Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl FREIE WÄHLER vom 13.03.2018 Ausgleichsflächen-Flächenkonkurrenz im Alpenraum Zunehmend suchen stark wachsende Städte mit nur begrenzten Potenzialen für den naturschutzrechtlichen Ausgleich Kompensationsflächen im ländlichen Raum. Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die Entwicklungsmöglichkeiten von Gemeinden im dicht besiedelten und stark touristisch frequentierten bayerischen Alpenraum vor dem Hintergrund, dass Städte zunehmend Flächen auf dem Land als Ausgleichsflächen für Wohnund Gewerbegebiete erwerben? 2. Wie bewertet die Staatsregierung eine gesetzliche Vorschrift, dass bei künftigen Bebauungsplanverfahren notwendige Kompensationsmaßnahmen in bestimmten Regionen, z. B. im bayerischen Alpenraum (Abgrenzung nach Alpenkonvention) ortsgebunden, d. h. in dem von der Baumaßnahme betroffenen Stadtgebiet , vorgenommen werden? 3. Inwiefern haben Gemeinden ein Mitspracherecht bei Verkäufen von Grundstücken, die im Gemeindegebiet liegen, bei denen die Gemeinde aber kein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch (BauGB) hat, als Ausgleichsflächen an eine Stadt? Antwort des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vom 26.04.2018 1. Wie beurteilt die Staatsregierung die Entwicklungsmöglichkeiten von Gemeinden im dicht besiedelten und stark touristisch frequentierten baye rischen Alpenraum vor dem Hintergrund, dass Städte zunehmend Flächen auf dem Land als Ausgleichsflächen für Wohn- und Gewerbegebiete erwerben? Das bestehende Planungsrecht und die Regeln über den Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft im Rahmen der Bauleitplanung gewährleisten, dass die Gemeinden des Alpenraums ihre Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen der Planungshoheit ausschöpfen können, ohne daran durch den Erwerb von Ausgleichsflächen durch andere Gemeinden gehindert zu werden. Außerhalb des eigenen Gemeindegebiets kann eine Gemeinde den erforderlichen Ausgleich im Rahmen der Bauleitplanung nicht auf gemeindefremdem Gebiet gegen den entgegenstehenden Planungswillen der anderen Gemeinde gemäß § 1 a Abs. 3 Satz 2 BauGB durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 BauGB als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich durchsetzen. Die Möglichkeit der Gemeinde zur Durchsetzung ihrer Bauleitplanung ist auf das eigene Gemeindegebiet beschränkt. Außerhalb des eigenen Gemeindegebiets kann die Gemeinde allenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, den Ausgleich gemäß § 1 a Abs. 3 Satz 4 BauGB anstelle von Darstellungen und Festsetzungen auch durch vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen zu bewerkstelligen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Ausgleichsflächen dauerhaft zur Verfügung stehen und naturschutzfachlich geeignet sind. Mit Blick auf die erforderliche dauerhafte Sicherung des Ausgleichszwecks verfügt eine Gemeinde außerhalb ihres eigenen Gebiets nur über eingeschränkte Sicherungsmöglichkeiten . Eine dauerhafte Sicherung wird regelmäßig davon abhängen, ob auf der Ebene der Landes-, Regionaloder Gemeindeplanung Festsetzungen bestehen, die der Nutzung einer Fläche als Ausgleich entgegenstehen. Sieht z. B. die Bauleitplanung einer Gemeinde auf einer Fläche eine Nutzung vor, die einer naturschutzfachlichen Aufwertung entgegensteht, kann prognostisch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Fläche als Ausgleichsfläche in Betracht gezogen werden kann, selbst wenn sie im Eigentum einer anderen Gemeinde oder eines Vorhabenträgers steht. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls. Insoweit können die Gemeinden durch Planung steuern, welche Räume ihres Gemeindegebiets für Ausgleichsmaßnahmen in Betracht kommen. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 03.09.2018 Drucksache 17/21966 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21966 Solange und soweit eine Gemeinde davon keinen Gebrauch macht, können Ausgleichsflächen auf ihrem Gemeindegebiet zugunsten anderer Gemeinden entstehen; dann kann auch der planerische Spielraum der Gemeinde hinsichtlich einer etwaigen künftigen Überplanung der betreffenden Flächen nach den Umständen des Einzelfalls eingeschränkt sein. Nach § 200a BauGB umfassen Ausgleichsmaßnahmen auch Ersatzmaßnahmen, für die ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich nicht erforderlich ist, soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist. Ob die Herstellung eines Ausgleichs in räumlicher Entfernung vom Ort des Eingriffs mit diesen Zielsetzungen, insbesondere mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Wenn der Ausgleich nicht im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang, sondern an anderer Stelle als am Eingriffsort erfolgen kann, bestimmt sich die Auswahl der in Betracht kommenden Flächen danach , ob sie geeignet sind, die durch den erwarteten Eingriff eintretenden Funktionsverluste für den Naturhaushalt und/ oder das Landschaftsbild zu kompensieren. Gerade in Regionen , die wie der bayerische Alpenraum naturräumliche Besonderheiten aufweisen, kommt es dabei besonders auf den jeweiligen Einzelfall an. 2. Wie bewertet die Staatsregierung eine gesetzliche Vorschrift, dass bei künftigen Bebauungsplanverfahren notwendige Kompensationsmaßnahmen in bestimmten Regionen, z. B. im bayerischen Alpenraum (Abgrenzung nach Alpenkonvention) ortsgebunden, d. h. in dem von der Baumaßnahme betroffenen Stadtgebiet, vorgenommen werden? Eine gesetzliche Vorschrift, wonach bei künftigen Bebauungsplanverfahren notwendige Kompensationsmaßnahmen in bestimmten Regionen ortsgebunden in dem von der Baumaßnahme betroffenen Stadtgebiet vorgenommen werden, würde erheblich in die Planungshoheit gerade derjenigen Gemeinden eingreifen, die in diesen bestimmten Regionen – z. B. Alpenraum – liegen und aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten ohnehin bei der Flächenauswahl eingeschränkt sind. Die vom Gesetzgeber verfolgte Flexibilisierung bei der Wahl von Ausgleichsflächen würde für diese Gemeinden konterkariert, wenn sie den Ausgleich nur auf ihrem eigenen Gemeindegebiet vornehmen könnten. Diese Beschränkung der Planungshoheit wäre mit Blick auf die bestehenden Möglichkeiten von Gemeinden, das eigene Gemeindegebiet planerisch zu strukturieren und Flächen für bestimmte Nutzungen auszuschließen, unverhältnismäßig . Zudem würden vorhabenbezogene Bebauungspläne erschwert, wenn ein Vorhabenträger zwar über erforderliche Ausgleichsflächen verfügt, diese jedoch auf dem Gebiet einer anderen Gemeinde liegen. Dies könnte sich negativ auf wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten im Alpenraum auswirken. 3. Inwiefern haben Gemeinden ein Mitspracherecht bei Verkäufen von Grundstücken, die im Gemeindegebiet liegen, bei denen die Gemeinde aber kein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch (BauGB) hat, als Ausgleichsflächen an eine Stadt? Gemeinden verfügen über kein allgemeines gesetzliches Vorkaufsrecht bei Verkäufen von Grundstücken im eigenen Gemeindegebiet. Gesetzliche Vorkaufsrechte lassen sich zudem nur ausüben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Verhinderung des Erwerbs von Ausgleichsflächen auf dem eigenen Gebiet durch eine andere Gemeinde ist nicht Gegenstand eines gesetzlichen Vorkaufsrechts.