Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander König CSU vom 01.03.2018 Mindestwasserleitfaden für Kraftwerke bis 500 Kilowatt Ich frage die Staatsregierung: 1. Welchen Wortlaut hat die Rechtsgrundlage, wonach ein Mindestwasserleitfaden für Wasserkraftwerke bis 500 Kilowatt (kW) erforderlich ist, wann wurde der derzeit geltende Mindestwasserleitfaden in Kraft gesetzt und welchen Wortlaut hat die Rechtsgrundlage, welche die Erstellung eines neuen Mindestwasserleitfadens zwingend erfordert? 2. Welchen Wortlaut hat der offensichtlich bereits erstellte Entwurf eines neuen Mindestwasserleitfadens, wie haben sich die dort festgelegten Abflussmengen, welche an den Wasserkraftwerken vorbeigeleitet werden müssen und damit zur Stromerzeugung nicht zur Verfügung stehen, gegenüber dem bisher geltenden Wasserleitfaden verändert und welche Strommengen aus Wasserkraft könnten in Bayern zukünftig durchschnittlich pro Jahr nicht mehr erzeugt werden, wenn dieser Entwurf Gültigkeit erlangen würde? 3. Wer hat die Erstellung eines neuen Mindestwasserleitfadens beauftragt, wer hat ein Projektteam aus Nordrhein-Westfalen mit einem vorbereitenden statistischen Gutachten beauftragt und wie war die politische Führung an diesen Entscheidungen beteiligt? 4. Warum wurde ein Projektteam aus Nordrhein-Westfalen und nicht ein in Bayern ansässiges Fachleuteteam mit der Erstellung eines vorbereitenden statistischen Gutachtens beauftragt, gab es ein wettbewerbliches Verfahren zur Vergabe dieses Gutachtens und was hat dieses gekostet? 5. Entspricht das genannte Gutachten den Erwartungen der Staatsregierung, sind die dort zugrunde gelegten Daten für die erstrebten Erkenntnisse ausreichend und ist das Gutachten in sich systematisch fehlerfrei erstellt worden? 6. Hat die Staatsregierung die Betreiber von Wasserkraftwerken bis 500 kW vor der Erstellung des Entwurfs des Wasserleitfadens gehört, erfolgte eine energiewirtschaftliche Folgenabschätzung im Hinblick auf das öffentliche Interesse und eine betriebswirtschaftliche Folgenabschätzung bezüglich der Existenzfähigkeit der Wasserkraftwerksbetreiber angesichts der in den Entwurf Eingang gefundenen drastisch erhöhten Abflussmengen und, wenn nein, warum nicht? 7. Genügt der Entwurf des neuen Mindestwasserleitfadens dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb und der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes? 8. Ist die Staatsregierung daran interessiert, dass auch zukünftig in Wasserkraftwerken bis 500 kW Strom erzeugt wird, und sieht daher auch die Notwendigkeit, dass Anforderungen an die Kraftwerksbetreiber auch sozialen und ökonomischen Anforderungen gerecht werden müssen? Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie vom 03.05.2018 1. Welchen Wortlaut hat die Rechtsgrundlage, wonach ein Mindestwasserleitfaden für Wasserkraftwerke bis 500 Kilowatt (kW) erforderlich ist, wann wurde der derzeit geltende Mindestwasserleitfaden in Kraft gesetzt und welchen Wortlaut hat die Rechtsgrundlage, welche die Erstellung eines neuen Mindestwasserleitfadens zwingend erfordert ? Die Nutzung der Wasserkraft als saubere, emissionsfreie Energie hat in Bayern eine lange Tradition. Das geltende Wasserrecht (Bundesrecht und Europarecht) stellt rechtliche Vorgaben an die ökologischen Anforderungen der Gewässer . Mit dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes vom 31.07.2009 (BGBI. S. 2585) wurde unter anderem die Mindestwasserführung explizit und erstmalig gesetzlich geregelt (§ 33 WHG). Die Regelung trägt zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben aus der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bei. Der Restwasserleitfaden des damaligen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen aus dem Jahr 1999 dient den Wasserwirtschaftsämtern als Arbeitsanleitung zur Abschätzung von Mindestabflüssen in wasserkraftbedingten Ausleitungsstrecken bis zu einer Anlagenleistung von 500 kW und steuert die Ermessensausübung der Wasserrechtsbehörden. Eine abschließende Entscheidung erfolgt im konkreten Einzelfall durch die zuständigen Behörden vor Ort. Der vorliegende Vorschlag zur Fortschreibung des Restwasserleitfadens wird nicht weiterverfolgt. Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter w w w . bayern . landtag . de–Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter w w w . bayern . landtag . de–Aktuelles/ Sitzungen / Tagesübersicht zur Verfügung. 17. Wahlperiode 10.09.2018 Drucksache 17/22027 Bayerischer Landtag Seite 2 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Drucksache 17/22027 2. Welchen Wortlaut hat der offensichtlich bereits erstellte Entwurf eines neuen Mindestwasserleitfadens , wie haben sich die dort festgelegten Abflussmengen, welche an den Wasserkraftwerken vorbeigeleitet werden müssen und damit zur Stromerzeugung nicht zur Verfügung stehen, gegenüber dem bisher geltenden Wasserleitfaden verändert und welche Strommengen aus Wasserkraft könnten in Bayern zukünftig durchschnittlich pro Jahr nicht mehr erzeugt werden, wenn dieser Entwurf Gültigkeit erlangen würde? Die Festlegung, wie viel Wasser in einem natürlichen Gewässer verbleiben muss, ist immer eine Einzelfallentscheidung durch die zuständige Behörde vor Ort. Ein erster Diskussionsvorschlag zur Fortschreibung des Restwasserleitfadens wird nicht weiterverfolgt. Das Thema wird ökologisch und ökonomisch neu angegangen. 3. Wer hat die Erstellung eines neuen Mindestwasserleitfadens beauftragt, wer hat ein Projektteam aus Nordrhein-Westfalen mit einem vorbereitenden statistischen Gutachten beauftragt und wie war die politische Führung an diesen Entscheidungen beteiligt? Die EU-Mitgliedstaaten und die EU-Kommission haben eine „Gemeinsame Umsetzungsstrategie“ für die WRRL erarbeitet . Diese beinhaltet insbesondere die Abstimmung zu verschiedenen fachtechnischen Fragen. Anfang 2015 wurde von der EU-Kommission das Common Implementation Strategy (CIS) Guidance Document No. 31: „Ecological flows in the implementation of the Water Framework Directive (WFD)“ herausgegeben, das von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen ist. Ebenfalls gelten die unter Nr. 1 genannten Vorgaben durch die Anwendung der nationalen Wassergesetze . Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) ist für die Umsetzung der WRRL in Bayern zuständig. Die in diesem Zusammenhang gemäß § 83 WHG fortgeschriebenen, behördenverbindlichen Bewirtschaftungspläne für die Flussgebiete Bayerns wurden nach der öffentlichen Anhörung von Dezember 2014 bis Juni 2015 und anschließender Behandlung im Ministerrat verabschiedet. Vor diesem Hintergrund hat das StMUV das Landesamt für Umwelt (LfU) im September 2015 damit beauftragt, sich mit dem Restwasserleitfaden von 1999 zu befassen. Fachleute der bayerischen Wasserwirtschaft (LfU, Wasserwirtschaftsämter , StMUV), der Fischereifachverwaltung und Vertreter des Staatsministeriums für Wirtschaft, Energie und Technologie (StMWi) haben diesen Prozess begleitet. 4. Warum wurde ein Projektteam aus Nordrhein- Westfalen und nicht ein in Bayern ansässiges Fachleuteteam mit der Erstellung eines vorbereitenden statistischen Gutachtens beauftragt, gab es ein wettbewerbliches Verfahren zur Vergabe dieses Gutachtens und was hat dieses gekostet? Bei der zu vergebenden Leistung handelte es sich um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Einkommensteuergesetz (EStG), die entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch im Wettbewerb mit Freiberuflern angeboten wird. Die Vergabe erfolgte nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen (Art. 55 Bayerische Haushaltsordnung – BayHO) auf dem Wege der Angebotseinholung im Wettbewerb mehrerer Bieter /Bietergemeinschaften. Die Auswahl von Bietern erfolgte nach sachlichen Gesichtspunkten, wobei das Hauptgewicht auf der Eignung für die Ausführung entsprechender Leistungen (fachliche Expertise in der Gewässerökologie, Kenntnisse der Gewässer und ihre wissenschaftliche Bewertung) lag. Den Zuschlag als wirtschaftlichstes Angebot bekam ein in Fachkreisen anerkanntes Büro mit weitreichender Expertise für die Bearbeitung entsprechender Fragestellungen. Die Vergütung betrug rd. 82.000 Euro inkl. Umsatzsteuer. 5. Entspricht das genannte Gutachten den Erwartungen der Staatsregierung, sind die dort zugrunde gelegten Daten für die erstrebten Erkenntnisse ausreichend und ist das Gutachten in sich systematisch fehlerfrei erstellt worden? Das Gutachten entspricht fachlich den Anforderungen. Die Bearbeitung der Fragestellung wurde unter Federführung des LfU (siehe Antwort zu Frage 3) methodisch und inhaltlich begleitet. Das Gutachten liefert eine statistisch abgeleitete Grundlage und entspricht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung . Bei den zugrunde gelegten Daten handelt es sich um die in Bayern im zweiten Monitoringzyklus der WRRL gewonnenen , qualitätsgeprüften und veröffentlichten Untersuchungsergebnisse , ergänzt um Grundlagendaten zur Hydrologie . 6. Hat die Staatsregierung die Betreiber von Wasserkraftwerken bis 500 kW vor der Erstellung des Entwurfs des Wasserleitfadens gehört, erfolgte eine energiewirtschaftliche Folgenabschätzung im Hinblick auf das öffentliche Interesse und eine betriebswirtschaftliche Folgenabschätzung bezüglich der Existenzfähigkeit der Wasserkraftwerksbetreiber angesichts der in den Entwurf Eingang gefundenen drastisch erhöhten Abflussmengen und, wenn nein, warum nicht? Der Prozess ist gestoppt. Betroffene Verbände und Behörden waren in drei Workshops (20.04.2016 in Nürnberg, 20.10.2016 in Augsburg, 09.02.2018 in München) und mehreren bilateralen Gesprächen eingebunden. Gemeinsam mit betroffenen Verbänden und Ressorts soll daher im Rahmen der rechtlichen Vorgaben ein umfassender Konsens gefunden werden. Der Grundstein dafür wird in einem Konsultationsverfahren gelegt: – Ein „Fakten-Check“ soll die Abschätzung möglicher wirtschaftlicher Folgen aufgrund veränderter Mindestwasserabgaben mit Analysen zum Einfluss der Wasserkraft auf die Gewässerökologie verbinden. – In einem „Praxis-Check“ werden verschiedene Fallkonstellationen und Szenarien untersucht. – Weiterer zentraler Baustein ist die Prüfung, wie Verfahren innerhalb der Flussgebiete harmonisiert werden können . 7. Genügt der Entwurf des neuen Mindestwasserleitfadens dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb und der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes? Der Entwurf wird nicht weiterverfolgt. Drucksache 17/22027 Bayerischer Landtag · 17. Wahlperiode Seite 3 8. Ist die Staatsregierung daran interessiert, dass auch zukünftig in Wasserkraftwerken bis 500 kW Strom erzeugt wird, und sieht daher auch die Notwendigkeit, dass Anforderungen an die Kraftwerksbetreiber auch sozialen und ökonomischen Anforderungen gerecht werden müssen? Wasserkraft ist wesentlicher Bestandteil der regenerativen Energiegewinnung und unverzichtbarer Baustein im bayerischen Energiemix. Mit einer Jahreserzeugung von etwa 12.500 Gigawattstunden – GWh – (langjähriges Mittel) trägt die Wasserkraft mit rd. 15 Prozent zur gesamten Bruttostrom erzeugung Bayerns bei und hat den größten Anteil unter den erneuerbaren Energien. Rechnerisch werden damit rd. 10 Mio. Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr vermieden. Die Staatsregierung hat sich klar für den Erhalt und Ausbau der heimischen Wasserkraft ausgesprochen. Ziel ist gemäß Bayerischem Energiekonzept „Energie innovativ“ vom 24.05.2011 und der Bayerischen Strategie zur Wasserkraft vom 17.04.2012 das Potenzial im Einklang mit der Natur zu heben. Als Ergebnis des Energiedialogs des damaligen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie wurde im Februar 2015 das noch erschließbare Wasserkraftpotenzial auf rd. 1.000 GWh/Jahr beziffert. Wasserkraftwerke bis 500 kW können und sollen hierzu einen Beitrag leisten. Beim Ausbau der Wasserkraft wird verstärkt auf die Verträglichkeit für die Natur und insbesondere die Fische geachtet . Vorrang hat die Modernisierung und Nachrüstung bestehender Anlagen. Neue Anlagen kommen vor allem an bereits existierenden Querbauwerken und im Zusammenhang mit flussbaulichen Maßnahmen, etwa zur Stabilisierung der Gewässersohle, infrage. Im Energieatlas Bayern sind in der Gebietskulisse Wasserkraft geeignete Standorte für die Wasserkraftnutzung dargestellt. Es gilt, im Einzelfall ökologisch-ökonomisch optimierte Lösungen zu finden, die sicherstellen, dass die durch geltendes Wasserrecht vorgegebenen Umweltziele erreicht werden und gleichzeitig auch eine wirtschaftlich sinnvolle energetische Nutzung der Gewässer ermöglicht wird. Um dies zu gewährleisten, soll die zukünftige Regelung mit allen betroffenen Ressorts abgestimmt und im Ministerrat behandelt werden.