Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.02.2018 Amtshaftungsklage des LKA-Beamten Stephan S. Das Landgericht München I hat im Verfahren des LKA-Beamten (LKA = Landeskriminalamt) Stephan S. gegen den Freistaat Bayern am 17.01.2018 festgestellt, dass durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens u. a. wegen Falschaussage eine Amtspflichtverletzung vorlag. Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat aufgrund des Urteils Vorermittlungen gegen die Staatsanwaltschaft München I eingeleitet (Süddeutsche Zeitung vom 07.02.2018). Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: 1. Aufgrund welcher strafrechtlichen Vorwürfe wurde das Vorermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Würzburg eingeleitet? 2.1 Richtet sich das durch die Staatsanwaltschaft Würzburg eingeleitete Vorermittlungsverfahren bereits gegen bestimmte Personen? 2.2 Falls ja, gegen welche? 3. Welche Konsequenzen werden die Staatsregierung, insbesondere das Staatsministerium für Justiz und das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr , aus dem Urteil des Landgerichts München I ziehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Staatsminister der Justiz Prof. Dr. Winfried Bausback am 09.02.2015 angekündigt hat, dass die Justiz in der Lage sei, sich selbst zu hinterfragen, Problemfelder zu benennen und Verbesserungsmaßnahmen anzustoßen ? 4.1 Plant die Staatsregierung, den Beamten Stephan S. zu rehabilitieren? 4.2 Falls ja, durch welche Maßnahmen? 4.3 Falls nein, weshalb nicht? 5. Hält die Staatsregierung die Beförderung des damaligen Leiters der Staatsanwaltschaft München I zum Generalstaatsanwalt in München im Jahr 2015 zum jetzigen Zeitpunkt noch für gerechtfertigt vor dem Hintergrund , dass das Landgericht München I festgestellt hat, dass dieser bei der Anweisung, ein Ermittlungsverfahren gegen den Beamten Stephan S. im Jahr 2010 einzuleiten, fahrlässig handelte? Antwort des Staatsministeriums der Justiz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 20.03.2018 Vorbemerkung: Mit seiner Klage machte der in der Schriftlichen Anfrage namentlich genannte Kläger Stephan S. in Zusammenhang mit einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Amtshaftungsansprüche geltend. Er begehrte Schadensersatz in Höhe von 418,10 Euro für Aufwendungen notwendiger Verteidigung und in Höhe von 94,62 Euro für Heilhandlungskosten sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens in Höhe von 7.635 Euro, jeweils nebst Zinsen. Mit Urteil vom 17.01.2018 verurteilte das Landgericht München I den beklagten Freistaat Bayern, an den Kläger 418,10 Euro nebst Zinsen zu zahlen; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen . Das Gericht bejahte eine Amtspflichtverletzung des Beklagten, weil das zugrunde liegende Ermittlungsverfahren gegen den Kläger nicht hätte eingeleitet werden dürfen und weil gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen worden sei. Das erstinstanzliche Urteil ist für den Beklagten nicht berufungsfähig , weil die Berufungssumme gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht erreicht ist und die Berufung nicht im Urteil zugelassen wurde. Im Hinblick darauf unterbleibt eine abschließende Bewertung der gegen den Freistaat Bayern als Partei ergangenen gerichtlichen Entscheidung. Allgemein ist aber auf Folgendes hinzuweisen: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) steht der Staatsanwaltschaft bezüglich der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein Beurteilungsspielraum zu. Im Amtshaftungsprozess darf das erkennende Gericht demnach nur prüfen, ob die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vertretbar war; die Vertretbarkeit darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2016 – III ZR 387/14). Mit diesen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat sich das Landgericht München I in seinem Urteil nicht auseinandergesetzt. Dass das der Klage zugrunde liegende Ermittlungsverfahren sehr lange gedauert hat, hat auch der Untersuchungsausschuss „Labor“ des Landtags festgestellt; auf Teil C des Schlussberichts (Drs. 17/12960, Schlussfolgerung Nr. 6, Seite 110, und Ausführungen unter Nr. IX.2, Seite 120) wird insoweit Bezug genommen. 1. Aufgrund welcher strafrechtlichen Vorwürfe wurde das Vorermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Würzburg eingeleitet? Das Vorermittlungsverfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft Würzburg auf der Grundlage der Ausführungen im Urteil des Landgerichts München I vom 17.01.2018 einge- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.07.2018 Drucksache 17/21238 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21238 leitet. Im Rahmen des Vorermittlungsverfahrens soll geklärt werden, ob ein Anfangsverdacht für Straftaten gegenwärtiger oder früherer Justizangehöriger im Zusammenhang mit den Geschehnissen besteht, die Gegenstand der Amtshaftungsklage des LKA-Beamten S. waren. 2.1 Richtet sich das durch die Staatsanwaltschaft Würzburg eingeleitete Vorermittlungsverfahren bereits gegen bestimmte Personen? Das Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg richtet sich derzeit nicht gegen eine bestimmte Person. Die Staatsanwaltschaft prüft zunächst, ob und bejahendenfalls gegen wen ein Anfangsverdacht für verfolgbare Straftaten besteht. 2.2 Falls ja, gegen welche? Auf die Antwort zu Frage 2.1 wird Bezug genommen. 3. Welche Konsequenzen werden die Staatsregierung , insbesondere das Staatsministerium für Justiz und das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr aus dem Urteil des Landgerichts München I ziehen, insbesondere vor dem Hintergrund , dass er Staatsminister der Justiz Prof. Dr. Winfried Bausback am 09.02.2015 angekündigt hat, dass die Justiz in der Lage sei, sich selbst zu hinterfragen , Problemfelder zu benennen und Verbesserungsmaßnahmen anzustoßen? Die bayerische Justiz hat den Anspruch, sich Kritik zu stellen und zu prüfen, ob sie den sich selbst und den an sie gestellten Anforderungen jederzeit gerecht wird. Deshalb stieß das Staatsministerium der Justiz bereits im Jahr 2014 eine Selbstverständnisdebatte in der bayerischen Justiz an. Im Rahmen einer Onlinebefragung wurden 5.250 Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aufgefordert, Ursachen für an die bayerische Justiz herangetragene Außenkritik zu benennen, die in der Verantwortung der Justiz liegen. Arbeitsgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern aus dem Staatsministerium der Justiz, der Praxis, den Personalvertretungen und den Berufsverbänden haben die Ergebnisse der Onlineumfrage ausgewertet und fünf Handlungsfelder mit Verbesserungspotenzial identifiziert, darunter auch die Kritik- und Fehlerkultur. Im Rahmen dieser Selbstverständnisdebatte wurde eine Vielzahl konkreter Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die engagiert umgesetzt werden. Das Staatsministerium der Justiz nimmt die Ausführungen des Landgerichts München I in seinem Urteil vom 17.01.2018 zum Vorliegen einer Amtspflichtverletzung in Zusammenhang mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zum Anlass, die zivilgerichtliche Rechtsprechung zum strafrechtlichen Anfangsverdacht bei der Dienstbesprechung mit den Leiterinnen und Leitern der bayerischen Staatsanwaltschaften vom 20. bis 22.03.2018 zu erörtern. Nach Mitteilung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr sind, soweit der dortige Geschäftsbereich betroffen ist, derzeit keine Konsequenzen angezeigt, weil dienstrechtliche Maßnahmen gegen den betroffenen Beamten nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens waren. 4.1 Plant die Staatsregierung, den Beamten Stephan S. zu rehabilitieren? 4.2 Falls ja, durch welche Maßnahmen? 4.3 Falls nein, weshalb nicht? An den Kläger wird Schadensersatz in der zugesprochenen Höhe geleistet werden. Nach Mitteilung des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr sind etwaige dienstrechtliche Rehabilitationsmaßnahmen nicht erforderlich, weil dem Beamten keine dienstlichen Nachteile erwachsen sind; insoweit wird auf die gemeinsamen Feststellungen des Untersuchungsausschusses „Labor“ in Teil B des Schlussberichts (Drs. 17/12960, zu Frage 7.8., Seite 97 f.) verwiesen. Das gegen den Beamten geführte Strafverfahren hatte auch auf dessen dienstliche Beurteilung keine nachteiligen Auswirkungen. Die Schadensersatzklage richtete sich nicht gegen dienstliche Maßnahmen. 5. Hält die Staatsregierung die Beförderung des damaligen Leiters der Staatsanwaltschaft München I zum Generalstaatsanwalt in München im Jahr 2015 zum jetzigen Zeitpunkt noch für gerechtfertigt vor dem Hintergrund, dass das Landgericht München I festgestellt hat, dass dieser bei der Anweisung, ein Ermittlungsverfahren gegen den Beamten Stephan S. im Jahr 2010 einzuleiten, fahrlässig handelte ? Allgemein gilt: Es ist grundsätzlich nicht veranlasst, Beförderungsentscheidungen , die in Bestandskraft erwachsen sind, im Nachhinein zu überprüfen. Dies gilt auch für die in der Frage angesprochene Beförderungsentscheidung .