Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Isabell Zacharias SPD vom 31.01.2018 Inklusive Schulen In Bayern gibt es rund 300 Schulen mit dem Schulprofil Inklusion . Schulen, die Kinder und Jugendliche mit Behinderungen aufnehmen, müssen Veränderungen im schulischen Konzept auf unterschiedlichen Ebenen vornehmen. Deshalb frage die Staatsregierung: 1. Wie wird überprüft, ob inklusive Schulen die pädagogische Diagnostik intensivieren und die individuelle Förderung ausbauen? 2. Werden Eltern umfassend an Schulentwicklungsprozessen beteiligt? 3. a) Wie wird die Weiterentwicklung von inklusiven Unterrichtskonzepten evaluiert? b) Werden reformpädagogische Unterrichtsformen wie Stationenarbeit, Wochenplan, Freiarbeit, Gesprächskreise oder Projektlernen einbezogen? c) Werden Ausgangs- und Bedarfslagen von Schülerinnen und Schülern, vor allem im Kontext von schweren und mehrfachen Beeinträchtigungen, zum Bezugspunkt für Angebote im Unterricht gemacht? 4. Wird der Unterrichtsinhalt so aufbereitet, dass alle Schülerinnen und Schüler einen Zugang zur jeweiligen Thematik erhalten? 5. a) Wird eine enge Zusammenarbeit aller Lehrkräfte praktiziert ? b) Kooperieren Fachkräfte unterschiedlicher Professionen ? c) Unterstützt die Schulleitung die Teams, die Zeit und andere Ressourcen benötigen? 6. a) Haben die Schulen ihr Schulkonzept verändert? b) Wirken alle unmittelbar Beteiligten am Schulkonzept mit? c) Werden Begegnungsmöglichkeiten geschaffen, die für alle Schülerinnen und Schüler zugänglich sind? 7. a) Wird die Barrierefreiheit in der räumlichen Ausstattung garantiert? b) Wird die Barrierefreiheit in den Köpfen garantiert, um niemanden aus dem Schulleben auszugrenzen? 8. a) Öffnen sich die Schulen zur Gemeinde, zur Stadt oder zum Stadtteil? b) Gibt es Ressourcen, die es Schulen ermöglichen, sich im Sozialraum zu vernetzen? c) Gibt es auf regionaler Ebene formale Gremien für unterschiedliche Schularten, die ein gegenseitiges Kennenlernen und einen Austausch z. B. über inklusive Beschulung ermöglichen? Antwort des Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wis senschaft und Kunst vom 13.03.2018 1. Wie wird überprüft, ob inklusive Schulen die päda gogische Diagnostik intensivieren und die indivi duelle Förderung ausbauen? Die pädagogische Diagnostik und individuelle Förderung liegen in der pädagogischen Verantwortung der einzelnen Lehrkräfte. Die Schulen werden durch die Schulaufsicht und Fortbildungen unterstützt. Instrumente wie die interne und externe Evaluation unterstützen ebenfalls den Entwicklungsprozess der Schulen. 2. Werden Eltern umfassend an Schulentwicklungs prozessen beteiligt? Die Weiterentwicklung und Stärkung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule ist das erklärte Ziel der Staatsregierung. Deshalb wurden den Akteuren im Rahmen der Eigenverantwortlichen Schule durch eine Novellierung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes im Jahr 2013 dazu noch mehr Möglichkeiten gegeben. Die öffentlichen Schulen sind nach Art. 74 Abs 1 Satz 2 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) seither verpflichtet, gemeinsam mit den Eltern in einem schulspezifischen Konzept zur Erziehungspartnerschaft Grundlinien und Einzelschritte der Ausgestaltung zu erarbeiten und dieses Konzept regelmäßig fortzuschreiben. Für die Ausgestaltung der Bildungsund Erziehungspartnerschaft sind die jeweiligen Gegebenheiten und Bedürfnisse vor Ort maßgeblich. Zuvor wurden im von der Stiftung Bildungspakt Bayern in Zusammenarbeit mit dem Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (StMBW) durchgeführten Schulversuch „AKZENT Elternarbeit“ an mehreren Schulen verschiedener bayerischer Schularten Konzepte zur schulindividuellen Gestaltung der Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule erarbeitet und erprobt. Die daraus entstandenen Leitlinien (www.km.bayern.de/epaper/Schule_und_Familie_2016/ index.html#31/z ) geben ebenso wie die im November 2016 in einer Neuauflage erschienene Broschüre „Schule und Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 11.05.2018 Drucksache 17/21142 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21142 Familie. Verantwortung gemeinsam wahrnehmen“ (www. km.bayern.de/eltern/schule-und-mehr.html) einen umfassenden Überblick über ausgewählte Maßnahmen und Beispiele bzw. über Rechte und Pflichten der Eltern sowie Rechte und Aufgaben der Elternvertretung. Zudem sind alle bayerischen Schulen verpflichtet, die kurz- und mittelfristigen Entwicklungsziele und Maßnahmen der Schulgemeinschaft in einem Schulentwicklungsprogramm zusammenzufassen, dieses regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren (vgl. Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayEUG). Es wird vorausgesetzt, dass bei diesen Prozessen Eltern und Elternvertretung angemessen beteiligt werden. Die Festlegung der Entwicklungsziele erfolgt unter Beteiligung der Elternvertreter im Schulforum (vgl. Art. 69 Abs. 4 Nr. 6 BayEUG). In Bezug auf die inklusive Schulentwicklung ist das Recht auf Mitbestimmung des Elternbeirats bei der Entwicklung des Schulprofils „Inklusion“ zu nennen (Art. 65 Abs 1 Satz 3 Nr. 13 BayEUG). Im Rahmen des Schulforums wird der Elternbeirat bei zentralen Fragen der Schulentwicklung beteiligt (vgl. Art. 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1, 2, 6 und 7 sowie Satz 3 Nr. 1 BayEUG). Der Elternbeirat wird überdies an der Einführung gebundener und offener Ganztagsangebote bzw. an der Erarbeitung des entsprechenden pädagogischen Konzepts beteiligt. 3. a) Wie wird die Weiterentwicklung von inklusiven Un terrichtskonzepten evaluiert? Seit 2010 begleitet ein wissenschaftlicher Beirat (Prof. Dr. Fischer, Julius-Maximilians-Universität Würzburg – JMU, Prof. Dr. Heimlich, Ludwig-Maximilians-Universität München – LMU, Prof. Dr. Kahlert, LMU, und Prof. Dr. Lelgemann , JMU) die Entwicklungsprozesse hin zum inklusiven Unterricht und zur inklusiven Schule in Bayern. Der wissenschaftliche Beirat begutachtete für einen Zeitraum von drei Jahren ausgewählte Projekte auf dem Weg zur inklusiven Schule an allen Schularten. Ein Bericht zum ersten Beauftragungszeitraum des eissenschaftlichen Beirats „Inklu sion“ wurde dem Landtag im ersten Halbjahr 2014 vorgelegt (Download unter www.km.bayern.de/download/10156_be richtinkla428s_5_280114_es.pdf). Im Februar 2016 wurde ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsvorhaben der vier Lehrstuhlinhaber des wissenschaftlichen Beirats erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse sind im Abschlussbericht mit dem Titel „Inklusives Schulsystem. Analysen, Befunde, Empfehlungen zum bayerischen Weg“ (erschienen bei Klinkhardt, 2016, unter ISBN: 978-3-7815-2077-6) zusammengefasst . Teil des gemeinsamen Forschungsprojekts war die „Qualitätsskala zur inklusiven Schulentwicklung (QU!S)“ von Prof. Dr. Heimlich. Sie steht den Schulen als Anregung zur Verfügung mit vielen Impulsen zur weiteren Entwicklung. Der vierjährige Schulversuch „Inklusive berufliche Bildung in Bayern – IBB“ (2012/2013 bis 2015/2016) wurde durch Prof. Dr. Stein vom Lehrstuhl für Sonderpädagogik V, Pädagogik bei Verhaltensstörungen, der JMU wissenschaftlich begleitet und beinhaltete die prozessbegleitende Beratung der Projektleitung sowie der Modellschulen, die Durchführung einer formativen Evaluation des Schulversuchs sowie die Beratung bei der Vorbereitung einer Implementation von als positiv bewerteten Maßnahmen. Die Ergebnisse wurden in der Publikation „Inklusion an beruflichen Schulen – Ergebnisse eines Modellversuchs in Bayern“ (Stein, R., Kranert, H.-W. & Wagner, S., Bielefeld 2016, Verlag wbv) veröffentlicht und bündeln Fragestellungen, Methodik sowie Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation des Schulversuchs. In der internen und externen Evaluation spielt Inklusion eine Rolle. So enthält der Fragebogen für die externe Evaluation z. B. die Frage nach der Inklusion als Thema der Lehrerkonferenzen . An beruflichen Schulen ist Inklusion als Schwerpunktthema im Nachhaltigkeitskonzept des Qualitätsmanagements an allen beruflichen Schulen (QmbS) verankert. b) Werden reformpädagogische Unterrichtsformen wie Stationenarbeit, Wochenplan, Freiarbeit, Ge sprächskreise oder Projektlernen einbezogen? Ob Unterrichtsmethoden wie Stationenarbeit, Wochenplan, Freiarbeit, Gesprächskreise oder Projektlernen eingesetzt werden, liegt darüber hinaus in der pädagogischen Verantwortung der jeweiligen Lehrkraft. Die Entscheidung dafür oder dagegen ist stets abhängig vom jeweiligen Unterrichtsgegenstand und der gegenwärtigen Klassensituation. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen, wie z. B. die Studie von Hattie, weisen darauf hin, dass der offene Unterricht , dem in der pädagogischen Diskussion häufig große Bedeutung beigemessen wird, keine nennenswerten positiven Effekte auf schulisches Lernen hat. Deshalb sind, gerade auch in Lerngruppen mit einer stark heterogenen Schülerschaft, Unterrichtskonzepte sinnvoll, die andere Wege ermöglichen: Durch offene Aufgabenstellungen , bei denen alle Kinder auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus am gleichen Thema arbeiten, entsteht ein produktiver Umgang mit Heterogenität. 3. c) Werden Ausgangs und Bedarfslagen von Schü lerinnen und Schülern, vor allem im Kontext von schweren und mehrfachen Beeinträchtigungen, zum Bezugspunkt für Angebote im Unterricht ge macht? Schule und Unterricht knüpfen an die Ausgangs- und Bedarfslagen der Schülerinnen und Schüler an. Zahlreiche Handreichungen sowie der Serviceteil des LehrplanPLUS der jeweiligen Schularten unterstützen die Lehrkräfte bei ihrer Arbeit; s. dazu die Webseite des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) bzw. zum Lehrplan PLUS (https://www.lehrplanplus.bayern.de/). Speziell zum Bereich Inklusion kann auf Handreichungen zu einzelnen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten unter www.inklusion.schule.bayern.de/foerderschwerpunkte/ sowie auf das Handbuch des ISB und des StMBW zu Maßnahmen der individuellen Unterstützung, zum Nachteilsausgleich und zum Notenschutz in allen Schularten unter www. km.bayern.de/ministerium/schule-und-ausbildung/inklusion/ materialien-und-praxistipps.html verwiesen werden. Bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Förderschule und an der Regelschule dient sonderpädagogische Diagnostik der auf den individuellen Förderbedarf ausgerichteten diagnosegeleiteten Förderung. An der allgemeinen Schule trifft z. B. der Förderdiagnostische Bericht Aussagen zum sonderpädagogischen Förderbedarf und zur Art und Notwendigkeit der sonderpädagogischen Förderung. Der sonderpädagogische Förderbedarf benennt den aktuellen Stand der Lernund Leistungsentwicklung in den verschiedenen Bereichen, den individuellen Entwicklungsstand in allen Entwicklungsbereichen (Sprache, soziale und emotionale Entwicklung, Hören, Sehen, geistige Entwicklung sowie körperliche und motorische Entwicklung) und bezieht auch eine Kind-Um- Drucksache 17/21142 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 feld-Analyse mit ein. Die sonderpädagogische Diagnostik erfolgt durch die dazu ausgebildeten Lehrkräfte für Sonderpädagogik (MSD oder Lehrkraft an der Profilschule). Bei mehrfachem oder ggf. auch bei unklarem sonderpädagogischem Förderbedarf können Lehrkräfte für Sonderpädagogik aus weiteren Förderschwerpunkten hinzugezogen werden. Förderpläne sind ein Instrument, die Fördermaßnahmen und den Verlauf der Entwicklung bei der einzelnen Schülerin oder dem Schüler für alle Beteiligten zu dokumentieren . Unterschiedliche sonderpädagogische Förderbedarfe erfordern ggf. unterschiedliche Lernziele. An Grund-, Mittelund Berufsschulen können Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf – abweichend von den Lernzielen der Schule bzw. des jeweiligen Bildungsganges – nach abweichenden, individuellen Lernzielen unterrichtet werden (Lernzieldifferenz). Hier kann der inklusiv ausgerichtete Rahmenlehrplan Lernen herangezogen werden. An Förderzentren mit den Förderschwerpunkten Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung ist im Hinblick auf Schülerinnen und Schüler mit zusätzlichem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Lernen oder geistige Entwicklung ein lernzieldifferenter Unterricht möglich (vgl. § 22 Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung – VSO-F; für die Klassen am Sonderpädagogischen Förderzentrum ab Jahrgangsstufe 3). An den Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung kommen ebenfalls unterschiedliche Lehrpläne zum Einsatz (§ 7 Schulordnung für die Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung). Bei Lernzieldifferenz (Art. 30a Abs. 5 Sätze 2 bis 5 Bay- EUG) erhalten die Schüler eine individuelle beschreibende Bewertung. Sie bekommen keine Noten und entsprechend keinen auf Jahresfortgangsnoten beruhenden Abschluss der Mittelschule oder der Berufsschule. Sie erhalten einen individuellen Abschluss, der die erreichten Fähigkeiten und Kompetenzen beschreibt sowie Hinweise zur beruflichen Eingliederung und zum schulischen Anschluss gibt. Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf , die lernzieldifferent unterrichtet werden, werden die individuellen Lernziele im Förderplan festgehalten. Im Hinblick auf die Abschlüsse von Bildungsgängen ist Lernzielgleichheit vorrangig anzustreben; ggf. kann Nachteilsausgleich gewährt werden, um die Einschränkung auszugleichen und die Schülerin oder den Schüler in die Lage zu versetzen, eine gleichwertige Leistung zu erbringen; Notenschutz ist nach Maßgabe des § 34 Bayerische Schulordnung (BaySchO) möglich. 4. Wird der Unterrichtsinhalt so aufbereitet, dass alle Schülerinnen und Schüler einen Zugang zur jewei ligen Thematik erhalten? Individualisierung und Differenzierung sind im Rahmen des differenzierten Schulsystems Unterrichtsprinzipien, die in allen Schularten und Jahrgangsstufen zum Einsatz kommen. Dies ist in den Lehrplänen (www.lehrplanplus.bayern.de/) jeweils im Bildungs- und Erziehungsauftrag verankert. Beispiel Grundschule: „Die Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler in der Grundschule ist eine Chance für das Von- und Miteinanderlernen . Individuelle und gemeinsame Lernprozesse stehen in Wechselwirkung miteinander. Die Lehrkraft nutzt das Potenzial der heterogenen Lerngruppe, indem sie im Unterricht sowohl homogene als auch heterogene Lerngruppen in flexiblen Zusammensetzungen bildet. So können unterschiedliche Begabungen, Stärken und Interessen für das Lernen aller fruchtbar gemacht werden. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen werden durch ausgewählte Aufgabenstellungen im Rahmen ihrer Klassengemeinschaft gefördert und gefordert.“ Beispiel Förderschule, Förderschwerpunkt Lernen: „Kinder und Jugendliche erwerben Kompetenzen anhand gemeinsamer Aufgabenstellungen, die unterschiedliche Lernwege, Lernergebnisse und Lerntempi zulassen und damit verschiedene Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen sowie spezifische Wahrnehmungsvoraussetzungen beachten .“ Beispiel Mittelschule: „Die Mittelschule fasst die Verschiedenheit der Schülerinnen und Schüler als eine Chance für das Von- und Miteinanderlernen auf. Beeinträchtigungen sowie Unterschiede im Lernund Entwicklungstempo und in den sich daraus ergebenden spezifischen Lern- und Unterstützungsbedürfnissen werden berücksichtigt. Kooperative Lernformen, offene Lernarrangements und Lernzieldifferenzierung kennzeichnen den Unterricht .“ Beispiel Realschule: „Bei der Unterrichtsgestaltung wird der heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft einer Klasse Rechnung getragen. Dabei fördern kooperative Lernformen und Möglichkeiten zur Mitgestaltung als zentrale Kennzeichen inklusiven Unterrichts nachhaltige individuelle Lernprozesse bei Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernausgangslagen .“ Beispiel Gymnasium: „In einer Zeit, in der sich vor dem Hintergrund wachsender gesellschaftlicher Heterogenität auch Lerngruppen zunehmend ausdifferenzieren, fördert das Gymnasium alle gymnasial geeigneten Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage einer Pädagogik der Vielfalt. […] Die Lehrkräfte berücksichtigen die Unterschiedlichkeit ihrer Schülerinnen und Schüler, fördern gezielt deren Potenziale und führen die Lernenden zu einer realistischen Einschätzung ihrer Stärken und Schwächen.“ 5. a) Wird eine enge Zusammenarbeit aller Lehrkräfte praktiziert? Teil der Professionalität von Lehrkräften ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen, die im Bereich der Inklusion eine große Rolle spielt. Dies betrifft insbesondere die Zusammenarbeit von Lehrkräften der allgemeinen Schule mit Lehrkräften für Sonderpädagogik. Praktiziert wird sie im Bereich der sog. Einzelinklusion in der Zusammenarbeit der Lehrkraft der allgemeinen Schule mit dem Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD), in den Schulen mit dem Profil Inklusion sowie in Kooperationsklassen und bei der Zusammenarbeit im Partnerklassensystem. Darüber hinaus kommt dem Austausch zwischen Lehrkräften der allgemeinen Schule einschließlich der Zusammenarbeit mit Beratungslehrkräften und Schulpsychologen sowie Förderlehr- Seite 4 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21142 kräften und ggf. Heilpädagogen eine große Bedeutung zu; s. dazu auch Frage 5 b. b) Kooperieren Fachkräfte unterschiedlicher Profes sionen? Die allgemeinen Schulen haben vielfältige Unterstützungsund Beratungssysteme. Neben den Förderlehrkräften an Grundschulen und Mittelschulen gibt es Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen an den allgemeinen Schulen sowie die Unterstützung durch den MSD. An Grund- und Mittelschulen mit dem Profil „Inklusion“ erfolgt die Unterstützung durch Lehrkräfte für Sonderpädagogik, die ins Kollegium der allgemeinen Schule eingebunden sind; sofern in einem Förderschwerpunkt die fachliche Expertise nicht durch diese Lehrkräfte abgedeckt ist, kann der MSD beigezogen werden. Neben Lehrkräften können auch Heilpädagogische Förderlehrer und sonstiges Personal für heilpädagogische Unterrichtshilfe (im MSD oder an Profilschulen) Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterstützen. Bei einer Gruppe von pflegebedürftigen Schülern in Kooperationsklassen oder Profilschulen (staatliche Schulen) können schulische Pflegekräfte eingesetzt werden. Einzelne Schüler mit Behinderung können bei einem Eingliederungshilfebedarf , der durch die Schule nicht gedeckt werden kann, finanziert durch die Eingliederungshilfe (je nach Behinderung Bezirke oder Jugendamt) Unterstützung durch Schulbegleiter erhalten. Weiterhin können ggf. medizinische Pflegekräfte, finanziert durch die Krankenkassen, eingesetzt werden. Die eingesetzten Fachkräfte dieser unterschiedlichen Professionen kooperieren miteinander. An vielen Schulen besteht eine Kooperation mit der Jugendhilfe, insbesondere in Form der Jugendsozialarbeit an Schulen. Sofern Therapeuten am Ort Schule arbeiten, ist ebenfalls eine Zusammenarbeit möglich. c) Unterstützt die Schulleitung die Teams, die Zeit und andere Ressourcen benötigen? Die Schulleitung unterstützt Teams im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Ressourcen. 6. a) Haben die Schulen ihr Schulkonzept verändert? Inklusiver Unterricht ist nach Art. 2 Abs. 2 BayEUG Aufgabe aller Schulen. Nach Art. 30a Abs. 1 BayEUG ist die inklusive Schule Ziel der Schulentwicklung. Schulen, die sich in besonderem Maße der Inklusion verpflichtet sehen, können das Profil „Inklusion“ entwickeln. Element der Profilschule ist das von der Schulfamilie getragene Bildungs- und Erziehungskonzept , das die individuelle Förderung für alle Schüler in Unterricht und Schulleben an der konkreten Schule umsetzt (Art. 30b Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BayEUG). Dabei haben sich die Schulen mit vielfältigen Fragen zu beschäftigen (wie z. B. die Organisation der Förderung und Umsetzung der Lernzieldifferenz an Grund- und Mittelschulen), die ggf. im Laufe der Zeit und mit der Zunahme an Erfahrung neue Akzente erhalten können. b) Wirken alle unmittelbar Beteiligten am Schulkon zept mit? Das für Profilschulen geforderte Bildungs- und Erziehungskonzept wird von der gesamten Schulfamilie getragen. Der Elternbeirat wird bei der Entwicklung des Schulprofils „Inklusion “ ebenfalls beteiligt (Art. 65 Abs. 1 Satz 3 BayEUG). Die Zustimmung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde und der beteiligten Schulaufwandsträger ist bei der Profilbildung erforderlich (Art. 30b Abs. 3 Satz 1 BayEUG). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 bzw. auf die Regelungen zum Schulforum in Art. 69 BayEUG verwiesen. c) Werden Begegnungsmöglichkeiten geschaffen, die für alle Schülerinnen und Schüler zugänglich sind? Die Schulen entwickeln Begegnungsmöglichkeiten entsprechend ihrer Bedürfnisse und der Gegebenheiten vor Ort eigenverantwortlich im Rahmen ihres Schullebens. Persönliche Begegnung ist gerade in der Klassen- und Schulgemeinschaft ganz niederschwellig bzw. selbstverständlich möglich. 7. a) Wird die Barrierefreiheit in der räumlichen Aus stattung garantiert? Die Barrierefreiheit ist in Art. 48 Bayerische Bauordnung (BayBO) und in Art. 10 Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) verankert. Verantwortlich für die Barrierefreiheit ist der jeweilige Sachaufwandsträger. Eine Garantie für die Barrierefreiheit gibt es schon im Hinblick auf den Bestandsschutz für vorhandene Gebäude nicht. Barrierefreiheit ist aber auch bei bestehenden Gebäuden im Rahmen von Baumaßnahmen oder wesentlichen Änderungen zu beachten. Der Freistaat Bayern gewährt zu kommunalen Schulbaumaßnahmen Finanzhilfen nach Maßgabe des Finanzausgleichsgesetzes (FAG). Insbesondere folgende Förderverbesserungen entlasten die Kommunen bei ihren Baumaßnahmen zur Umsetzung von Barrierefreiheit spürbar : – Abgesenkte Bagatellgrenze von 25.000 Euro für Maßnahmen zur Umsetzung von Barrierefreiheit/Inklusion (regulär 100.000 Euro); – Weiterentwicklung des Vollzugs der Schulbauverordnung zur Stärkung der Gestaltungsspielräume von Schulaufwandsträgern (zukünftig Möglichkeit, im Rahmen einer Flächenbandbreite individuelle Lösungen umzusetzen; spezielle Ausführungen zur Förderung der Inklusion). Die Barrierefreiheit privater Schulen wird im Rahmen der Regelungen des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes zur Förderung beim Schulaufwand, insbesondere zur Bauförderung, unterstützt. Bei konkreten Anforderungen durch die Aufnahme eines Schülers mit Behinderung kann den Bedürfnissen im Einzelfall ggf. durch kleinere Umbauarbeiten oder Bauunterhaltsmaßnahmen bzw. durch organisatorische Maßnahmen entsprochen werden. Ist die Herstellung der Barrierefreiheit im Einzelfall nicht möglich bzw. wirtschaftlich unverhältnismäßig , kann der Schulträger die Zustimmung zur Aufnahme verweigern (Art. 30a Abs. 4 BayEUG). Der Schüler besucht dann eine andere allgemeine Schule oder ggf. eine Förderschule . Bei den Grund-, Mittel- und Berufsschulen geschieht der Besuch einer anderen allgemeinen Schule im Wege der Zuweisung durch die Schulaufsicht (Art. 43 Abs. 2 Nr. 4 Bay- EUG); der Schulaufwandsträger der Sprengelschule muss in diesem Fall nicht nur einen Gastschulbeitrag leisten, sondern auch die Kosten der Schülerbeförderung übernehmen. b) Wird die Barrierefreiheit in den Köpfen garantiert, um niemanden aus dem Schulleben auszugren zen? Inklusion setzt eine positive Haltung jeder Person zur Verschiedenheit voraus und wird in Fortbildungen für Lehrkräfte Drucksache 17/21142 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 5 thematisiert. Im Rahmen ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags arbeiten Schulen daran, Vielfalt als Normalität, Aufmerksamkeit und Empathie sowie Unterstützungsbereitschaft und Gemeinschaftssinn zu vermitteln. Die Lehrkräfte nehmen dabei eine wichtige Vorbildfunktion ein. 8. a) Öffnen sich die Schulen zur Gemeinde, zur Stadt oder zum Stadtteil? Zahlreiche Aktivitäten der Schulen zeigen, dass sie sich zu ihrer Kommune hin öffnen. So gibt es z. B. Lesepatenschaften oder sonstige Unterstützungsnetzwerke, bei denen sich Mitbürger ehrenamtlich in der Schule engagieren. Mit Schülerfirmen z. B. können Schülerinnen und Schüler auch außerhalb der Schulen in ihrer Kommune Leistungen erbringen. Im Bereich der Berufsorientierung gibt es zahlreiche Berührungspunkte zwischen Schule und Betrieben vor Ort. Zu nennen sind ferner die Besuche von Theatern, Museen oder einer sonstigen kulturellen Einrichtung durch Schulklassen sowie die Zusammenarbeit der Schulen mit örtlichen Verbänden oder Sportvereinen. Gerade im Bereich der Inklusion kommt dem Sichtbarwerden von Behinderung als selbstverständlichem Teil der Gesellschaft in der Schule und durch die Präsenz der Schule im Gemeindeleben eine wichtige Funktion zu. Insbesondere Ganztagsschulen nutzen häufig die zusätzlichen zeitlichen Möglichkeiten, um Kooperationen mit dem Umfeld der Schule – insbesondere mit außerschulischen Bildungsträgern wie z. B. Musikschulen – zu stärken. b) Gibt es Ressourcen, die es Schulen ermöglichen, sich im Sozialraum zu vernetzen? Die Vernetzung im Sozialraum ist im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen möglich. Die Schulen sind mit ihren vielen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten und ihren Räumlichkeiten vielfach eingebunden in das Gemeinwesen ihrer Kommune. Gerade auch Ganztagsangebote mit personellen und institutionellen lokalen Verknüpfungen stellen wichtige Verbindungen zusätzlich zu den schulischen Aktivitäten in der Gemeinde dar. Ganztagsschulen erhalten zur Abdeckung der Zeitfenster nach Unterrichtsschluss zusätzliche Ressourcen in Form von Lehrerwochenstunden (gebundener Ganztag) bzw. einem finanziellen Budget. Diese Ressourcen werden häufig genutzt, um mit Unterstützung eines außerschulischen Kooperationspartners eine Vernetzung im Sozialraum zu realisieren. c) Gibt es auf regionaler Ebene formale Gremien für unterschiedliche Schularten, die ein gegenseitiges Kennenlernen und einen Austausch z. B. über in klusive Beschulung ermöglichen? Es gibt in Bayern die Konferenzen der Schulaufsicht und bereits 75 Landkreise und kreisfreie Städte, die sich an der Initiative „Bildungsregionen in Bayern“ beteiligen. In Bildungsregionen ist der Austausch zwischen den unterschiedlichen Schularten und sonstigen Akteuren zur Inklusion ein wichtiges Element. Darüber hinaus gibt es die Modellregion Inklusion Kempten.