Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Martin Runge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.02.2018 Untersuchungen und Planungen zum Ausbau der S 4 West – Fragen zu falschen Ansagen und nicht eingehaltenen Zusagen Die S 4 ist gehört zu den S-Bahn-Linien, die vor ihrer Einbindung in die Stammstrecke die meisten Fahrgäste haben. Ausgerechnet die S 4 hat aber keine eigenen Gleise, muss also im Mischverkehr fahren (neben den S-Bahnen Regional -, Fern- und Güterverkehr). Dringend notwendige Investitionsmaßnahmen wie beispielsweise die Entschärfung des Engpasses „Westkopf Pasing“ und der Ausbau bis Buchenau wurden und werden immer wieder zugesagt, dann aber auch immer wieder in die fernere Zukunft verschoben. Gerade aber der Zwangspunkt „Westkopf Pasing“ wie auch generell der Mischverkehr sorgen für jede Menge an Verspätungen , die dann wiederum in die Stammstrecke und anschließend in das gesamte S-Bahn-Netz getragen werden. Bereits im August 1991 erhielt die damalige Bundesbahn den Auftrag, Investitionsmaßnahmen zur Einführung des 10-Minuten-Taktes in der Hauptverkehrszeit für die Strecke zwischen Pasing und Buchenau zu planen. Mitte 2003 versprachen Bayerns Wirtschafts- und Verkehrsminister Otto Wiesheu und Bahnchef Hartmut Mehdorn, den Ausbau der Strecke nach Buchenau so voranzutreiben, dass bis zum Jahr 2009, spätestens aber bis 2010 der 10-Minuten-Takt möglich sei. In der Rahmenvereinbarung über das 10-Jahres -Entwicklungskonzept für den Schienenverkehr im Freistaat Bayern zwischen der DB AG und dem Freistaat Bayern vom September 2003 war beispielsweise der Ausbau („S 4 West: Streckenausbau zur Einführung des 10-Minuten -Taktes“) als „einvernehmlich als prioritär eingestufte Maßnahme“ enthalten. Mit den Beschlüssen der Staatsregierung (23.03.2010) und des Landtages (14.04.2010) mit einer Mehrheit aus CSU, FDP und SPD zum Bahnknoten München wurde jedoch entschieden, dass der S-4-Ausbau nicht mehr erste Priorität genießen und, wenn überhaupt, nur mehr bis Eichenau geführt werden soll. Auch fortan gab es jede Menge an Ankündigungen, die Planungen zügig zu beginnen. So erklärte beispielsweise der zu diesem Zeitpunkt zuständige Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Martin Zeil im Spätsommer 2011: „Im Falle eines positiven Ergebnisses“ der zu diesem Zeitpunkt laufenden , aber auch schon für 2008 als fertiggestellt angekündigten , „Nutzen-Kosten-Untersuchung wird die Bahn die Entwurfs- und Genehmigungsplanung starten“. Im August 2015 versuchte die Staatsregierung, ihr vermeintliches Bedauern darüber auszudrücken, dass die Entwurfsplanung (Leistungsphase 3 der HOAI) noch nicht abgeschlossen sei, und suggerierte damit, dass es bereits die Grundlagenermittlung und die Vorplanung gäbe, und im März 2016 ließ die mittlerweile dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr zugeordnete Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) verlauten, der Ausbau der S 4 befinde sich in der Vorplanung. Wie oben ausgeführt, war über Jahrzehnte der viergleisige Ausbau zwischen Pasing und der Buchenau zugesagt. Unlängst hat nun die DB AG verlauten lassen, die Vorplanungen zum Ausbau der S 4, und hier v. a. den Bau eines dritten Gleises zwischen Pasing und Eichenau, in Auftrag gegeben zu haben. Eben einen solchen dreigleisigen Ausbau bis Eichenau hatte noch vor wenigen Jahren die DB AG vehement als „nicht zielführend“ abgelehnt. Meines Erachtens wäre ein nur dreigleisiger Ausbau, zumal nur bis Eichenau, im Zweifelsfall doch nichts anderes als teure Flickschusterei. Drohen würde, dass die Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit der S 4 West zementiert und die Zugzahlen des Regionalverkehrs München – Kaufering/Buchloe /Allgäu wie auch des Fernverkehrs in die Schweiz auf lange Zeit limitiert würden. In diesem Zusammenhang bitte ich um Beantwortung folgender Fragen: 1. Was sind die Ergebnisse der Voruntersuchung aus 2001 und der Machbarkeitsuntersuchung aus 2004/2005, welche Folgerungen und welche weiteren Schritte waren die Konsequenzen der beiden genannten Untersuchungen? 2. a) Wurde die Planungsvereinbarung aus dem Jahr 2006, in der und mit der sich die DB AG zur Vorentwurfs-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung verpflichtet hatte und die Staatsregierung im Gegenzug die Übernahme der Kosten für die Planungen durch den Freistaat zugesichert hatte, aufgehoben bzw., wenn nicht, weshalb wurden dann die vereinbarten Planungen über Jahre hinweg nicht erstellt? b) Meinte die Staatssekretärin im damaligen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Katja Hessel mit der in ihrem Bericht an den Landtag vom 17.04.2012 angekündigten Beauftragung der DB AG mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung durch die Staatsregierung immer noch die Verpflichtung der DB AG aus der o. g. Planungsvereinbarung aus dem Jahr 2006 oder sprach sie von einer neuerlichen Beauftragung und, wenn Letzteres mit ja zu beantworten ist, wie sah diese Beauftragung im Konkreten aus? 3. Was war das Ergebnis der Arbeiten der von der DB Netz eingesetzten internen Arbeitsgruppe, die laut Auskunft der Staatsregierung (24.06.2002) „zur Untersuchung der Einbindung zusätzlicher Streckengleise in den Bahnhof Pasing und zur Ermittlung des Infrastrukturbedarfs bis Buchenau“ tätig sein sollte? Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 11.05.2018 Drucksache 17/21188 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21188 4. Wie viele potenzielle Bieter meldeten sich auf die u. a. in der Bayerischen Staatszeitung vom 23.09.2005 veröffentlichte Bekanntmachung der europaweiten Ausschreibung für die Planung der Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI (Grundlagenermittlung und Vorplanung) für den „4-gleisigen Oberbau der ca. 19 km langen zweigleisigen Mischbetriebsstrecke München – Pasing – Buchenau sowie deren höhenfreie Einbindung in den Bf. München-Pasing“, in der des Weiteren konkret benannt waren der „Ersatz von 5 Bahnübergängen durch Bauwerke“ und der „barrierefreie Ausbau von 5 S-Bahn-Stationen“, wie wurde das Verfahren fortgesetzt, wurde die Ausschreibung aufgehoben? 5. Wie viele potenzielle Bieter meldeten sich auf die u. a. in der Bayerischen Staatszeitung vom 14.07.2006 veröffentlichte Ausschreibung der „Projektsteuerung im Zuge der Leistungsphasen 1 und 2 von Ingenieurbauwerken , Verkehrsanlagen und technischer Streckenausrüstung für den S-Bahn-Ausbau München – Pasing – Buchenau“, wie wurde das Verfahren fortgesetzt , wurde die Ausschreibung aufgehoben? 6. Wie häufig und wann hat der Arbeitskreis aus Vertretern des Staatsministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur , Energie und Technologie und der DB AG, dessen Aufgabe es laut Staatsregierung war, „die Ausbaumaßnahmen zu konkretisieren und zu optimieren, um das Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,04 zu stabilisieren “, getagt und was sind die Ergebnisse des Einsatzes des Arbeitskreises? 7. Startete die DB AG nach der Erklärung des zu diesem Zeitpunkt zuständigen Staatsministers Martin Zeil im Spätsommer 2011, „im Falle eines positiven Ergebnisses “ der zu diesem Zeitpunkt laufenden, aber auch schon für 2008 als fertiggestellt angekündigten „Nutzen -Kosten-Untersuchung wird die Bahn die Entwurfsund Genehmigungsplanung starten“, die Entwurfsund Genehmigungsplanung tatsächlich einigermaßen zeitnah und, wenn nein, aus welchen Gründen nicht und wie reagierte die Staatsregierung auf das Nichtstattfinden des Startens der Entwurfs- und Genehmigungsplanung ? 8. Hat die DB AG bezogen auf das Gutachten von BEG und MVV aus dem Jahr 2000 ihre Auffassung, ein drittes Gleis bis Eichenau sei „nicht zielführend“, aufgrund der „höheren Fahrplanqualität“ sei ein viergleisiger Ausbau erforderlich, geändert und, wenn ja, wie wird dieser Gesinnungsumschwung jetzt begründet? Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 12.03.2018 1. Was sind die Ergebnisse der Voruntersuchung aus 2001 und der Machbarkeitsuntersuchung aus 2004/2005, welche Folgerungen und welche weiteren Schritte waren die Konsequenzen der beiden genannten Untersuchungen? Die Voruntersuchung und die Machbarkeitsstudie hatten zum Ziel, den Infrastrukturbedarf für mögliche Angebotsverbesserungen bei der S-Bahn unter Beachtung der zum damaligen Zeitpunkt zu unterstellenden Rahmenbedingungen zu ermitteln. Die Ergebnisse der Untersuchungen fanden inhaltliche Berücksichtigung in der zwischen Freistaat und der Deutschen Bahn (DB) 2006 abgeschlossenen Planungsvereinbarung über den Ausbau der S 4 West. 2. a) Wurde die Planungsvereinbarung aus dem Jahr 2006, in der und mit der sich die DB AG zur Vorentwurfs -, Entwurfs- und Genehmigungsplanung verpflichtet hatte und die Staatsregierung im Gegenzug die Übernahme der Kosten für die Planungen durch den Freistaat zugesichert hatte, aufgehoben bzw., wenn nicht, weshalb wurden dann die vereinbarten Planungen über Jahre hinweg nicht erstellt? Die zwischen Freistaat und DB 2006 geschlossene Planungsvereinbarung wurde an die geänderten Planungsziele angepasst. Die DB hat ihre Planungsaktivitäten unverzüglich an den geänderten Planungszielen für den Ausbau der S 4 West ausgerichtet und kontinuierlich weiterbetrieben. b) Meinte die Staatssekretärin im damaligen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Katja Hessel mit der in ihrem Bericht an den Landtag vom 17.04.2012 angekündigten Beauftragung der DB AG mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung durch die Staatsregierung immer noch die Verpflichtung der DB AG aus der o. g. Planungsvereinbarung aus dem Jahr 2006 oder sprach sie von einer neuerlichen Beauftragung und, wenn Letzteres mit ja zu beantworten ist, wie sah diese Beauftragung im Konkreten aus? Die seinerzeitige Staatssekretärin Katja Hessel legte dar, dass die bis 2012 von der DB erzielten Planungsergebnisse für einen Ausbau der S 4 West eine Optimierung des Ausbauumfangs erforderlich machen. Die für die Optimierung erforderlichen Untersuchungen hatten das Ziel, Infrastrukturplanung und erwartbare Entwicklung des Schienenverkehrs auf dieser Strecke konsequenter aufeinander abzustimmen . Dieser Optimierungsprozess wurde auf Grundlage der Planungsvereinbarung durchgeführt. 3. Was war das Ergebnis der Arbeiten der von der DB Netz eingesetzten internen Arbeitsgruppe, die laut Auskunft der Staatsregierung (24.06.2002) „zur Untersuchung der Einbindung zusätzlicher Streckengleise in den Bahnhof Pasing und zur Ermittlung des Infrastrukturbedarfs bis Buchenau“ tätig sein sollte? Unter den zum damaligen Zeitpunkt zu unterstellenden Rahmenbedingungen (u. a. 10-Minuten-Takt der S 4 zur Haupt- Drucksache 17/21188 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 verkehrszeit) kam die DB zum Ergebnis, dass ein viergleisiger Streckenausbau der S 4 West weiterzuverfolgen sei. 4. Wie viele potenzielle Bieter meldeten sich auf die u. a. in der Bayerischen Staatszeitung vom 23.09.2005 veröffentlichte Bekanntmachung der europaweiten Ausschreibung für die Planung der Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI (Grundlagenermittlung und Vorplanung) für den „4-gleisigen Oberbau der ca. 19 km langen zweigleisigen Mischbetriebsstrecke München – Pasing – Buchenau sowie deren höhenfreie Einbindung in den Bf. München-Pasing“, in der des Weiteren konkret benannt waren der „Ersatz von 5 Bahnübergängen durch Bauwerke“ und der „barrierefreie Ausbau von 5 S-Bahn-Stationen“, wie wurde das Verfahren fortgesetzt, wurde die Ausschreibung aufgehoben ? 5. Wie viele potenzielle Bieter meldeten sich auf die u. a. in der Bayerischen Staatszeitung vom 14.07.2006 veröffentlichte Ausschreibung der „Projektsteuerung im Zuge der Leistungsphasen 1 und 2 von Ingenieurbauwerken, Verkehrsanlagen und technischer Streckenausrüstung für den S-Bahn-Ausbau München – Pasing – Buchenau“, wie wurde das Verfahren fortgesetzt, wurde die Ausschreibung aufgehoben? Die angesprochenen Planungsleistungen wurden von der DB in eigener Zuständigkeit ausgeschrieben. Der Staatsregierung liegen daher keine Informationen vor. 6. Wie häufig und wann hat der Arbeitskreis aus Vertretern des Staatsministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur, Energie und Technologie und der DB AG, dessen Aufgabe es laut Staatsregierung war, „die Ausbaumaßnahmen zu konkretisieren und zu optimieren, um das Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,04 zu stabilisieren“, getagt und was sind die Ergebnisse des Einsatzes des Arbeitskreises? Im Zeitraum 2012 bis Ende 2013 konnte der Arbeitskreis zur Optimierung des Ausbaus der S 4 West die fachlich erforderlichen Untersuchungen durchführen. Die Anfang 2014 vorgelegten Ergebnisse kamen zu dem Schluss, dass unter den Rahmenbedingungen des von der Staatsregierung vorgesehenen Bahnausbaus in der Region München mit der 2. Stammstrecke als zentralem Element ein dreigleisiger Streckenausbau zwischen Pasing und Eichenau einschließlich eines Umbaus des Westkopfes Bahnhof Pasing sowie eine Verkürzung der Zugfolgeabstände westlich von Eichenau für die zu erwartende Entwicklung im Schienenverkehr ausreichend sind. 7. Startete die DB AG nach der Erklärung des zu diesem Zeitpunkt zuständigen Staatsministers Martin Zeil im Spätsommer 2011, „im Falle eines positiven Ergebnisses“ der zu diesem Zeitpunkt laufenden, aber auch schon für 2008 als fertiggestellt angekündigten „Nutzen-Kosten-Untersuchung wird die Bahn die Entwurfs- und Genehmigungsplanung starten“, die Entwurfs- und Genehmigungsplanung tatsächlich einigermaßen zeitnah und, wenn nein, aus welchen Gründen nicht und wie reagierte die Staatsregierung auf das Nichtstattfinden des Startens der Entwurfs- und Genehmigungsplanung ? Auf Grundlage von Vorplanungsergebnissen der DB für einen viergleisigen Streckenausbau der S 4 West kam die Nutzen-Kosten-Untersuchung im März 2012 zu einem nur knapp positiven Ergebnis (Nutzen-Kosten-Verhältnis: 1,04). Um das Nutzen-Kosten-Verhältnis auch für die weiteren Planungen stabil halten zu können, wurde – wie bereits zu den Fragen 2 b und 6 ausgeführt – ein Optimierungsprozess veranlasst. Dessen Ergebnisse bilden die Grundlage der laufenden Planungen der DB. 8. Hat die DB AG bezogen auf das Gutachten von BEG und MVV aus dem Jahr 2000 ihre Auffassung, ein drittes Gleis bis Eichenau sei „nicht zielführend“, aufgrund der „höheren Fahrplanqualität“ sei ein viergleisiger Ausbau erforderlich, geändert und, wenn ja, wie wird dieser Gesinnungsumschwung jetzt begründet? Wie bereits zu Frage 3 ausgeführt, wurde die damalige Bewertung der DB auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt zu unterstellenden Rahmenbedingungen (u. a. 10-Minuten- Takt der S 4 zur Hauptverkehrszeit) getroffen. Mit der Unterstellung des mit der 2. Stammstrecke möglich werdenden S-Bahn-Angebotskonzeptes eines ganztägigen 15-Minuten- Taktes mit Express-S-Bahnen, welches auch der verkehrlichen Nachfrage besser gerecht wird, haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Daher bewertet die DB – wie bereits zu Frage 6 ausgeführt – aktuell einen dreigleisigen Streckenausbau zwischen Pasing und Eichenau einschließlich eines Umbaus des Westkopfes Bahnhof Pasing sowie eine Verkürzung der Zugfolgeabstände westlich von Eichenau als ausreichenden Maßnahmenumfang.