Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPD vom 03.01.2018 Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen 1.1 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge halten sich aktuell in Bayern auf (bitte nach Herkunftsland , Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 1.2 Wie hat sich die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Bayern in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln )? 1.3 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind seit Anfang 2015 pro Monat nach Bayern gekommen (bitte nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 2.1 Bei wie vielen Flüchtlingen bestehen aktuell Zweifel, ob diese minderjährig sind oder nicht (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 2.2 Bei wie vielen Flüchtlingen bestanden in den vergangenen zehn Jahren Zweifel, ob diese minderjährig sind oder nicht (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 2.3 Bei wie vielen Flüchtlingen wurde in den vergangenen zehn Jahren festgestellt, dass diese entgegen ihrer eigenen Angaben vermutlich nicht minderjährig sind bzw. waren (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln )? 3.1 Wie hoch waren in den vergangenen Jahren die jeweiligen Kosten der unterschiedlichen Methoden der Altersfeststellung (bitte die Kosten pro Einzelfall und jährlichen Gesamtkosten nach Methoden pro Jahr aufschlüsseln )? 3.2 Wer trägt die Kosten für die Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen in Bayern? 3.3 Wie hoch war die Zahl der in den vergangenen zehn Jahren in Bayern durchgeführten Altersfeststellungen, die von unbegleiteten Flüchtlingen selbst beantragt wurden (bitte pro Jahr in absoluten und relativen Zahlen angeben und nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 4.1 Welche bayerischen Jugendämter haben in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig Verfahren zur Altersfeststellung von jungen Flüchtlingen angewendet (bitte pro Jahr nach Jugendämtern aufschlüsseln)? 4.2 Wie viele Verfahren zur Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen haben die bayerischen Jugendämter in den vergangenen zehn Jahren angewendet (bitte pro Jahr nach Jugendämtern aufschlüsseln)? 4.3 Welche Verfahren zur Altersfeststellung haben die bayerischen Jugendämter in den vergangenen zehn Jahren angewendet (bitte pro Jahr nach Jugendämtern , Art des Verfahrens und Häufigkeit der Anwendung aufschlüsseln)? 5.1 Wie viele junge Flüchtlinge haben sich in den vergangenen zehn Jahren in Bayern geweigert, eine vom Jugendamt angeordnete Altersfeststellung durchführen zu lassen (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln )? 5.2 Wie sind die bayerischen Jugendämter in den vergangenen zehn Jahren mit jungen Flüchtlingen verfahren, die sich einer angeordneten Altersfeststellung verweigern (bitte pro Jahr nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 5.3 Von wie vielen unbegleiteten Flüchtlingen, die nach Bayern gekommen sind, ist aktuell der Aufenthaltsort unbekannt? 6.1 Bei wie vielen jungen Flüchtlingen konnte in den vergangenen zehn Jahren über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Altersfeststellung nicht eindeutig geklärt werden, ob diese minderjährig sind oder nicht (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 6.2 Wie sind die bayerischen Jugendämter mit jungen Flüchtlingen verfahren, bei denen die Altersfeststellung keine Klarheit in Bezug auf deren Minderjährigkeit verschaffen konnte (bitte pro Jahr nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln )? 7.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die Einschätzung der Bundesärztekammer, dass medizinische Methoden der Altersfeststellung wie insbesondere Röntgen einen unangemessenen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellen? 7.2 Wie steht die Staatsregierung zu dem Hinweis des Präsidenten der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery, dass die Regeln des Strahlenschutzes eine Altersfeststellung durch Röntgen nur im Rahmen eines Strafprozesses zulassen? 7.3 Beabsichtigt die Staatsregierung, sich auch für die routinemäßige Durchführung von Genitaluntersuchungen zur Altersfeststellung einzusetzen? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 27.04.2018 Drucksache 17/21131 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21131 8.1 Wie geht die Staatsregierung mit der Beurteilung der medizinischen Altersfeststellung durch die Bundesärztekammer als nicht zuverlässig um? 8.2 Wie gedenkt die Staatsregierung mit der nach fachlicher Einschätzung möglichen Abweichung des Knochenalters vom tatsächlichen Alter um bis zu drei Jahre umzugehen? 8.3 Mit welchen Fehlerquoten rechnet die Staatsregierung bei den jeweiligen Methoden der Altersfeststellung? Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und dem Landesjugendamt vom 08.03.2018 1.1 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge halten sich aktuell in Bayern auf (bitte nach Herkunftsland , Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 1.2 Wie hat sich die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Bayern in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? Eine differenzierte statistische Erfassung ist in den letzten zehn Jahren nicht erfolgt. Nachfolgend wird deshalb die Entwicklung auf Grundlage der vorliegenden Daten für die Jahre ab 2015 bis Ende 2017 dargestellt. Die Frage nach den Herkunftsländern kann nur prozentual für Bayern insgesamt für die Jahre 2015, 2016 und 2017 beantwortet werden. Hierzu wird eine entsprechende Übersicht im Anschluss an die folgende tabellarische Übersicht angefügt. Zum Stichtag 31.12.2015 hielten sich 13.294, zum 31.12.2016 6.680 und zum 31.12.2017 3.737 unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) im Freistaat Bayern (in der Zuständigkeit bayerischer Jugendämter) auf. Diese verteilen sich auf Grundlage der Daten des Bundesverwaltungsamtes (BVA) wie folgt: Oberbayern 2015 2016 2017 Stadt Ingolstadt 67 90 43 Landeshauptstadt München 4.540 990 522 Stadt Rosenheim 881 71 37 Oberbayern 2015 2016 2017 Landkreis Altötting 76 41 22 Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen 67 41 31 Landkreis Berchtesgadener Land 190 111 57 Landkreis Dachau 15 37 36 Landkreis Ebersberg 61 47 23 Landkreis Eichstätt 83 50 8 Landkreis Erding 78 64 29 Landkreis Freising 125 71 36 Landkreis Fürstenfeldbruck 129 68 27 Landkreis Garmisch-Partenkirchen 61 55 50 Landkreis Landsberg am Lech 70 85 44 Landkreis Miesbach 67 47 26 Landkreis Mühldorf am Inn 73 52 18 Landkreis München 259 190 108 Landkreis Neuburg-Schrobenhausen 50 27 7 Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm 61 46 29 Landkreis Rosenheim 260 90 80 Landkreis Starnberg 48 66 33 Landkreis Traunstein 116 87 46 Landkreis Weilheim-Schongau 134 83 34 Summe: 7.511 2.509 1.346 Niederbayern 2015 2016 2017 Stadt Landshut 84 49 26 Stadt Passau 90 25 16 Stadt Straubing 92 60 25 Drucksache 17/21131 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Niederbayern 2015 2016 2017 Landkreis Deggendorf 184 98 54 Landkreis Dingolfing-Landau 75 35 14 Landkreis Freyung-Grafenau 113 58 27 Landkreis Kelheim 89 42 12 Landkreis Landshut 121 86 35 Landkreis Passau 471 110 38 Landkreis Regen 41 30 20 Landkreis Rottal-Inn 135 72 46 Landkreis Straubing-Bogen 129 61 32 Summe: 1.624 726 345 Oberpfalz 2015 2016 2017 Stadt Amberg 40 24 11 Stadt Regensburg 243 117 41 Stadt Weiden i. d. OPf. 89 40 7 Landkreis Amberg-Sulzbach 85 63 30 Landkreis Cham 79 62 25 Landkreis Neumarkt i. d. OPf. 53 31 15 Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab 98 61 33 Landkreis Regensburg 41 68 61 Landkreis Schwandorf 30 38 42 Landkreis Tirschenreuth 22 30 14 Summe: 780 534 279 Oberfranken 2015 2016 2017 Stadt Bamberg 57 64 35 Stadt Bayreuth 84 40 24 Stadt Coburg 60 43 10 Stadt Hof 66 33 14 Landkreis Bamberg 66 63 44 Landkreis Bayreuth 23 47 28 Landkreis Coburg 89 68 30 Landkreis Forchheim 72 50 51 Landkreis Hof 70 45 37 Landkreis Kronach 11 18 34 Landkreis Kulmbach 36 27 9 Landkreis Lichtenfels 22 25 26 Landkreis Wunsiedel 49 33 30 Summe: 705 556 372 Mittelfranken 2015 2016 2017 Stadt Ansbach 39 30 15 Stadt Erlangen 55 38 18 Stadt Fürth 108 78 35 Stadt Nürnberg 307 206 107 Stadt Schwabach 21 21 9 Landkreis Ansbach 82 54 50 Landkreis Erlangen-Höchstadt 73 49 21 Landkreis Fürth 94 79 41 Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim 55 53 26 Landkreis Nürnberger Land 113 93 58 Landkreis Roth 50 43 32 Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21131 Mittelfranken 2015 2016 2017 Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen 30 22 31 Summe: 1.027 766 443 Unterfranken 2015 2016 2017 Stadt Aschaffenburg 57 60 26 Stadt Schweinfurt 79 44 24 Stadt Würzburg 83 64 37 Landkreis Aschaffenburg 12 61 45 Landkreis Bad Kissingen 30 49 34 Landkreis Haßberge 20 44 28 Landkreis Kitzingen 24 35 26 Landkreis Main-Spessart 68 45 34 Landkreis Miltenberg 71 43 33 Landkreis Rhön-Grabfeld 54 36 29 Landkreis Schweinfurt 20 58 34 Landkreis Würzburg 37 49 46 Summe: 555 588 396 Schwaben 2015 2016 2017 Stadt Augsburg 261 194 119 Stadt Kaufbeuren 43 21 10 Stadt Kempten 44 31 23 Stadt Memmingen 31 22 6 Landkreis Aichach-Friedberg 34 36 22 Landkreis Augsburg 108 123 56 Landkreis Dillingen a. d. Donau 43 27 14 Schwaben 2015 2016 2017 Landkreis Donau-Ries 69 41 38 Landkreis Günzburg 24 58 23 Landkreis Lindau 96 106 60 Landkreis Neu-Ulm 129 93 48 Landkreis Oberallgäu 58 82 30 Landkreis Ostallgäu 82 68 42 Landkreis Unterallgäu 70 99 65 Summe: 1.092 1.001 556 (Quelle: Zahlen des BVA) Auf Grundlage der UMA-Erstmeldungen der Jugendämter an den Beauftragten des Freistaates Bayern für die Aufnahme und Verteilung ausländischer Flüchtlinge und unerlaubt eingereister Ausländer in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Zirndorf (LABEA) ergeben sich folgende Hauptherkunftsländer der UMA für die Jahre 2015, 2016 und 2017. Herkunftsländer 2015: Afghanistan 48,14 % Syrien 18,17 % Eritrea 9,63 % Somalia 7,08 % Irak 4,89 % Pakistan 2,48 % Sonstige 9,61 % Summe: 100,00 % Die sechs vorgenannten Herkunftsländer umfassten im Jahr 2015 90,39 Prozent aller neu in Bayern ankommenden UMA. Alle anderen Herkunftsländer (Sonstige) ergeben zusammen 9,61 Prozent. Herkunftsländer 2016: Afghanistan 40,77 % Somalia 15,98 % Syrien 9,88 % Eritrea 8,15 % Drucksache 17/21131 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 Irak 4,76 % Äthiopien 4,11 % Gambia 2,66 % Pakistan 2,03 % Marokko 1,53 % Sonstige 10,13 % Summe: 100,00% Die neun vorgenannten Herkunftsländer umfassten im Jahr 2016 89,87 Prozent aller neu in Bayern ankommenden UMA. Alle anderen Herkunftsländer (Sonstige) ergeben zusammen 10,13 Prozent. Herkunftsländer 2017: Somalia 31,32 % Afghanistan 16,72 % Guinea 8,89 % Eritrea 6,97 % Gambia 4,84 % Irak 3,92 % Nigeria 3,05 % Syrien 3,05 % Sierra Leone 2,46 % Pakistan 2,26 % Marokko 1,53 % Libyen 1,26 % Äthiopien 1,13 % Albanien 1,06 % Sonstige 11,54 % Summe: 100,00 % (Quelle: LABEA) Die 14 vorgenannten Herkunftsländer umfassten im Jahr 2017 88,46 Prozent aller neu in Bayern ankommenden UMA. Alle anderen Herkunftsländer (Sonstige) ergeben zusammen 11,54 Prozent. 1.3 Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind seit Anfang 2015 pro Monat nach Bayern gekommen (bitte nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? Eine differenzierte statistische Erfassung nach Herkunftsland , Zugängen in den einzelnen Regierungsbezirken und Zuordnung zu den Jugendämtern findet nicht statt. Allgemein kann festgestellt werden, dass folgende fünf kreisfreie Städte und Landkreise immer wieder vorrangig mit der vorläufigen Inobhutnahme von UMA beschäftigt waren: Landkreis Berchtesgadener Land, Landkreis Lindau, Landeshauptstadt München, Stadt und Landkreis Rosenheim. Auf Grundlage der UMA-Erstmeldungen der Jugendämter an den LABEA ergeben sich für den Freistaat Bayern folgende Zugangszahlen für UMA in den Jahren 2015, 2016 und 2017. 2015 2016 2017 Januar 174 1.398 112 Februar 121 955 108 März 163 291 87 April 225 539 87 Mai 421 242 105 Juni 661 354 102 Juli 878 231 162 August 1.195 242 184 September 1.183 206 127 Oktober 1.119 139 73 November 1.609 238 88 Dezember 1.052 177 96 (Quelle: LABEA) 2.1 Bei wie vielen Flüchtlingen bestehen aktuell Zweifel , ob diese minderjährig sind oder nicht (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 2.2 Bei wie vielen Flüchtlingen bestanden in den vergangenen zehn Jahren Zweifel, ob diese minderjährig sind oder nicht (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln )? 2.3 Bei wie vielen Flüchtlingen wurde in den vergangenen zehn Jahren festgestellt, dass diese entgegen ihrer eigenen Angaben vermutlich nicht minderjährig sind bzw. waren (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland , Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? Das behördliche Verfahren zur Altersfeststellung ist seit 01.11.2015 in § 42f Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) geregelt. Die Altersfeststellung erfolgt zwingend im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme gemäß § 42a SGB VIII. Das Gesetz sieht hierfür ein 3-Stufen-System vor: Seite 6 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21131 1. Einsichtnahme in die Ausweispapiere, hilfsweise wenn Ausweispapiere nicht vorhanden sind: 2. Einschätzung und Feststellung der Minderjährigkeit durch eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch das Jugendamt (zu den Modalitäten der Durchführung gibt es Hinweise der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: http://www.bagljae.de/downloads/118_handlungsemp fehlungen-umf_2014.pdf und des StMAS: https://www.stmas.bayern.de/imperia/ md/content/stmas/stmas_inet/uma/3.7.8_grundsaetze_ fuer_die_altersbegutachtung.pdf). 3. In „Zweifelsfällen“ ist auf Antrag oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Teilweise werden die Entscheidungen der Jugendämter, in denen vorläufige Inobhutnahmen aufgrund der Feststellung der Volljährigkeit abgelehnt wurden, durch die Verwaltungsgerichte aufgehoben. Bundesweit ist hier eine stark uneinheitliche Rechtsprechung festzustellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) ist bezüglich der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Zweifelsfall“ der Auffassung, dass eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden kann, wenn es darum gehe, für jedermann erkennbare (offensichtliche ) Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuschließen . In allen anderen Fällen sei bei angegebener Minderjährigkeit vom Vorliegen eines „Zweifelsfalles“ auszugehen, der zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung zwinge (Stufe 3). Die o. g. Entscheidung des BayVGH führt dazu, dass nur Evidenzfälle mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme durch das Jugendamt beendet werden können und in allen übrigen Fällen zusätzlich eine ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Damit wird die Veranlassung der ärztlichen Untersuchung zum Regelfall. Zur Klärung der Frage der Auslegung des Merkmals „in Zweifelsfällen“ ist derzeit eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig anhängig. Dieses Verfahren wird durch das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS) begleitet. Die Staatsregierung verfolgt damit auch hier die grundsätzlichen Forderungen nach bundeseinheitlichen Standards für die Praxis und allgemein größerer Rechtssicherheit bei der Altersfeststellung von UMA. Der aktuell bestehende Anpassungsbedarf hinsichtlich der Altersfeststellung bei UMA wurde im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene zwischen CDU, CSU und SPD bereits erkannt. Das Merkmal „Zweifel“ wird nicht gesondert erfasst. Gegebenenfalls bestehende „Zweifel“ sind im Rahmen der Altersfeststellung auszuräumen. Regionalisierte Daten, aufgeschlüsselt nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt, liegen daher nicht vor. Aus zurückgemeldeten Erfahrungswerten der Jugendämter lässt sich ableiten, dass bei der Altersfeststellung ca. ein Drittel der Personen als volljährig eingestuft wird. 3.1 Wie hoch waren in den vergangenen Jahren die jeweiligen Kosten der unterschiedlichen Methoden der Altersfeststellung (bitte die Kosten pro Einzelfall und jährlichen Gesamtkosten nach Methoden pro Jahr aufschlüsseln)? 3.2 Wer trägt die Kosten für die Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen in Bayern? 3.3 Wie hoch war die Zahl der in den vergangenen zehn Jahren in Bayern durchgeführten Altersfeststellungen , die von unbegleiteten Flüchtlingen selbst beantragt wurden (bitte pro Jahr in absoluten und relativen Zahlen angeben und nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? Das behördliche Verfahren zur Altersfeststellung gemäß § 42f SGB VIII ist eine vorbereitende Verfahrenshandlung für die Entscheidung über die vorläufige Inobhutnahme. Sie erfolgt durch die Kommunen (Jugendämter) im eigenen Wirkungskreis . Der Freistaat Bayern bezuschusst die den Kommunen dabei entstehenden Verwaltungskosten mit 10 Mio. Euro jährlich. Ferner erfolgt, soweit Kosten für die medizinische Untersuchung zur Altersfeststellung anfallen, eine Kostenerstattung durch den Freistaat Bayern im Rahmen der regulären Kostenerstattung für die Versorgung von UMA. Detaillierte Kostenerfassungen zu den Methoden der Altersfeststellungsverfahren liegen der Staatsregierung nicht vor. Eine Erfassung der von UMA selbst beantragten Altersfeststellungen erfolgt nicht. 4.1 Welche bayerischen Jugendämter haben in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig Verfahren zur Altersfeststellung von jungen Flüchtlingen angewendet (bitte pro Jahr nach Jugendämtern aufschlüsseln )? 4.2 Wie viele Verfahren zur Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen haben die bayerischen Jugendämter in den vergangenen zehn Jahren angewendet (bitte pro Jahr nach Jugendämtern aufschlüsseln )? 4.3 Welche Verfahren zur Altersfeststellung haben die bayerischen Jugendämter in den vergangenen zehn Jahren angewendet (bitte pro Jahr nach Jugendämtern , Art des Verfahrens und Häufigkeit der Anwendung aufschlüsseln)? Grundsätzlich führen sämtliche bayerischen Jugendämter Altersfeststellungen im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme durch (vgl. Antwort zu den Fragen 2.1, 2.2 und 2.3). Eine statistisch auswertbare Erfassung der Einzelschritte des Verfahrens zur Altersfeststellung findet nicht statt. Die Grundlage des Verfahrens zur Altersfeststellung bilden die „Grundsätze für die Altersbegutachtung“, abrufbar unter https://www.stmas.bayern.de/uma/, sowie § 42f SGB VIII. 5.1 Wie viele junge Flüchtlinge haben sich in den vergangenen zehn Jahren in Bayern geweigert, eine vom Jugendamt angeordnete Altersfeststellung durchführen zu lassen (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland , Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 5.2 Wie sind die bayerischen Jugendämter in den vergangenen zehn Jahren mit jungen Flüchtlingen verfahren, die sich einer angeordneten Altersfeststellung verweigern (bitte pro Jahr nach Her- Drucksache 17/21131 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 7 kunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? Statistische Daten zum Umgang mit jungen Flüchtlingen, die sich einer Altersfeststellung verweigern, werden nicht erfasst. Eine Abfrage bei 15 Hauptaufgriffsjugendämtern, die regelmäßig Altersfeststellungen durchzuführen haben, ergab, dass im Jahr 2017 in zwei Fällen das medizinische Verfahren zur Altersfeststellung von behaupteten UMA, die als Zweifelsfälle einzustufen waren, verweigert wurde. In Zweifelsfällen hat das Jugendamt auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen eine ärztliche Untersuchung zur Alterseinschätzung der mutmaßlich minderjährigen ausländischen Person zu veranlassen (§ 42f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Sollte sich die betroffene Person weigern, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen , kann die Untersuchung nicht durchgeführt werden. Die ärztliche Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres Vertreters erfolgen (§ 42f Abs. 2 Satz 3 SGB VIII). In diesem Falle entscheidet das Jugendamt über das Alter nach Abwägung seiner bisherigen Erkenntnisse. Kommt das Jugendamt bei der Abwägung zu dem Ergebnis, dass der junge Mensch volljährig ist, beendet es die (vorläufige) Inobhutnahme bzw. lehnt diese bis zur Nachholung der Mitwirkung ab. Gegen diese Entscheidung, aber auch bereits gegen die Anordnung der ärztlichen Untersuchung kann der junge Mensch Rechtsmittel einlegen (vgl. BAG Landesjugendämter : Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen – Verteilungsverfahren, Maßnahme der Jugendhilfe und Clearingverfahren, Saarbrücken, 2017 abrufbar unter: http://www.bagljae.de/downloads/128_hand lungsempfehlungen-zum-umgang-mit-unbge.pdf). 5.3 Von wie vielen unbegleiteten Flüchtlingen, die nach Bayern gekommen sind, ist aktuell der Aufenthaltsort unbekannt? UMA, also Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres , werden über die Jugendämter in der Jugendhilfe untergebracht und versorgt. Diese sind daher bekannt. Entfernen sich diese aus dem behördlichen Betreuungsverhältnis , d. h. ist ihr Aufenthaltsort unbekannt, werden sie aufgrund bundesweiter Absprachen als Vermisstenfälle behandelt und als UMA zur Ingewahrsamnahme bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ausgeschrieben. Insgesamt sind nach Mitteilung des Landeskriminalamtes (BLKA) in Bayern 2.047 UMA (Stand: 31.12.2017) zur Vermisstenfahndung ausgeschrieben. Die Gründe für das Entfernen aus dem behördlichen Betreuungsverhältnis sind unterschiedlicher Natur. Das Bundeskriminalamt stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Deutschland nicht immer das Zielland der UMA ist und in diesen Fällen als Transitland zur Weiterreise in andere Länder dient. Eine Abmeldung durch den UMA erfolgt in den seltensten Fällen. 6.1 Bei wie vielen jungen Flüchtlingen konnte in den vergangenen zehn Jahren über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Altersfeststellung nicht eindeutig geklärt werden, ob diese minderjährig sind oder nicht (bitte pro Jahr in absoluten und in relativen Zahlen angeben sowie nach Herkunftsland , Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? 6.2 Wie sind die bayerischen Jugendämter mit jungen Flüchtlingen verfahren, bei denen die Altersfeststellung keine Klarheit in Bezug auf deren Minderjährigkeit verschaffen konnte (bitte pro Jahr nach Herkunftsland, Regierungsbezirk und zuständigem Jugendamt aufschlüsseln)? Siehe zu den Fragen 6.1 und 6.2 die Beantwortung der Fragen 2.1, 2.2 und 2.3. 7.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die Einschätzung der Bundesärztekammer, dass medizinische Methoden der Altersfeststellung wie insbesondere Röntgen einen unangemessenen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellen? 7.2 Wie steht die Staatsregierung zu dem Hinweis des Präsidenten der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery, dass die Regeln des Strahlenschutzes eine Altersfeststellung durch Röntgen nur im Rahmen eines Strafprozesses zulassen? Die Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen kann u. a. im Rahmen der Heilkunde, der Zahnheilkunde, der medizinischen Forschung und in sonstigen durch Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fällen erfolgen. Eine Ausprägung der „durch Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fälle“ ist z. B. die richterliche Anordnung einer Röntgenuntersuchung in einem Strafprozess. Darüber hinaus erlauben aber auch verschiedene andere Gesetze (z. B. SGB I, Aufenthaltsgesetz) medizinische Untersuchungen bzw. körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen sind. Darunter sind grundsätzlich auch Röntgenuntersuchungen zu verstehen. Diese müssen nach den Vorgaben der Röntgenverordnung erfolgen. Nach fachlicher Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) vom 20.01.2018 liegt die Strahlendosis der für die Altersdiagnostik erforderlichen Röntgenuntersuchungen im Bereich natürlicher und zivilisatorischer Strahlenexposition, vergleichbar mit einer Flugreise . Ein Nachteil für die Gesundheit sei daher nicht zu befürchten. 7.3 Beabsichtigt die Staatsregierung, sich auch für die routinemäßige Durchführung von Genitaluntersuchungen zur Altersfeststellung einzusetzen? Das Gesetz sieht die routinemäßige Durchführung von Genitaluntersuchungen zur Altersfeststellung nicht vor. Die Staatsregierung beabsichtigt nicht, sich für eine Gesetzesänderung in diesem Zusammenhang einzusetzen. 8.1 Wie geht die Staatsregierung mit der Beurteilung der medizinischen Altersfeststellung durch die Bundesärztekammer als nicht zuverlässig um? 8.2 Wie gedenkt die Staatsregierung mit der nach fachlicher Einschätzung möglichen Abweichung des Knochenalters vom tatsächlichen Alter um bis zu drei Jahren umzugehen? 8.3 Mit welchen Fehlerquoten rechnet die Staatsregierung bei den jeweiligen Methoden der Altersfeststellung ? In der Fachwelt werden verschiedene Anschauungen zur medizinischen Feststellung von Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit diskutiert. Die Ansichten gehen dabei weit auseinander . Die Spannbreite reicht von einer generellen Ablehnung einer medizinischen Feststellung der Minderjährigkeit Seite 8 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21131 bzw. Volljährigkeit (Bundesärztekammer) bis hin zum Bekenntnis zu dezidierten Methoden der forensischen Altersdiagnostik . Nach fachlicher Expertise der DGRM ist mit derzeit verfügbaren Methoden der forensischen Altersdiagnostik ein zweifelsfreier Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahres möglich. Hierfür wird ein dreistufiges Verfahren vorgeschlagen . Auf der ersten Stufe erfolgt eine körperliche Untersuchung mit einer Anamneseerhebung. Werden keine Auffälligkeiten festgestellt, werden auf der zweiten Stufe die linke Hand und die Kieferregion geröntgt. Auf der Röntgenaufnahme der Kieferregion wird insbesondere die Weisheitszahnmineralisation beurteilt. Sind sowohl die Hand skelettentwicklung als auch die Weisheitszahnmineralisation abgeschlossen, kann man Volljährigkeit noch nicht zweifelsfrei nachweisen, da bei Frühentwicklern beide Entwicklungssysteme vor Vollendung des 18. Lebensjahres ausgereift sein können. Deshalb ist bei abgeschlossener Handskelettentwicklung die dritte Stufe, eine CT-Untersuchung der Schlüsselbeine, anzuschließen. Wenn ein höheres Entwicklungsstadium der Schlüsselbeinverknöcherung vorliegt, ist die Vollendung des 18. Lebensjahres zweifelsfrei nachgewiesen. Die Staatsregierung teilt die Einschätzung der DGRM und setzt sich in diesem Zusammenhang für eine Konkretisierung des § 42f SGB VIII sowie bundeseinheitliche Standards bei der Feststellung von Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit ein.