Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer FREIE WÄHLER vom 05.04.2018 Hartz-IV-Banden in Bayern Focus online berichtete am 20.03.2018 unter folgender Schlagzeile: „Bundesagentur deckt auf, wie Hartz-IV-Banden die deutschen Steuerkassen plündern“. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Sind der Staatsregierung Betrügereien durch „Hartz-IV- Banden“ in Bayern bekannt? 1.2 Wenn ja, seit wann? 2. Wie gehen diese Banden vor und wie nutzen sie „Schlupflöcher“ im Sozialsystem aus, um Sozialleistungen zu erschleichen? 3.1 Wie hoch ist der bisher entstandene Schaden durch „Hartz-IV-Banden“ in Bayern? 3.2 Gibt es örtliche Betrugsschwerpunkte im Freistaat? 3.3 Wird darüber eine Statistik geführt? 4. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bisher getroffen, um Betrügern das Handwerk zu legen bzw. was wird präventiv getan? 5. Wie viele Straftaten dieser „Hartz-IV-Banden“ wurden untersucht bzw. vor Gericht verhandelt? Antwort des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales in Abstimmung mit dem Staatsministerium des Innern und für Integration sowie dem Staatsministerium der Justiz und nach Anhörung der Bundesagentur für Arbeit , Regionaldirektion Bayern vom 02.05.2018 1.1 Sind der Staatsregierung Betrügereien durch „Hartz-IV-Banden“ in Bayern bekannt? Der Staatsregierung ist bis dato noch kein belegter Fall von organisiertem Leistungsmissbrauch bekannt. Unabhängig davon gab es nach Angaben der bayerischen Jobcenter nur wenige Verdachtsfälle. Diese haben sich bei näherer Betrachtung, u. a. durch die Strafverfolgungsbehörden, als haltlos erwiesen. Aus Sicht der Staatsregierung ist u. a. die dezentrale Jobcenter-Struktur in Bayern ein Vorteil gegenüber den vom organisierten Leistungsmissbrauch besonders betroffenen Regionen. Die bayerischen Jobcenter besitzen durch ihre (geringe) Größe bzw. Aufbauorganisation (räumliche Zuständigkeit über lokale Bürgerhäuser in den großen Jobcentern München, Nürnberg, Augsburg) einen sehr hohen Kenntnisstand über auffällige Konstellationen. Sie können daher Auffälligkeiten leicht identifizieren. Dies wirkt abschreckend . 1.2 Wenn ja, seit wann? Entfällt (vgl. Antwort zu Frage 1.1). 2. Wie gehen diese Banden vor und wie nutzen sie „Schlupflöcher“ im Sozialsystem aus, um Sozialleistungen zu erschleichen? Ein eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren in Bayern hatte den Verdacht zum Gegenstand, dass in einem maroden Teil eines Appartmentkomplexes mehrere rumänische Staatsangehörige gemeldet seien und Sozialleistungen bezögen, ohne tatsächlich dort wohnhaft zu sein. Unter anderem sollte die unbekannte Tätergruppierung rumänische Staatsangehörige in regelmäßig verkehrenden Bussen zur betreffenden Örtlichkeit in Bayern gebracht haben , um dort im Jobcenter Sozialleistungen zu beantragen. Im Anschluss sollten die Antragssteller mit dem Geld zurück nach Rumänien verbracht worden sein, ohne tatsächlich einen Wohnsitz in Bayern zu begründen. Die durchgeführten Ermittlungen haben den Verdacht nicht bestätigt. Auf die Antwort zu Frage 1.1 wird Bezug genommen. Folgendes Tatmuster war nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit in den in anderen Bundesländern aufgedeckten Betrugsfällen mit organisiertem Leistungsmissbrauch festzustellen: – Gut organisierte Hintermänner (vorwiegend Türken oder türkischstämmige Personen) locken mit falschen Versprechungen gezielt Menschen aus osteuropäischen Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22005 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22005 Ländern (überwiegend türkischsprachige Rumänen und Bulgaren) nach Deutschland. – Die Hintermänner treten gegenüber den Jobcentern in verschiedenen Rollen auf, z. B. als Arbeitgeber, Vermieter , Dolmetscher oder als Betreuer; zum Teil besteht Personalunion . – Sie verfolgen das Ziel, dass an diese Menschen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) sowie Kindergeld gezahlt werden, die dann wiederum von ihnen zum größten Teil einbehalten werden. – Als Arbeitgeber stellen sie Bescheinigungen über nicht bestehende Beschäftigungsverhältnisse aus. – Häufig vermieten sie den Leistungsbeziehern Wohnraum in verwahrlosten Immobilien (sogenannte Schrottimmobilien ) zu überhöhten Mietpreisen. – Sie begleiten die Leistungsbezieher zu Terminen bei den Jobcentern und bieten sich als Dolmetscher an. Eine korrekte Übersetzung ist dann nicht mehr gewährleistet. – Einige SGB-II-Leistungsbezieher und deren Kinder halten sich nur kurzfristig in Deutschland auf. Über eine ausgeklügelte Logistik wird sichergestellt, dass die SGB-II-Leistungsbezieher bei Einladungen des Jobcenters rechtzeitig wieder einreisen. 3.1 Wie hoch ist der bisher entstandene Schaden durch „Hartz-IV-Banden“ in Bayern? Entfällt (vgl. Antwort zu Frage 1.1). 3.2 Gibt es örtliche Betrugsschwerpunkte im Freistaat ? Entfällt (vgl. Antwort zu Frage 1.1). 3.3 Wird darüber eine Statistik geführt? Die Bundesagentur für Arbeit führt eine offizielle Statistik über alle im SGB II eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Leistungsmissbrauch und deren Erledigung (Niederschlagung, Ordnungswidrigkeit, Strafverfahren ). Diese Statistik erfasst alle Jobcenter in Bayern, also sowohl gemeinsame Einrichtungen als auch zugelassene kommunale Träger. In der Statistik werden allerdings nur die individuellen Einzelverfahren erfasst, Rückschlüsse auf organisierte Tatmuster sind daraus nicht bzw. nur bedingt (z. B. Häufung von Verfahren in einzelnen Regionen) ableitbar. Daher hat die Bundesagentur für Arbeit ab 2017 über ihre Regionaldirektionen ein Monitoring aufgelegt, mit dem die ihrer Aufsicht unterliegenden Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen nach § 44b SGB II) jährlich die Verdachtsfälle auf organisierten Leistungsmissbrauch melden und die eingeleiteten Schritte zur Verfolgung und Bekämpfung darlegen . Die Erhebung zum Stichtag 31.12.2017 bestätigte für den Bereich Bayerns das in der Antwort zu Frage 1.1 dargestellte unauffällige Bild, das sich bereits bei einer vorherigen Meldung im zweiten Quartal 2017 abgezeichnet hatte. Das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales hat bei den seiner Aufsicht unterliegenden Jobcentern (zugelassene kommunale Träger nach § 6a SGB II) kürzlich ein vergleichbares Verfahren mit vergleichbarem Ergebnis durchgeführt. Bei den bayerischen Staatsanwaltschaften und Strafgerichten ist ein Bezug zu sog. Hartz-IV-Banden kein statistisches Merkmal, das gesondert erfasst wird. Daher lassen sich etwaige Ermittlungsverfahren nicht durch Auswertungen aus den EDV-Systemen der Staatsanwaltschaften feststellen. Auch statistische Daten zu Verfahrenszahlen und Verfahrensbeendigungen liegen dem Staatsministerium der Justiz aus diesem Grund nicht vor. Auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) Bayern wird Sozialleistungsbetrug nur allgemein ausgewiesen. Eine Unterscheidung nach bandenmäßig begangenem Sozialleis tungsbetrug und nichtbandenmäßig begangenem Sozialleistungsbetrug findet nicht statt, eine Auswertung der PKS ist in dieser Hinsicht nicht möglich. 4. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bisher getroffen, um Betrügern das Handwerk zu legen bzw. was wird präventiv getan? Aufgrund der in anderen Bundesländern aufgedeckten Betrugsfälle haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Bundesländer und die Bundesagentur für Arbeit ab 2017 bundesweit die präventive Bekämpfung des organisierten Leistungsmissbrauchs in den Fokus genommen . Neben der erwähnten Einrichtung eines Monitorings bei der Bundesagentur für Arbeit wurde ein Leitfaden für die Jobcenter erstellt, in dem Tatmuster dargestellt und Maßnahmen zur Prävention sowie Aufdeckung des organisierten Leistungsmissbrauchs dargestellt werden. Insgesamt wurde die Thematik in den bayerischen Jobcentern intensiv behandelt. Daher sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezüglich des organisierten Leistungsmissbrauchs in hohem Maße sensibilisiert. Die Staatsregierung steht seit 2016 in regelmäßigem Austausch mit der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit und gewährleistet auf diese Weise einen fortlaufenden Informationsaustausch bezüglich der Bekämpfung des organisierten Leistungsmissbrauchs. Die Staatsregierung hat der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit mehrfach Unterstützung mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaften angeboten, um auch außerhalb des eigenen Aufsichtsbereiches (betreffend die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b SGB II) tätig zu werden. Dasselbe Unterstützungsangebot wurde selbstverständlich auch gegenüber den der eigenen Aufsicht unterstehenden Jobcentern (zugelassene kommunale Träger nach § 6a SGB II) unterbreitet. Bei bestehendem Anfangsverdacht auf Straftaten sind die Staatsanwaltschaften zum Einschreiten verpflichtet (sog. Legalitätsprinzip, § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung – StPO). Dies ist in dem in der Antwort zu Frage 1.1 genannten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Landshut geschehen. Auch in möglichen künftigen Fällen werden die Staatsanwaltschaften bei Vorliegen eines Anfangsverdachts tätig werden. Auch durch die Bayerische Polizei werden bei Bekanntwerden von Fällen des (bandenmäßig begangenen) Sozialleistungsbetruges sämtliche rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen, um ein weiteres strafbares Handeln der Täter zu verhindern und die erkannten Straftaten zu verfolgen. Gemeinsam mit den Vorteilen aus der dezentralen Jobcenter -Struktur besteht somit aus Sicht der Staatsregierung ein gut funktionierendes Frühwarnsystem zur präventiven Bekämpfung bzw. schnellen Aufdeckung des organisierten Leistungsmissbrauchs. 5. Wie viele Straftaten dieser „Hartz-IV-Banden“ wurden untersucht bzw. vor Gericht verhandelt? Entfällt (vgl. Antwort zu Frage 1.1).