Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian von Brunn SPD vom 27.04.2014 Förderung von Schneekanonen in bayerischen Skigebieten : volkswirtschaftlicher Nutzen und arbeitsmarktpolitische Bedeutung vor dem Hintergrund des Klimawandels II Die Genehmigung des Ausbaus des Skigebietes Sudelfeld mit künstlicher Beschneiung durch das Landratsamt Miesbach wirft die Frage auf, ob die Förderung von künstlicher Beschneiung tourismus- sowie regionalpolitisch sinnvoll, und damit volkswirtschaftlich sowie klimapolitisch vertretbar ist. Daher frage ich die Staatsregierung: 1. Welchen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und zur Schaffung von sozialversicherungspflichtigen nicht-prekären Arbeitsverhältnissen leistet der Skitourismus als Teilbereich des Wintertourismus derzeit in den bayerischen Landkreisen, in denen kommerzieller Wintertourismus betrieben wird, jeweils ausgewiesen für Bayern insgesamt und für die jeweiligen Landkreise? 2. Welchen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und zur Schaffung von sozialversicherungspflichtigen nicht-prekären Arbeitsverhältnissen leisten die anderen Bereiche des Wintertourismus, also die nicht skibezogenenen Teile wie z. B. Wellness, derzeit in den bayerischen Landkreisen, in denen kommerzieller Wintertourismus betrieben wird, jeweils ausgewiesen für Bayern insgesamt und für die jeweiligen Landkreise? 3. Welchen Bereich erachtet die Bayerische Staatsregierung für ökonomisch wie ökologisch nachhaltiger und damit förderungswürdiger: den Sommertourismus, einen nachhaltigen und umweltverträglichen Ganzjahrestourismus oder den saisonalen Skitourismus in den bayerischen Bergregionen? 4. Welchen bayerischen Landkreisen in welchen Regierungsbezirken kamen die staatlichen Finanzhilfen und Fördergelder für künstliche Beschneiung und Schneekanonen in absoluten Summen sowie prozentual in den letzten 10 Jahren zugute? 5. Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung die Aufwendung und Verteilung der staatlichen Fördermittel für künstliche Beschneiung in den letzten 10 Jahren unter dem Aspekt der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern vor dem Hintergrund, dass die meisten bayerischen Wintersportregionen im bayerischen Alpenraum, also in den Regierungsbezirken Oberbayern und Schwaben angesiedelt sind? 6. Wie evaluiert(e) die Bayerische Staatsregierung den volkswirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Nutzen sowie eine den gesetzten Zielen entsprechende Verwendung der staatlichen Finanz- und Fördermittel für künstliche Beschneiung und Schneekanonen in Bayern derzeit und in den letzten 10 Jahren? 7. Welche Erkenntnisse liegen der Bayerischen Staatsregierung hinsichtlich Unsicherheit und Armut trotz Arbeit, also konkret bzgl. prekärer Beschäftigung, befristeten Arbeitsverhältnissen, Niedriglöhnen und -gehältern und Umgehung der Sozialversicherungspflicht z. B. durch Scheinselbstständigkeit und Ähnliches in den bayerischen Wintersportorten bzw. in den Landkreisen, in denen Wintersport betrieben wird, vor? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 26.05.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt beantwortet: 1. Welchen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und zur Schaffung von sozialversicherungspflichtigen nicht-prekären Arbeitsverhältnissen leistet der Skitourismus als Teilbereich des Wintertourismus derzeit in den bayerischen Landkreisen, in denen kommerzieller Wintertourismus betrieben wird, jeweils ausgewiesen für Bayern insgesamt und für die jeweiligen Landkreise? Der Wintertourismus in Bayern ist heute geprägt vom „multioptionalen Gast“, der nicht auf eine Urlaubsaktivität festgelegt ist, aber in der Regel eine winterliche Atmosphäre sucht. Dieser entscheidet sich häufig für einen Ausgangsort, von dem aus er vielfältige Urlaubsaktivitäten wahrnimmt – von Sportarten wie z. B. Skifahren und Winterwandern über die Nutzung des Kultur- und Shoppingangebots bis hin zum Besuch des örtlichen Museums oder Freizeitbades. Da auf diese Weise zahlreiche Wertschöpfungsketten bis hin zur Sportartikelindustrie angestoßen werden, ist die Wertschöpfung der einzelnen Bereiche des Wintertourismus nur schwer trennbar. Eine isolierte Betrachtung entspricht nicht dem Urlaubsverhalten des Gastes, der eine breite Angebotsvielfalt am Urlaubsort erwartet. Insgesamt erwirtschaftet der Tourismus in Bayern aktuell einen Bruttoumsatz von mehr als 31 Milliarden Euro im Jahr und sichert mehr als 560.000 Einwohnern in Bayern ein Ein- Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.07.2014 17/2174 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2174 kommen in Höhe des landesweiten Durchschnitts. Aufgrund der hohen Wertschöpfungsintensität des Wintertourismus ist davon auszugehen, dass mehr als 40 % des Bruttoumsatzes bzw. mehr als 12 Milliarden Euro im Winterhalbjahr generiert werden. Der wintersportaktive Gast gibt überdurchschnittlich viel Geld aus. Allein der wintersportbezogene Urlaub bringt ein Ausgabevolumen von hochgerechnet fast 1 Mrd. Euro p. a. ein. Hinzu kommen noch Ausgaben der Wintersport-Tagesgäste , die die durchschnittlichen Ausgaben aller Tagestouristen durch Skipass, Bergbahn etc. erheblich übersteigen. Hinsichtlich der Arbeitsmarkteffekte hat das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr e.V. an der Universität München (dwif e.V.) in der Studie „Wirtschaftliche Effekte durch Seilbahnen im Winter in Bayern“ ermittelt , dass jeder Arbeitsplatz bei den Seilbahnen insgesamt 3,9 Arbeitsplätze bei den Zulieferbetrieben und anderen touristischen Betrieben in der Bergregion schafft und sichert. Eine landkreisscharfe Gliederung der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und der Schaffung von sozialversicherungspflichtigen nicht-prekären Arbeitsverhältnissen aus dem Wintertourismus liegt der Bayerischen Staatsregierung nicht vor. 2. Welchen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und zur Schaffung von sozialversicherungspflichtigen nicht-prekären Arbeitsverhältnissen leisten die anderen Bereiche des Wintertourismus, also die nicht skibezogenenen Teile wie z. B. Wellness , derzeit in den bayerischen Landkreisen, in denen kommerzieller Wintertourismus betrieben wird, jeweils ausgewiesen für Bayern insgesamt und für die jeweiligen Landkreise? Siehe hierzu die Antwort auf Frage 1. 3. Welchen Bereich erachtet die Bayerische Staatsregierung für ökonomisch wie ökologisch nachhaltiger und damit förderungswürdiger: den Sommer- tourismus, einen nachhaltigen und umweltverträglichen Ganzjahrestourismus oder den saisonalen Skitourismus in den bayerischen Bergregionen? Die große Stärke des Tourismuslandes Bayern ist sein vielfältiges und ganzjährig attraktives Angebotsspektrum. Diese Angebotsvielfalt des Bayerntourismus ist die Basis dafür, die Ansprüche ganz unterschiedlicher touristischer Zielgruppen zu jeder Jahreszeit zu erfüllen, und ein wichtiger Vorteil im internationalen Wettbewerb. Im Hinblick auf eine sowohl ökonomisch wie auch ökologisch nachhaltige Tourismusentwicklung hält die Bayerische Staatsregierung daher ein diversifiziertes Angebotsspektrum für zukunftsträchtig, das den multioptionalen Gast von heute zu jeder Jahreszeit als Gesamtpaket überzeugt. Eine Fokussierung der Förderpolitik auf ein „Entweder-oder“ wäre nicht zielführend. 4. Welchen bayerischen Landkreisen in welchen Regierungsbezirken kamen die staatlichen Finanzhilfen und Fördergelder für künstliche Beschneiung und Schneekanonen in absoluten Summen sowie prozentual in den letzten 10 Jahren zugute? Vgl. anliegende Übersicht. 5. Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung die Aufwendung und Verteilung der staatlichen Fördermittel für künstliche Beschneiung in den letzten 10 Jahren unter dem Aspekt der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern vor dem Hintergrund, dass die meisten bayerischen Wintersportregionen im bayerischen Alpenraum, also in den Regierungsbezirken Oberbayern und Schwaben angesiedelt sind? Zunächst ist festzuhalten, dass der Anteil der geförderten Beschneiungsanlagen sich auf weniger als 1,5 % der in den vergangenen 10 Jahren im Rahmen der Regionalförderung für Vorhaben des Tourismus bereitgestellten Fördermittel beläuft. Die bayerischen Wintersportorte befinden sich in einem harten Wettbewerb. Insbesondere für den Gürtel entlang der Alpenkette ist der Tourismus ein überlebenswichtiger Wirtschaftszweig , an dem unzählige Arbeitsplätze und Existenzen hängen. In den letzten beiden Jahrzehnten erfolgten in den Nachbarländern – insbesondere in Österreich – umfassende Investitionen mit massiver staatlicher Unterstützung. In der Folge gerieten die bayerischen Wintersportorte ins Hintertreffen und erlitten einen deutlichen Einbruch bei den Übernachtungs - und Besucherzahlen mit teilweise existenzbedrohlichen Auswirkungen auf die dortigen Hotellerie- und Gastronomiebetriebe. Um Touristen dauerhaft anzuziehen, müssen Urlaubs- destinationen in ihren Kernleistungen wettbewerbsfähig sein. Vor diesem Hintergrund erfolgte vor fünf Jahren die Auflage des Seilbahnförderprogramms. Mit der Förderinitiative wird eine doppelte Strategie verfolgt: Zum einen soll der Skiliebhaber den Winterurlaub wieder in Bayern verbringen. Zum anderen sind komfortable Seilbahnen eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Touristen auch außerhalb der Skisaison in die bayerischen Alpen oder in den bayerischen Wald zu locken. Sich verändernde klimatische Verhältnisse verlangen nach Lösungen, die die Schneeabhängigkeit der Wintersportorte verringern. Dies ist jedoch nicht kurzfristig erreichbar . Einer Skiregion, die ihre gesamte Infrastruktur seit Jahrzehnten dem Wintertourismus gewidmet hat, kann nicht von heute auf morgen die Grundlage entzogen werden. Der Einsatz künstlicher Beschneiung ist insofern auch ein Instrument , um den Veränderungsprozess im Wintersport-Tourismus volkswirtschaftlich verträglich zu gestalten. 6. Wie evaluiert(e) die Bayerische Staatsregierung den volkswirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Nutzen sowie eine den gesetzten Zielen entsprechende Verwendung der staatlichen Finanz- und Fördermittel für künstliche Beschneiung und Schneekanonen in Bayern derzeit und in den letzten 10 Jahren? Der Tourismus in Bayern ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor . Im sich kontinuierlich verschärfenden Wettbewerb insbesondere mit außerbayerischen Urlaubsdestinationen sind für die Entscheidung eines Urlaubsortes in der Alpenregion leistungsfähige und komfortable Seilbahnen von hoher Bedeutung , und zwar unabhängig von der Jahreszeit. Seit Auflage des Seilbahnförderprogramms im Jahr 2009, nach dem auch Beschneiungsanlagen gefördert werden können, haben sich die Gäste- und Übernachtungszahlen in den geförderten Regionen ganz überwiegend positiv entwickelt . Gleichzeitig haben die durch das Förderprogramm induzierten Investitionen in Seilbahnen eine erhöhte Investitionstätigkeit auch bei anderen touristischen Dienstleistern (z. B. in der Hotellerie, Gastronomie, Privathotellerie) ausge- Drucksache 17/2174 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 löst. Ein prägnantes Beispiel für den Anschubeffekt ist das Explorer-Hotel in Nesselwang, dessen Bau in Zusammenhang mit der Modernisierung der örtlichen Seilbahninfrastruktur steht. Das Hotel liegt in direkter Nähe der Talstation der Alpspitzbahn und zieht insbesondere Ski-, Wander- und Sportbegeisterte an. Diese Investitionstätigkeiten sichern nicht zuletzt Arbeitsplätze bei regionalen Handwerksbetrieben und anderen Dienstleistern. Schließlich berichten die Tourismusverantwortlichen in den Destinationen, dass mangelnder Schneesicherheit als Hauptbuchungshindernis nach entsprechender unternehmerischer Investition erfolgreich begegnet werden konnte. 7. Welche Erkenntnisse liegen der Bayerischen Staatsregierung hinsichtlich Unsicherheit und Armut trotz Arbeit, also konkret bzgl. prekärer Beschäftigung, befristeten Arbeitsverhältnissen, Niedriglöhnen und -gehältern und Umgehung der Sozialversicherungspflicht z. B. durch Scheinselbstständigkeit und Ähnliches in den bayerischen Wintersportorten bzw. in den Landkreisen, in denen Wintersport betrieben wird, vor? Der Staatsregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Entsprechende Daten auf regionaler Ebene liegen nicht vor. Übersicht Regionalfördermittel für den Tourismus 2004–2013 Landkreis Fördermittel für Prozent. Anteil Beschneiung an Förderung Beschneiung T€ Tourismus insg T€ Oberbayern Garmisch-Partenkirchen 80 6.040 1,3 % Miesbach 179 11.450 1,6 % Rosenheim 107 5.600 1,9 % Traunstein 57 6.540 0,9 % Berchtesgadener Land 352 8.450 4,2 % Niederbayern Straubing-Bogen 571 7.450 7,7 % Deggendorf 4 2.210 0,2 % Regen 1.254 43.490 2,9 % Freyung-Grafenau 635 27.660 2,3 % Oberpfalz Cham 236 37.640 0,6 % Schwaben Oberallgäu 2.360 40.640 5,8 % Ostallgäu 150 12.790 1,2 %