Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 19.03.2014 Eckdaten der Stromversorgung Bayerns 2013 (2010, 2005 und 2000) Im Juni 2000 vereinbarten die Stromgroßkonzerne in Deutschland mit der Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie. Dies erfordert auch den Umbau unseres Stromnetzes. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wurden jedoch von den Stromfirmen, die früher überwiegend staatliche Monopolbetriebe waren, noch nie ausreichend über Struktur und Betrieb der Stromleitungen informiert. Das Stromnetz wurde offenbar betrachtet als „unsere Sache , die die Bürger nichts angeht“. Angesichts der Äußerungen während des letzten Jahres aus der Landesregierung zu Stromleitungsplänen kann man annehmen, dass selbst in der Regierungsspitze die Eckdaten der Stromversorgung Bayerns nicht bekannt sind. Aber ohne Einblick erwächst keine Einsicht. Ich frage die Staatsregierung: 1. a) Wie hoch war in den Jahren 2000, 2005, 2010 und 2013 jeweils der Nettostromverbrauch (kWh)? b) Wie hoch war in diesen Jahren jeweils die höchste nachgefragte Stromleistung (kW)? Bitte, wenn möglich , Datum und Stunde angeben. c) Wie hoch war in diesen Jahren jeweils die niedrigste nachgefragte Stromleistung (kW)? Bitte, wenn möglich , Datum und Stunde angeben. 2. Welche Kraftwerksleistung stand in diesen vier Jahren (Frage 1a) jeweils zur Verfügung aus: Atomkraftwerken , Kohle-KW, Erdgas-KW, Mineralöl-KW, Biomasse- und Biogas-KW, PV-Anlagen, Wasserkraftanlagen, Windkraftanlagen und sonstigen? 3. Welche Leistungen (kW) mit welcher Energiekapazität (kWh) standen in diesen vier Jahren zur Speicherung von Strom in Bayern zur Verfügung? 4. a) Welche Überlandleitungen mit 110 kV, 220 kV oder 380 kV verbinden Bayern mit seinen Nachbarländern Tschechien, Österreich, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Sachsen? Bitte für jedes dieser Nachbarländer alle Leitungen der drei Spannungsebenen mit ihrer jeweiligen Übertragungskapazität (kW) angeben. b) Welche Überlandleitungen, die uns mit unseren Nachbarländern verbinden, sind gegenwärtig im Bau und welche in Planung? Bitte für jedes dieser Nachbarländer alle Leitungen der drei Spannungsebenen mit ihrer jeweiligen Übertragungskapazität (kW) angeben. 5. a) Bei welcher Technik haben die Überlandleitungen größere Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit, in Gleichstrom oder Wechselstrom? b) Wodurch unterscheiden sich die Gesundheits- und Umweltauswirkungen von Gleichstrom- und Wechselstromleitungen ? c) Bei welcher Kraftwerkstechnik sind die Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt größer, bei Atomkraftwerken , Kohlekraftwerken oder Windkraftwerken? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 26.05.2014 Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz wie folgt beantwortet: 1. a) Wie hoch war in den Jahren 2000, 2005, 2010 und 2013 jeweils der Nettostromverbrauch (kWh)? Der Nettostromverbrauch in Bayern belief sich in den Jahren 2000, 2005 und 2010 ausweislich der Energiebilanzen auf 73,1 Mrd. kWh, 75,7 Mrd. kWh und 83,3 Mrd. kWh. Zum Nettostromverbrauch 2013 liegen noch keine amtlichen Zahlen vor. Für 2012 wurde vom IE Leipzig ein vorläufiger Wert von 82,0 Mrd. kWh berechnet. b) Wie hoch war in diesen Jahren jeweils die höchste nachgefragte Stromleistung (kW)? Bitte, wenn möglich, Datum und Stunde angeben. c) Wie hoch war in diesen Jahren jeweils die niedrigste nachgefragte Stromleistung (kW)? Bitte, wenn möglich, Datum und Stunde angeben. Eine vollständige und zeitsynchrone messtechnische Erfassung der elektrischen Lasten erfolgt nicht über alle Spannungsebenen . Im Rahmen des europäischen Stromaustausches werden für Deutschland seitens des Verbandes Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) Werte angegeben, aber auch diesen liegt keine vollständige Erfassung zugrunde. Auf den unteren Spannungsebenen wird wegen der dortigen feingliedrigen Struktur und des damit verbundenen hohen Aufwandes eine vorzeichenrichtige und zeitsynchrone messtechnische Erfassung von Last und Erzeugung oft nicht vorgenommen. Insofern lassen auch die von ENTSO-E für Deutschland angegebenen Werte vor allem qualitative Aussagen zum Lastverlauf zu. Die Ableitung von Korrekturfaktoren und länderspezifischen Aufteilungen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 18.07.2014 17/2181 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/2181 der elektrischen Lasten innerhalb Deutschlands sind Gegenstand wissenschaftlicher Modellrechnungen. Literaturwerte weisen für Bayern eine Spitzenlast im Bereich von etwa 12,5 GW (= 12.500.000 kW) aus. Für die Betrachtungsjahre 2000 und 2005 liegen seitens ENTSO-E keine umfassenden Tabellen zur deutschen Netzlast vor. Für 2010 und 2013 werden für Deutschland folgende Werte für Maximal- und Minimallast angegeben: Jahr Minimum in GW (1 GW = 1 Mio. kW) Maximum in GW (1 GW = 1 Mio. kW) 2010 34,6 GW; 06.06.10, 06:00 79,9 GW; 01.12.10, 18:00 2013 29,6 GW; 02.06.13, 07:00 75,6 GW; 05.12.13, 18:00 2. Welche Kraftwerksleistung stand in diesen vier Jahren (Frage 1a) jeweils zur Verfügung aus: Atomkraftwerken , Kohle-KW, Erdgas-KW, Mineralöl-KW, Biomasse- und Biogas-KW, PV-Anlagen, Wasserkraftanlagen , Windkraftanlagen und sonstigen? Die amtliche Statistik erfasst im Rahmen ihrer Erhebungen Stromerzeugungsanlagen der allgemeinen Versorgung mit Sitz in Bayern und einer Engpassleistung von 1 MW oder mehr. Industrielle Stromerzeugungsanlagen werden im Rahmen der Erhebung nicht erfasst. Die energieträgerspezifische Zuordnung der Kraftwerksleistung erfolgt nach dem überwiegend eingesetzten Brennstoff. Darüber hinaus liegen aus anderen Statistiken Werte zu den Leistungen von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vor, sodass auch der Bereich der erneuerbaren Energien, der eine Vielzahl von Anlagen im Leistungsbereich unter 1 MW beinhaltet, entsprechend abgebildet ist. Für 2013 liegen die Werte noch nicht vollständig vor, sodass hilfsweise das Jahr 2012 herangezogen wird. Pel in GW 2000 2005 2010 2012 Kernenergie 6,4 6,4 6,4 5,5 Kohlen 2,2 1,2 0,9 0,9 Mineralöl 5,1 4,8 1,1 1,0 Erdgas 3,7 4,3 Sonstige 0,3 0,3 Wasserkraft 2,9* 3,0* 2,9 2,9 Photovoltaik 0,0 0,8 6,4 9,6 Biomasse 0,1 0,4 0,9 1,2 Windenergie 0,1 0,3 0,5 0,9 * eigene Berechnungen 3. Welche Leistungen (kW) mit welcher Energiekapazität (kWh) standen in diesen vier Jahren zur Speicherung von Strom in Bayern zur Verfügung? Nennenswerte Speicherkapazitäten bieten nur die großen bayerischen Pumpspeicherkraftwerke mit Leistungen im zweistelligen MW-Bereich. Hierzu zählen die Pumpspeicherkraftwerke Happurg und Langenprozelten, die Kraftwerksgruppe Jansen und die Leitzachwerke. Insgesamt weisen diese nach Angaben der Bundesnetzagentur eine Leistung von 549,8 MW (= 549.800 kW) auf. Das Pumpspeicherkraftwerk Happurg ist seit 2011 wegen Sanierungsarbeiten außer Betrieb, sodass für 2013 abweichend von den Jahren 2000, 2005 und 2010 nur eine um 160 MW geringere Leistung von 389,8 MW (=389.800 kW) zur Verfügung stand. Die Speicher haben einen maximalen Energieinhalt von insgesamt rund 2,8 GWh (=2.800.000 kWh). Infolge der Sanierungsarbeiten im Pumpspeicherkraftwerk Happurg reduziert sich dieser Wert für 2013 um 0,9 GWh auf rund 1,9 GWh (=1.900.000 kWh). 4. a) Welche Überlandleitungen mit 110 kV, 220 kV oder 380 kV verbinden Bayern mit seinen Nachbarländern Tschechien, Österreich, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Sachsen? Bitte für jedes dieser Nachbarländer alle Leitungen der drei Spannungsebenen mit ihrer jeweiligen Übertragungskapazität (kW) angeben. Angegeben sind für jeden Stromkreis jeweils die Spannungsebene , Anfangs- und Endpunkt sowie die maximale Übertragungskapazität. Stromkreise in Betrieb: Zwischen Bayern und Sachsen gibt es keine direkte Verbindung im Höchstspannungsnetz. Die Hochspannungsebene (110 kV) dient der regionalen Versorgung und nicht dem überregionalen Stromtransport . Nur in wenigen Einzelfällen gibt es historisch bedingt 110-kV-Verbindungen zu den Nachbarländern Bayerns. Diese Übergabestellen sind im Normalbetrieb nicht stromführend , u. a. aufgrund teils unterschiedlicher elektrotechnischer Betriebsweisen (z. B. Sternpunkterdungskonzept). Eine 110-kV-Leitung verfügt über ca. 20 % der maximalen Übertragungsleistung einer 380-kV-Leitung. b) Welche Überlandleitungen, die uns mit unseren Nachbarländern verbinden, sind gegenwärtig im Bau und welche in Planung? Bitte für jedes dieser Nachbarländer alle Leitungen der drei Spannungs- Drucksache 17/2181 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 ebenen mit ihrer jeweiligen Übertragungskapazität (kW) angeben. Derzeit sind in Bayern keine länderübergreifenden Höchstspannungsleitungen im Bau. Stromkreise in Planung: 5. a) Bei welcher Technik haben die Überlandleitungen größere Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit , in Gleichstrom oder Wechselstrom? Alle Anlagen für den Stromnetzausbau müssen die Anforderungen der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) erfüllen. Die Grenzwerte entsprechen der Ratsempfehlung der Europäischen Union und basieren auf den Empfehlungen nationaler und internationaler Expertenkommissionen . Die in der Verantwortung stehenden Expertenkommissionen kommen bisher einhellig zu dem Schluss, dass unterhalb der Grenzwerte keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit nachgewiesen worden sind. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Natur ist nicht die Technik (Gleichstrom- oder Wechselstrom; Kraftwerkstechnik ) ausschlaggebend, sondern die Ausführung des Vorhabens (z. B. Trassenführung, Versiegelung). Diese Auswirkungen auf die Natur sind einzelfallbezogen zu betrachten und in den dafür vorgesehenen Verfahren zu berücksichtigen . b) Wodurch unterscheiden sich die Gesundheits- und Umweltauswirkungen von Gleichstrom- und Wechselstromleitungen? Aus der Sicht des Strahlenschutzes in Bezug auf den Menschen hat die Strahlenschutzkommission (SSK) im Auftrag des Bundesumweltministeriums sowohl zu Wechselspannungs -Energieversorgungssystemen als auch zu Hochspannungsgleichstromübertragungsleitungen Stellung genommen . In den beiden ausführlichen Stellungnahmen „Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgung und -anwendung – Empfehlung der Strahlenschutzkommission“ und „Biologische Effekte der Emissionen von Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen (HGÜ) – Empfehlungen der Strahlenschutzkommission mit wissenschaftlicher Begründung“, die sie unter http:// www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2008/ Felder_Energieversorgung.pdf?__blob=publicationFile und http://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_ PDF/2013/HGUE.pdf;jsessionid=2255A402B9696B299A8 163CFDCF1AA7F.1_cid354?__blob=publicationFile finden, werden die jeweiligen Wechselwirkungsmechanismen umfassend diskutiert. Die Stellungnahmen der SSK gingen in die Novelle der 26. BImSchV vom August 2013 ein. Die darin festgelegten Grenzwerte für die elektrischen und magnetischen Felder der Energieversorgung berücksichtigen die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen und deren Wirkungsschwellen und sind daher für 50 Hz-Felder und Gleichfelder unterschiedlich . Bei Einhaltung der Grenzwerte sind keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit zu erwarten. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Natur vgl. letzten Absatz der Antwort zu 5 a. c) Bei welcher Kraftwerkstechnik sind die Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt größer , bei Atomkraftwerken, Kohlekraftwerken oder Windkraftwerken? Sofern die verschiedenen Kraftwerkstypen die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten, ist der Gesundheits- und Umweltschutz gewährleistet. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Natur vgl. auch letzten Absatz der Antwort zu 5 a.