Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn FREIE WÄHLER vom 16.02.2018 Nachhaltigkeitsstrategie in öffentlichen Verwaltungen Die „Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen“ und der „Ratgeber zur Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten in öffentlichen Einrichtungen“ der Staatsregierung sollen seit Jahren Maßstab für öffentliches Handeln sein und die Bayerische Nachhaltigkeitsstrategie fordert ausdrücklich die Wahrnehmung einer Vorbildfunktion der staatlichen Verwaltungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Welche staatlichen Verwaltungen beziehen 100 Prozent Ökostrom? 1.2 Welche beziehen einen Mix, in dem Atomstrom und/ oder Kohlestrom enthalten sind? 2. Welche staatlichen Verwaltungen nutzen noch immer Wärmeenergie aus fossilen Energiequellen (bitte aufgeschlüsselt nach Kohle, Heizöl und Erdgas)? 3.1 Welche staatlichen Verwaltungen erzeugen auf ihren Immobilien erneuerbare Energie mithilfe von Photovoltaik oder Solarthermie? 3.2 Welche staatlichen Verwaltungen erzeugen auf ihren Immobilien erneuerbare Energie mithilfe von Luft- oder Erdwärmetauschern? 3.3 Welche staatlichen Verwaltungen erzeugen auf ihren Immobilien erneuerbare Energie mithilfe anderer Energieträger (z. B. Wind, Biomasse)? 4.1 Welche staatlichen Verwaltungen haben ihren Gebäudebestand im Falle eines Neubaus gem. Energieeinsparverordnung (EnEV) maximal energiesparend erstellt ? 4.2 Welche staatlichen Verwaltungen haben ihren Gebäudebestand im Falle eines Altbaus zu 100 Prozent gemäß EnEV maximal energiesparend saniert? 4.3 Welche staatlichen Verwaltungen haben ihren Gebäudebestand noch nicht gemäß EnEV energiesparend saniert? 5.1 Welche staatlichen Verwaltungen halten sich maximal umweltschonend, nachhaltig und gesamtkostenorientiert an die o. g. Richtlinien? 5.2 Welche staatlichen Verwaltungen werten nach wie vor vordergründige Wirtschaftlichkeit an erster Stelle der Vergabekriterien (Unterscheidung in Prozent des Gesamtauftragsvolumens der Jahre 2015–2017)? 6.1 Welche staatlichen Verwaltungen beziehen für ihre Kantinen ausschließlich biologische Lebensmittel? 6.2 Welche staatlichen Verwaltungen beziehen nach wie vor Fleischwaren, produziert mit importierten genveränderten Futtermitteln und/oder mit Massentierhaltung , und vegetarische Nahrungsmittel aus industrieller Landwirtschaft (Status 2017)? 7.1 Welche staatlichen Verwaltungen setzen bereits auf alternative Mobilität (Status 2017)? 7.2 In welchem Umfang sind diese CO2-frei (in Prozent des Fahrzeugparks)? 7.3 In welchem Umfang passiert dies unter Einhalten der Grenzwerte für den CO2-Ausstoß (in Prozent des Fahrzeugparks)? 8. Welche staatlichen Verwaltungen bieten ihren Beamten und Angestellten alternative Mobilitätskonzepte zur Verringerung des individuellen Berufsverkehrs an? Antwort des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finan zen, für Landesentwicklung und Heimat sowie dem Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Techno logie vom 10.04.2018 1.1 Welche staatlichen Verwaltungen beziehen 100 Pro zent Ökostrom? Alle staatlichen Verwaltungen mit einem Sonderkundenvertrag beziehen Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Die Verwaltungen mit Sonderkundenverträgen haben dabei einen Anteil von 96 Prozent am Stromverbrauch staatlicher Liegenschaften. 1.2 Welche beziehen einen Mix, in dem Atomstrom und/oder Kohlestrom enthalten sind? Über den Mix der übrigen staatlichen Verwaltungen, die den Strom nach einem Tarifkundenvertrag beziehen, liegen keine Informationen vor. 2. Welche staatlichen Verwaltungen nutzen noch im mer Wärmeenergie aus fossilen Energiequellen (bitte aufgeschlüsselt nach Kohle, Heizöl und Erd gas)? Im Bereich der staatlichen Liegenschaften in Bayern gibt es keine Wärmeerzeugungsanlagen auf der Basis von Kohle. Auch Heizöl wird stetig durch klimafreundlichere Energie- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.09.2018 Drucksache 17/21712 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21712 träger ersetzt. Nur 370 Liegenschaften verwenden Heizöl. Somit liegt der Anteil am Wärmeverbrauch staatlicher Gebäude , der mit Heizöl gedeckt wird, bei unter 4 Prozent. 1.193 staatliche Liegenschaften sind gasversorgt. Auch zum Eigenbetrieb von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kommt Erdgas zum Einsatz. Durch die permanente Substitution fossiler Energieträger liegt der Anteil erneuerbarer Energien und hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung an der Wärmeversorgung staatlicher Liegenschaften bei mittlerweile rund 50 Prozent (Stand 2016). 3.1 Welche staatlichen Verwaltungen erzeugen auf ih ren Immobilien erneuerbare Energie mithilfe von Photovoltaik oder Solarthermie? Grundsätzlich wird bei allen staatlichen Baumaßnahmen der Einsatz erneuerbarer Energien geprüft. Im Bereich der Wärmeversorgung ist zudem das Erneuerbare-Energien -Wärmegesetz (EEWärmeG) einzuhalten, welches die anteilige Nutzung regenerativer Energien bei Neubauten und grundlegenden Renovierungen vorschreibt. Aufgrund der Vorbildfunktion des Freistaates werden die gemäß EEWärmeG gesetzlich vorgeschriebenen Anteile an regenerativer Wärmeenergie bzw. entsprechende Ersatzmaßnahmen oftmals deutlich überschritten. Im Hinblick auf die Nutzung solarer Strahlungsenergie wurden auf mehr als 250 staatlichen Immobilien Photovoltaikanlagen und auf 139 staatlichen Gebäuden solarthermische Anlagen errichtet . 3.2 Welche staatlichen Verwaltungen erzeugen auf ih ren Immobilien erneuerbare Energie mithilfe von Luft oder Erdwärmetauschern? Derzeit verfügen 36 staatliche Liegenschaften über Anlagen zur Nutzung von Geothermie und Umweltwärme. 3.3 Welche staatlichen Verwaltungen erzeugen auf ih ren Immobilien erneuerbare Energie mithilfe ande rer Energieträger (z. B. Wind, Biomasse)? Bei 158 staatlichen Liegenschaften kommen Biomasseheizanlagen zum Einsatz. Eigene Anlagen zur Nutzung von Windkraft werden nicht betrieben. 4.1 Welche staatlichen Verwaltungen haben ihren Ge bäudebestand im Falle eines Neubaus gem. Ener gieeinsparverordnung (EnEV) maximal energie sparend erstellt? Die Energieeinsparverordnung stellt eine gesetzliche Vorgabe dar. Zum Zeitpunkt der Errichtung wurden bei allen staatlichen Gebäuden die Bestimmungen für den baulichen Wärmeschutz eingehalten. Zur Wahrung der Vorbildfunktion des Freistaates hat die Staatsregierung im Juli 2011 darüber hinaus die Einführung neuer Energiestandards beschlossen. Demnach sind neue Verwaltungsgebäude des Freistaates auf der Grundlage des Passivhausstandards auszuführen. Auch einzelne Sonderbauten, wie z. B. Institutsgebäude, werden in einer Pilotphase im hocheffizienten Passivhausstandard realisiert. Bei allen anderen staatlichen Baumaßnahmen – sowohl im Neubau wie auch im Bestand – werden seit dem Ministerratsbeschluss vom Juli 2011 die durchschnittlichen Anforderungen an die Gebäudehülle, bezogen auf die Energieeinsparverordnung 2009, um mindestens 30 Prozent unterschritten. Die derzeit gültige Energieeinsparverordnung 2013, mit der Verschärfung zum 01.01.2016 um 20 Prozent, wird somit bei den betreffenden staatlichen Baumaßnahmen bezogen auf die Gebäudehülle noch immer um mindestens 10 Prozent unterschritten. 4.2 Welche staatlichen Verwaltungen haben ih ren Gebäudebestand im Falle eines Altbaus zu 100 Prozent gemäß EnEV maximal energiesparend saniert? Auch bei Sanierungen des Gebäudebestands werden bei allen staatlichen Baumaßnahmen die aktuell gültigen Wärmeschutzvorschriften eingehalten. So sind die Anforderungen der EnEV bei Änderungen von Außenbauteilen bindend, bei umfangreichen Sanierungen greift der unter Punkt 4.1 genannte Ministerratsbeschluss vom Juli 2011, wonach die gültige EnEV – bezogen auf die Gebäudehülle – um mindestens 10 Prozent zu unterschreiten ist. 4.3 Welche staatlichen Verwaltungen haben ihren Ge bäudebestand noch nicht gemäß EnEV energie sparend saniert? Staatliche Gebäude werden zum Zeitpunkt ihrer Errichtung entsprechend den jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen für den baulichen Wärmeschutz (Wärmeschutzverordnungen , EnEV etc.) errichtet. Die Notwendigkeit eines energetischen Sanierungsbedarfs muss im Einzelfall sowohl nach bautechnischen Gesichtspunkten als auch nach verschiedenen Bewertungsparametern differenziert geprüft werden und ist daher nur für einen Teil des Gebäudebestands erforderlich. Die Frage, wie viele Gebäude des gesamten Gebäudebestands nicht den Anforderungen der aktuellen EnEV entsprechen , kann nicht beantwortet werden, da hierzu keine Erhebungen vorliegen. 5.1 Welche staatliche Verwaltungen halten sich maxi mal umweltschonend, nachhaltig und gesamt kostenorientiert an die o. g. Richtlinien? 5.2 Welche staatlichen Verwaltungen werten nach wie vor vordergründige Wirtschaftlichkeit an ers ter Stelle der Vergabekriterien (Unterscheidung in Prozent des Gesamtauftragsvolumens der Jahre 2015–2017)? Die Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen verpflichten die staatlichen Vergabestellen in Bayern, bei öffentlichen Aufträgen zur Beschaffung von Gütern über Dienstleistungen oder über Bauleistungen zu ermitteln, welche umweltfreundlichen Lösungen angeboten werden. Dabei sind Gesichtspunkte des Umweltschutzes einschließlich der Abfallvermeidung und Abfallverwertung in der Leistungsbeschreibung vorzugeben und bei der Wertung der Angebote zu berücksichtigen. Für die Vergabe von Bauaufträgen ist von allen Behörden des Freistaates das Vergabehandbuch Bayern (VHB Bayern) anzuwenden, in diesem sind ebenfalls die Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen vorgeschrieben. Auch das Vergabehandbuch für Lieferungen und Leistungen Bayern (VHL Bayern) und das Vergabehandbuch freiberufliche Dienstleistungen Bayern (VHF Bayern) nehmen Bezug auf die Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen. Zudem Drucksache 17/21712 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 werden in der Bekanntmachung der Staatsregierung, Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen (VVöA) vom 14.11.2017, die zum Jahresbeginn 2018 in Kraft getreten ist, unter „Zusätzlich zu beachtende Regelungen“ die Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen explizit genannt . Eine Übersicht, welche Vergabekriterien im Einzelnen angewendet werden, liegt nicht vor, eine entsprechende Abfrage würde einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern. 6.1 Welche staatlichen Verwaltungen beziehen für ihre Kantinen ausschließlich biologische Lebensmit tel? Da an zentraler Stelle keine entsprechenden Aufzeichnungen vorliegen, ist nicht bekannt, in welchen Kantinen ausschließlich biologische Lebensmittel verwendet werden. 6.2 Welche staatlichen Verwaltungen beziehen nach wie vor Fleischwaren, produziert mit importierten genveränderten Futtermitteln und/oder mit Mas sentierhaltung, und vegetarische Nahrungsmittel aus industrieller Landwirtschaft (Status 2017)? Wie in der Antwort zu Frage 6.1 ausgeführt, liegen diesbezüglich keine zentralen Aufzeichnungen vor. Angaben zur Frage 6.2 können daher nicht gemacht werden. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sämtliche staatlichen Stellen angehalten sind, die Möglichkeiten, die das Vergaberecht bezüglich der Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei Beschaffungsmaßnahmen bietet, auch von den Kantinenpächtern einzufordern. 7.1 Welche staatlichen Verwaltungen setzen bereits auf alternative Mobilität (Status 2017)? Zum Stichtag 01.09.2017 hatten alle Ressorts Dienst-Pkw mit alternativen Antriebsarten (Erdgas, Hybrid und Elektro) in ihrem Fuhrpark. 7.2 In welchem Umfang sind diese CO2frei (in Prozent des Fahrzeugparks)? Der Anteil an reinen Elektrofahrzeugen am Gesamtbestand an Dienst-Pkw – einschließlich der nicht zur Elektrifizierung geeigneten Dienstfahrzeuge (z. B. Sicherheitsfahrzeuge, Kleinbusse, Geländewagen etc.) – betrug zum Stichtag 01.09.2017 insgesamt 0,74 Prozent. 7.3 In welchem Umfang passiert dies unter Einhalten der Grenzwerte für den CO2Ausstoß (in Prozent des Fahrzeugparks)? Der Anteil an Dienst-Pkw am Gesamtbestand, welcher einen CO2-Ausstoß von nicht mehr als 130 g/km hat, betrug zum Stichtag 01.09.2017 insgesamt 30,17 Prozent. 8. Welche staatlichen Verwaltungen bieten ihren Be amten und Angestellten alternative Mobilitätskon zepte zur Verringerung des individuellen Berufs verkehrs an? Das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat hat für alle Beschäftigten des Freistaates Job- Ticket-Vereinbarungen mit der Deutschen Bahn (DB), dem Münchner Verkehrsverbund (MVV) und der Bayerischen Oberlandbahn (BOB und MERIDIAN) abgeschlossen, sodass grundsätzlich die Beschäftigten aller Dienststellen des Freistaates ein Job-Ticket-Angebot nutzen können. Darüber hinaus bestehen auch Job-Ticket-Vereinbarungen einzelner Dienststellen mit örtlichen Verkehrsunternehmen. Insofern wird auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Markus Ganserer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Drs. 17/3272) verwiesen. Die im Rahmen der Job-Ticket- Vereinbarungen von den Verkehrsunternehmen gewährten Rabatte auf die regulären Abo-Preise mit bis zu 13 Prozent stellen einen hohen Anreiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel dar und werden von den Beschäftigten in großer Zahl in Anspruch genommen.