Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rosi Steinberger, Martin Stümpfig, Verena Osgyan, Dr. Christian Magerl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.02.2018 Umrüstung des Forschungsreaktors München II (FRM II) Der Forschungsreaktor München II (FRM II) in Garching bei München wird seit 2004 mit waffenfähigem hoch angereichertem Uran (HEU) betrieben. In der 3. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) für den Reaktor wurde – nach langer intensiver politischer Debatte – festgelegt, dass die Technische Universität München (TUM) als Betreiber des Reaktors eine Umrüstung auf niedrig angereichertes Uran anstreben soll, und daher wurde der Einsatz von HEU nur bis Ende 2010 erlaubt. Da bis zu diesem Zeitpunkt die TUM keinen geeigneten Brennstoff vorweisen konnte, wurde eine weitere Frist für die Umrüstung gewährt. Diese Frist läuft zum Jahresende 2018 aus. In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung: 1. Wie ist der aktuelle Stand der Bemühungen bei der TUM, die Brennelemente des FRM II auf niedrig angereichertes Uran umzustellen? 2. Welche Entwicklung gab es dabei in den vergangenen 14 Jahren? 3. Welche Gründe führten dazu, dass der FRM II nach 14 Jahren Betrieb immer noch nicht umgerüstet ist und immer noch mit dem hoch angereicherten Uran betrieben wird, obgleich es Möglichkeiten gibt, die Vorgaben der 3. TEG einzuhalten? 4. a) Ist der Staatsregierung die Arbeit von Dr. Anton Röhrmoser (TUM, 2015) bekannt, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine Anreicherung von 35 Prozent für den FRM II mit leicht verbessertem Uransilizidbrennstoff möglich und machbar ist? b) Welche Randbedingungen sind hinsichtlich Dichte und Umbauten vorgesehen? c) Wie bewertet die Staatsregierung diese Vorschläge? 5. a) Wurde der Zentralkanal beim FRM II bereits ausgetauscht ? b) Wenn ja, wann? c) Wenn nein, für wann ist dies vorgesehen? 6. Welche Konsequenzen hat es für den Reaktorbetrieb, wenn die Umrüstung nicht bis zum 31.12.2018 möglich ist? 7. Gibt es Anträge auf Änderung der atomrechtlichen Genehmigung wegen einer veränderten Urananreicherung ? 8. Gibt es Anträge auf Änderung der atomrechtlichen Genehmigung wegen baulicher Veränderungen? Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 17.04.2018 1. Wie ist der aktuelle Stand der Bemühungen bei der TUM, die Brennelemente des FRM II auf niedrig angereichertes Uran umzustellen? Die Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung Forschungsneutronenquelle Heinz-Maier-Leibnitz (ZWE FRM II) Technische Universität München (TUM) forscht unverändert und mit Nachdruck an der Entwicklung hochdichter Brennstoffe mit dem Ziel der Umrüstung des FRM II auf ein Brennelement niedrigerer Anreicherung. Sie tut dies im Europäischen Forschungsverbund HERACLES (CEA Frankreich, Institut Laue Langevin Frankreich, SCK-CEN Belgien, FRAMA- TOME-CERCA Frankreich, TUM, vgl. (https://heracles-con sortium.eu/index.php) sowie in enger Kooperation mit USamerikanischen Partnern (Department of Energy – DOE, National Nuclear Security Administration – NNSA). 2. Welche Entwicklung gab es dabei in den vergangenen 14 Jahren? Nach mehreren Test-Bestrahlungskampagnen in Europa und den USA an kleinen und großen Brennstoffplatten auf der Basis von verschiedenen Uran-Molybdän-Legierungen sind die involvierten Arbeitsgruppen sowohl in Europa als auch in den USA seit 2015 gemeinsam in eine sogenannte comprehension phase eingetreten; diese dient dazu, noch bestehende Verständnislücken im Verhalten des Brennstoffs unter Bestrahlung zu schließen. Derzeit laufen hierzu zwei große Bestrahlungskampagnen, deren Abschluss einschließlich der metallurgischen Untersuchungen 2020 erwartet wird. 3. Welche Gründe führten dazu, dass der FRM II nach 14 Jahren Betrieb immer noch nicht umgerüstet ist und immer noch mit dem hoch angereicherten Uran betrieben wird, obgleich es Möglichkeiten gibt, die Vorgaben der 3. TEG einzuhalten? Es gibt bis heute keinen qualifizierten hochdichten Uranbrennstoff mit Anreicherung unter 50 Prozent Uran 235, der Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.09.2018 Drucksache 17/21812 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21812 unter den Belastungsbedingungen von Hochleistungsreaktoren kontrolliertes und damit akzeptierbares Schwellverhalten aufweist und ferner die Bedingungen der industriellen Herstellbarkeit erfüllt. Aus diesem Grund ist bis heute noch kein Brennstoff für die Umrüstung des FRM II auf eine niedrigere Anreicherung (<50 Prozent) qualifiziert. Die Vorgabe der 3. TEG ist damit aktuell nach dem weltweiten Stand von Wissenschaft und Technik nicht zu erfüllen. Die Gründe für die zeitlichen Verzögerungen bei der Entwicklung eines geeigneten Brennstoffs lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Die Komplexität der Aufgabe, einen für Hochleistungsreaktoren geeigneten hochdichten Brennstoff zu entwickeln , der bei signifikant niedrigerer Anreichung im Wesentlichen eine vergleichbare wissenschaftliche Leistungsfähigkeit garantiert, wurde von der internationalen Wissenschaft anfänglich unterschätzt. Insbesondere zeigten die in den Experimenten zunächst verwendeten Brennstoffe ein unerwartetes und nicht akzeptables Schwellverhalten. – Die nach den Bestrahlungen vor der Ergebnisauswertung jeweils einzuhaltenden Abklingphasen führen zu einer enorm langen Dauer der Bestrahlungsexperimente . Die Dauer einer Test-Bestrahlungskampagne von der Fertigung der Testplatten bis zur Auswertung der metall urgischen Untersuchungen beträgt jeweils bis zu vier Jahre. – Die fehlerfreie Fertigung der benötigten Testplatten mit den neuen Brennstoffen – insbesondere mit der Perspektive industrieller Fertigung – stellt eine weitere Herausforderung dar. 4. a) Ist der Staatsregierung die Arbeit von Dr. Anton Röhrmoser (TUM, 2015) bekannt, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine Anreicherung von 35 Prozent für den FRM II mit leicht verbessertem Uransilizidbrennstoff möglich und machbar ist? Die zitierte Untersuchung ist der Staatsregierung bekannt. b) Welche Randbedingungen sind hinsichtlich Dichte und Umbauten vorgesehen? Der Beitrag von Dr. Anton Röhrmoser, eine Parameterstudie zu den Möglichkeiten der Umrüstung des FRM II, geht in seinen Berechnungen von einem U3Si2-Brennstoff der Dichte 6,0 gU/ccm aus. Einen solchen qualifizierten Brennstoff gibt es nicht; er ist auch nicht in Aussicht. Hinsichtlich weiterer in der Studie genannter Parameter wie beispielsweise die Vergrößerung der Brennstoffdicke und damit einhergehender Dünnung der Deckschicht ist deren sicherheitstechnische Machbarkeit nicht nachgewiesen. Im Ergebnis zeigt die Studie damit gerade, dass eine Umrüstung des FRM II auf einen U3Si2-Brennstoff heute nicht möglich ist. c) Wie bewertet die Staatsregierung diese Vorschläge ? Angesichts der heute noch nicht existierenden Qualifikation eines hochdichten Brennstoffs für eine Umrüstung des FRM II hat die Staatsregierung die TUM beauftragt, weiterhin mit Nachdruck an der Entwicklung eines solchen zu arbeiten . 5. a) Wurde der Zentralkanal beim FRM II bereits ausgetauscht ? Nein. b) Wenn ja, wann? Siehe Antwort zu Frage 5 a. c) Wenn nein, für wann ist dies vorgesehen? Der Zentralkanal wird ausgetauscht, wenn es aufgrund der Materialeigenschaften notwendig wird. 6. Welche Konsequenzen hat es für den Reaktorbetrieb , wenn die Umrüstung nicht bis zum 31.12.2018 möglich ist? Die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse der vergangenen Jahre, die in intensiven internationalen Forschungsarbeiten gewonnen wurden, haben gezeigt, dass die Auflage in der Betriebsgenehmigung, mit der die Technische Universität München zu einer Umrüstung des Reaktors zum 31.12.2010 verpflichtet werden sollte, von vornherein auf eine weltweit objektiv unmögliche Handlung gerichtet war, die zu dem festgelegten Zeitpunkt aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen konnte. Unter Berücksichtigung von Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) geht die Staatsregierung davon aus, dass die Auflage in der Betriebsgenehmigung – auch für den später zwischen Bund und Land vereinbarten Umrüstungszeitpunkt 31.12.2018 – keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Für einen Widerruf der Genehmigung besteht kein Anlass. 7. Gibt es Anträge auf Änderung der atomrechtlichen Genehmigung wegen einer veränderten Urananreicherung ? Nein. 8. Gibt es Anträge auf Änderung der atomrechtlichen Genehmigung wegen baulicher Veränderungen? Nein.