Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Leopold Herz FREIE WÄHLER vom 08.02.2018 Staatsangehörigkeitsausweis und Wahlrecht Ich frage die Staatsregierung: 1. Wird bei den Kommunalwahlen und den Wahlen zum EU-Parlament dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU gemäß Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Buchst. b Rechnung getragen, in dem nur EU-Bürger das aktive und passive Wahlrecht haben, welche eine Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates (z. B. Deutschland ) nachweisen können? 2. Werden dem entgegen auch Deutsche zu den Wahlen zugelassen, welche keine Staatsbürgerschaftsurkunde beantragt und erhalten haben? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 22.03.2018 1. Wird bei den Kommunalwahlen und den Wahlen zum EU-Parlament dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU gemäß Art. 20, Abs. 1 und Abs. 2b Rechnung getragen, in dem nur EU-Bürger das aktive und passive Wahlrecht haben, welche eine Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates (z. B. Deutschland) nachweisen können? Nach Art. 9 Sätze 2 und 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV), Art. 20 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist Unionsbürger , wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt; die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht. Unionsbürger haben unter anderem in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b, Art. 22 AEUV). Bei Gemeinde- und Landkreiswahlen steht das aktive Wahlrecht den Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten uneingeschränkt unter denselben Voraussetzungen wie deutschen Staatsangehörigen zu (Art. 1 Abs.1 und 2 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG). Während für das Amt eines Gemeinderatsmitglieds oder eines Kreisrats auch Unionsbürger wählbar sind (Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 GLKrWG), ist die Wählbarkeit für das Amt des ersten Bürgermeisters und des Landrats aber deutschen Staatsangehörigen vorbehalten (Art. 39 Abs. 1 GLKrWG). Bei Bezirkswahlen ist sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht auf deutsche Staatsangehörige beschränkt (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Bezirkswahlgesetz – BezWG – i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Landeswahlgesetz – LWG, Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz – GG). 1. Die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts für die Wahlen zum Europäischen Parlament (Europawahlen) sind für Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, in der Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 06.12.1993 („Europawahlrichtlinie “) sowie – für die Teilnahme von wahlberechtigten Deutschen und ausländischen Unionsbürgern an der Europawahl in Deutschland – im Europawahlgesetz (EuWG) und in der Europawahlordnung (EuWO) geregelt . Für die Eintragung in ein Wählerverzeichnis bei der Europawahl in Deutschland und bei der Einreichung einer Kandidaturerklärung haben Unionsbürger mit Wohnsitz in Deutschland die gleichen Nachweise beizubringen wie ein nationaler aktiv bzw. passiv Wahlberechtigter sowie eine förmliche Erklärung, aus der u. a. seine Staatsangehörigkeit hervorgeht. Der Wohnsitzmitgliedstaat kann ferner verlangen, dass der Unionsbürger einen gültigen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.08.2018 Drucksache 17/21469 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21469 Identitätsnachweis vorlegt (Art. 9 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Buchst. a, Abs. 3 Buchst. b, Art. 10 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a, Abs. 3 Europawahlrichtlinie). a) Wahlberechtigte Deutsche mit Wohnsitz in Deutschland sowie Unionsbürger eines anderen Mitgliedstaats mit Wohnsitz in Deutschland, sofern sie bereits bei früheren Europawahlen auf Antrag in ein deutsches Wählerverzeichnis eingetragen wurden, werden grundsätzlich von Amts wegen in das Wählerverzeichnis ihrer Gemeinde, in der sie am 35. Tag vor der Wahl mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, eingetragen; die Gemeinde hat die Wahlrechtsvoraussetzungen vor der Eintragung jeweils zu prüfen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 7 EuWO i. V. m. § 6 EuWG und § 17 b EuWO). Maßgeblich hierfür sind die im jeweiligen Melderegister der Gemeinde gespeicherten Daten, u. a. die Staatsangehörigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 10 Bundesmeldegesetz). Ein besonderer zusätzlicher Aufwand für die Wahlbehörden bei der Überprüfung der Staatsangehörigkeit ist damit grundsätzlich nicht verbunden. b) Wahlberechtigte Deutsche ohne Wohnung, aber mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, oder Deutsche mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands (Auslandsdeutsche ) sowie wahlberechtigte Unionsbürger eines anderen Mitgliedstaates mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht von Amts wegen eingetragen werden (vgl. Buchst. a), werden nur auf Antrag in das Wählerverzeichnis eingetragen (§ 15 Abs. 2 und § 17 a EuWO i. V. m. § 6 EuWG). In dem Antrag hat der Wahlberechtigte der Gemeinde gegenüber durch Abgabe einer Versicherung an Eides statt den Nachweis für seine Wahlberechtigung zu erbringen (§ 17 Abs. 5 Satz 1, § 17a Abs. 4 EuWO). Dabei muss er u. a. die Nummer und ausstellende Behörde seines Personalausweises bzw. Identitätsausweises (ausländische Unionsbürger ) oder Reisepasses angeben und an Eides statt versichern, dass er Deutscher im Sinn des Art. 116 Abs. 1 GG ist bzw. die Staatsangehörigkeit des Herkunftsstaates besitzt (Anlage 2 bzw. 2A zu § 17 Abs. 5 bzw. § 17 a Abs. 2 EuWO). c) Wahlscheine (insbesondere zur Ausübung der Briefwahl ) werden an Wahlberechtigte erteilt, die im Wählerverzeichnis von Amts wegen eingetragen sind oder die auf Antrag eingetragen werden; insoweit gelten die Ausführungen unter Buchst. a. Ausnahmsweise erhalten auch nicht im Wählerverzeichnis eingetragene Wahlberechtigte einen Wahlschein, wenn die Wahlberechtigung von der Gemeinde anhand der Angaben im Antrag, der ggf. vorzulegenden Nachweise und der Eintragungen im Melderegister geprüft wurde (§§ 24, 26, 28 EuWO). d) Deutsche Bewerber für Wahlvorschläge müssen mit dem Wahlvorschlag eine Bescheinigung der Gemeinde u. a. mit der Bestätigung, dass der Bewerber Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist, vorlegen (§ 32 Abs. 4 Nr. 2, Anlage 16 EuWO). Grundlage der Bestätigung der Gemeinde ist die im Melderegister vermerkte Staatsangehörigkeit (siehe Buchst. a). e) Ausländische Unionsbürger, die sich für einen Wahlvorschlag bewerben, müssen mit dem Wahlvorschlag u. a. eine Versicherung an Eides statt mit der Angabe zur Staatsangehörigkeit und Angabe von Nr. und ausstellender Behörde des Identitätsausweises oder Reisepasses vorlegen (§ 32 Abs. 4 Nr. 2b, Anlage 16 B EuWO). 2. Die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts von Unionsbürgern bei Gemeinde- und Landkreiswahlen sind auf Grundlage des Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG), in der dazugehörigen Wahlordnung (GLKr- WO) sowie der Wahlbekanntmachung des damaligen Staatsministeriums des Innern (GLKrWBek) geregelt und gehen auf die Richtlinie 94/80/EG des Rates der Europäischen Union vom 19.12.1994, „Kommunalwahlrichtlinie “, zurück. Für die Gemeinde- und Landkreiswahlen gilt, dass die Gemeinden gemäß Art. 12 GLKrWG für jeden allgemeinen Stimmbezirk ein Wählerverzeichnis anlegen und darin die Wahlberechtigten von Amts wegen oder auf Antrag eintragen. Von Amts wegen einzutragen sind nach § 15 Abs. 1 GLKrWO alle Wahlberechtigten, die am 35. Tag vor dem Wahltag in der Gemeinde den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen haben. Dabei gilt die widerlegbare Vermutung, dass eine Person, die in nur einer Gemeinde gemeldet ist, sich dort auch mit dem Schwerpunkt der Lebensbeziehungen aufhält. Wer in der Gemeinde nicht gemeldet ist, wird nur auf Antrag – sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – in das Wählerverzeichnis aufgenommen (§ 15 Abs. 4 GLKrWO). Grundlage für die Eintragung eines bei Gemeinde- und Landkreiswahlen wahlberechtigten (deutschen oder ausländischen ) Unionsbürgers in das Wählerverzeichnis von Amts wegen oder auf Antrag ist die im Melderegister vermerkte Staatsangehörigkeit (vgl. Nr. 1 Buchst. a). Entsprechendes gilt für die Überprüfung der Voraussetzungen der Wählbarkeit eines Bewerbers für das Amt des Gemeinderatsmitglieds oder Kreisrats. 2. Werden dem entgegen auch Deutsche zu den Wahlen zugelassen, welche keine Staatsbürgerschaftsurkunde beantragt und erhalten haben? Beantragung und Vorlage einer Staatsbürgerschaftsurkunde sind weder Voraussetzung für die Eintragung eines deutschen Wahlberechtigten in das Wählerverzeichnis bzw. für die Erteilung eines Wahlscheins noch für die Zulassung eines deutschen Bewerbers in einem Wahlvorschlag (siehe jeweils Antwort zu Frage 1) oder für die Zulassung eines deutschen Wahlberechtigten zur Stimmabgabe. Zur Stimmabgabe wird vom Wahlvorstand bzw. Briefwahlvorstand nur zugelassen, wer in ein Wählerverzeichnis eingetragen ist oder wer einen gültigen Wahlschein vorlegen kann (§ 4 EuWG i. V. m. § 14 Abs. 1 Bundeswahlgesetz; § 49 Abs. 4 Satz 1, §§ 52, 68 Abs. 1 und 2 EuWO; Art. 3 Abs. 1 GLKrWG; § 60 Abs. 4 Satz 1, §§ 64 Abs. 1 Satz 1, § 71 GLKrWO). Bei der Stimmabgabe ist grundsätzlich die Wahlbenachrichtigung oder ein gültiger Personal- oder Identitätsausweis bzw. Reisepass, im Fall der Stimmabgabe mit Wahlschein auf jeden Fall ein gültiger Personal- oder Identitätsausweis bzw. Reisepass vorzulegen (§ 49 Abs. 3 Satz 2, § 52 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EuWO; § 60 Abs. 3, § 64 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 2 Nr. 6 GLKrWO).