Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kathi Petersen SPD vom 19.03.2018 Fachkräftemangel in den nichtärztlichen Therapieberufen Physio- und Ergotherapie in Bayern Ich frage die Staatsregierung: 1. a) In welchen kreisfreien Städten und Landkreisen sieht die Staatsregierung derzeit einen akuten Mangel an Fachkräften der Physio- und Ergotherapie? b) In welchen kreisfreien Städten und Landkreisen erwartet die Staatsregierung einen zukünftigen Mangel an Fachkräften der Physio- und Ergotherapie? c) Welche vornehmlichen Gründe bzw. Entwicklungen sind nach Meinung der Staatsregierung für den Mangel verantwortlich? 2. a) Welche Auswirkungen hat der Mangel bereits jetzt auf die Versorgungssituation vor Ort? b) Mit welchen Folgen muss darüber hinaus gerechnet werden? 3. a) Wie haben sich in den letzten zehn Jahren die Schulabgängerzahlen an den Berufsfachschulen für Physiotherapie und Ergotherapie entwickelt? b) Welche Gründe sind dafür ursächlich? c) Unter welchen Bedingungen würde die Staatsregierung eine komplette Schulgeldbefreiung, wie sie zum 01.08.2018 im Land Bremen geplant und von weiteren Bundesländern in Betracht gezogen wird, veranlassen ? 4. a) Wie viele Berufsfachschulen für nichtärztliche Therapieberufe nehmen im Augenblick einen Pflegebonus in welcher Höhe in Anspruch? b) In welchen Regierungsbezirken befinden sich die Berufsfachschulen ? 5. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bereits ergriffen und welche plant sie, um dem Fachkräftemangel in der Heilmittelbranche entgegenzuwirken? 6. Wie bewertet die Staatsregierung die positiven Ergebnisse des Modellversuchs beim Direktzugang zum Physiotherapeuten allgemein und speziell hinsichtlich der Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Heilmittelbranche ? 7. Inwieweit erachtet die Staatsregierung eine verstärkte Akademisierung bei den nichtärztlichen Therapieberufen als sinnvoll oder gar nötig? Antwort des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 22.04.2018 1. a) In welchen kreisfreien Städten und Landkreisen sieht die Staatsregierung derzeit einen akuten Mangel an Fachkräften der Physio- und Ergotherapie ? b) In welchen kreisfreien Städten und Landkreisen erwartet die Staatsregierung einen zukünftigen Mangel an Fachkräften der Physio- und Ergotherapie? c) Welche vornehmlichen Gründe bzw. Entwicklungen sind nach Meinung der Staatsregierung für den Mangel verantwortlich? Der Staatsregierung liegen keine Erkenntnisse über einen strukturellen regionalen Mangel an Physio- oder Ergotherapeuten vor. Eingaben von Versicherten, die Schwierigkeiten mit der Terminvergabe für die Inanspruchnahme von Heilmitteln beklagt haben, liegen bisher nicht vor. Für die Berufsgruppen der Heilmittelerbringer, zu denen Physio - und Ergotherapeuten gehören, gibt es im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung – anders als etwa für Vertragsärzte – keine Bedarfsplanung und damit auch keine Möglichkeit, etwa eine Unterversorgung zu ermitteln oder herauszufinden, woran diese liegen könnte. Die Bundesagentur für Arbeit verweist in ihrer bundesweiten Fachkräfteengpassanalyse vom Dezember 2017 zur Berufsgruppe der nichtärztlichen Therapie und Heilkunde deutschlandweit auf einen Mangel an Physiotherapeuten, weil die Stellen in der Physiotherapie im Durchschnitt 151 Tage vakant gewesen seien und damit 48 Prozent länger als im bundesweiten Durchschnitt. Hingegen könne bei Ergotherapeuten aktuell kein Mangel festgestellt werden. 2. a) Welche Auswirkungen hat der Mangel bereits jetzt auf die Versorgungssituation vor Ort? b) Mit welchen Folgen muss darüber hinaus gerechnet werden? Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Auf die Antwort zu den Fragen 1 a und 1 b wird verwiesen. 3. a) Wie haben sich in den letzten zehn Jahren die Schulabgängerzahlen an den Berufsfachschulen für Physiotherapie und Ergotherapie entwickelt? Die Absolventenzahlen im Bereich Physiotherapie und Ergotherapie können der folgenden Tabelle entnommen werden (Quelle: Amtliche Schuldaten): Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de–Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 15.05.2018 Drucksache 17/21913 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21913 Abschlussjahr Anzahl Absolventen Physiotherapie Anzahl Absolventen Ergotherapie 2006 783 377 2007 771 375 2008 877 328 2009 934 365 2010 890 402 2011 908 367 2012 964 388 2013 975 379 2014 952 430 2015 964 389 2016 944 396 b) Welche Gründe sind dafür ursächlich? Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind die Absolventenzahlen als erfreulich stabil anzusehen. Die gestiegenen Absolventenzahlen zeigen, dass bei Schulabgängern ein unvermindert hohes Interesse an den Berufsbildern der Physio- und Ergotherapie besteht. c) Unter welchen Bedingungen würde die Staatsregierung eine komplette Schulgeldbefreiung, wie sie zum 01.08.2018 im Land Bremen geplant und von weiteren Bundesländern in Betracht gezogen wird, veranlassen? Die Staatsregierung wird die neue Bundesregierung dabei unterstützen, die im Koalitionsvertrag angekündigte Abschaffung des Schulgeldes für die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen zügig umzusetzen. 4. a) Wie viele Berufsfachschulen für nichtärztliche Therapieberufe nehmen im Augenblick einen Pflegebonus in welcher Höhe in Anspruch? b) In welchen Regierungsbezirken befinden sich die Berufsfachschulen? Der Pflegebonus ist eine haushaltsrechtlich freiwillige Leistung , die der Freistaat seit dem Schuljahr 2013/2014 für die privaten beruflichen Schulen in den Bereichen Altenpflege , Altenpflegehilfe, Sozialpädagogik (Erzieherinnen und Erzieher), Kinderpflege, Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe zahlt. Private Schulträger für die Ausbildung in nichtärztlichen Therapieberufen erhalten keinen Pflegebonus. 5. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bereits ergriffen und welche plant sie, um dem Fachkräftemangel in der Heilmittelbranche entgegenzuwirken ? Für eine flächendeckende Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen im Bereich der Heilmittelerbringer auch in Zukunft ist es vor allem wichtig, die Berufsbilder aufzuwerten und attraktiver zu gestalten, damit noch mehr Nachwuchs für die Berufe gewonnen werden kann. Dafür braucht es in erster Linie eine moderne Ausbildung, die die Auszubildenden umfassend auf die Anforderungen des Berufsalltags vorbereitet. Der Bund hat angekündigt, die Berufsgesetze der Gesundheitsfachberufe in dieser Legislaturperiode grundlegend zu überarbeiten. Dabei wird, wie man den Aussagen des Koalitionsvertrages entnehmen kann, auch das Thema Schulgeldfreiheit eine entscheidende Rolle spielen. Eine kos tenlose Ausbildung kann die Attraktivität für Schulabgänger erhöhen. Bayern ist seit Ende letzten Jahres in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vertreten, die ein Gesamtkonzept zur Neuordnung und Stärkung der Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen erarbeiten wird. 6. Wie bewertet die Staatsregierung die positiven Ergebnisse des Modellversuchs beim Direktzugang zum Physiotherapeuten allgemein und speziell hinsichtlich der Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Heilmittelbranche? Der Staatsregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zu den Ergebnissen der auf Bundesebene durchgeführten Modellvorhaben zur Erprobung der Blankoverordnung vor. Bei der Blankoverordnung bestimmt der Heilmittelerbringer bei bestimmten, vorher festgelegten Diagnosen selbstständig die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten. Die Diagnosestellung und die ärztliche Verordnung des Heilmittels obliegen aber weiterhin dem behandelnden Arzt. Die Krankenkasse BIG direkt hat jetzt allerdings den Ergebnisbericht zu dem durchgeführten Modellvorhaben veröffentlicht. Dieser ist auf der Website der BIG direkt veröffentlicht unter https://www.big-direkt.de/ de/ueber-die-big/unternehmen/engagement/modellvorha ben-physiotherapie.html. Der Direktzugang ist bisher nicht Gegenstand von Modellvorhaben und ist derzeit gesetzlich auch nicht vorgesehen. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG), das am 11.04.2017 in Kraft getreten ist, wurden die Krankenkassen verpflichtet, mit den Verbänden der Heilmittelerbringer in jedem Bundesland Verträge über Modellvorhaben zur sog. Blankoverordnung von Heilmitteln abzuschließen. Weiter gehende Forderungen nach Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen zur modellhaften Erprobung des Direktzugangs für die Heilmittelerbringer lehnte die Bundesregierung ab. Nach Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern befinden sich die Krankenkassen insbesondere mit den Berufsverbänden der physikalischen Therapie in Gesprächen zur Entwicklung eines Modellvorhabens nach § 64d Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) zur Blankoverordnung. Momentan lägen erste Ideen zu möglichen Diagnosen vor, die jedoch noch bewertet werden müssten. Dabei sei es wichtig, die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten (der Berufsverbände der physikalischen Therapie wie auch aller gesetzlichen Krankenkassen in Bayern) in Einklang zu bringen und einen Weg zu finden, der auch von den Ärzten akzeptiert werde. Insofern sei es verfrüht, eine Aussage zu treffen, inwieweit Ergebnisse der bisherigen Modellvorhaben direkt oder indirekt in ein bayerisches Modellvorhaben einfließen können. 7. Inwieweit erachtet die Staatsregierung eine verstärkte Akademisierung bei den nichtärztlichen Therapieberufen als sinnvoll oder gar nötig? Die Möglichkeit einer primärqualifizierenden hochschulischen Qualifikation in den Therapieberufen wird grundsätzlich befürwortet. Das Berufsbild kann dadurch insbesondere eine gesellschaftliche Aufwertung erlangen, die es attraktiver macht. Zudem erfordern die zunehmend komplexen Drucksache 17/21913 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 Bedürfnisse bei der Gesundheitsfürsorge sowie der Innovations -, Anpassungs- und Modernisierungsdruck vermehrt auch eine hochschulische Qualifikation der Berufsangehörigen . Der Anteil der akademischen Ausbildung sollte aber im Bereich der Therapieberufe grundsätzlich nicht überwiegen . Als Richtwert ist insoweit an 10 bis 20 Prozent eines Ausbildungsjahrgangs zu denken, was einer Empfehlung des Wissenschaftsrats für hochschulische Qualifikationen für das Gesundheitswesen entspricht. Im Rahmen der oben erwähnten Bund-Länder-Arbeitsgruppe und der geplanten Überarbeitung des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes wird auch die Frage der Akademisierung erörtert werden.