Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ulrike Gote BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.03.2018 Abschiebung der Familie J. aus Selb nach Baku, Aserbaidschan Am frühen Morgen des 02.03.2018 wurde die Familie J. nach Baku, Aserbaidschan, abgeschoben. Die Familie J. lebte seit April 2014 in Selb-Erkersreuth, Oberfranken, in einer Gemeinschaftsunterkunft und war dort vorbildlich integriert . Die beiden jüngsten Kinder, ein und drei Jahre alt, sind in Deutschland geboren, ihre 10-jährige Schwester wollte dieses Jahr von der Grundschule auf die Realschule wechseln. Der 17-jährige Sohn hatte den qualifizierenden Hauptschulabschluss bereits bestanden und war dabei, die Realschule abzuschließen. Die ganze Familie J. war in Selb vorbildlich integriert und spricht sehr gut Deutsch. Der 17-jährige Sohn spielte Fußball im Verein und die Eltern hätten , wenn sie eine Arbeitserlaubnis erhalten hätten, jederzeit arbeiten können. Die ganze Familie J. stand in ständigem und freundschaftlichem Kontakt mit Unterstützerinnen und Unterstützern des Vereins Zuflucht in Selb e. V. Nachdem die Familie, die Männer in Handschellen, die beiden kleinen Kinder in Schlafanzügen, nach Baku gebracht worden war, wurde Herr J., der Vater, dort verhaftet. Ich frage die Staatsregierung: 1.1 Auf welcher Grundlage wurde die Entscheidung getroffen , die Familie J. nach Aserbaidschan abzuschieben ? 1.2 Warum wurde entschieden, die Familie J. abzuschieben , obwohl die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Bayreuth den Eltern versprochen hatte, dass noch drei bis vier Monate abgewartet werden würde, bis die Pässe vorlägen? 1.3 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung für eine Rückkehr der Familie J. nach Deutschland? 2.1 Warum wurde es den Eltern im Zuge der Abschiebung verwehrt, die Kleinkinder den Temperaturen angemessen anzuziehen? 2.2 Wie wurde sichergestellt, dass die Familie J. in Baku menschenwürdig unterkommen kann? 2.3 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung zur Behandlung der durch die Abschiebung verursachten Traumata der Kinder in Baku? 3.1 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung für die Ausbildung der Kinder in Aserbaidschan? 3.2 Warum wurde dem ältesten Sohn nicht zumindest durch eine Duldung ermöglicht, die Realschule abzuschließen ? 3.3 Wurde die Abschiebung der Familie J. bewusst so terminiert, dass verhindert werden konnte, dass der älteste Sohn nach vierjährigem Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erhält? 4.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan, im Speziellen über die Behandlung von Häftlingen? 4.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über das Rechtssystem in Aserbaidschan? 4.3 Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die Familie J. in Aserbaidschan sicher vor Folter ist? Antwort des Staatsministeriums des Innern und für Integration vom 02.05.2018 1.1 Auf welcher Grundlage wurde die Entscheidung getroffen, die Familie J. nach Aserbaidschan abzuschieben ? Nach § 58 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar, eine Ausreisefrist abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist. Alle sechs Mitglieder der Familie J. waren nach negativem Abschluss der durchgeführten Asylverfahren vollziehbar ausreisepflichtig. Die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise war abgelaufen . Mangels Vorliegen von Reisedokumenten war die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert. 1.2 Warum wurde entschieden, die Familie J. abzuschieben , obwohl die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Bayreuth den Eltern versprochen hatte, dass noch drei bis vier Monate abgewartet werden würde, bis die Pässe vorlägen? Familie J. wurde bei ihrem Vorsprachetermin am 12.02.2018 von der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Oberfranken in Bayreuth (ZAB Oberfranken) informiert, dass sie ab dem 18.02.2018 mit einer Abschiebung zu rechnen habe, sollte eine freiwillige Ausreise bis dahin nicht erfolgt sein. Eine Zusage, dass eine Aufenthaltsbeendigung in den nächsten drei bis vier Monaten nicht erfolgen werde, gab es seitens der Ausländerbehörde nicht. 1.3 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung für eine Rückkehr der Familie J. nach Deutschland ? Die Rückkehr der Familie J. nach Deutschland richtet sich nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Regelungen, Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22025 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22025 wie sie für jeden ausländischen Drittstaatsangehörigen (d. h. aus Nicht-EU-Staaten) gelten. Aufgrund der erfolgten Abschiebung ist jedoch zu beachten , dass gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten darf, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für alle sechs Mitglieder der Familie J. auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. 2.1 Warum wurde es den Eltern im Zuge der Abschiebung verwehrt, die Kleinkinder den Temperaturen angemessen anzuziehen? Familie J. hatte ausreichend Zeit zum Anziehen und zum Packen der Koffer. Die Kleinkinder wurden den Temperaturen entsprechend angezogen. 2.2 Wie wurde sichergestellt, dass die Familie J. in Baku menschenwürdig unterkommen kann? Für die bei Verweigerung der freiwilligen Ausreise gesetzlich vorgeschriebene Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen sind die Ausländerbehörden zuständig. In Bezug auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sind die Ausländerbehörden hierbei an die Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bzw. des Verwaltungsgerichts gesetzlich gebunden (§ 42 Asylgesetz). Nach Übergabe der abzuschiebenden Personen an die Behörden des Zielstaates sind diese für die weitere Betreuung und Behandlung ihrer Staatsangehörigen zuständig. 2.3 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung zur Behandlung der durch die Abschiebung verursachten Traumata der Kinder in Baku? Für die Behandlung von Erkrankungen stehen Familie J. die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung, wie sie sich auch allen anderen in Aserbaidschan lebenden Erkrankten bieten. 3.1 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung für die Ausbildung der Kinder in Aserbaidschan? Familie J. stehen die gleichen Möglichkeiten für die Ausbildung zur Verfügung, wie sie sich auch allen anderen in Aserbaidschan lebenden Kindern bieten. 3.2 Warum wurde dem ältesten Sohn nicht zumindest durch eine Duldung ermöglicht, die Realschule abzuschließen ? Der älteste Sohn der Familie J. verfügte bereits über einen im Bundesgebiet erworbenen Schulabschluss. Er hatte im Schuljahr 2016/2017 den Mittelschulabschluss erworben. 3.3 Wurde die Abschiebung der Familie J. bewusst so terminiert, dass verhindert werden konnte, dass der älteste Sohn nach vierjährigem Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erhält? Nein. 4.1 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan, im Speziellen über die Behandlung von Häftlingen? 4.2 Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über das Rechtssystem in Aserbaidschan? 4.3 Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die Familie J. in Aserbaidschan sicher vor Folter ist? Die Prüfung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen des Asylverfahrens. Die Ausländerbehörden sind an die Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bzw. des Verwaltungsgerichts gesetzlich gebunden (§ 42 Asylgesetz). Erkenntnisse über die Menschenrechtslage oder das Rechtssystem in Aserbaidschan sind deshalb bei der Durchführung von Abschiebungen unbeachtlich . Auch gehört es nicht zu den Aufgaben der Ausländerbehörde , Schutzmaßnahmen vor Folter zu treffen, da bei Durchführung der Abschiebung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit der Asylentscheidung bereits festgestellt wurde, dass den Personen im Heimatland keine Folter droht. Drucksache 17/22025 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3