Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 16.02.2018 Justizvollzug: Beschäftigung der Strafgefangenen Für die Resozialisierung der Strafgefangenen sind Arbeit und Ausbildung ganz wesentliche Faktoren. Darum sind aktuelle Informationen unerlässlich. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie hoch war die Beschäftigungsquote in den bayerischen Justizvollzugsanstalten (bitte nach den einzelnen Anstalten aufgeschlüsselt angeben) in den Jahren 2014, 2015 und 2016? 2. Wie hoch waren die entsprechenden Quoten nach Kenntnis der Staatsregierung in den anderen Ländern der Bundesrepublik? 3. Hat die in der Antwort der Staatsregierung auf die Schrifliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl (FREIE WÄHLER) (Drs. 17/4434) angesprochene Arbeitsgruppe inzwischen das Konzept zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten erarbeitet und, wenn ja, mit welchem Ergebnis? 4. Wie hoch waren in den Jahren 2014, 2015 und 2016 die Aufwendungen für Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe , Taschengeld und Verletztengeld der Gefangenen und wie hoch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ? 5. Wie hoch waren in den Jahren 2014, 2015 und 2016 die Einnahmen aus der Arbeit aller Gefangenen? 6. Wie hoch wären die Aufwendungen für den Freistaat Bayern, wenn die Gefangenen in die Rentenversicherung einbezogen würden? 7. Wie hoch wären die Aufwendungen für den Freistaat Bayern, wenn die Arbeitsentgelte für die Straf- und Untersuchungsgefangenen und für die Sicherungsverwahrten verdoppelt würden? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 21.03.2018 1. Wie hoch war die Beschäftigungsquote in den bayerischen Justizvollzugsanstalten (bitte nach den einzelnen Anstalten aufgeschlüsselt angeben) in den Jahren 2014, 2015 und 2016? Justizvollzugsanstalt Beschäftigungsquote in % 2014 Beschäftigungsquote in % 2015 Beschäftigungsquote in % 2016 Aichach 61,41 58,49 62,21 Amberg 58,20 57,77 61,06 Aschaffenburg 39,09 33,23 35,32 Augsburg-Gablingen 34,78 31,96 32,73 Bamberg 45,56 37,76 39,67 St. Georgen-Bayreuth 68,70 65,57 65,80 Bernau 58,70 56,65 56,91 Ebrach 81,85 79,72 76,06 Erlangen 100,00 100,00 100,00 Kaisheim 66,37 64,50 61,86 Kempten 55,57 53,97 52,87 Landsberg am Lech 83,11 81,39 85,77 Landshut 55,15 51,87 49,57 Laufen-Lebenau 96,05 93,95 90,58 München 39,68 37,47 36,92 Neuburg-Herrenwörth 81,35 84,58 80,96 Niederschönenfeld 94,75 94,85 86,51 Nürnberg 39,31 36,46 35,85 Regensburg 36,61 37,90 37,58 Straubing 67,73 65,56 67,42 Würzburg 59,14 56,20 58,28 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.06.2018 Drucksache 17/21290 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21290 2. Wie hoch waren die entsprechenden Quoten nach Kenntnis der Staatsregierung in den anderen Ländern der Bundesrepublik? Land Beschäftigungsquote in % 2014 Beschäftigungsquote in % 2015 Beschäftigungsquote in % 2016 Baden-Württemberg 74,26 72,94 68,29 Bayern 59,03 56,24 56,05 Berlin 66,90 69,90 73,23 Brandenburg 59,20 58,40 62,29 Bremen 64,62 63,67 61,43 Hamburg 60,50 67,94 62,43 Hessen 67,10 63,90 62,06 Mecklenburg-Vor. 60,36 59,20 53,14 Niedersachsen 76,50 74,40 74,20 Nordrhein-Westfalen 61,80 61,30 59,07 Rheinland-Pfalz 55,72 55,96 57,47 Saarland 53,32 55,40 52,24 Sachsen 52,50 51,40 51,33 Sachsen-Anhalt 61,90 64,60 63,82 Schleswig-Holstein 68,60 70,31 70,22 Thüringen 62,60 65,10 61,26 Auch wenn die Beschäftigungsquote in Bayern im Jahr 2016 um 0,19 Prozent gesunken ist, wurden absolut über 100 Gefangene mehr als im Vorjahr beschäftigt. Es darf auch nicht verkannt werden, dass der nicht unerhebliche Anstieg der Zahl der ausländischen Gefangenen und die damit verbundenen Sprachbarrieren die Beschäftigung der betroffenen Gefangenen deutlich erschweren. 3. Hat die in der Antwort der Staatsregierung auf die Schrifliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl (FREIE WÄHLER) (Drs. 17/4434) angesprochene Arbeitsgruppe inzwischen das Konzept zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten erarbeitet und, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die vom Staatsministerium der Justiz eingesetzte Arbeitsgruppe „Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten der Gefangenen im bayerischen Justizvollzug“ hat im Rahmen des erteilten Auftrags Empfehlungen zur Sicherung und Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze der Gefangenen erarbeitet . Deren Umsetzung wurde inzwischen in Angriff genommen . Unter Mitwirkung der Arbeitsgruppe konnte beispielsweise am 02.02.2017 der Onlineshop der Arbeitsbetriebe der bayerischen Justizvollzugsanstalten eröffnet werden. Mittlerweile stellen über 30 Handwerksbetriebe in 17 Justizvollzugsanstalten Produkte für den Onlineshop her. Durch den Shop wurde ein zusätzliches Standbein für die Betriebe im Privatkundengeschäft geschaffen und es konnten Ausbildungs - sowie Arbeitsplätze für Gefangene gesichert werden. Zur Analyse der Situation und zur Identifikation von Verbesserungspotenzialen wurden in den Arbeitsbetrieben Methoden aus der modernen Managementlehre eingesetzt . Mithilfe von sog. SWOT-Analysen (engl. Akronym für Strengths – Stärken –, Weaknesses – Schwächen –, Opportunities – Chancen – und Threats – Bedrohungen) hat die Arbeitsgruppe gemeinsam mit der Service- und Koordinierungsstelle für das vollzugliche Arbeitswesen (SeKo) in den Justizvollzugsanstalten Würzburg, München, Neuburg- Herrenwörth und Straubing für jeden Arbeitsbetrieb eine Gegenüberstellung der betriebsinternen Stärken und Schwächen sowie der betriebsexternen Chancen und Risiken vorgenommen, um die strategische Position des einzelnen Betriebs zu ermitteln und anschließend betriebs- bzw. anstaltsübergreifende Handlungsoptionen abzuleiten. Ziel der Untersuchungen war es u. a., Geschäftsfelder zu finden, die Chancen für eine dauerhafte Beauftragung der Betriebe bieten. Dies dient dem Zweck, die Beschäftigungsmöglichkeiten der Gefangenen zu stabilisieren oder gar auszuweiten . Die SWOT-Analysen wurden in der Justizvollzugsanstalt Würzburg pilotiert. Aufgrund der Ergebnisse dieser Analysen konnten dort beispielweise Umstrukturierungen innerhalb der Betriebslandschaft bis hin zur strategischen Neuausrichtung einzelner Betriebe entsprechend der Vorqualifikationen der aktuell verfügbaren Gefangenen sowie nach den Bedürfnissen des Absatzmarktes vorgenommen werden. In Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt wurde ein Lagerlogistikkonzept erstellt, um insbesondere die logistischen Prozesse effizienter zu gestalten. Mit der Umsetzung des Konzepts wurde bereits begonnen. Als anstaltsübergreifendes Thema wurde von der Arbeitsgruppe die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (z. B. ISO 9001:2015) in den Arbeitsbetrieben als vielversprechend erachtet. Externe Auftraggeber aus der Industrie, die eine Zertifizierung voraussetzen, können dadurch verstärkt als Kunden gewonnen werden. Obgleich es sich bei den vorgenannten bereits umgesetzten Maßnahmen um strukturelle Verbesserungen handelt, deren positive Effekte auf die Beschäftigung erst mittelfristig zu erwarten sind, konnten bereits jetzt erste erfreuliche Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in der Justizvollzugsanstalt Würzburg verzeichnet werden. Diese sind nach Auskunft der Verantwortlichen eng mit den auf Grundlage der durchgeführten SWOT-Analysen initiierten und implementierten Maßnahmen verbunden. Wurden im Jahr 2015 noch durchschnittlich 356 Beschäftigungsverhältnisse gezählt, hat sich diese Größe im Jahr 2016 auf 374,16 erhöht. Trotz des erheblichen personellen und finanziellen Aufwands sollen die SWOT-Analysen in den Anstalten fortgeführt werden. Für die Weiterverfolgung beider vorgenannter Ansätze – zertifiziertes Qualitätsmanagement und SWOT-Analysen – werden in einem umfassenden EDV-Beschaffungsvorhaben wichtige Grundlagen geschaffen: Mit Hochdruck wird derzeit die Neuregelung der Besteuerung der öffentlichen Hand u. a. nach § 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG) bis zum 31.12.2020 in den Justizvollzugsanstalten umgesetzt. Primär zu diesem Zweck – aber auch mit Blick auf Qualitätsmanagement und Drucksache 17/21290 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 SWOT-Analysen – wird für das vollzugliche Arbeitswesen eine Software zur Geschäftsressourcenplanung („ERP-Software “) eingeführt. Dabei wird in den Justizvollzugsanstalten das Rechnungswesen den Anforderungen der Steuererhebung angepasst und zugleich eine softwaregestützte Erfassung sämtlicher relevanter Vorgänge eingeführt. Die Einführung dieser Datenerfassung ist Grundlage auch für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement. Zudem wird die Einführung und Nutzung dieses Systems eine wesentlich detailreichere Datengrundlage liefern, um auch die SWOT- Analysen noch effizienter durchführen zu können. Die Arbeitsgruppe besteht fort und wird im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen weiterhin Empfehlungen zur Verbesserung der Beschäftigung der Gefangenen erarbeiten. 4. Wie hoch waren in den Jahren 2014, 2015 und 2016 die Aufwendungen für Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe , Taschengeld und Verletztengeld der Gefangenen und wie hoch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ? Die Ausgaben für Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe, Ausgleichsentschädigung , Taschengeld und Verletztengeld für Gefangene (Kap. 04 05 Tit. 681 72) lagen im Jahr 2014 bei 15.191.049,63 Euro, 2015 bei 14.958.488,84 Euro und 2016 bei 15.541.694,83 Euro. In diesen Beträgen ist auch die an Gefangene ausgezahlte Ausgleichsentschädigung nach Art. 46 Abs. 11 Bayerisches Strafvollzugsgesetz (BayStVollz G) enthalten. Diese Beträge werden nicht gesondert ausgewiesen . Die Beiträge für die Gefangenen zur Bundesagentur für Arbeit (einschließlich der abzuführenden Beiträge bei Bezahlung von Verletztengeld an Gefangene) betrugen 2014 4.823.016,42 Euro, 2015 5.050.297,80 Euro und 2016 3.877.634,61 Euro (Kap. 04 05 Tit. 682 72). Die Ausgaben im Jahr 2016 waren niedriger, da die Zuweisung für das 4. Quartal aus verwaltungsorganisatorischen Gründen erst im Jahr 2017 gebucht wurde. 5. Wie hoch waren in den Jahren 2014, 2015 und 2016 die Einnahmen aus der Arbeit aller Gefangenen? Die Einnahmen aus der Arbeit aller Gefangenen (Kap. 04 05 Tit. 125 01) beliefen sich im Jahr 2014 auf 44.134.893,36 Euro, im Jahr 2015 auf 41.806.695,00 Euro und im Jahr 2016 auf 41.775.189,94 Euro. 6. Wie hoch wären die Aufwendungen für den Freistaat Bayern, wenn die Gefangenen in die Rentenversicherung einbezogen würden? Gefangene und Sicherungsverwahrte unterliegen – mit Ausnahme der Gefangenen und Sicherungsverwahrten im freien Beschäftigungsverhältnis – nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) Sechstes Buch (VI) nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar ist in § 190 Nr. 13 Strafvollzugsgesetz des Bundes (StVollzG) eine Einbeziehung Strafgefangener und Sicherungsverwahrter in die gesetzliche Rentenversicherung vorgesehen . Gemäß § 198 Abs. 3 StVollzG tritt diese Bestimmung jedoch erst durch ein besonderes Bundesgesetz in Kraft. Ein solches Gesetz ist bislang nicht erlassen worden. Nach § 190 Nr. 16 StVollzG i. V. m. § 165c Abs. 4 RVO i. d. F. von § 190 Nr. 2 StVollzG ist der Bemessung der Beiträge zur Rentenversicherung als Arbeitsentgelt ein Betrag in Höhe von 90 Prozent des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende im vorvergangenen Kalenderjahr zugrunde zu legen. Bei Einbeziehung aller arbeitenden und in der Berufsausbildung stehenden Gefangenen und Sicherungsverwahrten wären für den Freistaat Bayern im Jahr 2016 Ausgaben in Höhe von über 30 Millionen Euro angefallen, wenn der Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Arbeitsentgelt ein Betrag in Höhe von 90 Prozent der vorgenannten Rechengröße zugrunde gelegt worden wäre. Derzeit befasst sich die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit der Einbeziehung der Gefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung . Eine von der Konferenz der Amtschefinnen und Amtschefs für Arbeit und Soziales der Länder eingesetzte Arbeitsgruppe hat Vorschläge, ob und in welcher Form die Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung möglich ist, erarbeitet. Die Vorschläge wurden mittlerweile dem Vorsitzenden der Justizministerkonferenz übermittelt. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat sich mit dem Ergebnis der Arbeitsgruppe noch nicht befasst. 7. Wie hoch wären die Aufwendungen für den Freistaat Bayern, wenn die Arbeitsentgelte für die Straf- und Untersuchungsgefangenen und für die Sicherungsverwahrten verdoppelt würden? Die unter Frage 4 näher bezifferte Höhe der Ausgaben für Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe, Ausgleichsentschädigung , Taschengeld und Verletztengeld für Gefangene (Kap. 04 05 Tit. 681 72) dürfte sich in etwa verdoppeln. In der genannten Summe sind die Ausgaben für Taschengeld für Gefangene inkludiert, da diese im selben Haushaltstitel verbucht und deshalb nicht gesondert ausgewiesen werden.