Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 23.01.2018 Gefahren durch „Reichsbürger“ in Bayern 2017 Die Zahl der sogenannten Reichsbürger steigt weiter. Im Jahr 2017 sind Presseberichten zufolge – unter Berufung auf Angaben der Verfassungsschutzämter der Bundesländer – bundesweit mehr als 15.600 Verdachtsfälle bekannt geworden (https://www.focus.de/politik/deutschland/ zahl-auf-15-600-gestiegen-verfassungsschutz-reichsbu erger-planen-offenbar-armee-und-bereitensich-auf-tagx -vor_id_8287726.html). Die Zahl der „Reichsbürger“ in Deutschland sei damit um 56 Prozent gestiegen. Anfang 2017 gingen die Sicherheitsbehörden noch von 10.000 Reichsbürgern aus. Die bundesweit größte „Reichsbürger“- Szene würde es nach Pressenangaben in Bayern geben, wo den Behörden 3.500 Reichsbürger bekannt seien. Noch im Oktober 2017 gab das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (StMI) bekannt, dass bislang lediglich mehr als 3.250 Personen in Bayern als „Reichsbürger“ identifiziert wurden. Auch nimmt die Gefährlichkeit der „Reichsbürger“-Bewegung neue Dimensionen an. Nach Angaben aus Verfassungsschutzkreisen planen bewaffnete „Reichsbürger“ den Aufbau einer eigenen Armee. Hierzu hätten sich „Reichsbürger “ aus mehreren Bundesländern bereits konspirativ getroffen und mit dem Aufbau einer entsprechenden militärischen Organisation befasst (https://www.focus.de/politik/ deutschland/zahl-auf-15-600-gestiegen-verfassungsschut zreichsbuerger-planen-offenbar-armee-und-bereiten-sichauf -tag-x-vor_id_8287726.html). Daher frage ich die Staatsregierung: 1.1 Wie viele Personen zählen zur „Reichsbürger“-Szene in Bayern (bitte nach Bezirken, regionalen Schwerpunkten und gegebenenfalls Organisationen oder „Reichsregierungen“ aufgliedern)? 1.2 Wie bewertet die Staatsregierung die Entwicklung der Zahl der „Reichsbürger“ in Bayern, die das StMI im November 2016 lediglich auf mehr als 1.700 Personen geschätzt hatte? 1.3 Welche konkreten Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Veranstaltungen, Demonstrationen oder Aktionen, die im Jahr 2017 von „Reichsbürgern“ organisiert bzw. durchgeführt wurden (bitte unter Angabe des Datums, des Ortes, des Themas, des Veranstalters und der Teilnehmerzahl einzeln und detailliert auflisten )? 2.1 Welche Organisationen und Zusammenschlüsse aus dem Spektrum der „Reichsbürger“-Bewegung sind in Bayern aktiv? 2.2 Wie bewertet die Staatsregierung die „Reichsbürger“- Szene in Bayern und deren derzeitige politisch-ideologische Ausrichtung? 2.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen zwischen der „Reichsbürger“-Bewegung und anderen Akteuren der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene in Bayern – insbesondere zu den Gruppierungen „Der Dritte Weg“, „Die Rechte “, der Identitären Bewegung, zum Bündnis deutscher Patrioten, den verschiedenen PEGIDA-Ablegern oder zur AfD? 3.1 Inwieweit beteiligten sich Angehörige des „Reichsbürger“-Spektrums während der letzten zwei Jahre an fremden- bzw. flüchtlingsfeindlichen Protesten ? 3.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Politisch Motivierte Straftaten von „Reichsbürgern“ in Bayern im Jahr 2017 (KPMD-PMK Oberbegriff „Reichsbürger/Selbstverwalter“; bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirk, Tatort, Datum und Delikt)? 3.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Politisch Motivierte Gewalttaten von „Reichsbürgern“ in Bayern im Jahr 2017 (KPMD-PMK Oberbegriff „Reichsbürger/Selbstverwalter“; bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirk, Tatort, Datum, Delikt und unter Angabe einer jeweils kurzen anonymisierten Sachverhaltsdarstellung )? 4.1 Wie viele Straftaten gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger durch „Reichsbürger“ hat die Bayerische Polizei im Jahr 2017 registriert (bitte nach Regierungsbezirken, dem Ort der Straftat und den jeweiligen Straftatbeständen aufschlüsseln)? 4.2 Wie viele Personen wurden Opfer der durch „Reichsbürger “ begangenen Straftaten nach Fragen 3.2, 3.3. und 4.1 (bitte detailliert angeben)? 4.3 Wie viele der Straftaten nach Fragen 3.2 und 4.1 wurden mit dem Tatmittel „Internet“ begangen? 5.1 Wie bewertet die Staatsregierung das Gewaltpotenzial, das von der „Reichsbürger“-Szene in Bayern bzw. von deren Akteuren ausgeht? 5.2 Wie viele „Reichsbürger“ werden derzeit als „Gefährder “ sowie als „Relevante Personen“ in Bayern eingestuft ? 5.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Aktivitäten der „Reichsbürger“-Bewegung im Internet? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.04.2018 Drucksache 17/21106 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21106 6.1 Sind „Reichsbürger“ aus Bayern am Aufbau der „Reichsbürger“-Armee beteiligt, über die die Presse, wie eingangs erwähnt, Anfang 2018 berichtete? 6.2 Wie bewertet die Staatsregierung die Ziele, den Entwicklungsstand und das Potenzial dieser „Reichsbürger“-Armee? 6.3 Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung vor, dass „Reichsbürger“ aus Bayern den Aufbau sonstiger bewaffneter militärischer oder (rechts)terroristischer Vereinigungen und Operationen in Bayern planen bzw. vorbereiten? 7.1 Wie viele „Reichsbürger“ in Bayern und Personen, die im Verdacht stehen, der „Reichsbürger“-Szene in Bayern anzugehören, verfügten zum 31.12.2017 über eine waffenrechtliche Erlaubnis (Kleiner Waffenschein, Waffenschein und Waffenbesitzkarte; bitte detailliert angeben und nach Regierungsbezirk und Art der waffenrechtlichen Erlaubnis aufschlüsseln)? 7.2 Wie vielen „Reichsbürgern“ haben die bayerischen Behörden im Jahr 2017 die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen und sie entwaffnet (bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirk, Ort und Waffe)? 7.3 Wie viele illegale Waffen haben die bayerischen Behörden bei „Reichsbürgern“ im Jahr 2017 beschlagnahmt ? 8.1 Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen bzgl. (möglicher ) „Reichsbürger“ in den Reihen der Polizei? 8.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche weitere Personen mit „Reichsbürger“-Hintergrund im öffentlichen Dienst (bitte auch den aktuellen Stand der Ermittlungen angeben)? 8.3 Welche Unterstützungsangebote gibt es für Landesund kommunale Behörden im Umgang mit den sogenannten Reichsbürgern? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 05.03.2018 Vorbemerkung: Soweit parlamentarische Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, hat die Staatsregierung zu prüfen, ob und auf welche Weise die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit dem parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann. Die Staatsregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Fragen 6.1, 6.2 und 6.3 aus Geheimhaltungsgründen nicht in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil beantwortet werden können. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt . Die Einstufung der Antworten auf die Fragen 6.1, 6.2 und 6.3 als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – VERTRAULICH“ ist aber im vorliegenden Fall erforderlich. Nach § 7 Nr. 3 Verschlusssachenanweisung für die Behörden des Freistaates Bayern (VS-Anweisung/VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder schädlich sein können, entsprechend einzustufen. Diese Informationen werden daher gemäß § 7 Nr. 3 VSA als „VS – VERTRAULICH“ eingestuft und gemäß § 48 VSA der VS-Registratur der Verwaltung des Landtags gesondert übermittelt. 1.1 Wie viele Personen zählen zur „Reichsbürger“- Szene in Bayern (bitte nach Bezirken, regionalen Schwerpunkten und gegebenenfalls Organisationen oder „Reichsregierungen“ aufgliedern)? Zum Stand 31.12.2017 sind in Bayern etwa 3.850 Personen bekannt, die aufgrund belastbarer Nachweise der sog. Reichsbürger-Szene zugeordnet werden konnten. Die regionale Aufteilung stellt sich wie folgt dar: – Regierungsbezirk Mittelfranken: ca. 580 – Regierungsbezirk Niederbayern: ca. 170 – Regierungsbezirk Oberbayern: ca. 1.530 – Regierungsbezirk Oberfranken: ca. 440 – Regierungsbezirk Oberpfalz: ca. 160 – Regierungsbezirk Schwaben: ca. 670 – Regierungsbezirk Unterfranken: ca. 300 Die aktivste Reichsbürger-Gruppierung innerhalb Bayerns ist der sog. Bundesstaat Bayern. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 2.1 verwiesen. 1.2 Wie bewertet die Staatsregierung die Entwicklung der Zahl der „Reichsbürger“ in Bayern, die das StMI im November 2016 lediglich auf mehr als 1.700 Personen geschätzt hatte? Mit Wirkung zum 26.10.2016 hat das Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) die gesamte sog. Reichsbürger-Szene zum Sammelbeobachtungsobjekt erklärt. Die daraufhin erfolgte konsequente Aufklärung der Reichsbürger-Szene durch das BayLfV und die Bayerische Polizei wurde seitdem fortgeführt und kontinuierlich intensiviert, sodass es mittlerweile zu einer weitgehenden Aufhellung der sog. Reichsbürger -Szene in Bayern kam. Aufgrund dieser intensiven Maßnahmen der bayerischen Sicherheitsbehörden steigt naturgemäß auch das Hellfeld der bekannten sog. Reichsbürger und Selbstverwalter. 1.3 Welche konkreten Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Veranstaltungen, Demonstrationen oder Aktionen, die im Jahr 2017 von „Reichsbürgern “ organisiert bzw. durchgeführt wurden (bitte unter Angabe des Datums, des Ortes, des Themas, des Veranstalters und der Teilnehmerzahl einzeln und detailliert auflisten)? Den bayerischen Sicherheitsbehörden sind die in der Anlage 1 aufgelisteten Veranstaltungen bekannt geworden. Darüber hinaus liegen Erkenntnisse über folgende regelmäßig stattfindenden Stammtische vor, auf denen „reichsbürgertypische “ Themen erörtert werden: – Würzburg (Privatperson, Teilnehmerzahl unbekannt); – Bad Endorf (Heimatgemeinde Chiemgau, ca. 20–30 Teilnehmer ); – Königsbrunn (unbekannt, ca. 10–15 Teilnehmer). 2.1 Welche Organisationen und Zusammenschlüsse aus dem Spektrum der „Reichsbürger“-Bewegung sind in Bayern aktiv? Drucksache 17/21106 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Nachfolgende Grupppierungen sind in Bayern tatsächlich aktiv: – Bundestaat Bayern; – Staatenbund Deutsches Reich; – Germaniten/Indigenes Volk der Germaniten; – Staatenbund Deutschland; – Verfassunggebende Versammlung/Bundesstaat Deutschland; – Religionsgemeinschaft Heilsamer Weg/Virtuelle Versammlung ; – Heimatgemeinde Chiemgau/Heimatgesellschaft Gemeinde Chiemgau. Darüber hinaus existieren Gruppierungen, die ihren Sitz in Bayern haben bzw. hatten, aber nach bisherigem Erkenntnisstand nicht bzw. nur einmalig in Bayern aktiv wurden: – Keltisch-Druidische Glaubensgemeinschaft e. V.; – Staatliche Gemeinde Katschenreuth; – Staatliche Gemeinde Schwarzach bei Kulmbach; – Staatliche Stadt Kulmbach; – Staatliche Gemeinde Mengersreuth; – Landgemeinde Zuchering; – Staatliche Gemeinde Gröschnitz. Zudem gibt es Versuche von Reichsbürgern, ihre Ziele mithilfe von politischen Parteien im Sinne des Parteiengesetzes oder parteiähnlichen Strukturen zu verfolgen. Die einschlägigen Kleinstparteien sind nach eigenen Angaben bundesweit tätig, haben aber auch in Bayern Strukturansätze und entfalten vereinzelt Aktivitäten nach außen: – Konvent zur Reformation Deutschlands – die Goldene Mitte (KRD); – Vereinigung Einiges Deutschland/Freie Wählergemeinschaft Einiges Deutschland; – Union der Menschlichkeit/Erste Union der Menschlichkeit ; – Deutsche Souveränitäts Partei (DSP bzw. D-S-P). 2.2 Wie bewertet die Staatsregierung die „Reichsbürger“-Szene in Bayern und deren derzeitige politisch-ideologische Ausrichtung? Reichsbürger sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf. Selbstverwalter sind Einzelpersonen, die behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus der Bundesrepublik austreten und seien so nicht mehr deren Gesetzen unterworfen . Die dafür genutzten Argumente sind im Wesentlichen deckungsgleich mit denen der sogenannten Reichsbürger. Selbstverwalter definieren beispielsweise ihre Wohnung, ihr Haus oder ihr Grundstück als souveränes Staatsgebiet. Ihr Grundstück markieren sie mitunter durch eine (Grenz-)Linie und zeigen als „Staatswappen“ Symbole, die sie selbst entwerfen . In Teilen sind Reichsbürger und Selbstverwalter dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zuzurechnen; insbesondere dort, wo sich Versatzstücke antisemitischer und nationalsozialistischer Denkmuster wiederfinden. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung. Das BayLfV beobachtet sog. Reichsbürger und Selbstverwalter in Bayern als sicherheitsgefährdende Bestrebung. 2.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen zwischen der „Reichsbürger“-Bewegung und anderen Akteuren der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene in Bayern – insbesondere zu den Gruppierungen „Der Dritte Weg“, „Die Rechte“, der Identitären Bewegung, zum Bündnis deutscher Patrioten, den verschiedenen PEGIDA-Ablegern oder zur AfD? Der Großteil der rechtsextremistischen Szene lehnt die Angehörigen der sog. Reichsbürgerbewegung als „Spinner“ ab und unterstellt diesen hinsichtlich ihrer Agitation eine querulatorische Motivation. Daneben unterhalten einzelne Anhänger der sog. Reichsbürgerbewegung aber Kontakte zu Rechtsextremisten. Auch einzelne dem BayLfV als Rechtsextremisten bekannte Personen machten sich wiederholt „reichsbürgertypische“ Argumentationsmuster und -inhalte zu eigen. In diesen Fällen ist die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat verbindendes Element. Im Laufe des Jahres 2017 sind den bayerischen Sicherheitsbehörden einzelne Personen bekannt geworden, die der sog. Reichsbürgerbewegung zuzurechnen sind und die Mitglieder bzw. Funktionäre der Alternative für Deutschland (AfD) sind bzw. waren. 3.1 Inwieweit beteiligten sich Angehörige des „Reichsbürger“-Spektrums während der letzten zwei Jahre an fremden- bzw. flüchtlingsfeindlichen Protesten? In einem Einzelfall (Juli 2016) beteiligte sich möglicherweise ein Angehöriger der sog. Reichsbürgerbewegung am Anbringen von arabischen Schriftzeichen vor einer Flüchtlingsunterkunft . Die angebrachte arabische Aufschrift enthielt die Aufforderung, dass Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückkehren sollen. Darüber hinaus liegen Erkenntnisse zu einer Person vor, die sowohl der sog. Reichsbürgerszene als auch der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen ist und an Protesten im Sinne der Fragestellung teilgenommen hat. Vorbemerkung zu den Fragen 3.2 bis 4.3: Die nachfolgenden Rechercheergebnisse basieren auf den KTA-PMK-Meldungen der örtlich zuständigen Staatsschutzdienststellen , die im Wege des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch Motivierter Kriminalität (KPMD- PMK) dem Landeskriminalamt übermittelt worden sind. 3.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Politisch Motivierte Straftaten von „Reichsbürgern “ in Bayern im Jahr 2017 (KPMD-PMK Oberbegriff „Reichsbürger/Selbstverwalter“; bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirk, Tatort, Datum und Delikt)? Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21106 Die Straftaten im Sinne der Anfrage können der Anlage 2 entnommen werden. 3.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Politisch Motivierte Gewalttaten von „Reichsbürgern “ in Bayern im Jahr 2017 (KPMD-PMK Oberbegriff „Reichsbürger/Selbstverwalter“; bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirk, Tatort, Datum, Delikt und unter Angabe einer jeweils kurzen anonymisierten Sachverhaltsdarstellung)? Die Straftaten im Sinne der Anfrage können der Anlage 3 entnommen werden. 4.1 Wie viele Straftaten gegen Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger durch „Reichsbürger“ hat die Bayerische Polizei im Jahr 2017 registriert (bitte nach Regierungsbezirken, dem Ort der Straftat und den jeweiligen Straftatbeständen aufschlüsseln )? Regierungsbezirk Ort Paragraf Norm Niederbayern Tiefenbach § 240 StGB Nötigung Schwaben Westerheim § 240 StGB Nötigung Mittelfranken Nürnberg § 240 StGB Nötigung Schwaben Ursberg § 240 StGB Nötigung Mittelfranken Nürnberg § 253 StGB Erpressung Schwaben Memmingen § 253 StGB Erpressung Oberbayern Peißenberg § 240 StGB Nötigung Mittelfranken Nürnberg § 185 StGB Beleidigung Niederbayern Passau § 188 StGB Üble Nachrede/Verleumdung von Politikern Oberbayern München § 185 StGB Beleidigung Unterfranken Kitzingen § 240 StGB Nötigung Es wird darauf hingewiesen, dass über die hier genannten Straftaten hinaus weitere politisch motivierte Straftaten durch sog. Reichsbürger verübt wurden, bei denen Amtsund Mandatsträger auch involviert waren, die jedoch aufgrund der erfolgten Einzelfallbewertung der zuständigen Staatsschutzdienststelle, z. B. anhand der konkreten Umstände der Tat, nicht in das Unterthemenfeld „gegen Amtsund Mandatsträger“, sondern in ein anderes geeignetes Themen-/Unterthemenfeld eingeordnet wurden. 4.2 Wie viele Personen wurden Opfer der durch „Reichsbürger“ begangenen Straftaten nach Fragen 3.2, 3.3. und 4.1 (bitte detailliert angeben)? Angaben zu Opfern werden im Rahmen des KPMD-PMK nur bei Gewaltdelikten erfasst. Somit sind zu den Straftaten der Frage 3.2 keine Opferdaten vorhanden. Bei den Straftaten der Frage 3.3 (Gewaltstraftaten) sind 78 Opfer erfasst. Darin sind bereits zwei Opfer hinsichtlich der Straftaten der Frage 4.1 (Straftaten gegen Amts-/Mandatsträger ) erfasst. 4.3 Wie viele der Straftaten nach Fragen 3.2 und 4.1 wurden mit dem Tatmittel „Internet“ begangen? Zwei Straftaten der Frage 3.2 und drei Straftaten der Frage 4.1 wurden mittels des Tatmittels „Internet“ begangen. 5.1 Wie bewertet die Staatsregierung das Gewaltpotenzial , das von der „Reichsbürger“-Szene in Bayern bzw. von deren Akteuren ausgeht? Die sog. Reichsbürgerszene ist sehr heterogen. Somit ist eine allgemeingültige und belegbare Einschätzung des Gewaltpotenzials kaum möglich, da sie sich aus einer Vielzahl von Personen mit unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen zusammensetzt. Allerdings ist eine zunehmende Aggressivität gegenüber Repräsentanten des Staates (Polizisten, Gerichtsvollzieher), aber auch der Städte und Kommunen (Verwaltungsbeamte, z. B. in Ordnungsämtern) festzustellen. Bei Einzelpersonen ist nicht auszuschließen, dass auch die Bereitschaft besteht, die eigene Ideologie notfalls mit Nachdruck und unter Anwendung von Gewalt zu verteidigen. Zudem sprechen die oftmals erhöhte Emotionalität seitens der sog. Reichsbürger und Selbstverwalter sowie das erkennbar hohe Mobilisierungspotenzial gewaltbereiter/-tätiger Personen innerhalb der Szene für eine erhöhte Gewaltbereitschaft. 5.2 Wie viele „Reichsbürger“ werden derzeit als „Gefährder “ sowie als „Relevante Personen“ in Bayern eingestuft? Zum Stand 09.02.2018 werden keine Personen der sog. Reichsbürgerszene als „Gefährder“ eingestuft. Eine Person wird als „Relevante Person“ eingestuft. 5.3 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Aktivitäten der „Reichsbürger“-Bewegung im Internet? Das Internet dient Reichsbürgern und Selbstverwaltern zur Verbreitung und zum Austausch von Informationen Drucksache 17/21106 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 und der Vernetzung untereinander. Dies geschieht sowohl über verschiedene privat betriebene Webseiten als auch über die sozialen Netzwerke wie zum Beispiel Facebook oder VK. So können relevante Informationen, Vordrucke und Anträge an Behörden, aber auch Aufforderungen zur Teilnahme an Gerichtsverhandlungen oder Blockaden bei Zwangsräumungen innerhalb kürzester Zeit einem großen Kreis an Interessenten zur Verfügung gestellt werden. Auch eine Weiterverbreitung dieser Inhalte an eigene Freunde und Follower ist innerhalb der sozialen Netze durch „Teilen “ und „Liken“ problemlos möglich. Neben verschiedenen Facebook-Gruppen nutzen Reichsbürger und Selbstverwalter Möglichkeiten zur Vernetzung auf Plattformen wie discord oder Teamspeak. Dabei handelt es sich um Server mit Sprach- und Textchannel, auf denen die Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern abläuft. Als Beispiele für privat betriebene Webseiten, auf denen (zumindest auch) „reichsbürgertypische“ Argumentationen, Abhandlungen, Handlungsleitfäden und Ähnliches publiziert werden, dient die nachfolgende nicht abschließende Aufstellung : – www.verfassungsinitiative.com – www.staatenlos.info – www.freistaat-preussen.world – http://bundesstaat-bayern.info – www.heimatgemeinde-cham.5em.de – www.atriumoptio.de – https://rustagida.wordpress.com – www.gelberschein.net – www.gelberschein.org – www.chemtrail.de – https://staatenbund-deutschesreich.info – https://bundespraesidium.de – https://bundesrath.jimdo.com – www.freiheit-fuer-deutschland.de – https://www.verfassunggebende-versammlung.com/ – www.reichspraesidium.de – http://kaiserrundfunk.com – http://einiges-deutschland.com – www.lichtland.org – http://reiki-deutschland.blogspot.de – www.staatenbund-deutschland.info 6.1 Sind „Reichsbürger“ aus Bayern am Aufbau der „Reichsbürger“-Armee beteiligt, über die die Presse , wie eingangs erwähnt, Anfang 2018 berichtete? 6.2 Wie bewertet die Staatsregierung die Ziele, den Entwicklungsstand und das Potenzial dieser „Reichsbürger“-Armee? 6.3 Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung vor, dass „Reichsbürger“ aus Bayern den Aufbau sonstiger bewaffneter militärischer oder (rechts) terroristischer Vereinigungen und Operationen in Bayern planen bzw. vorbereiten? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 7.1 Wie viele „Reichsbürger“ in Bayern und Personen, die im Verdacht stehen, der „Reichsbürger“-Szene in Bayern anzugehören, verfügten zum 31.12.2017 über eine waffenrechtliche Erlaubnis (Kleiner Waffenschein , Waffenschein und Waffenbesitzkarte; bitte detailliert angeben und nach Regierungsbezirk und Art der waffenrechtlichen Erlaubnis aufschlüsseln )? Regierungsbezirk Reichsbürger und Personen, die im Verdacht stehen, der Reichsbürgerszene in Bayern anzugehören , mit waffenrechtlichen Erlaubnissen zum 31.12.2017 Art der waffenrechtlichen Erlaubnis Kleiner Waffenschein Waffenschein Waffenbesitzkarte Oberbayern 21 8 0 22 Niederbayern 1 1 0 0 Oberpfalz 2 0 0 2 Oberfranken 12 7 0 14 Mittelfranken 4 2 0 4 Unterfranken 14 8 0 10 Schwaben 4 2 0 2 7.2 Wie vielen „Reichsbürgern“ haben die bayerischen Behörden im Jahr 2017 die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen und sie entwaffnet (bitte aufschlüsseln nach Regierungsbezirk, Ort und Waffe )? Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21106 Regierungsbezirk Anzahl der Personen, denen die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen wurde (Zeitraum Oktober 2016 bis 31.12.2017) Anzahl und Art der Waffen von Reichsbürgern, die abgegeben oder eingezogen wurden (Zeitraum Oktober 2016 bis 31.12.2017) KK- Langwaffe KK- Kurzwaffe GK- Langwaffe GK- Kurzwaffe sonstige erlaubnisfreie Waffen Oberbayern 74 31 27 128 51 5 Niederbayern 21 11 7 20 10 2 Oberpfalz 3 1 0 12 3 0 Oberfranken 20 5 6 9 16 0 Mittelfranken 27 22 14 85 69 0 Unterfranken 5 3 1 15 7 2 Schwaben 19 12 2 22 7 2 Eine ortsbezogene Aufschlüsselung nach Art der Waffen ist mit vertretbarem Aufwand nicht darstellbar. Zudem würde eine solche Aufschlüsselung aufgrund ihres kleinteiligen Maßstabs Rückschlüsse auf die Identität der betroffenen Personen ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist für den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die strikte Geheimhaltung der zu statistischen Zwecken erhobenen Einzelangaben unverzichtbar, solange ein Personenbezug noch besteht oder herstellbar ist (BVerfGE 65, 1/49). Auf Art. 17 Bayerisches Statistikgesetz wird Bezug genommen. 7.3 Wie viele illegale Waffen haben die bayerischen Behörden bei „Reichsbürgern“ im Jahr 2017 beschlagnahmt ? Die bayerischen Waffenbehörden haben im Jahr 2017 bei sog. Reichsbürgern 36 unrechtmäßig besessene Waffen beschlagnahmt. 8.1 Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen bzgl. (möglicher) „Reichsbürger“ in den Reihen der Polizei ? Zum Stand 31.12.2017 werden 13 Disziplinarverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte der Bayerischen Polizei geführt. Dabei handelt es sich um 8 aktive Polizeivollzugsbeamte und 5 Ruhestandsbeamte. Von den genannten 8 aktiven Polizeivollzugsbeamten wurden bislang 5 vom Dienst suspendiert. Darüber hinaus wurden 5 weitere Disziplinarverfahren gegen aktive Polizeivollzugsbeamte mit einer disziplinarrechtlichen Ahndung abgeschlossen. Die Verfahren gegen die 5 Ruhestandsbeamten sind aktuell noch nicht abgeschlossen. 8.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche weitere Personen mit „Reichsbürger“- Hintergrund im öffentlichen Dienst (bitte auch den aktuellen Stand der Ermittlungen angeben)? Für die übrigen öffentlich Bediensteten des Freistaates Bay ern außerhalb der Polizei gibt es mit Stand 31.12.2017 insgesamt 8 Verdachtsfälle gegen Beamte, die der sog. Reichsbürgerszene angehören könnten. In allen Fällen wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Weiterhin wurde ein Arbeitsverhältnis beendet und ein Disziplinarverfahren mit einer disziplinarrechtlichen Ahndung abgeschlossen. Im kommunalen Bereich gibt es zurzeit 4 Verdachtsfälle wegen eines möglichen Bezugs von Bediensteten zur Reichsbürgerszene, davon 1 Beamter und 3 Arbeitnehmer. Gegen den Beamten ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das noch nicht abgeschlossen ist. Bezüglich der 3 Arbeitnehmer wird derzeit geprüft, ob arbeitsrechtliche Maßnahmen veranlasst sind. 8.3 Welche Unterstützungsangebote gibt es für Landes - und kommunale Behörden im Umgang mit den sogenannten Reichsbürgern? Die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) informiert als zentrale Präventionsstelle der Staatsregierung auch über die Erscheinungsform der Reichsbürger und Selbstverwalter. Sie ist Ansprechpartner für alle Landes- und Kommunalbehörden sowie für Schulen. Bisher bestritt die BIGE im Vortragswesen folgende Veranstaltungen zum Phänomenbereich Reichsbürgerbewegung : Jahr Vorträge, Veranstaltungen Bedarfsträger 2015 2 Justiz 2016 7 Polizei (3), Justiz (2), Schule (1), Kommune (1) Drucksache 17/21106 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 7 Jahr Vorträge, Veranstaltungen Bedarfsträger 2017 91 Polizei (39), Justiz (16), Schule (3), Kommunen und weitere kommunale Bedarfsträger (33) 2018 1 Polizei Darüber hinaus wurden durch die BIGE seit dem Jahr 2015 insgesamt 46 schriftliche Anfragen von bayerischen Landes- und Kommunalbehörden beantwortet (2015 – 3; 2016 – 12; 2017 – 30; 2018 – 1) sowie insgesamt 14 Beratungsgespräche geführt (2015 – 1; 2016 – 3; 2017 – 10). Ergänzend zu den Informationsveranstaltungen und Beratungsgesprächen der BIGE werden regelmäßig auch der BayLfV-Flyer „Reichsbürger und Selbstverwalter: Harmlose Spinner oder gefährliche Extremisten“, sowie eine achtseitige Zusammenfassung wesentlicher Vortragsinhalte verteilt. Auf der Internetseite der BIGE vvww.bayern-gegenrechtsextremismus .bayern.de sind seit Januar 2017 unter der Rubrik „Wissen“ allgemeine Informationen zu Reichsbürgern und Selbstverwaltern abrufbar. Bereits seit Dezember 2012 stehen unter „Erste Hilfe“ Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Reichsbürgerschreiben zur Verfügung.