Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl SPD vom 07.12.2017 Erfahrungen mit dem am 21.06./13.07.2001 eingeführten Verfüll-Leitfaden zur langfristigen Versorgung mit heimischen mineralischen Rohstoffen (II) Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie viele dieser schwerwiegenden Gefährdungen oder Verunreinigungen wurden von dem Verfüllbetrieb vorsätzlich herbeigeführt oder in Kauf genommen? 2. Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen des Nassverfüllungsverbotes auf die Verfügbarkeit von Grundstücken für die Rohstoffsicherung? 3. Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen des Nassverfüllungsverbotes auf das Gebot der möglichst vollständigen Lagerstättenausbeutung? 4. Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen der Mantelverordnung auf die zukünftige Verfüllpraxis in Bayern? 5. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Reichweite der Deponiekapazität aufgrund der Mantelverordnung? b) Kann in Bayern kurzfristig mehr Verfüll- und Deponieraum geschaffen werden, um „Abfalltourismus“ zu vermeiden ? 6. Wie viele Flächen sind der Land- und Forstwirtschaft seit 2001 in den Regierungsbezirken aufgrund nicht genehmigter Nassverfüllungen verloren gegangen? 7. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen des Nassverfüllungsverbotes auf die Sicherung der Versorgung mit heimischen mineralischen Rohstoffen in Bayern? b) Welche Schritte plant die Staatsregierung, um Nassverfüllungen in Zukunft zu erleichtern? 8. a) Wie bewertet die Staatsregierung generell den Bedarf und die Verfügbarkeit heimischer mineralischer Rohstoffe für mindestens 20 Jahre? b) Welche Schritte beabsichtigt die Staatsregierung, um den darüber hinausgehenden langfristigen Bedarf an heimischen mineralischen Rohstoffen und die entsprechende Verfügbarkeit zu ermitteln? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie vom 12.04.2018 1. Wie viele dieser schwerwiegenden Gefährdungen oder Verunreinigungen wurden von dem Verfüllbetrieb vorsätzlich herbeigeführt oder in Kauf genommen ? Die Frage wird mit Bezug auf die Frage 8 der schriftliche Anfrage der Abgeordneten Annette Karl (SPD): „Erfahrungen mit dem am 21.06./13.07.2001 eingeführten Verfüll-Leitfaden zur langfristigen Versorgung mit heimischen mineralischen Rohstoffen (I)“ (Drs. 17/21688) beantwortet. Gemäß Auskunft der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde wurde in einem Fall die schwerwiegende Verunreinigung vom Verfüllbetrieb fahrlässig in Kauf genommen. 2. Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen des Nassverfüllungsverbotes auf die Verfügbarkeit von Grundstücken für die Rohstoffsicherung ? Nach einem Nassabbau zurückbleibende Wasserflächen sind in der Regel nicht wirtschaftlich nutzbar. In Gemeinden, die bereits einen hohen Anteil an Wasserflächen haben, ist die Bereitschaft, neue Abbaugebiete mit der Folge weiterer Wasserflächen auszuweisen, oft gering, da sie die Gemeinden langfristig in ihrer Planungsfreiheit einschränken. Dies wirkt sich entsprechend auf die Regionalplanung aus, weil die Gemeinden der Ausweisung von Vorrangflächen die Zustimmung verweigern. Auch im Falle der regionalplanerischen Sicherung von Rohstoffgebieten ist es zunehmend schwierig für die Abbauunternehmen, die land- und forstwirtschaftlichen Flächen zu erwerben. Im Rahmen des Umweltpakts wurde im Jahr 2001 im Einvernehmen mit dem Industrieverband Steine und Erden e. V. ein Verfüllungsverbot vereinbart, das Ausnahmen vorsieht. 3. Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen des Nassverfüllungsverbotes auf das Gebot der möglichst vollständigen Lagerstättenausbeutung ? Bei einem genehmigten Nassabbau stehen dem vollständigen Abbau regelmäßige andere Nutzungen an der Oberfläche entgegen. Außerdem sind Sicherheitsabstände einzuhalten. Beispielsweise darf die Standsicherheit von Verkehrswegen nicht beeinträchtigt werden. Das Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie fördert derzeit ein Forschungsvorhaben der Technischen Universität München, das u. a. Optimierungsmöglichkeiten mit dem Ziel der Minimierung der Lagerstättenverluste bei gewährleisteter Sicherheit der Oberfläche wissenschaftlich unter- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 31.08.2018 Drucksache 17/21689 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21689 sucht. Dabei wird auch die zeitnahe Ver- und Auffüllung mit Material aus technischer Sicht geprüft, z. B. mit nicht nutzbarem Material aus der jeweiligen Lagerstätte. 4. Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen der Mantelverordnung auf die zukünftige Verfüllpraxis in Bayer? Die Mantelverordnung befindet sich aktuell im Bundesratsverfahren . Bei Inkrafttreten in der vorgelegten Fassung vom 17.07.2017 (BR-Drs. 566/17) wäre es künftig nicht mehr möglich, bei geeigneten Standortbedingungen neben Boden auch Bauschutt und höher belastete mineralische Materialien zur Verwertung in Verfüllungen zuzulassen. Mit Beschluss des Landtags vom 20.04.2016 (Drs. 17/11128) wurde die Staatsregierung aufgefordert, sich bei der Beratung der vom Bund geplanten Mantelverordnung dafür einzusetzen, dass die derzeit bestehenden Möglichkeiten der Verfüllung von Gruben, Brüchen und Tagebauen mit mineralischen Bauabfällen sowie Bodenaushub gemäß der in Bayern geübten Praxis auf Basis des bayerischen Verfüllleitfadens beibehalten werden können. Die Staatsregierung wird sich bei den Beratungen im Bundesratsverfahren mit Nachdruck für eine praxisgerechte Ausgestaltung der Vorschriften einsetzen. 5. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Reichweite der Deponiekapazität aufgrund der Mantelverordnung ? Die Mantelverordnung befindet sich aktuell im Bundesratsverfahren . Derzeit wird die Bedarfsprognose von 2015 fortgeschrieben . Die Ergebnisse werden für Ende 2018 erwartet . b) Kann in Bayern kurzfristig mehr Verfüll- und Deponieraum geschaffen werden, um „Abfalltourismus“ zu vermeiden? Auf die Antwort zu Frage 5 a wird hingewiesen. Nach der abfallwirtschaftlichen Zielhierarchie hat die Verwertung von Abfällen Vorrang vor ihrer Beseitigung. Diese Zielhierarchie gilt auch für mineralische Abfälle. Zur vorrangigen Verwertung sind die Erzeuger und Besitzer von Abfällen in eigener Verantwortung selbst verpflichtet. In Bayern auf Deponien zu beseitigende Abfälle sind gemäß Abschnitt II Nr. 4.1 der Verordnung über den Abfallwirtschaftsplan Bayern (AbfPV) vom 17.12.2014 grundsätzlich innerhalb Bayerns zu entsorgen . Die Aufgabe der Entsorgung von Abfällen obliegt den Landkreisen und den kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis. In Ausnahmefällen können „bayerische“ Beseitigungsabfälle von den entsorgungspflichtigen Körperschaften in andere Länder verbracht werden, beispielsweise wenn der AbfPV dies vorsieht, im Wege der nachbarschaftlichen kommunalen Zusammenarbeit und wenn die Verbringung abfallwirtschaftlichen Belangen nicht widerspricht (Abschn. II, Nr. 4.4 AbfPV). Auch zwingende Gründe des Gemeinwohls können zeitlich befristete Ausnahmen von den Verbringungsverboten zulassen (Abschn. II, Nr. 4.6 AbfPV). 6. Wie viele Flächen sind der Land- und Forstwirtschaft seit 2001 in den Regierungsbezirken aufgrund nicht genehmigter Nassverfüllungen verloren gegangen? Entsprechende Daten werden nicht erhoben. 7. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Auswirkungen des Nassverfüllungsverbotes auf die Sicherung der Versorgung mit heimischen mineralischen Rohstoffen in Bayern? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. b) Welche Schritte plant die Staatsregierung, um Nassverfüllungen in Zukunft zu erleichtern? Die aktuelle bayerische Verfüllpraxis stellt einen ausgewogenen Weg zwischen den Anforderungen des vorsorgenden Gewässerschutzes und einem praxisnahen Umgang bei der Verwertung von mineralischen Abfällen in Gruben, Brüchen und Tagebauen dar. Zu den bewährten Regelungen des Verfüll-Leitfaden gehört auch die Vorgabe, dass Nassabbaustellen aus Gründen des Grundwasserschutzes grundsätzlich nicht verfüllt werden sollen. Es besteht derzeit kein Anlass, diese im Rahmen des Umweltpakts Bayern vereinbarte Strategie zum Schutz des Grundwassers infrage zu stellen. 8. a) Wie bewertet die Staatsregierung generell den Bedarf und die Verfügbarkeit heimischer mineralischer Rohstoffe für mindestens 20 Jahre? Der Bedarf an oberflächennahen mineralischen Rohstoffen ist in den letzten Jahren aufgrund des stark angestiegenen Wirtschaftswachstums in Bayern gewachsen. Gründe hierfür sind der Neubau von Wohnraum und Gewerbe, der anhaltende Sanierungsbedarf insbesondere von Wohngebäuden sowie der Ausbau und die Sanierung von Verkehrswegen. Dieser Trend wird auch in absehbarer Zukunft anhalten, ggf. sich noch verstärken. Die Verfügbarkeit von Bodenschätzen (mineralische Rohstoffe und Industriemineralien) wird im Wesentlichen beeinflusst durch – geologische Verhältnisse, – Eignung der Lagerstätte, – Wirtschaftlichkeit, – Infrastruktur (z. B. Zugänglichkeit, Transportwege), – Flächenverfügbarkeit (konkurrierende Nutzungen, Grunderwerb). Generell unterliegt die Rohstoffverfügbarkeit in Bayern einem hohen Konkurrenzdruck (z. B. Natur- und Wasserschutz , Siedlungsentwicklung, regenerative Energien). Außerdem wird für die Rohstoffgewinnungsbetriebe der Grunderwerb immer schwieriger. b) Welche Schritte beabsichtigt die Staatsregierung, um den darüber hinausgehenden langfristigen Bedarf an heimischen mineralischen Rohstoffen und die entsprechende Verfügbarkeit zu ermitteln? Der mögliche langfristige Bedarf an Baurohstoffen kann nur anhand der Zahlen des aktuellen Verbrauchs geschätzt werden. Bei Industriemineralen ist die Vorhersage des langfristigen Verbrauchs nicht möglich, da technologische Entwicklungen über längere Zeiträume nicht vorhersagbar sind. Im Rahmen der geplanten Aktualisierung des Berichts „Rohstoffe in Bayern“ sollen nach derzeitigem Planungsstand unter anderem die Vorkommen und Vorräte, die Gewinnung und Förderung sowie die Flächen und Mengen der mineralischen Rohstoffe in Bayern systematisch dargestellt werden.