum Süchtigen … arbeitsmüde , erschöpft und ausgebrannt: Arbeiten, bis die Helfer kommen! 2012 Ältere Süchtige – Süchtige Ältere 2016 Schmerz und Sucht: Schmerz(medizin) trifft Sucht(medizin) – Schmerzmittel zwischen Fluch und Segen?! 2017 Von der Schlafstörung über Schlafmittel zur Sucht?! Erkennen, begleiten → erholsamer Schlaf! – Jährlich findet der „Interdisziplinäre Kongress für Suchtmedizin “ in München statt. Veranstalter sind die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS), die Österreichische Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkrankheit (ÖGABS) und die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM). – Die BLÄK bietet regelmäßig Fortbildungen gemäß dem Curriculum der Bundesärztekammer (2010) „Suchtmedizinische Grundversorgung“ an. Dabei geht es auch darum , möglichst viele Ärztinnen und Ärzte für Arzneimittel-/ Genussmittelmissbrauch zu sensibilisieren. – Im Zeitraum von Anfang 2015 bis Ende 2017 gelangten der BLÄK rund 930 Fortbildungen der ärztlichen Kreisund Bezirksverbände zum Thema „Sucht“ zur Kenntnis, bei denen das Thema „Arzneimittelmissbrauch“ thematisiert wurde. Speziell unter dem Thema „Medikamentenabhängigkeit “ wurden dabei zehn Veranstaltungen in dem genannten Zeitraum bei der BLÄK zur Fortbildungspunktezuerkennung eingereicht. – Die BLÄK veranstaltet selbst regelmäßig Fortbildungen gemäß (Muster-)Kursbuch der Bundesärztekammer „Notfallmedizin“ (Stand: 20.01.2006, überarbeitet 17.01.2014). Hier liegt im sog. Block B 2 der besondere Fokus auf den Themenschwerpunkten „Intoxikation und Drogennotfälle“ sowie „Psychiatrische Notfälle“; dabei wird auch der ärztliche Umgang mit Medikamentenabhängigkeit thematisiert. – Des Weiteren wird „Arzneimittelmissbrauch“ bei den BLÄK-Seminaren „Risikomanagement“ sowie „Wiedereinstieg “ aufgegriffen. – Im Bayerischen Ärzteblatt, dem Zentralorgan der BLÄK, erschienen unter anderem folgende Beiträge zum Thema Arzneimittelmissbrauch: - Berichte über alle Suchtforum-Veranstaltungen; - Fentanyl: eine neue Modedroge? (S. 46, 1–2/2014); Drucksache 17/21032 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 - Missbrauch von Fentanyl-Pflastern (S. 212, 5/2017); - Neues aus der klinischen Toxikologie (S. 360, 7–8/2010); - Neues aus der Suchtmedizin (S. 520, 10/2012); - Praxisbeispiel aus der Substitutions-Kommission – BTM-Rezept-Versand (S. 537, 10/2012); - Suchtmedizin – ein äußerst interessantes Querschnittsfach (S. 44, 1–2/2014); - Serie: Arzneimittel mit Suchtpotential (ab Heft 4/2007). – Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) bot in der Vergangenheit ebenfalls spezielle Fortbildungen u. a. in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Suchtfragen an. Das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen der BLAK fasst auf seiner Website in der Rubrik „Sucht“ das breite Themenfeld noch einmal zusammen (http://www.wipig.de/materialien/projektedownloads /item/sucht, aufgerufen am 19.02.2018). Auch von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) wurden Projekte durchgeführt und Materialien erarbeitet. 8.1 Welche zielgruppenspezifischen Programme und Beratungsmöglichkeiten gibt es derzeit in Bayern, die helfen sollen, Menschen aus der Arzneimittelsucht zu helfen? – Neben den professionellen Angeboten in Arztpraxen und Apotheken ist in Bayern ein praktisch flächendeckendes Netz an Suchtberatungsstellen etabliert, das niederschwellige Beratungs- und Hilfeangebote für Menschen mit Arzneimittelsucht zur Verfügung stellt. Zudem werden im kommunalen Bereich auch sog. Sucht-Hotlines angeboten . – Betroffene können die vielfältigen und zielgruppenspezifischen Angebote der ambulanten und stationären Suchthilfe nutzen. – Die Qualitätssicherungs-Kommission (QS-Kommission) Substitutionsberatung der BLÄK beschäftigt sich regelmäßig anlassbezogen mit Prävention, Diagnose und Therapie von unter anderem medikamentenbezogenen Suchtthemen (auch in Kombination mit anderen Suchterkrankungen ) sowie im Sinne von Einzelberatungen durch Expertinnen und Experten der QS-Kommission Substitutionsberatung für Praxen, Kliniken und weitere Gesundheitseinrichtungen . – Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat im Jahr 2013 die Ergebnisse des Projekts „Ambulanter Entzug Benzodiazepin-abhängiger Patientinnen und Patienten in Zusammenarbeit von Apotheker und Hausarzt“ veröffentlicht. 8.2 Hält die Staatsregierung diese Programme bzw. Beratungsmöglichkeiten für wirksam und ausreichend ? Aus Sicht der Staatsregierung sind die Programme bzw. Beratungsmöglichkeiten wirksam und ausreichend. 8.3 Wie bewertet die Staatsregierung den Zugang zu diesen Programmen bzw. Beratungsmöglichkeiten im Hinsicht auf „richtige“ Risikogruppen und die Entfernung zum Wohnort? Aufgrund der flächendeckenden Versorgung mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie der hohen Apothekendichte sind in ganz Bayern entsprechende Beratungsmöglichkeiten vorhanden. Ein Überblick über die flächendeckende Versorgung mit Suchtberatungs- und Suchthilfeeinrichtungen ist unter der Internetseite der Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe zu finden: http:// www.kbs-bayern.de/einrichtungen/einrichtungssuche/sucht beratung/, aufgerufen am 19.02.2018. Die Staatsregierung bewertet das Angebot als ausreichend .