Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Lotte SPD vom 23.03.2018 Förderung radikaler Innovationen in Bayern Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) befürwortet in ihrem Gutachten für 2018 die Einrichtung ei ner Agentur für radikale Innovationen in Deutschland (Spe zifizierung in Harhoff et al. (Hrsg.) 2018: Impulse für Sprung innovationen in Deutschland. acatech DISKUSSION). Ich frage die Staatsregierung: 1. Wie bewertet die Staatsregierung die Möglichkeit und die Sinnhaftigkeit der Einrichtung einer solchen Agen tur auf Landesebene? 2. Welche Förderstrukturen des Freistaates konzentrie ren sich explizit auf das Hervorbringen radikaler Inno vationen? 3. Erkennt die Staatsregierung gewichtige Unterschiede in den Vorschlägen der EFI zu einer speziellen Agen tur und den bestehenden Förderstrukturen des Frei staates hinsichtlich radikaler Innovationen? Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft, Energie und Technologie im Einvernehmen mit dem Staatsministe rium für Wissenschaft und Kunst vom 02.05.2018 1. Wie bewertet die Staatsregierung die Möglichkeit und die Sinnhaftigkeit der Einrichtung einer sol chen Agentur auf Landesebene? Die Empfehlungen der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) richten sich an die Bundesregierung. Dies gilt auch für das in der Schriftlichen Anfrage erwähnte acatechKonzeptpapier „Impulse für Sprunginnovationen in Deutschland“ zu der Errichtung einer Agentur für radikale Innovationen, das im Sommer 2017 an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel übergeben wurde (EFI Gutachten 2018, S. 62). Die Staatsregierung teilt die Einschätzung der Autoren des acatechDiskussionspapiers, dass es im deutschen Innovationssystem eine gut funktionierende Förderung evolutionärer Innovationsprozesse gibt, aber keine Förder strukturen, die sich explizit auf das Hervorbringen radikaler Innovationen konzentrieren und begrüßt daher Vorschläge, die diesem Innovationsansatz ergänzend Rechnung tragen. Die Einrichtung einer Agentur für radikale Innovationen bzw. für Sprunginnovationen auf Landesebene wird jedoch aus folgenden Gründen nicht als sinnvoll erachtet: 1. Die vorgeschlagene Agentur für Sprunginnovationen bedarf eines substanziellen Budgets, um wirksam zu sein. In dem acatechDiskussionspapier ist von bis zu 700 Mio. Euro/Jahr in der vollen Ausbaustufe die Rede. 2. Die vorgeschlagene Agentur für Sprunginnovationen soll u. a. das Instrument von Innovationswettbewerben („Challenges“) nutzen, um verschiedene, auch bislang unbekannte Akteure im Innovationssystem anzuspre chen und für konkrete Projekte (mit einem Fördervo lumen von jeweils bis zu 120 Mio. Euro über mehrere Zielerreichungsstufen) zusammenzubringen. Die je nach Wettbewerb notwendigen Kompetenzen sind in wissen schaftlichen Einrichtungen und Unternehmen internatio nal zu suchen; bei einer Beschränkung auf ein Bundes land wäre die Anzahl von Personen oder Institutionen mit einer entsprechenden Fachexpertise viel zu gering. Daher erscheint es sinnvoll, eine Agentur auf Bundesebe ne mit ähnlich gelagerten Initiativen anderer Länder (z. B. Frank reich) und der EUEbene zu verknüpfen, als durch eine eigene Agentur auf Landesebene möglicherweise inef fiziente Doppelstrukturen zu schaffen. Das Thema Sprunginnovationen wird von der Bundes regierung adressiert. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode ist die Schaffung neuer Instrumente zur Förderung von Sprunginnovationen verankert. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, hat dieses Thema in ihrer Rede anlässlich der Aussprache zur Regierungserklärung zu den Themen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 20.07.2018 Drucksache 17/21988 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/21988 Bildung und Forschung am 22.03.2018 vor dem Deutschen Bundestag explizit herausgestellt. 2. Welche Förderstrukturen des Freistaates konzen trieren sich explizit auf das Hervorbringen radika ler Innovationen? Nach Feststellung der Autoren des acatechDiskussionspa piers gibt es bislang keine Einrichtung in Deutschland, die sich explizit auf das Hervorbringen radikaler Innovationen konzentriert (vgl. S. 9), mithin auch nicht in Bayern. Gleichwohl haben, wie auch das EFIGutachten 2018 (vgl. S. 51) herausstellt, radikale Innovationen ihren Ur sprung meist in neuen Erkenntnissen der Grundlagenfor schung. Die staatlichen Hochschulen, die vom Freistaat Bayern institutionell ohne Differenzierung nach Forschungsgegen stand und Art der Forschung (z. B. grundlagenorientiert oder anwendungsbezogen) gefördert werden, haben grundsätz lich das Potenzial, Erkenntnisse hervorzubringen, die die Grundlage für radikale Innovationen oder Sprunginnovatio nen bilden. Gleiches gilt für die vom Freistaat Bayern im Rahmen der gemeinsamen BundLänderFinanzierung mit finanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen, z. B. die HelmholtzZentren, die MaxPlanckInstitute und die Institute der LeibnizGemeinschaft sowie die Fraunhofer Institute. Diese Auffassung vertreten auch die Autoren des acatechDiskussionspapiers (S. 9). Wesentlich sind hierfür nach hiesiger Auffassung die For schungsfreiheit und deren Sicherstellung durch die institu tionelle Förderung der Hochschulen sowie der außeruni versitären Forschungseinrichtungen seitens des Staates. Die Forschungsfreiheit und die Gewährleistung der Grund finanzierung ermöglichen die rein erkenntnisgeleitete Er schließung (radikal) neuen Wissens und schaffen damit die Grundlage für Sprunginnovationen. Das Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Tech nologie fördert die Entwicklung technologisch neuer Pro dukte und Verfahren in technologieoffenen und technolo giespezifischen Förderprogrammen. Bei der Auswahl der Fördervorhaben kommen dabei zunehmend Wettbewerbs verfahren, wie sie die Autoren des acatechDiskussionspa piers auch für die Agentur für Sprunginnovationen vorschla gen, zum Einsatz (z. B. bei den Vorgründungswettbewerben „m4Award“ im Bereich der medizinischen Biotechnologie und „Medical ValleyAward“ im Bereich der Medizintechnik). 3. Erkennt die Staatsregierung gewichtige Unter schiede in den Vorschlägen der EFI zu einer spe ziellen Agentur und den bestehenden Förder strukturen des Freistaates hinsichtlich radikaler Innovationen? Gemäß EFIGutachten 2018 und acatechDiskussionspa pier ist die Grundlagenforschung in Deutschland zumeist gut aufgestellt. Defizite gebe es aber bei der Umsetzung der Forschungsergebnisse in Wertschöpfung und dabei, die Er gebnisse auf den Markt zu bringen. Die im acatechDiskussionspapier vorgeschlagene Agen tur für Sprunginnovationen soll zusätzlich Anreize für die Durchführung neuer, richtungweisender, wagemutiger For schungs und Entwicklungsprojekte setzen, die das Poten zial haben, in völlig neuen Produktkonzepten, technischen Lösungen oder Dienstleistungen zu münden. Wesentliche Unterschiede zwischen der im acatechDis kussionspapier vorgeschlagenen Agentur für Sprunginnova tionen und bestehenden Förderstrukturen des Freistaates Bayern werden in folgenden Punkten gesehen: – Die im acatechDiskussionspapier vorgeschlagene Agentur für Sprunginnovationen soll den Schwerpunkt bei der Förderung von Projekten der Risikoforschung sowie der Umsetzung von radikal neuem Wissen haben. Ein Förderinstrument mit einem solchen Fokus gibt es in Bayern – wie auch in Deutschland – nach Ansicht der Autoren des acatechDiskussionspapier nicht. – Die Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst so wie das Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie differenzieren bei der institutionellen Förde rung der staatlichen Hochschulen sowie der außeruni versitären Forschungseinrichtungen, die den jeweiligen Schwerpunkt der Förderung dieser Ressorts bildet, nicht nach dem Gegenstand und der Art der Forschung und machen in Bezug auf die Forschung keinerlei Vorgaben. Zu was und wie sie forschen, legen die Wissenschaft lerinnen und Wissenschaftler an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen selbst fest. – Demgegenüber soll die vorgeschlagene Agentur für Sprunginnovationen Innovationswettbewerbe zu be stimmten Technologiefeldern ausschreiben und ausge wählte Projekte aktiv „managen.“ – Der Kreis der Antragsteller und Teilnehmer an Wettbe werben etc. der vorgeschlagenen Agentur soll weitge hend offen und unbeschränkt sein (möglichst niedrige Eintrittsbarrieren, vgl. S. 11 des acatechDiskussions papiers). Demgegenüber ist bei bestehenden Förder strukturen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst die Antragsberechtigung an die Zugehörigkeit zu Hochschulen und Forschungs einrichtungen geknüpft. Gleiches gilt beispielsweise auch für die Vorgründungswettbewerbe „m4Award“ in der medizinischen Biotechnologie und „Medical Valley Award“ in der Medizintechnik im Geschäftsbereich des Staatsminis teriums für Wirtschaft, Energie und Techno logie.