Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 06.03.2018 Grenzüberschreitender Zugang zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen Die Europäische Kommission plant eine Initiative zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen. Vorgesehen ist insoweit , dass die Zusammenarbeit künftig nicht mehr zwischen den Justizbehörden der betroffenen Staaten im Wege der Rechtshilfe bzw. gegenseitigen Anerkennung erfolgen soll, sondern dass die Strafverfolgungsbehörden direkten Zugriff auf elektronische Daten, die bei Anbietern von elektronischer Kommunikation und von digitalen Diensten gespeichert sind, erhalten sollen. Eine mögliche EU-Initiatve soll die Justizbehörden insbesondere dazu ermächtigen, Service Provider in anderen Mitgliedstaaten zu ersuchen („production re quest“) oder zu verpflichten („production order“), Informationen über Nutzer zu übermitteln, ohne dass die Zusammenarbeit mit der Justizbehörde des betroffenen Staates erforderlich ist. Die Kommission hat zur Evaluierung dieser Pläne eine öffentliche Konsultation in der Zeit von August bis Oktober 2017 durchgeführt. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie ist, falls der Staatsregierung bekannt, der derzeitige Stand der Umsetzung dieses Vorhabens auf europäischer Ebene? 2. Hat sich die Staatsregierung an der Konsultation beteiligt ? 3. Wie bewertet die Staatsregierung die Pläne der Kommission ? Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 29.03.2018 1. Wie ist, falls der Staatsregierung bekannt, der derzeitige Stand der Umsetzung dieses Vorhabens auf europäischer Ebene? Nach hiesiger Kenntnis plant die Europäische Kommission, im April Vorschläge zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen vorzulegen. Welchen Inhalt diese haben werden, ist hier derzeit nicht bekannt. 2. Hat sich die Staatsregierung an der Konsultation beteiligt? Das Staatsministerium der Justiz hat sich im Oktober 2017 an der Konsultation der Kommission beteiligt. Bei der Konsultation handelte es sich um einen Fragebogen , der zum größten Teil im Multiple-Choice-Verfahren zu beantworten war. Die sich in den dort angegebenen Antworten widerspiegelnde Position des Staatsministeriums der Justiz lässt sich in Grundzügen wie folgt zusammenfassen: Durch die stetig zunehmende Nutzung von sozialen Netzwerken, Webmail, Messaging-Diensten sowie diversen Apps zur Kommunikation auch zwischen Kriminellen sieht sich die Strafverfolgung zahlreichen, fortwährend wachsenden Problemen bei der Gewinnung von Beweismitteln ausgesetzt. Zum Teil gründen diese Schwierigkeiten darauf , dass zur Beweiserhebung auch auf Daten zugegriffen werden muss, die auf ausländischen Servern gespeichert sind, wohingegen die Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden im Lichte der Staatensouveränität in der Regel auf das eigene Staatsgebiet beschränkt bleiben müssen. Wie die Erfahrungen der Praxis zeigen, sind die derzeit bestehenden Möglichkeiten, um elektronische Beweismittel von Providern mit Sitz im Ausland zu erlangen, sei es im Wege der Rechtshilfe, sei es auf Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung, wie es zwischen den EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt, mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Diese Verfahren sind letztlich als zu langwierig einzustufen, um den Erfordernissen einer effektiven Strafverfolgung gerade im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung gerecht zu werden. Auch die teilweise erheblichen Schwierigkeiten, die bei der Bestimmung des Speicherorts von Daten auftreten, behindern eine effektive Strafverfolgung. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Anbieter ihre Computerressourcen, zum Beispiel im Wege des Cloud-Computing, ausgelagert haben. Angesichts dieser und noch weiterer Schwierigkeiten hat sich das Staatsministerium der Justiz grundsätzlich für eine direkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Strafverfolgungs - und Justizbehörden mit Anbietern digitaler Dienste bei strafrechtlichen Ermittlungen sowohl in Form von sogenannten Herausgabeanträgen (dem Anbieter direkt zuzustellende Auskunftsersuchen auf freiwilliger Basis) als Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 22.06.2018 Drucksache 17/21494 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21494 auch in Form von sogenannten Herausgabeanordnungen (dem Anbieter direkt zuzustellende Zwangsmaßnahmen) ausgesprochen. Dahin gehende Regelungen versprechen größere Rechtssicherheit, einen leichteren Zugang zu den Providern sowie einen schnelleren Zugang zu elektronischen Beweismitteln. Zeitlichen Verzögerungen, die insbesondere in Verbindung mit kurzen Speicherfristen und möglichen automatischen oder manuellen Löschungen die Gefahr begründen, dass Beweismittel frühzeitig vernichtet werden, kann mithin begegnet werden. Um auch bei einer direkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit die Grundrechte der Betroffenen angemessen wahren zu können, erachtet es das Staatsministerium der Justiz für erforderlich, dass neben der Unterrichtung der betroffenen Person von der Maßnahme, abhängig von der Eingriffsintensität und soweit eine Gefährdung des Ermittlungserfolgs ausgeschlossen werden kann, besondere Garantien zum Schutz der Grundrechte geregelt werden. Der betroffenen Person sind auch entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten einzuräumen. Eine Unterrichtung des Staates, in dessen Hoheitsbereich die fraglichen Daten gespeichert sind, wurde als ebenfalls notwendig erachtet. Zugleich sollte der Rechtsrahmen für einen derartigen unmittelbaren Zugriff lediglich Bestands- und Metadaten erfassen sowie grundsätzlich auch nur Daten, die innerhalb der EU gespeichert sind. Darüber hinaus ist ein unmittelbarer Zugriff vom jeweiligen Niederlassungsort des Providers abhängig zu machen. Befürwortet wurden aufgrund der großen Relevanz in der Praxis grundsätzlich auch Maßnahmen der Europäischen Kommission zur Verbesserung der direkten Zusammenarbeit mit Anbietern digitaler Dienste, deren Hauptsitz in einem Drittstaat (z. B. in den USA) liegt, sofern ausreichende Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen getroffen werden. Dabei wurden der Abschluss bilateraler Verträge mit den wichtigsten betroffenen Drittstaaten als auch die Entwicklung eines EU-weiten gemeinsamen Systems bzw. Konzepts als begrüßenswert eingestuft. Als ebenfalls erstrebenswert wurde ein gemeinsamer EU- Rechtsrahmen für die Fälle angesehen, in denen von einem (bereits) beschlagnahmten oder sichergestellten Endgerät der Zugang zu (cloudbasierten) Speichermedien möglich wäre, obwohl unklar ist, wo die Daten gespeichert sind und ob überhaupt eine Fallkonstellation mit grenzüberschreitender Dimension vorliegt. Im Falle von Regelungen, die diese Konstellationen erfassen sollen, sind aber besondere Garantien zum Schutz der Grundrechte, Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen sowie eine Unterrichtung des betroffenen Mitgliedstaates und die Möglichkeit des unterrichteten Staates, gegen diese Maßnahme vorzugehen, erforderlich. 3. Wie bewertet die Staatsregierung die Pläne der Kommission? Dem Staatsministerium der Justiz ist derzeit nicht bekannt, welchen Inhalt die zu erwartenden Vorschläge der Kommission haben werden; auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. Eine Bewertung der Vorschläge ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.